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In Baden-Baden, wo ich gern geblieben wäre, fand ich keine Arbeit, weswegen ich nach Offenburg weiter fuhr. Dort stellte mich ein Meister Namens B. ein, der mir einen sehr annehmbaren Lohn bot. Bald fand ich aber, daß es in diesem Hause nicht auszuhalten war. Der Mann lebte in wilder Ehe mit einer Jüdin, die er in der rohesten Weise behandelte, so daß ich mich wunderte, daß diese Person bei ihm blieb. Schon morgens ging der Spektakel an mit Schimpfen und Toben und Abends wenn er Branntwein getrunken hatte, schlug er sie oder warf ihr einen Leisten an den Kopf, daß manchmal das Blut herabfloß. Auf die Dauer konnte ich das nicht ansehen und machte mich deshalb fremd. Die zwei Leute hatten die Hölle in ihrem Hause.
Schon nach einer Stunde hatte ich in derselben Stadt wieder einen andern Platz, wo es mir besser gefiel. Ich fand mehrere Gesellen da, denen ich in der Arbeit weit nachstand, in der Lumperei aber weit voraus war. Es zog mit mir kein guter Geist in die Werkstatt; ich gab den Ton an, verführte die anderen zu allen möglichen Ausgaben und Vergnügungen, und wenn hie und da blau gemacht wurde, drohte der Meister immer lauter, er werde mich entlassen. Doch ehe er seine Drohung zur Ausführung brachte, wurde ich genötigt, selbst das Weite zu suchen. Ich hatte mich wieder in das Vertrauen eines ehrlichen, braven Bürgermädchens eingeschlichen, dem ich allerlei über meine glänzenden Familienverhältnisse vorspiegelte. Eine Zeit lang duldeten die Eltern das Verhältnis, aber endlich bestanden sie fest darauf, entweder solle ich ihre Tochter heiraten oder das Haus meiden. Es war mir um das Heiraten aber gar nicht zu thun und so packte ich rasch mein Bündel und verließ bei Nacht und Nebel die Stadt. Da ich kein Geld hatte, mußte ich mich auf die Walze begeben und focht mich bis Pforzheim, wo mir ein Meister H. Arbeit gab, durch. Dieses Fechten ist anfangs ein saures Geschäft, bis man gegen Schimpf und Schande abgestumpft ist und die Lust an der ehrlichen Arbeit verloren hat. Mir fiel es weniger schwer, denn ich trieb das Ding ja von Kindesbeinen an, aber ich habe Handwerksburschen gekannt, die lieber hungerten, als fechten gingen und in der Herberge manchmal Thränen vergossen über ihre erbettelten Heller, während der abgehärtete Stromer nebenan über solches Gebahren verächtlich lächelte und vergnüglich das Ergebnis seiner Sammelkunst in Branntwein umsetzte. – Der neue Pforzheimer Meister kam mir gleich etwas verdächtig vor: er muß tief verschuldet gewesen sein. Denn als ich nach acht Tagen meinen Lohn verlangte, weil ich mein Kostgeld bezahlen mußte, machte er solche Ausflüchte, daß ich kurz fragte: »Wollen Sie mir mein Geld geben oder nicht?« Als er den Kopf schüttelte, verließ ich sofort das Zimmer und begab mich in meine Kammer. Des Nachts stieg ich zum Fenster heraus, nicht ohne ein Paar neuer Stiefeln mitzunehmen, die ich am selben Tage fertig gemacht hatte. Ich lief bis zum nächsten Dorfe, wo ich meine Beute um acht Gulden losschlug. Dort bestieg ich die Bahn, fuhr bis Mannheim, und beeilte mich, über den Rhein ins Bayerische zu kommen.
Auf den 10. Mai 1870 mußte ich mich in Kusel zur Musterung stellen. Ich hatte nicht übel Lust, Soldat zu werden und kann heute noch nicht begreifen, warum man mich damals nicht eingereiht hat. Ich stand ganz überrascht da, und glaubte, falsch gehört zu haben, als man mir sagte: »Du bist frei,« und mich zur Thür hinausschob.
Nach langer Zeit sah ich endlich meine Heimat wieder und wurde dort, da ich gut in Kleidern stand, sehr angegafft und bewundert. Mit dem Mundwerk konnte ich auch gut fort und so erzählte ich denn den Bauersleuten, wo in der Welt ich gewesen sei und was ich in Wien und Berlin und Hamburg alles erlebt hätte. Endlich steckten sie die Köpfe zusammen und rückten mit dem Gesuch heraus, ich solle da bleiben und mein Schustergeschäft bei ihnen treiben. Ich hatte zwar nur ein Anlagekapital von sechs Kreuzern, allein sie verschafften mir Kredit und so konnte ich mir das nötige Handwerkszeug borgen. Allerdings mußte ich mich daran gewöhnen, morgens meine Bank und meinen Pechstuhl auf den Rücken zu nehmen und heute da, morgen dort in den Häusern zu arbeiten, wo ich die Kost und Taglohn bekam. Anfangs war mir dieses Herumziehen lästig, aber bald hatte ich mich daran gewöhnt. So viel sah ich jedoch, daß auf diesem Wege ein großer Gewinn nicht zu machen war und daß ich bei dem größten Fleiß in meiner Heimat ein armer Mann bleiben würde.
Mit einem Male kam der Krieg. Da ließen die Leute gar nichts mehr machen, denn sie sagten: »Wozu? Wenn die Franzosen kommen, nehmen sie uns doch alles weg, da behelfen wir uns mit dem Alten.« Die Franzosen kamen aber nicht, sondern die Preußen, ein Regiment nach dem andern, so daß man nichts als Pickelhauben sah. Wie die Leute singend da vorüberzogen, schoß mir der Gedanke durch den Kopf: »Wo die ihr Brod bekommen, bekommst Du Deines auch!« Ich lief richtig so weit mit ihnen, bis die Kugeln geflogen kamen, bis Saarbrücken, wo ich zur Rückkehr gezwungen wurde. Ich ging nach Hause, kaufte mir einige große Krüge, die ich mit Schnaps füllte und an einem Stricke um den Hals hängte. Damit zog ich dann den Soldaten nach in Feindesland und ernährte mich kümmerlich als ein armseliger, kleiner Marketender. Als der Krieg vorüber war, verkaufte ich alle meine Habseligkeiten, schaffte mir wieder einen Ranzen an und begab mich abermals auf Abenteuer hinaus in die weite Welt.