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John Workmann saß dem Finanzgewaltigen von Wallstreet, Pierpont Morgan, in dessen Privatkontor gegenüber. Er hatte trotz seiner jungen Jahre schon mehrere führende Männer seines Landes kennengelernt. Mr. Bennett, den Zeitungsriesen, Mr. Armour, den Fleischkönig, und schließlich Mr. Ford, dem die Bürger der Vereinigten Staaten ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Dollar nachrechneten. Und doch ging sein Puls schneller, als er hier dem König der Bankiers gegenübersaß, dem Manne, auf dessen Wink die Millionen hierhin und dorthin rollten, der mit einem Zucken seiner Wimpern an den Börsen von New York und Chikago Sturm oder heiteres Wetter machte. Aber er hatte diese Unterredung nachgesucht, weil er hoffte, hier über viele Dinge Aufklärung zu erhalten, die ihm seit vierzehn Tagen durch den Kopf gingen und ihm keine Ruhe mehr ließen. Und Mr. Morgan, der sonst mit jeder Minute seiner Zeit geizte, der die Finanzminister großer Staaten oft stundenlang warten ließ, der oft gar nicht für sie zu sprechen war, Mr. Morgan hatte ihn empfangen. Man wußte ja in New York, wer John Workmann war, und auch Pierpont Morgan hatte seit Jahren von ihm gehört. Seit so vielen Jahren, daß er sich fast wunderte, als ein so blutjunger Mensch zu ihm ins Kontor geführt wurde.
»Well, Sir, Sie sind Mr. Workmann. Gestatten Sie mir die Frage, wie alt sind Sie?«
»Ich wurde vor einem Monat zwanzig, Mr. Morgan.«
»All right, my boy! Sie haben in unserer Bank Vermögenswerte von fast einer Million Dollar. Ich habe mir eine Aufstellung darüber geben lassen. Ich weiß, daß Sie mit Nichts, wenigstens mit fast Nichts angefangen haben . . . mit zwanzig Jahren die erste Million . . . meine Hochachtung, Mr. Workmann. Die erste Million ist die schwerste. Die folgenden werden viel leichter erworben . . . nur wundere ich mich über die eigenartige Weise, in der Sie Ihre Werte angelegt haben. Seit vierzehn Tagen lassen Sie eine Tonne Goldes ungenutzt in unseren Gewölben liegen, und Ihr Partner, Mr. Webster, macht es ebenso verkehrt.«
»Deswegen komme ich zu Ihnen, Mr. Morgan. Vor vier Tagen bekam ich meine Monatsabrechnung von Ihrer Bank. Von meinen anderen Papieren wie immer Zinsüberweisungen. Von meinem Barguthaben die üblichen Bankzinsen. Weiter eine hohe Belastung, Mr. Morgan, für die Benutzung Ihres Tresors, aber keinen Cent Zinsen für mein hier lagerndes Gold. Deshalb wollte ich Sie fragen.«
Ein Lächeln ging über die Züge Morgans und vertiefte sich schließlich zu einem behaglichen Lachen. Dann sprach er:
»Gold, Mr. Workmann, ist ein eigenartiges Ding. Sie werden das begreifen lernen, wenn Sie sich länger damit beschäftigen. Wir haben Ihr Gold auf Ihren Wunsch in Barren gießen lassen und in unseren Kellern gelagert. Aber wie kämen wir dazu, Ihnen den Wert, den Handelswert, den es hat, irgendwie kapitalmäßig zu verzinsen? Wie kämen wir dazu?«
John Workmann strich sich über die Stirn und sann nach. Wie kämen wir dazu . . . in der Tat, was hätte Mr. Morgan für Gründe haben sollen, ihm für die Goldbarren, die dort in den Kellern lagerten, Zinsen zu bezahlen. Pierpont Morgan sah ihn grübeln und kam ihm zu Hilfe.
