Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Frau Oberamtmann Kirchner sucht eine Wirtin. Sie hat sich an ein Vermietsbureau gewendet, und der betreffende Vermittler ersuchte sie, an einem bestimmten Tage zur Stadt zu kommen, er will ihr einige geeignete Persönlichkeiten vorführen, natürlich sämtlich »Perlen« in ihrem Fach.
Frau Kirchner sitzt im Abteil, und nach allem Hasten und Jagen, welches ihrer Abfahrt vorangegangen ist, wirkt die kurze Bahnfahrt nach Frauenstädt wie eine angenehme Erholung auf ihre überreizten Nerven.
Seit einigen Wochen ohne Wirtin, die sie wegen erwiesener Unredlichkeit plötzlich entlassen mußte, hat sie ihre Kräfte über Gebühr angestrengt, um allen Anforderungen zu genügen und sehnt ein Ende dieser Zeit aufrichtig herbei. Mancher Unregelmäßigkeit kam sie in diesen Wochen auf die Spur, wo sie mal wieder selber in jeden Winkel guckte und allerhand Unerfreuliches aufstöberte, aber auch die Einsicht blieb nicht aus, daß die Mamsell eigentlich ein sehr großes Arbeitsfeld hat. Es müßte doch angehen, ihr dasselbe ein wenig zu erleichtern und ihr Leben etwas angenehmer zu gestalten.
Frau Wally gibt sich innerlich das Versprechen: Wenn ich nur eine tüchtige Person erlange, so soll sie es bei mir gut haben, ich will sie mir dann um jeden Preis zu erhalten suchen. Zunächst etwas Lohn zulegen. Mein Gott, wie geht es bei der Wirtschaft über die Sachen, Schuhe, Röcke, Schürzen; alles wird tüchtig mitgenommen, und man verlangt stets größte Ordnung und Sauberkeit von der Mamsell. Sie ist daher mit ihrem Gatten übereingekommen, bei besonders guten Attesten event. bis zu 300 Mk. Jahresgehalt zu gehen, während sie sonst 240 Mk. zahlte und damit Unerhörtes zu leisten geglaubt hat. Auch für das Zimmer der Wirtin will sie heut in der Stadt einige Einkäufe machen, es fehlt da an allen Ecken, neue Vorhänge und eine Tischdecke sind unerläßlich, und die Waschvorrichtung sieht geradezu armselig aus. Es gibt so hübsche lackierte Waschtische mit allem Zubehör, so einen will sie erwerben. Man sieht, sie hat an der neuen Mamsell wohl allerhand gut zu machen, was sie an der früheren verschuldete. Ein Seufzer hebt Frau Wallys Brust, als sie diesen Gedankengang verfolgt. Da war z. B. Fräulein Hildmann. Ein nettes, fleißiges Mädchen aus gutem Bürgerhause, lustig und guter Dinge, ob die Arbeit auch noch so sehr drängte. »Lachtaube« nannten sie die jungen Leute, weil man ihr herzerfrischendes Lachen, ohne großen Anlaß, alle Augenblicke hören konnte. Jedermann mochte sie gern, denn ihre Gutherzigkeit war ebenso groß wie ihre Arbeitskraft.
Kam die Hausfrau etwas ängstlich in die Wirtschaftsräume, wo alle Hände beim Plätten oder anderen dringenden Arbeiten waren, um mit Fräulein Hildmann zu sprechen, weil sich schon wieder Besuch angesagt hatte, so klang die Antwort des jungen Mädchens frisch und fröhlich: »O, das macht nichts, gnädige Frau, wir sind bald fertig und wenn etwas bleiben sollte, so mache ich es morgen früh. Soll ich vielleicht schnell mürbe Kuchen backen und Hühner schlachten, oder haben gnädige Frau andere Befehle?« Und dann gings lustig weiter: »Anna, hol von den eingesteckten Hühnchen,« »Bertha, lege Feuer unter die Backröhre« usw., und dabei glitt das Plätteisen unentwegt über die schneeige Wäsche. Ja, sie war ein Schatz! Und warum mußte sie fort? Eine flüchtige Röte steigt in Frau Wallys Antlitz empor, wenn sie daran denkt. Sie war so töricht gewesen, eifersüchtig zu werden auf die Unermüdliche! Nicht, daß ihr Gemahl der Lachtaube sein Herz geschenkt hätte, bewahre, nur sein Magen fühlte sich ungemein geschmeichelt durch die Kochkunst Fräulein Hildmanns, welche die köstlichen Braten und pikanten Saucen nur so hinzuzaubern verstand. Das gute, runde Gesicht des jovialen Hausherrn strahlte förmlich bei Tisch, und laut rühmte er daheim und anderswo mit mehr Offenheit als Zartgefühl: »So gut wie jetzt haben wir noch nie gegessen, Fräulein Hildmann versteht ihre Sache ganz ausgezeichnet.« Auch in der Wirtschaft hieß es: »Das laß ich mir gefallen; jetzt herrscht Ordnung und Pünktlichkeit; stets ist sie zur rechten Zeit beim Melken, nie braucht der Beamte auf Frühstück oder Vesper zu warten.« Dies beständige Lobreden klang schließlich aufreizend in Frau Wallys Ohr. Ihr aufmerksamer Blick gewahrte doch auch Schatten, wenn auch ganz leichte, wo die Herren der Schöpfung nur helles Licht sahen und, – – – mein Gott, war denn die Wirtschaft vor Fräulein Hildmanns Zeit nicht auch ordentlich geführt worden? Galt sie selbst denn gar nichts?
