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21. Kapitel

Ich für meine Person hatte mich dem Standpunkte Izas angepaßt. Sie fürchtete sich vor diesem Zustande und ich wünschte denselben nun nicht. Aber eines Tages kam sie sehr aufgeregt zu mir und machte mir ganz wütend eine Mitteilung, welche sie auf die Dauer mir hätte nicht verheimlichen können. Der Wunsch meiner Mutter sollte endlich in Erfüllung gehen. Iza weinte Tag und Nacht; ich suchte, so gut es mir möglich war, sie zu trösten, indem ich ihr sagte, sie werde trotzdem schön bleiben, und daß die Tränen und die schlaflosen Nächte ihrer Schönheit mehr schaden als alles andere. Es sei besser für sie, sich endlich zu beruhigen und sich sorgsam zu pflegen. Sie befolgte endlich meinen Rat und tatsächlich büßte sie später, wie dies bei derartigen geschmeidigen und elastischen Erscheinungen der Fall zu sein pflegt, nichts von ihrer Schönheit ein. Während der ganzen Zeit sprach sie immer von der Möglichkeit, zu sterben; sie kam stets darauf zurück, trotzdem sie eine furchtbare Angst vor dem Tode hatte. Sie schauderte bei dem Gedanken an die kalte, feuchte Erde. Sie nahm mir das Versprechen ab, daß ich mich niemals mehr verheiraten, und daß ich jeden Tag ihr Grab besuchen würde. Mit Spitzen und Blumen sollte man sie bedecken. Ich sollte ihr Bildnis in Marmor in Lebensgröße ausführen und vor ihrem Grabe aufstellen, damit ihre Schönheit sie überlebe und den Schmerz derjenigen, welche an ihrem Sarge weinten, für einen Moment unterbreche.

Sie hatte alle Schwächen und in denselben alle Reize eines Weibes.

Seit unserer Verheiratung hatte sie nur selten Briefe mit ihrer Mutter gewechselt; seit Eintritt ihres neuen Zustandes war die Korrespondenz lebhafter geworden. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß ich und nur ich allein für die Bedürfnisse der Gräfin aufkam, welche sich durch die »Ungerechtigkeit und Undankbarkeit des Zaren« immer noch in Not befand.

Schließlich sagte mir Iza, ihre Mutter wolle ihr während ihrer schweren Tage zur Seite stehen, es wäre ja trotz allem ihre Mutter, und sie würde nicht ruhig sterben können, ohne zuvor ihre Mutter umarmt zu haben.

Jede Sünde wird endlich abgebüßt! Ich schickte der Gräfin das nötige Reisegeld. Sie kam an. Sie weinte, fiel mir um den Hals, küßte mir die Hände und erklärte, daß alles auf ein »Mißverständnis« zwischen ihr und meiner Frau zurückzuführen sei; sie nannte mich ihren Sohn und logierte sich bei mir ein. Sie verbrachte die ganzen Tage bei ihrer Tochter, mit welcher sie in Gegenwart meiner Mutter nur polnisch sprach. Wiederholt traf ich Iza an, welche mit einer Aufmerksamkeit den Mitteilungen ihrer Mutter zuhörte, welche sonst nicht zu ihren Gewohnheiten zählte. Ich fragte sie, worüber sie sich denn so angelegentlich unterhielten, und sie sagte mir sodann, was ihr eben einfiel.

Ein Mann, welcher eine Ausländerin heiratet, deren Muttersprache er nicht kennt, sollte nichts Eiligeres tun, als so rasch wie möglich diese Sprache zu erlernen, ohne daß seine Frau eine Ahnung davon hat.