»Gold, Mr. Workmann, ist ein eigentümliches Ding. Es ist weder Geld noch werbendes Kapital. Es ist nur ein Wert und bleibt in den meisten Händen ein toter Wert. Nur an zwei Stellen kann es wirken und werben. In der Hand des Staates und in der Hand des Bankiers. Der Staat macht kraft seines Münzrechtes Geld aus dem Golde. Der kann goldene Fünfdollarstücke daraus prägen, und die sind dann ebenso gutes Geld wie unsere Papierdollars . . . manchmal vielleicht sogar besseres, denn auch das geprägte Gold behält immer noch seine alte Eigenschaft als Wert.«
»Sie meinen also, Mr. Morgan, ich sollte mein Gold vom Staate ausprägen lassen. Ich habe gehört, daß Privatleute ihr Barrengold gegen eine sehr geringe Prägegebühr in Goldmünzen ausprägen lassen können.«
»Sie könnten das tun, Mr. Workmann, aber es wäre umständlich und würde Ihnen unnötige Kosten verursachen. Doch lassen Sie mich erst weitersprechen; Sie werden dann das Ganze besser überschauen. Ich sagte, die zweite Stelle, an der das Gold werbend wirken kann, sind der Bankier und die Bank. Jede Bank braucht einen gewissen Goldschatz. Sie muß ihn liegen haben, weil sie einen Teil ihrer Verpflichtungen stets durch Golddeckung sichern muß. Hier ist das Gold ein Zaubermittel. Wohl liegt es an sich auch hier tot und nutzlos in den Gewölben. Aber die Banktechnik schafft auf dieser Grundlage Kapital und Geld im mehrfachen Betrage des in den Gewölben schlummernden Goldwertes. Und diese so neuentstehenden Zahlungsmittel und Kapitalien wirken befruchtend auf Handel und Industrie und bringen so reichen Ertrag, daß eine Bank es unternehmen darf und muß, tote Goldwerte gegen Hingabe guten Geldes in ihren Kellern zu speichern.«
»Well, Mr. Morgan! Ich habe aber doch Gold in Ihren Kellern gespeichert. Warum bekomme ich davon keinen Zins?«
»Deshalb, Mr. Workmann, weil Ihr Gold nicht in unserer Bank arbeitet. Es ist einfach ein Depot, zwar ein Depot von hohem Wert, das wir Ihnen jeden Augenblick beleihen könnten; aber es ist kein Geld. Wenn Sie uns Wertpapiere ins Depot geben, so trennen wir Ihnen die fälligen Zinscoupons ab und schreiben Sie Ihnen gut, denn das Kapital, welches diese Papiere darstellen, arbeitet in allerlei Betrieben und verdient dort seine Rente. Wenn Sie uns bares Geld ins offene Depot geben, so lassen wir es in unserem Geschäft mitarbeiten und vergüten Ihnen die üblichen Bankzinsen. Wenn uns aber jemand irgendeinen Wertgegenstand ins Depot gibt, auch in offenes Depot, sagen wir etwa einen wertvollen alten Familienschmuck, so können wir ihm dafür natürlich keine Zinsen bezahlen, denn diese werden ja nirgendwo erarbeitet. Wir müssen ihm im Gegenteil Spesen für die Aufbewahrung seiner Werte anrechnen, denn er nimmt ja dafür einen Teil unserer kostspieligen Einrichtungen, unserer Panzergewölbe, unserer Wächter, unserer ganzen Schutzorganisation gegen das Verbrechertum in Anspruch.«
»Jetzt beginne ich zu begreifen, Mr. Morgan. Ich müßte also mein Gold so in Ihre Bank geben, daß es als Kapital mitarbeitet. Gibt es einen Weg, das zu erreichen?«
Wieder trat ein Lächeln auf die Lippen des Geldfürsten.