Aus vorübergehenden Verstimmungen geriet sie schließlich in einen Zustand beständiger Gereiztheit; sie fing an Mängel bei der Lachtaube zu suchen und wo wären die bei den tüchtigsten Menschen nicht zu finden?
Die unausgesetzten Reibereien, die nun folgten und die das fröhliche Wesen des braven Geschöpfs allmählich in mitleiderregender Weise verwandelten, führten schließlich ein erregtes Zwiegespräch zwischen den Gatten herbei, das er mit den Worten schloß: »Ha, so laß sie doch gehen, wenn du meinst, daß es ohne sie besser ist; ich fürchte nur, wir bekommen nie wieder eine so tüchtige Person. – Du kannst doch auch nicht überall sein.« – Der versöhnende Nachsatz kam etwas verspätet und klang sehr absichtlich in Frau Wallys Ohr. Wie unglaublich kurzsichtig hatte sie gehandelt, hierauf wirklich der Lachtaube zu kündigen. Noch glaubt sie die Tränen in den Augen des jungen Mädchens aufsteigen zu sehen, als sie ihr das Urteil verkündete, natürlich in einem Augenblick, wo sich ein geringfügiger Anlaß zu Tadel fand, der hübsch ausgenützt, das Motiv hergeben mußte. Die Lachtaube gehörte zu jenen Naturen, die durch ein bißchen Anerkennung zum äußersten Entfalten aller Kräfte angespannt werden können, die aber mutlos die Flügel sinken lassen, wenn sie feindseligen Strömungen begegnen; sie bewegte sich wohlig in ihrem Element und ließ ihre sonnige Heiterkeit in inniger Dankbarkeit über ihre Umgebung strahlen, so lange diese ihre Tüchtigkeit pries, zog sich aber ängstlich und traurig zurück, als sie seitens der Hausfrau veränderte Gesinnungen spürte.
Frau Wally hat ernstlich bereut, aber gut machen konnte sie an Fräulein Hildmann nichts. Jetzt meint sie vieles übersehen zu wollen, wenn sie nur einmal wieder eine ähnliche Hilfe bekommt. Jeder der drei Nachfolgerinnen Fräulein Hildmanns hat sie größere Vorrechte eingeräumt, immer öfter bei kleinen Versehen ein Auge zugedrückt, nun sind ihre Ansprüche wirklich bescheidene geworden und auch diese hat die letzte Mamsell nicht erfüllt. Gibt es denn gar keine zuverlässigen Wirtinnen mehr, oder wo liegt sonst die Schuld an dem unangenehmen Zustand beständigen Wechsels? Und jetzt, wo ihre Hände ruhen und ihr Auge nicht durch wirtschaftliche Dinge in Anspruch genommen ist, hängt sie diesem Gedanken ungestört nach und glaubt die Ursache manchen Kampfes in der Unklarheit der Lebensstellung ihrer »Stützen« gefunden zu haben. So ein junges Mädchen, das nicht zur Familie und auch nicht gerade zu den Dienstboten gerechnet wird, hat nach oben fast gar keinen Halt. Es findet seinen Platz zu den Mahlzeiten wohl am Familientisch, aber darüber hinaus gibt es keinen Anschluß an die Prinzipalin und deren Töchter. Mit bitteren Gefühlen, mit Neid gegen die Bessersituierten, zieht sich die Stütze mit ihrem natürlichen Bedürfnis nach Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, in die unteren Regionen zurück, und wenige behalten dann die moralische Kraft, ihre Prinzipalin den Leuten gegenüber zu vertreten, meistens hetzen und klatschen sie mit den Dienstboten vereint gegen dieselbe. Entweder also man nimmt ein gebildetes Mädchen, der man, wie einer Erzieherin, vollen Anteil am Familienleben gewähren kann, oder man stellt eine einfache Wirtin an, die man äußerlich einigermaßen aus dem Rahmen der Dienstbotenstellung heraushebt, um ihr die nötige Autorität zu verschaffen, sonst aber in ihrer Sphäre beläßt. Das letztere scheint Frau Wally für ihre Verhältnisse das Richtige zu sein und sie ist entschlossen, dementsprechend zu handeln.
Der Zug hält an ihrem Bestimmungsort und sie begibt sich direkt in das Vermietsbureau, wo sie in dem mit einem gewissen Komfort als Empfangsraum eingerichteten dunkeln Hinterzimmer eine Weile warten muß. Endlich kommt Herr Neumann äußerst geschäftig an und legt ihr die Papiere der Wirtinnen vor, die er jede Minute zur Vorstellung erwartet. Unter den drei in Frage kommenden Persönlichkeiten ist nur eine, die allenfalls dem Bilde entspricht, welches Frau Kirchner seit einer Stunde vor Augen hat. Sie winkt bei den andern also sehr energisch ab und erwartet Nr. 3. Als diese dann hereinrauscht, hochmodern gekleidet, von üppiger Figur und königlicher Haltung und ohne weiteres ihrerseits der Dame sehr energisch mit Fragen zu Leibe rückt, sinkt ihr der Mut, und sie macht sich mit dem Gedanken vertraut, lieber noch ein Weilchen allein zu wirtschaften, als so einen Dragoner daheim herrschen zu lassen. Langsam erhebt sie sich, nachdem sie, der Beredsamkeit des Vermittlers gegenüber, fast schüchtern erklärt hat, weitere Vorschläge abwarten zu wollen.