Vor vier Jahren, am 30. April um Mitternacht, brachte Iza den Knaben zur Welt, um dessentwillen ich mich entschlossen habe, zu leben und mich zu entschuldigen. Das Kind wurde einer Amme und meiner Mutter übergeben, da Iza sich geweigert hatte, dasselbe zu nähren. Sie hatte nur einen Gedanken: sie wollte wieder so schön werden, wie sie es früher gewesen, und darauf richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit. Ihren Sohn sah sie täglich kaum eine halbe Stunde und dachte sodann nicht mehr an ihn. Meine Mutter stellte mir den Antrag, daß sie mit dem Kinde und der Amme aufs Land gehen wolle. Die frische Luft werde dem Knaben gut bekommen, sagte sie, und uns interessiere ja das kleine Wesen nicht besonders.

Es war klar, daß meine arme Mutter sich mit der Gräfin nicht vertragen konnte, und daß sie lieber weggehen wollte, als uns diese Differenzen zeigen. Ich hatte von allem keine Ahnung. Die Gräfin kam mir höchstens komisch vor, aber was ging das mich an? Ich wurde geliebt und sie war die Mutter derjenigen, welche mich liebte. Sie hatte schlechte Pläne gehabt, die Liebe hatte sie aber vereitelt. Ich sah in ihr nichts weiter als ein Weib, welches unserer Hilfe bedurfte. Ich war so glücklich, daß ich ihr auch noch andere Sachen vergeben hätte. Ich teilte Iza den Vorschlag meiner Mutter mit. Sie lehnte denselben ab und setzte hinzu, als ob sie die wahre Ursache dieses Projektes erriete:

»Es ist nicht notwendig; meine Mutter wird abreisen.«

Tatsächlich nahm die Gräfin von mir Abschied; ihre Angelegenheiten, diese ewigen Angelegenheiten, an die ich längst nicht mehr glaubte, riefen sie neuerdings nach Polen.

Einen Monat nach ihrer Niederkunft war Iza wieder vollständig hergestellt und schöner denn je.

Ich lebte nur noch für meine Familie. Unser gesellschaftlicher Verkehr war nicht groß. Im Winter gab ich zwei oder drei große Gesellschaften in meinem Atelier. Jede Woche sah ich einige angesehene Leute bei mir zu Tisch. Sie selbst haben damals, allerdings nur selten, uns die Freundlichkeit erwiesen, unser Gast zu sein und erinnern sich wohl noch an diese Tischgesellschaft und was sie zu sein schien. Denn Gott allein weiß, was sie eigentlich war und was sich unter der ruhigen Oberfläche verbarg.

Zum Sommer mietete ich in Auteuil eine kleine Villa mit einem großen Garten und einem geräumigen Schuppen, in welchem ich mein Atelier aufschlug. Wir zogen schon im Frühjahr hinaus und ich verließ das Haus nur, wenn mich Geschäfte nach Paris riefen. Iza schien sich in ihre Rolle als Mutter hineinzufinden. Wenn sie den kleinen Felix auch nicht liebte, so machte er ihr doch Spaß. Die Neigung würde wohl später schon kommen.

In den letzten Monaten vor Felix' Geburt schien Iza keuscher und dezenter, selbst wenn wir ganz allein waren, geworden zu sein. Dieses neue Ereignis hatte ihr neue Pflichten auferlegt; so sagte sie wenigstens. Es war nicht mehr die Rede davon, ihre Schönheit für meine Kunst auszunützen, und ich konnte soviel Modelle empfangen, als ich wollte, ohne daß dadurch ihre Eifersucht rege geworden wäre. Sie schäme sich, daß sie dieser Künstlerlaune nachgegeben habe; sie erröte darob. Diese Nachgiebigkeit müsse ihrer Leidenschaft und jugendlichen Unerfahrenheit zugute gehalten werden. Ich liebte sie tausendmal mehr, wenn sie derartig sprach. Sie war auch viel zärtlicher gegen meine Mutter als je zuvor.

O, wie gut spielte sie ihr Spiel! Wer konnte auch nur ahnen, was die Zukunft in ihrem Schoße barg, wenn man sie an schönen Juliabenden mit ihrem Kinde sich im duftigen Heu herumwälzen sah, während ich im Grase lag und mein Herz mir vor Zärtlichkeit und Liebe überfloß.


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