»Einen direkten Weg nicht, Mr. Workmann. Ich sagte Ihnen bereits, daß Gold seinen bestimmten bleibenden Wert hat. Wenn wir, ich und meine Bank, es für angebracht halten, unseren eigenen Goldschatz zu vergrößern, so sind wir jederzeit in der Lage, das gewünschte Gold zu dem auch Ihnen bekannten Tageskurse zu kaufen. Wir hätten also keinen Grund, Ihren für Ihr Gold einen Cent mehr zu geben, als der Tageskurs beträgt.«
»Nach dem Tageskurs habe ich für 666 667 Dollar Gold in Ihrer Bank liegen, Mr. Morgan. Wie kann ich mich mit dieser Summe an Ihrer Bank beteiligen?«
»Sie sprechen von einer Summe, Mr. Workmann. Bei einer Summe denkt man stets an Geld. Ich betone Ihnen daher nochmals, daß Sie dieses Geld vorläufig noch nicht besitzen. Nehmen wir aber an, Sie hätten Ihr Gold zum Tageskurs verkauft und den Gegenwert in Geld etwa auf unserer Bank deponiert, so könnten Sie natürlich für diese Summe an der Börse Anteilscheine unserer Bank zum jeweiligen Börsenkurse erwerben. Im Betrage dieser Aktien, wie man sie auch nennt, wäre Ihr Geld dann werbendes Kapital in unserer Bank geworden. In Höhe dieses Kapitels wären Sie Teilhaber an allen unseren Gewinnen, aber auch an allen unseren Verlusten.«
John Workmann blickte auf.
»Ihre Gewinne, Mr. Morgan, müssen jedenfalls viel größer als Ihre Verluste sein. Die Aktien Ihrer Bank werden in Wallstreet zum Dreifachen des Nennwertes gehandelt. Ich würde nur etwa Aktien zum Nominalbetrage von 220 000 Dollar für mein Gold erwerben können.«
Wieder ging ein stilles, rätselvolles Lächeln über die Züge von Pierpont Morgan.
»Ich glaube, Mr. Workmann, ich sagte Ihnen bereits, daß Gold und Goldeswert in den Händen eines geschickten Bankiers sofort dreifach arbeiten. Daß sie sofort die Unterlage für ein dreimal so großes werbendes Kapital werden. Das kommt wohl in dem Kursstande unserer Aktien zum Ausdruck.«
»Well, Mr. Morgan. Wenn ich aber Ihre Aktien zum dreifachen Parikurs erwerbe, dann habe ich nichts mehr von dem mehrfachen Segen, den Sie aus dem Golde hervorzaubern. Es bleibt mir dann nur eine gute, aber auch nicht über einen guten Durchschnitt hinausgehende Verzinsung meines Vermögens.«
»Es wird wohl so sein, Mr. Workmann. Ich kann nichts dafür, daß die früheren Besitzer unserer Aktien unsere Kunst, mit Kapitalien gut zu wirtschaften, bereits eskomptiert haben. Unsere Aktien stehen seit Jahrzehnten 200 über Pari. Also muß es doch die allgemeine Anschauung des Publikums sein, daß sie soviel wert sind.«
»Für das große Publikum zweifellos, Mr. Morgan. Aber ich will mehr. Ich will mit meinem Kapital auch so wirtschaften, daß es dreifache Erträge bringt. Das will ich ganz bestimmt, Mr. Morgan.«