In diesem Augenblick wird an die Tür gepocht, und an der empört hinausrauschenden Riesendame vorbei tritt ein nicht mehr junges, hageres weibliches Wesen ein. Die schlichte saubere Kleidung und die großen traurigen Augen in dem blassen nicht schönen Gesicht der Eintretenden erwecken unwillkürlich in Frau Wallys Herzen Sympathie, und sie zögert, um etwas von dem Anliegen derselben zu vernehmen. Da wendet sich auch schon Neumann herum:
»Vielleicht wäre das etwas für Sie, gnädige Frau, Fräulein Pauline ist allerdings weniger Stütze als gute Köchin und Wirtin, hat aber die besten Empfehlungen.« Damit reicht er Frau Kirchner ein Dienstbuch herüber. »Pauline Piepelow« liest sie und blickt lachend in das Gesicht der Stellesuchenden. »Ist das ein Name!« verwundert bemerkt sie einen Schmerzenszug im Antlitz derselben, die jetzt leise sagt: »Ja, mein Name ist immer der Grund meines Abganges gewesen, überall haben sie damit Spott getrieben und das vertrage ich nicht.«
Frau Wally empfindet Mitleiden mit der vorzüglich Empfohlenen und sagt beschwichtigend: »Aber das sehe ich nicht ein, wenn man seinen Namen nur in Ehren trägt, so ist das doch die Hauptsache und Sie scheinen überall sehr geschätzt worden zu sein.«
»Das wohl,« piept Pauline, es ist merkwürdig, ihr dürftiges Stimmchen ist mit diesem Ausdruck wirklich am besten gekennzeichnet, »aber dennoch wäre ich froh, den Namen mit einem anderen zu vertauschen, das Glück werde ich freilich schwerlich haben.«
Nun wird Frau Wally schwankend.
Ist Mamsell Piepelow durchaus auf eine Heirat erpicht, so erlebt man wohl allerhand unliebsame Dinge mit ihr. Sie blickt nochmals unschlüssig in die Zeugnisse, aber da steht immer besonders ihr ehrbares, stilles Wesen hervorgehoben, – nein, sie wagt es. Bald sind sie einig, und ein besonders günstiger Zufall fügt es, daß die Mamsell gleich antreten kann, sie hat nach der letzten Stelle noch einen Kursus in der feinen Küche durchgemacht, da ihr, wie sie sich ausdrückt, »die Majornäsen und pikierten Saucen« noch nicht geläufig waren! Nun aber sind sie es.
Frau Wally verläßt, nachdem alles zu gegenseitiger Befriedigung abgemacht ist, das Bureau und wendet sich ihren Besorgungen zu, und besonders wählt sie mit wahrem Vergnügen die Gegenstände für das Wirtinzimmer. Endlich dampft sie dann mit erleichtertem Herzen und dito Beutel ihrem Heim zu. Die besten Vorsätze keimen üppig in ihrer Brust empor: Mamsell Piepelows traurige Augen sollen in Friedrichswerder in dankbarer Zufriedenheit aufstrahlen.
Als sie ihrem Gatten von der neuen Akquisition spricht, erwähnt sie vorläufig ihren Namen nicht, nimmt aber bei der Abendtafel Gelegenheit, die tragische Rolle zu erwähnen die Mamsell Piepelows Vatername bei ihren früheren Stellungen gespielt hat und bittet um Schonung ihrer Empfindlichkeit. Papa Kirchner lacht laut und herzlich über diese Vorsicht seiner Gattin und sagt dann in seiner gemütlichen weise:
»Na, wenn Piep-Lienchen ebenso gut einschlägt wie die Lachtaube, dann schwöre ich hiermit feierlich, sie stets nur Mamsell Pauline zu nennen.« Dabei hebt er die Schwurhand so drollig ernsthaft empor, daß die ganze Tischgesellschaft lacht. So hat Mamsell Piepelow, noch ehe sie in Friedrichswerder eingetroffen ist, bereits einen Heiterkeitserfolg zu verzeichnen.
Der Einzug der neuen Mamsell ist mit den gebührenden Ehrenbezeigungen vor sich gegangen. Drei Tage haben Wasserfluten die Schwellen überströmt, die sie betreten sollte und auch das letzte bißchen Putzpomade ist daraufgegangen, um alles »Blankzeug« der Wirtschaftsräume zu strahlendem Glanz zu entfachen. Die Tische sehen »blütenweiß« aus und rechtfertigen den argwöhnischen Gedanken der Gnädigen: »Ihr habt wohl wieder Kalk zum scheuern genommen?«
Die Kuhstallmägde hätten für ihr Leben gern Spalier gebildet, da sie aber gerade beim Düngerauswerfen beschäftigt waren und der Inspektor sie nicht aus den Augen ließ, konnten sie nur einen Augenblick dem Wagen nachschauen, der an dem Küchenportal des Schlosses vorfuhr.
