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Unsere Flitterwochen verbrachten wir ganz allein auf dem Lande in einem Flügel des Schlosses des Fürsten R., welches derselbe mir zur Verfügung gestellt hatte. – Das Schloß lag am Ufer der Seine, kurz vor Melun, am Fuße des Waldes von Sainte-Assise. Den Winter über wurde es von einem Gärtner, seiner Frau und Tochter bewacht, welche uns nicht kannten und für unsere leiblichen Bedürfnisse während unseres ganzen Aufenthalts zu sorgen hatten.
Unbekannt sein, welche Freude! Für diese braven Leute waren wir Freunde des Fürsten, welche nach einer langen Reise das Bedürfnis nach Ruhe, Einsamkeit und frischer Luft fühlten. Wir entgingen auf diese Weise auch den Anspielungen und Scherzen, denen Neuvermählte in allen Gesellschaftskreisen und in allen Ländern ausgesetzt sind. Wir hatten nichts zu tun, wir waren frei und glücklich. Hier fanden wir neben allen Bequemlichkeiten und luxuriösen Einrichtungen, wie sie die Großstadt bietet, auch die ganze Einfachheit des ländlichen Lebens. Kein livrierter Diener mit Tressenhut und weißen Handschuhen, wie sie im Sommer hier mit dem Fürsten weilten, betrat unsere Zimmer, die mit schweren persischen Teppichen ausgelegt waren, und an deren Türen schwerseidene Vorhänge hingen. Man hörte kaum den raschen, eiligen Schritt der Gärtnerstochter, welche vor Tagesanbruch als eine Art Kammermädchen fungierte und auf den Fußspitzen durch die Gänge eilte, um die Gäste nicht aufzuwecken, welche doch sehr reich sein mußten, da sie ihr jeden geleisteten Dienst reichlich bezahlten. Die Mutter bereitete für uns das Essen, welches kräftig und nahrhaft war.
Herz und Magen lebten während dieser Zeit der ersten und edelsten Eindrücke, des freudigsten und liebevollsten Genusses, in guter Nachbarschaft.
Die ersten Tage des Mai waren herangebrochen.
Frühling! Wie undankbar ist der Mensch gegen Gott, daß er nicht wenigstens einmal in seinem Leben dein Erwachen bewundert. Wer von uns hat nicht mit Entzücken gesehen, wie in dem fruchtbaren Schoße der Mutter Erde alle Kräfte sich regen und aus derselben zu neuem herrlichem Leben das lachende Kind, der Sommer, entsteigt. Haben Sie in dieser Uebergangsepoche, besonders wenn Sie verliebt waren, nicht das Gefühl gehabt, als drehe die Erde sich schneller um ihre Achse, wie wenn sie sich beeile, um von den heißen Strahlen des Sommers geküßt zu werden? Und wenn die leichten Wolken, die letzten Zeichen des fliehenden Winters, plötzlich wie ein durchsichtiger Vorhang zerreißen und uns den schönen Himmel zeigen, glänzend wie der Saphir und milde wie die Vergebung, haben Sie dann nicht das erhabene Lächeln des Schöpfers zu sehen vermeint, und hat Ihre Brust sich nicht geweitet, ist nicht neue Hoffnung in Ihr Herz eingezogen?
Welch herrlicher Umschwung in der ganzen Natur! Im Strahlenkreis der Frühlingssonne hat sich im Weltall alles geändert: was früher weinte, lachte jetzt, was früher schrie, singt nunmehr. Selbst der Regen hat seine Traurigkeit verloren, er fällt nur, um die Erde zu befruchten. Wenn einige Schneeflocken sich noch in den Frühling verirren, so betrachtet man sie, verwundert lächelnd, wie Masken am Aschermittwoch.
Im Ofen brennt noch das Feuer, aber man öffnet die Fenster sperrangelweit, um die würzige Luft hereinzulassen. Alles hat Leben bekommen, und man fühlt sich zu allem hingezogen. Es ist, als ob die Menschlichkeit, die Humanität nunmehr ein festes Bündnis geschlossen hätte mit dem Reste der Schöpfung, es ist, als ob alles Böse, alles Unheil, Krieg, Schmerz und Zweifel ein Ende genommen hätten, und als sollte ein Engel vom Himmel herniedersteigen, um den ewigen Frieden zu verkünden!
Wer wird mir diesen Frühling wiederbringen!
Ganze Tage durchstreiften wir diese kleinen, fast noch unbekannten Gehölze, deren Kreuzwege uns führten, gleichgültig wohin, wo wir aber immer Stellen fanden, an denen wir allein waren und wo wir uns küssen konnten, ungestört und auch niemand störend, nicht einmal die kleinen Vöglein in den Aesten, welche zu ahnen schienen, daß für uns und für sie die gute Zeit angebrochen sei.
Die Bäume von Saint-Assise, ich kenne sie und liebe sie alle, auch heute noch. Es ist nicht ihre Schuld, daß ich unglücklich geworden, sie haben mich nicht betrogen; sie haben, so viel sie konnten, beigetragen zu meinem Glück und mir bereitwilligst ihre Blätter und Blüten, ihre schattigen Zweige und belaubten Aeste geliehen, um mein Nest zu bauen.
O Natur! So lange ein Mensch auf Erden weilen und in diesem Wesen eine Seele leben wird, so lange auch wird er dich, so wie ich fragen, was aus deinen Versprechungen und Hoffnungen geworden ist! Warum lächeltest du damals, als billigtest du mein Vorgehen. Warum schienst du uns damals ausdrücklich zu segnen, während du jetzt, ohne daß du dich verändert hättest, mich nicht mehr erkennen willst und mir jeden Trost verweigerst! Warum hast du, als ich mich in meinem Unglücke und in meiner Verzweiflung halb wahnsinnig zu dir flüchtete, um von dir, Allmutter Natur, Rat, Trost und Hoffnung zu erflehen, warum hast du geschwiegen, du, die ich einst so beredt und so gesprächig gekannt!
Es war um dieselbe Zeit, fast auf den Tag. Nichts hatte sich um dich geändert, nichts um mich. Die Wolken segelten ruhig durch die Lüfte, die Vögel sangen in den Zweigen und flatterten von Ast zu Ast, Schmetterlinge und Käfer naschten an den Blumen und Blüten, aber es waren nicht mehr dieselben Wolken, nicht mehr dieselben Vögel, nichts, nichts! Ich selbst war nicht mehr derselbe!
Tausend und aber Tausend Leben sind aus deinem Schoße entsprungen, Tausend und Abertausend hat der Tod gefällt, nur du bist ewig und für alle Zeiten. Dein ehernes Antlitz rührte auch mein unermeßlicher Schmerz nicht.
Hier und da waren einige Bäume gefällt worden, neue Wege hatten Spaziergänger gefunden, Blätter bedeckten die Pfade, auf denen von unseren Schritten keine Spuren mehr waren, du, Mutter Natur, hattest teilnahmlos dein Werk wieder begonnen, ohne Rückerinnerung, ohne Sehnsucht!
Es ist nicht deine Schuld, wenn wir so töricht sind und die Aufregungen, die Gefahren und die Vorwürfe vorziehen, und das alles wegen vergänglicher Sachen, anstatt an deinen ewigen Schätzen uns ohne Schuld und ohne Reue zu ergötzen. Gesegnet sei, o Natur! und in erster Reihe du kleiner Erdenwinkel, wo ich so ganz glücklich war!
Ganz glücklich! Wer kann dies von vergangenen Tagen sagen! Den besten Teil meines Lebens habe ich in diesem kleinen Gehölze verbracht.