»Wenn Sie das wollen, Mr. Workmann, dann müßten Sie schon selbst eine Bank aufmachen, den Bankiergewinn selbst verdienen und in die eigenen Taschen stecken. Aber ich bezweifle es, ob Ihnen das gelingen wird. Der Beruf des Bankiers ist kein simpler Beruf wie tausend andere. Er ist eine Kunst, die man kaum erlernen kann. Eine Kunst, zu der eine besondere angeborene Begabung, zu der Instinkte gehören, die von sehr vielen kaum einer besitzt. Wie viele haben in den Jahren, die unser Haus besteht, hier den Bankberuf erlernt, und wie wenige sind wirklich Bankiers geworden. Ich sage Ihnen, Mr. Workmann, ich habe unter meinen Angestellten tüchtige Köpfe, die ihre Stellung als Abteilungsleiter vorzüglich ausfüllen. Börsenvertreter, die jede Bewegung in Wallstreet im voraus wittern und danach ihre Dispositionen treffen. Aber kein einziger von ihnen wäre imstande, ein Bankhaus wie das unsrige zu leiten.«
»Ich sehe vollkommen ein, was Sie sagen, Mr. Morgan. Es ist natürlich nicht meine Absicht, etwas Derartiges zu unternehmen. Aber ich will mein Kapital doch so arbeiten lassen, daß es Erträgnisse bringt, die den Erträgnissen Ihres Kapitals nicht nachstehen, und ich glaube, die Mittel dazu in der Hand zu haben.«
»Das würde mich interessieren, Mr. Workmann. Ich habe das Zutrauen zu Ihnen, daß Sie Ihr Vermögen nicht in gewagten Unternehmungen aufs Spiel setzen werden. Was beabsichtigen Sie zu tun?«
John Workmann öffnete seine Aktentasche, entnahm ihr ein umfangreiches Dokument und breitete es vor Mr. Morgan aus. Es war die Konzessionsurkunde der chilenischen Regierung, in welcher den Herren Workmann und Webster das Bergrecht auf Gold innerhalb eines großen, auf einer beiliegenden Karte eingetragenen Bezirkes erteilt wurde. Das Recht war nur an die einzige Bedingung geknüpft, daß die Ausbeutung der erteilten Felder im Laufe zweier Jahre, gerechnet vom Datum der Urkunde, zur Ausführung käme. Mr. Morgan durchlas das Schriftstück und wandte sich dann an sein Gegenüber.
»Ich denke, Mr. Workmann, weder Sie noch Ihr Partner Webster werden Claims auf wertlose Felder nehmen. Das Gold, das Sie hierherbrachten, spricht zur Genüge dafür, daß dort unten etwas zu holen ist. Aber Ihr Gold stammt aus einer gediegenen Goldader. Solche Naturschauspiele finden sich bisweilen. Eine Ader ist da und liefert gediegenes Gold. Aber dann ist sie erschöpft, und es bleibt nur taubes Gestein.«
»Sehr richtig, Mr. Morgan.«
Während John Workmann es sprach, griff er wieder nach seiner Tasche und entnahm ihr einen prall gefüllten Lederbeutel. Er öffnete ihn, und viele Brocken eines goldig schimmernden Quarzes rollten auf den Tisch.
»Es ist durchaus richtig, was Sie sagen, Mr. Morgan. Eine Ader war da, und wir haben sie restlos aus dem Quarz herausgeschlagen. Daher stammen unsere zwei Tonnen gediegenen Goldes. Aber darüber hinaus haben wir eine Quarzwand gefunden, die auf eine Länge von zwei Kilometern und auf unbekannte Höhe und Tiefe aus diesem Goldquarz besteht.«
Mr. Morgan ließ die Brocken durch die Finger gleiten.
»Gestatten Sie, Mr. Workmann, daß ich einige Proben auf ihren Gehalt untersuchen lasse. Die Untersuchung beansprucht nur fünf Minuten.«
Er drückte auf einen Klingelknopf und übergab drei von den Brocken einem eintretenden Beamten.
»Sofort zu Mr. Jefferson! Gehaltprobe. Nur Gewichtsverfahren. Ergebnis schnellstens hierher.«
Der Angestellte verschwand. Während dieser Zeit hatte John Workmann seiner Tasche ein zweites Dokument entnommen und reichte es Mr. Morgan hin.