»Sachen hat se genug,« meinte Dore, »wer weeß aber, wie se uns wieder schinden tun wird.«
»So faul wie jetzt wirscht de freilich nich sein dirfen,« lautete Roses Entgegnung, die ihr lautes Schimpfen der Angegriffenen eintrug.
»Zankt Euch nicht, prügelt Euch lieber,« schlug der Beamte freundlich vor und trieb sie energisch zur Arbeit an.
Nun ist Mamsell Piepelow in ihre Obliegenheiten eingeführt, und es ist nicht zu viel gesagt: Aller Augen und Gedanken sind auf sie gerichtet. Der Hausherr sieht mit unverhohlener Spannung dem ersten Mittagessen entgegen, Frau Wally beobachtet mißtrauisch, ob das Geflügel rechtzeitig besorgt wird, der Beamte steht etwas zeitiger als sonst auf, um Mamsell beim Verschlafen zu ertappen und der Assistent klappt mit erwartungsvoller Miene die Butterbrote auseinander, – für ihn spiegelt sich das Bild »der Neuen« in der Butterfläche seines Frühbrotes. Na, es läßt sich halten, nicht zu viel und nicht zu wenig, – so gerade die Grenze zwischen Sparsamkeit und – Geiz. Er nimmt sich vor, sie erst ein bißchen mit schwachen Futtergaben fürs Geflügel zu reizen, um ihr die ganze Fülle seiner Macht zu zeigen, vielleicht, daß sie dann, wie ihre Vorgängerin, ihr Heil in ansehnlichen Zugaben von Wurst und Käse zu seinem Frühstück sucht. Man munkelt sogar davon, daß es auf diese Weise einem kecken Rechnungsführer gelungen ist, etliche Male gebratene Eier zum Brot zu bekommen!
»Neue Besen kehren gut,« murmelt Papa Kirchner, als die ersten Tage nichts besonderes vorfällt, er gesteht damit unausgesprochen ein, daß ihm das von der hageren, unansehnlichen Mamsell gekochte Essen ebenso vortrefflich mundet wie seinerzeit Fräulein Hildmanns Diners. Sie ist nicht gerade flink, hat vielmehr auffallend ruhige Bewegungen, die keine Spur von Übereilung zeigen, aber dennoch ist alles zur richtigen Zeit fertig, billige Ansprüche befriedigt Mamsell Piepelow unbedingt und unbillige stellt ja kein Hausherr – i, wo wird er denn!
Daß ihr aufmerksamer Blick trotz ihrer Ruhe in alle Winkel dringt, merken ihre Untergebenen sehr bald, aber Widerrede oder Ungehorsam wird nicht geduldet, ohne lautes Schelten fühlen sich die Schuldigen gestraft, wenn der lange Zeigefinger der Mamsell tadelnd auf Spinnweben oder stehen gebliebenen Aufwasch weist.
Freilich zeigen sich mit der Zeit allerhand Sonderbarkeiten und komische Gewohnheiten an ihr, die Frau Wally früher unbedingt zum Gegenstande harmlosen Spottes im Kreise der Hausgenossen gemacht hätte. Jetzt schweigt sie in rechtzeitiger Erinnerung an ihr Gelübde, und schüttelt nur manchmal den Kopf. Eines Tages z. B. findet sie Mamsell dabei eine Anzahl Weinflaschen zu reinigen, Korken zu brühen, kurz alle Vorarbeiten zum Abfüllen von Wein oder Bier zu machen. Da sie sich nicht bewußt ist, ein gefülltes Faß im Keller zu haben, fragt sie verwundert nach dem Zweck der Veranstaltung und erhält die Antwort:
»Ich mache Kaffee-Extrakt, es ist heut Freitag, da sorge ich immer für die ganze Woche.«
Und richtig, da stehen die Büchsen mit gemahlenem Kaffee, daneben zwei Trichter mit Filtrierpapier und auf dem Herde brodelt das Wasser.
»Aber das kann doch kein Mensch trinken,« stammelt die Hausfrau.
»O doch, gnädige Frau, ich mache den Extrakt sehr sorgfältig und jedes Kind kann dann durch Zugießen von heißem Wasser eine Tasse guten Kaffee machen. Für uns nehme ich natürlich später Zichorien dazu.«
»Wenn die Beamten damit zufrieden sind, habe ich nichts dagegen, für uns wünsche ich täglich frisch aufgebrühten Kaffee.«
»Sehr wohl, gnädige Frau.« Und ruhig schließt Mamsell Piepelow die Büchse mit dem »guten« Kaffee, auf diesen Extrakt von nun an verzichtend.
Auch andere Vorarbeiten entdeckt die Hausfrau. Als sie einmal abends spät noch die Küche betritt, findet sie Mamsell beim Brotschneiden.
»Für wen soll das?« fragt sie argwöhnisch.
