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Siebzehntes Kapitel.
Gute Geschäfte

Am andern Morgen in der Frühe schrieb ich noch einige Kohlbriefe (Bettelbriefe) und machte mich auf den Weg, um zu versuchen, wie es mit der Wohlthätigkeit in Mannheim bestellt sei. Ich wagte nicht, in dem Anzug von Baden-Baden aufzutreten, ich hatte mich anständig dunkel gekleidet und gab mein eisernes Kreuz mit Zeugnis an den Thüren ab. Drüben über dem Neckar steht ein stolzes Palais, das mir vornehmlich in die Augen leuchtete und das ich vorerst in Angriff zu nehmen beschloß. Ich steckte mir eine Cigarre an, um den Verdacht abzulenken, als sei ich ein Bettler. An der Thüre gab ich mein Schreiben ab und bedeutete dem Mädchen, daß ich auf Antwort wartete. Nach kurzer Zeit kam dasselbe wieder und brachte mir drei Gulden. Zufrieden verließ ich das Haus, steckte die Cigarre wieder an und begab mich zu Frau Bassermann am Marktplatz. Auch hier empfing mich ein Kammermädchen.

»Wer sind Sie, wenn die gnädige Frau fragt?«

»Sagen Sie nur, ich sei ein verunglückter Krieger; hier ist mein Orden.«

Es dauerte nicht lange, so kam Frau Bassermann selbst, gab mir zwei Thaler und einen großen Pack Kleider und sagte in mitleidigem Tone: »Ich würde Ihnen gerne mehr geben, allein die Not ist zu groß und ich möchte doch keinen zurückweisen.«

»Ich bin mit allem zufrieden, gnädige Frau, Gott möge es Ihnen lohnen.«

Die zwei gefährlichsten Häuser waren glücklich abgemacht, denn hier treibt sich die Polizei am meisten herum. Ich ging in das Kaffee Bowald, wo ich meine Beute musterte. Da saß nicht weit von mir ein Dienstmann, der mir aufmerksam zuschaute. Endlich sagte er: »Sie sind gewiß ein Handwerksbursch?«

»Ja, das bin ich.«

»Nun, da kann ich Ihnen versichern, daß die Stadt gut ist für einen, der sich auskennt.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich bin ein Dienstmann und weiß hier alle Leute, welche ein gutes Gemüt haben – für die Armen. Wenn Sie sich darauf verstehen, können Sie ein schönes Sümmchen zusammenfechten. Da giebt es Herrschaften, die drei und vier Gulden spenden, wenn einer nicht zerlumpt daherkommt. So hat man die Gebrüder Ladenburger, Herrn Bassermann, v. Espenschied, Frau Ladenburger, die Vorsteherin vom Frauenverein, die verschiedenen Geistlichen, den Wißwässer, den Häuptling von den »Betisten« (Pietisten) und noch viele andere. Da bekommen Sie Geld und Kleider, mehr wie Sie brauchen können. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen morgen die Häuser; mir ist ganz egal, wie ich mein Geld verdiene.«

»Einverstanden. Ich habe gute Militärpapiere und das eiserne Kreuz von 1870. Kommen Sie morgen um neun in den Halbmond, dann können Sie mich begleiten.«

»Aber solche Päcke, wie Sie da einen haben, sollten Sie nicht nachtragen; die müssen Sie sofort verkaufen, sonst kommt Ihnen der erste beste Schutzmann auf den Hals.«

»Sie haben Recht; aber wer kauft Sie hier?«

»Was haben Sie denn?«

»Zwei vollständige Anzüge, mehrere Paare Unterhosen, Strümpfe und Zugstiefeln.«

»Was wollen Sie für das Zeug?«

»Für zehn Gulden gebe ich alles her.«

Nach zehn Minuten war er wieder da und händigte mir das Geld ein, wovon er einen Gulden erhielt.

Am andern Morgen um neun Uhr traten der Dienstmann und ich nach einem tüchtigen Gabelfrühstück unsern Geschäftsgang an. Wir suchten alle wohlthätigen Familien auf und ich wurde kein einziges Mal abgewiesen. Auf der Straße steckte ich mir immer wieder die Cigarre an und wenn ein Schutzmann mich musterte, zog ich ein Notizbuch aus der Tasche, ging keck auf ihn zu und fragte ihn nach irgend einer Adresse. Da der Dienstmann ein Päckchen hinter mir hertrug, mußte der verblüffte Wächter des Gesetzes mich für einen Reisenden halten und gab mir jedesmal sehr höfliche Auskunft. Hatten wir wieder ein stattliches Packet Kleider beisammen, so legte sie mein Begleiter in irgend einer benachbarten Wirtschaft ab. Mittags vier Uhr waren wir fertig und ließen uns in einer Wirtschaft ein vortreffliches Essen bereiten. Wir hatten alle Ursache mit dem Rundgang zufrieden zu sein. Der Dienstmann holte die verschiedenen Päcke zusammen, worauf sie gesichtet und mit dem Verkaufspreise bezeichnet wurden. Wir zählten zehn vollständige Anzüge und viele einzelne Kleidungsstücke. Ich behielt den schönsten, der Dienstmann bekam einen andern, für das Übrige erlöste ich 25 Gulden. An Bargeld hatte ich 30 Gulden in der Tasche. Außer dem Anzuge gab ich dem Dienstmann drei Thaler und jeder ging zufrieden seine Wege.

Abends hatte ich Gelegenheit, noch einmal ein Geschäftchen zu machen, was mir Vergnügen bereitete. Wie ich da saß und mir etwas Gutes zu essen geben ließ, sah ich, wie zwei Burschen neben mir genau auf mich achteten. Ich blickte in eine Zeitung, hörte aber, wie der eine zum andern sagte:

»Hast Du seine Mesummes gespannt?«

»Ich habe nobis gereint.«

»So mußt Du genau den Spannenberger machen.«

»Hegt der Aff schwere Mesummes, so muß er auf die Gamore (Karten) springen, ob er will oder nicht.«

Ich that, als ob ich nichts von allem verstände, zog meinen Geldbeutel und zahlte recht umständlich, damit sie meine Barschaft bemerkten. Die Prüfung muß befriedigend ausgefallen sein, denn sie machten sich in der bekannten Weise an mich. Zuerst spielten sie miteinander, und dann fragten sie mich, ob ich nicht mitthue, man könne leicht gewinnen, wenn man die Augen gut aufmache.

Ich sagte zuerst, ich verstehe das Spiel nicht und wolle noch einmal zusehen. Der eine ließ den andern wieder gewinnen, bis ich endlich erklärte, ich wolle auch einmal einen Thaler dranwagen, aber nicht mehr. Sie spielten das gewöhnliche Kümmelblatt und ich wußte, daß ich das erste Mal gewinnen würde. Ich setzte meinen Thaler und gewann richtig einen zweiten dazu. Ruhig steckte ich mein Geld in die Tasche und sagte: »Jetzt hab ich genug.« Erstaunt und entrüstet blickten sie mich an, bis ich endlich erklärte: »Für diesmal habt Ihr fehlgeschossen, der Affe ist bekochem und hüpft nicht auf Eure Falle. Damit Ihr aber seht, daß ich nichts von Euch gewinnen will, gebe ich den Thaler zum Besten.« Sie mußten schließlich selbst lachen, als sie fanden, daß sie an den Falschen geraten waren.


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