»Ich wäre Ihnen dankbar, Mr. Morgan, wenn Sie in der Zwischenzeit dies Schriftstück durchsehen wollten. Es ist eine geologische Beschreibung und Abschätzung unseres Goldvorkommens. Mein Partner, Mr. Webster, setzte es während unserer Rückreise auf.«
Dies zweite Dokument war kurz und knapp gehalten. Bei allen räumlichen Angaben nahm es Bezug auf die Konzessionsurkunde der chilenischen Regierung. Mr. Morgan hatte bequem Zeit, es durchzulesen, bevor die fünf Minuten verstrichen, die er für die Prüfung der Quarzproben freigegeben hatte. In knapper, aber klarer Darstellung skizzierte Webster darin die geologischen Verhältnisse. Einen feurigen Basaltausbruch in das umgebende Quarzgebirge, bei dem der Quarz in der Nachbarschaft des Basaltes ebenfalls ins Fließen gekommen war. Die Wirkung dieser Erhitzung im Sinne einer Goldanreicherung, so daß der Quarz an der Grenze des Basaltes einen Gehalt bis zu 4000 Gramm pro Tonne besaß. Diese Glutwirkung müsse sich wenigstens zehn Meter tief in den Quarz hinein fortgepflanzt haben. Die Fläche, auf der Quarz und Basalt sich berührten, erstrecke sich in der Länge auf mehrere Kilometer, sei auf zwei Kilometer schon jetzt zugänglich. Nach der Tiefe hin sei die Grenze nur durch die bergmännischen Möglichkeiten beschränkt. Für den Meter abgebauter Tiefe ergab sich nach Websters Berechnungen ein Goldgehalt von 1000 Tonnen, der im reichsten Goldquarz anstand.
Pierpont Morgan hatte zu Ende gelesen und ließ das Blatt sinken.
»Wenn die Mitteilungen und Aufstellungen Ihres Partners stimmen, Mr. Workmann, so haben wir es hier in der Tat mit einem Goldvorkommen von bisher unbekannter Ergiebigkeit zu tun . . . wenn sie stimmen . . .«
Prüfend ließ er bei diesen Worten wiederum die Quarzbrocken auf dem Tisch durch die Finger gleiten.
Der Angestellte trat in das Kontor. Er legte die drei Quarzstücke, die er zur Probe mitgenommen hatte, vor Mr. Morgan hin. Sie waren noch feucht, da sie zu dieser Probe auch in Wasser gewogen werden mußten. An jedem Stück hing ein Zettel, der eine Zahl trug.
4213 . . . 4050 . . . 3800 las Mr. Morgan.
»Well, Mr. Workmann, die Gehaltsangaben stimmen. Wenn alles andere ebenso stimmt, dann wollen wir über die Gründung einer Gesellschaft verhandeln, in die Sie und Ihr Partner Ihre Claims als Einlage mitbringen.«
»All right, Mr. Morgan, das wollen wir. Wir bringen die Claims. Wir haben außerdem anderthalb Millionen Dollar Barkapital, aber wir brauchen wohl mehr Kapital, um unsere Minen sofort in großem Stile zu erschließen.«
Pierpont Morgan hatte die Karte der Konzessionsurkunde ausgebreitet vor sich liegen. Seine Rechte spielte mit dem Bleistift und warf Zahlen auf einen Block.
»Das Geschäft hat für mich nur Interesse, Mr. Workmann, wenn die Minen sofort in großem Stile erschlossen werden. Dazu brauchen Sie vor allen Dingen Energie. Ein Kraftwerk von 30 000 Kilowatt Dauerleistung würde zunächst genügen. Die genaue Festsetzung muß ich meinen Sachverständigen überlassen. Ich sehe hier auf der Karte, daß der Rio Diamante nur 50 Kilometer von Ihren Claims entfernt liegt. Nach meiner Meinung könnte man hier ein Wasserkraftwerk hinsetzen. Das würde die schwierige Brennstofflage, die ein Dampfkraftwerk mit sich bringt, sofort erledigen.«
Während Pierpont Morgan diese Worte sprach, malte der Bleistift in seiner Hand die Zahl 15 Millionen auf das Papier. Schon sprach er weiter.