»Zu morgen früh für die Herren. Ich lege die Butterbrote in die Suppenterrine, decke den Deckel darauf und stelle sie auf den kühlen Steinboden im Gewölbe, dann sind die Schnitten wie frisch. Früh nach dem Melken ist keine Zeit, da wollen die Herren schon fort, da gebe ich vorher der Bertha alles heraus und weiß, daß es ordentlich besorgt ist.«
Und wieder murmelt Frau Wally: »Wenn sie damit zufrieden sind« – – und entfernt sich nachdenklich. Sie erwartet mit Sicherheit irgend einen Eklat, – freilich ahnt sie nicht, wie flüchtig und ohne Sorgfalt das Frühstück früher geliefert wurde, und daß die jetzige Methode dagegen immerhin noch vorteilhaft absticht. –
Der Herr Assistent Berner ist freilich mit seinen Wurstillusionen eklig reingefallen. Käse gibt ihm die Mamsell, nichts als Käse. Er ist ja recht schön und gut gemacht, besonders der Jäckelkäse, der nur eine schmale Fettschicht wie eine Jacke überzogen hat und sonst innen noch weiß und weich ist, – aber man kriegt auch den mit der Zeit satt.
Seine Futterentziehungsmethode hat ein unerwartetes Resultat geliefert. Mamsell Piepelow zog höheren Orts Erkundigungen ein, wieviel Körner sie (aufs Gramm) zu bekommen habe und nahm dann ein gelegentliches Nachwiegen vor, was dem Assistenten eine unbehagliche Stunde bereitete.
Rache ist süß! Gerade bei der großen Wäsche hat ers dann einzurichten gewußt, daß wegen unaufschiebbarer Arbeiten die Sattler plötzlich geholt werden mußten, und sich das Vergnügen ausgedacht, diese Meldung persönlich bei Mamsell Piepelow in der Waschküche abzustatten.
»Schicken Sie für den Meister und zwei Gesellen Frühstück in die Sattlerstube,« ruft er provozierend in die Dunstatmosphäre hinein, die alles in Nebel hüllt und lauscht gespannt auf den Wutausbruch, der notwendig erfolgen muß. »Die Andere« wäre ihm sicher wie eine Katze an den Hals gesprungen, Mamsell Piepelow tritt ruhig hervor und ruft in die Küche hinüber: »Bertha, nimm den großen Topf zu den Kartoffeln und gieß noch ein Maß Wasser an die Brühe.« Dabei streift ihn aber ein Blick aus ihren großen Augen, der deutlich sagt: »Du bist erkannt, mein Sohn!« Er geht nicht halb so triumphierend ab, als er gekommen.
Und bald spürt Frau Wally, daß man die Piepelow nicht umsonst gerühmt hat. Die Hühner legen reichlicher und fragt man früh, wie viele eingesperrt wurden, so stimmt die Zahl, oder wenn mal eins fehlt, so legt die säumige Henne es unbedingt über Nacht. Darüber spricht sich die Gebieterin gelegentlich anerkennend gegen ihre Wirtin aus und bekommt die ruhige Antwort: »Ich greife die Hühner selbst, gnädige Frau, und lasse keine entwischen, die Mädchen nehmen es damit nicht so genau.« Daß sie erfahren hat, wieviel Eier die findigen Mädel früher von draußen hereinbrachten und wie manch heimliches Rührei in der Küche verzehrt wurde, setzt Mamsell Piepelow nicht hinzu. Wozu auch? Jeder muß wissen, was er tut, und sie wird sich dergleichen nicht zu schulden kommen lassen.
»Was trägt denn Mamsell Pauline dort?« fragt ein andermal nicht ohne ein gewisses Bangen einer Untreue auf die Spur zu kommen, Papa Kirchner, den gerade vorübereilenden Inspektor. Es fing an schummerig zu werden und die Wirtin schlüpfte mit einer Schüssel in den Schweinestall. Sollte dort etwa ein verdorbenes Gericht stillschweigend beseitigt werden? Der Hausherr will noch immer nicht an die Fehlerlosigkeit der Neuen glauben.
»Sie gibt jetzt immer den Ferkeln selber die Gerste, weil sie die Schweinemagd mal beim Mopsen getroffen hat,« lautet die Antwort.
Nein, Verschwendung nach irgend einer Richtung hin kann man ihr nicht nachsagen. Sie kann sich z. B. von kleinen Resten, die sonst immer in der Küche hängen blieben, oder von freundlichen Mägden in die Knechtekammer befördert wurden, nicht trennen. Jedes Stückchen Braten oder Wurst wird wohl verdeckt aufbewahrt, und es ist erstaunlich, – Mamsell hat immer noch »etwas« unten, wenn ein Händler oder Bote ein Frühstück haben soll. Ganz ungerechtfertigt kommt sie daher wohl nicht in den Ruf, kaum noch annehmbare Reste den Beamten zuzuwenden, immerhin aber scheint es empörend, was man sich von der gelegentlichen Ablehnung erzählt, die ihr der Inspektor zuteil werden ließ.
Die Herrschaft war in den Weihnachtsfeiertagen unvermutet verreist, man hatte zuerst viel Besuch zum Fest erwartet, der aber nicht eingetroffen war. So standen die schönsten, »herrschaftlichen« Mohnpielen unbenützt da, und Mamsell Piepelow fragte den Inspektor, ob sie nicht eine Schüssel in sein Zimmer schicken dürfe. Da antwortete der Undankbare: »Danke, Fräulein Piepelow, wenn sie gut wären, würden Sie dieselben wohl allein verzehren.«
Sie soll nur mit den Achseln gezuckt haben. Tatsache ist, daß sie am nächsten Morgen sehr bleich aussah und eifrig nach dem Rhabarbersaft suchte. Auch hörte man unter den Dienstboten Urteile über den Unterschied zwischen »Herrschafts-Mohnpielen« und anderen, (letztere waren mit Honigwasser gesüßt) – – ein Zeichen, daß sie zur Vertilgung herangezogen werden mußten!
So weben sich um die keineswegs romantische Gestalt sehr bald allerhand Geschichten, – aber klettert der schmucke grüne Efeu nicht auch an unschönen Bäumen empor und verleiht ihnen durch seine vielverzweigten Ranken Anmut und Schönheit?
So dringt auch der Ruf der braven Person, trotz ihrer mancherlei Schrullen, in die nächste Umgebung, und ohne es zu ahnen, steht Mamsell Piepelow im Brennpunkt des Interesses bei einigen Heiratskandidaten von Friedrichswerder. Daß sie sich ein kleines Sümmchen erspart hat, darf hier nicht verschwiegen werden; es würde unwahrscheinlich klingen, daß nur ihre Vorzüge sie begehrenswert gemacht hätten, denn eher hilft ein blühendes Gesicht zu einer Partie, als Sparsamkeit und Ordnungssinn, wenn keine Gelder vorhanden sind.
Aber der Zufall hatte es wunderbar gefügt, daß Förster Völkel von allen Vorzügen der Mamsell zu gleicher Zeit erfuhr! Sie ist in der Küche bei der großen Gänseschlachterei beschäftigt.
Draußen weht ein eisiger Wind, und da es den ganzen Tag geschneit hat, hört man alle Augenblicke auf dem Flur das Stampfen von Füßen, alle Eintretenden suchen sich erst des fest anhaftenden Ballastes zu entledigen, ehe sie hereinkommen. Echtes Novemberwetter. In der warmen Küchenatmosphäre hantiert Mamsell mit aufgestreiften Ärmeln und geröteten Wangen unter den kulinarischen Zukunftsgenüssen herum. Die tags zuvor geschlachteten und gerupften Gänse liegen appetitlich fett und weiß auf dem großen Küchentisch und eine nach der anderen wird ihrer Bestimmung entgegengeführt. Schon schichtet sich das goldgelbe Fett in der Schüssel hoch auf, auf einem Brett wird eine der weißglänzenden Lebern neben die andere gelegt, und das Handbeil und Messer trennt die zum Räuchern bestimmten Brüste von Keulen und Flügelstücken. Da tönt wieder einmal lautes Stampfen draußen und bald darauf klopft es an die Küchentür.
Auf Mamsells feinstimmiges »Herein« öffnet sich die Tür und der Förster tritt ein. Der große starke Mann sieht wunderlich aus mit seinem gefrorenen Bart und den hohen Stiefeln, die deutliche Spuren seines verschneiten Waldweges zeigen. Er wünscht den Herrn zu sprechen, wird aber beschieden, daß er warten müsse, da der Fettviehhändler gerade eingetroffen ist.
Mamsell Piepelow wirft einen strengen Blick auf seine Füße und läßt ihm einen Besen reichen, mit dem der Riese draußen so lange über die Schneekruste streicht, bis sein Piedestal sich tadellos präsentiert.
Dann bringt er das Instrument mit Dank zurück, säubert mit seinem bunten Taschentuch auch seinen Bart und die Augenbrauen von den schmelzenden Schneemassen und setzt sich auf den Stuhl, welchen die Wirtin hinstellen ließ, nachdem Berthas säubernde Hand mit dem Wischtuch darüber geglitten ist. »Hier könnt's mir auch gefallen,« meint Förster Völkel dann, »Sie haben es warm und behaglich, Fräulein! Und wenn man noch dazu die fetten Gänse sieht, da läuft einem ja das Wasser im Munde zusammen. Seit meine Frau tot ist, 's sind nun bald drei Jahre, hab' ich keinen ordentlichen Gänsebraten mehr gekriegt. Die verstand's auch gut zu mästen.«
»Haben Sie denn niemand, der Ihnen da draußen die Wirtschaft führt?« fragt Mamsell teilnehmend, während sie eben wieder das Innere einer tadellosen Gans hervorzieht, was einen eigentümlich glucksenden Ton abgibt, als es herausgleitet.
»Ach,« seufzt Völkel, während seine Augen auf den schlanken, geschickten Händen Mamsell Piepelows haften, die jedes Fettüpfchen von den Därmen schälen und sorglich aufeinander häufen, »ach, so eine alte Person hab' ich ja um mich, die zur Not mich und die beiden Mädelchen versorgt. Aber da muß man halt zufrieden sein, wenn man satt wird und mit Kleidern und Wäsche versorgt ist, von großen Delikatessen ist da nichts zu erwarten.«
»Sollten wieder heiraten,« meint Mamsell und breitet zierlich die Leber neben den anderen aus, liebevoll ihre Zartheit mit den Augen schätzend.
»Ja,« sagt er achselzuckend, »wenn ich nur eine passende Frau fände, nicht zu jung, nicht zu alt, dabei wirtschaftlich und gut zu den Kindern, – und auch zu mir,« setzte er hinzu, mit eigentümlich fragendem Blick in Mamsells Antlitz schauend. In diesem Augenblick stampft es draußen wieder und der Postbote tritt nach kurzem Klopfen ein.
»Eine Postanweisung an Fräulein Pauline Piepelow – hier – fünfundzwanzig Mark,« sagt er mit jener freudigen Gewißheit, die der anerkennenden Gegenleistung sicher ist.