»Hier im Canon de Diablos wäre der Staudamm zu ziehen. Hier hätte das Kraftwerk zu liegen. Von hier geht die Leitung bis zum Pic de Curico . . .«
Der Bleistift schrieb die Zahl zwei Millionen.
»Hier hätten die Aufbereitungsanlagen zu stehen. Die Pochwerke . . . ich denke fünf Batterien zu je 200 Stempeln . . .«
Der Bleistift schrieb fünf Millionen.
»Hier kämen die Amalgamierwerke und die Zyanidwäscherei hin . . . sagen wir auch fünf Millionen . . . für bergmännische Arbeiten . . . Abteufungen . . . Schachtanlagen . . . 13 Millionen . . .«
John Workmann saß mit offenem Munde. Er hörte mit wachsendem Staunen, wie Pierpont Morgan, der Bankier, hier aus dem Handgelenk die Errichtung eines großen Goldbergwerkes kalkulierte. Der Bankier fuhr fort.
». . . bisher 40 . . . blieben noch etwaige Verkehrsmittel . . . Drahtseilbahnen . . . Unvorhergesehenes . . . alles in allem etwa 10.«
Der Bleistift zog auf dem Papier die Endsumme.
»Nötige Investitionen 50 Millionen Dollar. Sie sehen, Mr. Workmann, Ihr eigenes Kapital langt doch nicht ganz hin.«
John Workmann fühlte sich aus allen seinen Träumen gerissen. Er hatte fest geglaubt, mit seinem Kapital und mit dem seines Partners die Claims schlimmstenfalls selbst erschließen zu können. Jetzt hörte er Ziffern, die ihn schwindeln machten. Und soweit er es überhaupt kontrollieren konnte, mußte er zugeben, daß Mr. Morgan recht hatte. Die Ziffern, die der dort so lässig hinwarf, stimmten jedenfalls bezüglich der Energiemengen und der Stempelbatterien durchaus mit dem überein, was er in den Beschreibungen der großen südafrikanischen Goldminenindustrie gelesen hatte.
Er raffte sich zusammen und versuchte noch einmal Einwände zu machen.
»Wenn man nun etwas kleiner anfinge, Mr. Morgan. Wenn man mit einer kleinen Dampfkraft arbeitete . . . zunächst etwa nur mit ein paar Lokomobilen. Wenn man . . .«
»Wenn man weniger Quarz bricht und verarbeitet, Mr. Workmann, so erzeugt man auch weniger Gold. Die Bruttoeinnahme und damit auch der Reingewinn wären geringer.
Es wäre etwas anderes, wenn der Markt für Gold beschränkt wäre. Wenn Sie etwa eine sehr reiche Diamantengrube entdeckt hätten, so ließe sich über Ihren Vorschlag reden, denn die Aufnahmefähigkeit des Weltmarktes für Diamanten ist nicht unbegrenzt. Wir wissen aus langjähriger Erfahrung, daß alle Märkte der Welt zusammen in jedem Jahre nur für 60 Millionen Dollar Diamanten aufnehmen können. Käme mehr davon auf den Markt, so würden die Diamantenpreise sofort stürzen. Deshalb sind alle Diamantengruben, Felder und Claims der ganzen Welt im Londoner Diamantensyndikat zusammengeschlossen. Nur für 60 Millionen kommen im Jahr Steine auf den Markt. Jeder Überschuß der Produktion wird in den Tresors des Syndikates gespeichert und jedem Mitgliede des Syndikates ist nur eine bestimmte jährliche Summe zuerteilt.