Bei der bitteren Kälte steht immer ein Tröpfchen warmer Kaffee für ihn bereit; wenn er Geld bringt, wirds wohl gar bis zum Grog kommen.
Und richtig, das Wasser brodelt ja auf dem Herde, schnell ein Schuß Rum und ein Löffel Farinzucker in das starke Glas und dann heißes Wasser – da hat er schon sein Labsal, während Mamsell unterschreibt und das Geld sorgfältig in ihren Beutel zählt. Völkel betrachtet sie scharf und denkt bei sich: »Zauber, fleißig, gutmütig ist sie, wenn auch nicht schön, ich hätt' Lust, mir das Mädchen anzuschaffen, wollen mal sehen!«
Nun ist der Freudenspender dankend abgezogen und Völkel fragt:
»Haben Sie Geburtstag, Fräulein, oder schenkt Ihnen öfters mal jemand so ein Sümmchen?«
»Schenken?« macht sie verächtlich, – »mir schenkt niemand was, 's ist alles Erspartes, ich habs auf der Bank und da ich mir einen Wintermantel kaufen muß, ließ ich mir die Oktoberzinsen, die ich erst sparen wollte, jetzt schicken.«
»Zinsen!« Völkel sagte das ganz ehrfurchtsvoll und forschte weiter. »Sind doch noch zu jung, um so viel Kapital erspart zu haben, haben wohl noch anderes Vermögen dabei?«
»Etwas von den Eltern Ererbtes ist freilich dabei,« sagt sie leichthin, es ist ihr unbehaglich über ihre Vermögensverhältnisse ausgefragt zu werden, auch genieren sie mit einem Male die beständig auf sie gerichteten Augen des Witwers. Dieser findet, je länger er Mamsell Piepelow beobachtet, immer mehr Beachtenswertes an ihr, wo hat er nur vorhin die Augen gehabt? Häßlich ist sie gar nicht! Jetzt wird ihm gemeldet, daß der Herr ihn zu sprechen wünscht, und er verabschiedet sich von Mamsell, die ihm ihre fettigen Hände nicht reichen will, weshalb er ihren Arm einen Augenblick mit seiner großen Hand umschließt. Sie errötet und macht sich energisch frei. »Auf Wiedersehen,« sagt er mit freundlichem Lächeln und dann ist er hinaus. Fast tut es der Zurückbleibenden leid, ihn nicht noch ein bißchen ausgefragt zu haben. Ob er wohl Kühe und Schweine hat und einen Gemüsegarten? Sie malt sich ein Försterhaus aus mit allem Zubehör von angenehmen und nützlichen Dingen und sieht sich später im Traume in diesem Heim schalten. Und nun beginnt Mamsell Piepelows Roman, sehr zum Schrecken ihrer Herrschaft, die das drohende Gespenst eines abermaligen Wechsels heraufziehen sieht. Und wie Frau Wally nun in Wirklichkeit ihre Wirtin ausleben und fröhlich werden sieht, ist sie verstimmt, denn so hat sie's nicht gemeint.
Die Mamsell geht zum Melken in den Kuhstall. Es ist noch immer kalt, und sie hat ein leichtes Tuch um den Kopf geschlungen, während eine warme Jacke den Oberkörper einhüllt. Eine helle, saubere Schürze schützt den dunklen Wollrock und ihre Füße stecken in praktischen Holzschuhen. Frau Wally sitzt am Fenster und blickt ihr nach, ein Seufzer hebt ihre Brust. Jetzt ist sie ganz befriedigt gewesen, eine bessere Wirtin hat sie nie gehabt und alle anderen Übelstände blieben aus, die bei jeder Stütze unangenehm in den Vordergrund traten. Mamsell ist die oberste in ihrem Revier und damit gut, die lästigen Ansprüche an Familienanschluß usw. fielen ganz weg und in dem Zeitraum von dreiviertel Jahren hat sie außer hie und da einer Kirchfahrt keinen Urlaub erbeten. Nur gestern, und das ist der Grund von Frau Kirchners Seufzer, gestern, als Sonntag Nachmittag, hat sie sich ausgebeten, und zwar zu einer Fahrt nach der Försterei. Brenners waren auch dabei und der Wagen mit den feierlich geputzten »Damen« fuhr gerade vom Hofe, als die Nachbarfamilie, die zu Kirchners kam, in die Allee, die zum Herrenhause führt, einbog. Da hat Frau Wally wiedermal Mamsell Piepelows Fürsorge im Vorarbeiten erkannt. Bertha hatte genaue Instruktion, »wenn Besuch kommt, steht alles hier und dort.« Da war ein trefflicher Heringssalat mit Remouladensauce gemischt und sehr appetitlich garniert, daneben stand der angeschnittene Braten und auf einer Schüssel verschiedene Enden Wurst; man brauchte nur zuzulangen, um schnell den Aufschnitt herzustellen. Auch Butter und Käse standen in zierlichster Form bereit, und das Küchenmädchen zeigte sich in der Teebereitung und im Eierkochen ganz genau eingeübt. Nun macht sie der Besuch in der Försterei sehr unruhig, sie sieht es kommen, bei der einen Ausfahrt bleibt es nicht, und Völkel wäre auch dumm, wenn er nach einer anderen Frau ausschauen wollte, wo er das Gute so nahe hat. –
Mamsell geht eben an den Familienhäusern vorüber, da bleibt sie stehen und sieht sich um. »Piep,« tönt es hinter einer Tür hervor und da wieder »piep« und nun von der anderen Sette, halb von prustendem Lachen erstickt: »Piepelow«. –
Ein unmutiger Ausdruck tritt in ihre Augen, der aber einem plötzlichen Sonnenglanze weicht, denn in diesem Augenblick gewahrt sie Völkel, der zum Tore hereinkommt. Die kleinen Übeltäter glauben sich nicht entdeckt und werden immer dreister, jetzt tritt einer so unvorsichtig heraus, daß er erkannt wird, aber er hat den Ruf nun mal auf der Zunge und laut und übermütig tönt es wieder »Piep-Piep-Piepelow«. Da aber sieht sich der Erschrockene von starker Manneshand gefaßt und erfährt eine gelinde Züchtigung: »Ich werde Euch lehren, die Mamsell verspotten, da da« und noch ein paar Klapse an die Mitverschworenen rächen die Beleidigte.