Wäre es mit dem Gold ebenso, dann würde ich Ihren Vorschlag für berechtigt halten, aber dann . . . hätte das ganze Geschäft auch wenig Interesse für mich. Nein, Mr. Workmann, es muß sofort in großem Stile begonnen werden. Ich mache Ihnen . . . immer unter der Voraussetzung, daß meine Sachverständigen die Ausführungen Ihres Partners bestätigen . . . den folgenden Vorschlag. Es wird eine Gesellschaft mit einem Kapital von 100 Millionen Dollar gegründet. Gründer sind Sie, Ihr Partner und das Bankhaus Morgan. Das Bankhaus Morgan übernimmt sofort 50 Prozent der Aktien zum Parikurs und eröffnet der Gesellschaft dafür ein Barguthaben von 50 Millionen. Die restlichen 50 Millionen der Aktien der neuen Gesellschaft werden in drei Teile geteilt. Ein Drittel davon erhalten Sie, ein zweites Drittel Ihr Partner für die Einbringung Ihrer Claims. Das letzte Drittel erhält das Bankhaus Morgan für die Einbringung der Wasserkräfte des Rio Diamante . . .«
»Besitzen Sie diese Wasserkräfte, Mr. Morgan?«
»Ich werde sie haben, sobald ich sie brauche, sobald wir handelseins sind. Ich halte es sogar für vorteilhaft, daß Ihr Partner nicht bereits die Konzession für diese Wasserkraft genommen hat. Unser Haus behält dadurch die Möglichkeit, einen unanfechtbaren Sachwert in die Gesellschaft einzubringen. Man wird ihm niemals den Vorwurf eines ungesetzlichen Gründungsgewinnes machen können.«
Jetzt hatte sich auch John Workmann eines Bleistiftes bemächtigt und rechnete seinerseits.
»Bei dieser Abmachung würde ich also für 16⅔ Millionen Dollar Anteilscheine der neuen Gesellschaft erhalten und mein Partner ebensoviel. Das wäre unser Anteil an den Geschäften.«
»Es wäre Ihr Anteil, Mr. Workmann. Wir würden die vom Hause Morgan übernommenen Aktien erst nach ein bis zwei Jahren an die Börse und in den Verkehr bringen, zu einer Zeit also, wo sich die Rentabilität des Unternehmens klar übersehen läßt und die Aktien wahrscheinlich drei- bis vierhundert Prozent über Pari stehen. Sie können sich danach berechnen, wie Ihr Anteil an dem Geschäft in zwei Jahren aussehen wird.«
»Well, Mr. Morgan, ich sehe, daß ich mit 16⅔ Prozent an der Ausbeutung der Mine beteiligt sein werde. Ich und mein Partner zusammen werden zu einem Drittel an dem Geschäft teilhaben, zu welchem wir Ihnen die Möglichkeit und die wertvollen Konzessionen bringen. Ich weiß nicht, ob . . .«
»Sie werden, Mr. Workmann, mit Ihrem Partner zusammen zu einem Drittel an einem Unternehmen teilhaben, das durch unser Hinzutreten dreißigmal so groß und so gewinnbringend wird, als es sonst wäre. Sie verbessern also dadurch, daß Sie das von mir vorgeschlagene Abkommen treffen, alle Ihre Chancen um das Zehnfache. Daß auch wir dabei auf unsere Rechnung kommen, ist selbstverständlich. Das Bankhaus Morgan ist nicht gewohnt, Geschäfte zu machen, bei denen es zusetzt. Vergessen Sie nicht den Grundsatz jeder erfolgreichen kaufmännischen Betätigung: Ein gutes Geschäft soll beide Teile erfreuen.«
Eine kurze Pause des Schweigens. Dann sprang John Workmann auf.
»Abgemacht, Mr. Morgan. Für mich und meinen Partner abgemacht!«
»Gut, Mr. Workmann. Meine Sachverständigen werden morgen die Reise nach Chile antreten. Sie oder Ihr Partner müssen sie begleiten. Ich denke, in vier Wochen können wir die Gesellschaft gründen.«
»Abgemacht, Mr. Morgan.«