Sie ist ganz rot geworden, und in ihren Augen strahlt ein eigener Glanz auf. Das hat noch keiner für sie getan. Aber sie vergißt ihre Pflicht und den Anstand nicht einen Augenblick, reicht ihm freundlich lächelnd die Hand und geht zu ihren Kühen. Rose und Dora, sowie die anderen Melkerinnen schauen verwundert auf, Mamsell hat heut gar kein Auge für kleine Unregelmäßigkeiten, sie habens früh schon gemerkt und sichs zunutze gemacht.
Es war aber auch zu nett gestern in der Försterei, welch hübsches stattliches Anwesen. Ein bißchen wüst siehts freilich aus, und gar manches fehlt zur Behaglichkeit, aber das läßt sich ja machen, und bald ist sie wieder mitten im Plänemachen, und frohe Hoffnung spricht aus ihren Augen. Da wird sie durch eine laute Stimme geweckt, der Inspektor tritt an die Milchkannen heran und schimpft die Rose aus, die eben ganz hübsch daneben gegossen hat. Dadurch wird mit einem Male die Zukunftsmalerei unterbrochen und ernste Aufmerksamkeit tritt an ihre Stelle.
Nun ist die letzte Kuh gemolken und Mamsell hat die Kannen verwahrt, die am anderen Morgen erst der Molkerei zugeführt werden. In ihrem Stübchen wirft sie die schützenden Hüllen ab, wechselt das Schuhwerk und geht dann in die Küche, wo Bertha dem Schweinebraten schon eine hübsche Kruste beigebracht hat. Da wird sie nach oben beschieden. Erschreckt sieht sie dem Stubenmädchen ins Gesicht, das die Meldung bringt, als sei das etwas Unerhörtes! »Ins Herrenzimmer«, sagt diese noch mit einem gewissen schadenfrohen Lächeln, denn wer dorthin bestellt wird, hat immer was ausgefressen.
Mamsell Piepelow tritt ein, wird aber noch erregter, als sie den Förster gewahrt, der so seltsam blaß und erregt an der Tür steht.
»Mamsell Pauline,« sagt der »Herr« und blickt sie so verstohlen lächelnd an, »was machen Sie für Geschichten, ich hab Sie immer für eine ehrliche Person gehalten und nun stehlen Sie« – –
»Um Gotteswillen, was ist,« piept sie in Todesangst von einem zum andern sehend.
»– stehlen Sie das Herz von dem braven rechtschaffenen Kerl hier, der nun aus meinen Händen seine Ruhe und sein Glück zurückfordert.«
Da breitet sich ein heller Schein über Pieplinchens Gesicht, – also wirklich, es wird Ernst! Aber warum ist er nicht zuerst zu ihr gekommen?
»Ich wollte nur beim Herrn Oberamtmann fragen, ob er Sie gleich entlassen möchte, ehe ich mit Ihnen sprach, Fräulein, denn bei mir heißt's, wenn schon, denn schon; von langem hin und her kann keine Rede sein.«
»Ja, dann wissen Sie ja noch gar nicht, ob Sie eine Braut haben,« lachte ergötzt Papa Kirchner.
Die Situation wird nun eine so verlegene, daß er sich erhebt und sagt: »Na wißt Ihr, da macht das mal erst miteinander aus, ich werde unterdessen mit meiner Frau sprechen. Sobald ein Ersatz da ist, wird sie wohl nichts gegen Mamsells Verheiratung einzuwenden haben, – unter einer Bedingung: Wenn wir mal Gesellschaft haben, muß die Frau Försterin kochen kommen, sie versteht es gar zu gut.« Damit ist er schon zur Tür hinaus und die beiden zögern noch.
»Na, sind wir einig?« fragt Völkel dann schlicht, und ohne Ziererei legt Mamsell Piepelow ihre Hand in die seine.
Und so wird denn in wenigen Wochen die Hochzeit gefeiert, und der ominöse Name für immer begraben.
Wer aber ist zur Nachfolgerin der guten Piepelow ausersehen? Glaubs, wer mag, – Fräulein Hildmann ist wiedergekommen, und ihr fröhliches Lachen schallt auch manchmal draußen in der Försterei, wo man so traulich und behaglich im Familienkreise sitzt – bei braven und tüchtigen, einfachen Menschen.