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Der »Grover Cleveland« fuhr langsam zwischen Sandy Hook und Long Island in die Bucht von New York ein. Auf halbem Wege kam ihm der Zollkutter entgegen, jenes kleine Dampfboot mit dem großen goldenen Adler über dem Sonnendeck, welches alle hier einlaufenden Schiffe zuerst empfängt. Während der »Grover Cleveland« still lag, kamen wie üblich die Zollbeamten und der Arzt an Bord.
Aber diesmal kamen auch noch andere Leute. Es kamen sechs hünenhafte Männer in einfacher dunkler Kleidung, die durchaus den Eindruck einer zusammengehörigen Mannschaft machten. Und es waren auch Mannschaften . . . Mannschaften von der privaten Schutzpolizei der Morganbank, die auf ein drahtloses Telegramm John Workmanns hier an Bord kamen und sofort die Wache neben den Kisten in der Staatskabine bezogen. Jeder einzelne von ihnen gut trainiert, in der Führung von Waffen geübt, und jeder einzelne auch schwer bewaffnet.
Hätten die Gangster von New York eine Ahnung gehabt, daß hier für mehr als fünf Millionen Mark bares Gold an Bord des »Grover Cleveland« lag, sie hätten sicher nichts unversucht gelassen, sich dieses Schatzes zu bemächtigen. Selbst die Wache dieser sechs Riesen bot gegen das organisierte Verbrechertum von Groß-New York nur einen bedingten Schutz. Gegen jene Desperados, die weder den elektrischen Stuhl noch eine Kugel scheuen, wenn es sich darum dreht, eine fette Beute zu erhaschen. Die Wache war gut, aber Schnelligkeit war noch mehr wert.
Die Zollfrage war noch zu klären. Verarbeitetes Gold hatte bei der Einfuhr in die Vereinigten Staaten einen ziemlich hohen Zoll zu erlegen. Unverarbeitetes Gold war nach dem Tarif zollfrei. Darüber aber konnte man sich ja auch noch unterhalten, sobald der Schatz erst einmal sicher in den Gewölben der Morganbank ruhte. Dort hinter zehn Meter starken Mauern aus Beton- und Eisenbahnschienen, hinter fußdicken Panzerplatten, erst dort war er ja endgültig all den Nachstellungen entzogen, die ihn von dem Augenblick an bedrohten, da John Workmann und James Webster ihn aus dem Felsen brachen.
Kaum hatten die letzten Passagiere das Schiff verlassen, als zwei Panzerautos auf den Kai rollten. Jene schwer gepanzerten Kraftwagen, die das Bankhaus Morgan seit Jahren für seine Goldtransporte benutzte. Der Chauffeur hinter starken Panzerplatten mit einem kleinen Ausblick nach vorn durch eine zollstarke Glasscheibe. Bewaffnete im Innern des Kraftwagens und Bewaffnete auf den Trittbrettern. Wiederholt hatten die Gangster schon Angriffe auf diese Goldautos unternommen. Aber noch jedesmal waren sie bisher unter schweren Verlusten zurückgeschlagen worden.
Kiste um Kiste verschwand in diesen Panzerwagen. Die Türen schlossen sich und die Fahrzeuge rollten davon. Im ersten derselben stand John Workmann neben James Webster. Zwanzig Minuten später öffnete sich die schwere Tür des Gewölbes der Morganbank, um die Kisten aufzunehmen. Eine runde Tür von drei Metern im Durchmesser. Kreisrund ihr Umfang. An riesenhaften Haspen schwebte sie frei in der Luft, wenn sie geöffnet wurde. Fugenlos fügte sie sich in eine ebenso starke Panzerplatte ein, wenn sie geschlossen ward. Dann griffen sechzehn Riegel von Armstärke genau in sechzehn strahlenförmig angeordnete Riegellöcher der umgebenden Platte ein. Dann traten Schlösser in Tätigkeit, von denen jedes einzelne ein wahres Kunstwerk höchst entwickelter Schließtechnik war.
Jetzt stand diese Tür weit offen und Kiste um Kiste wurde unter Aufsicht der Detektive der Morganbank hineingerollt. Zehn einzelne Kisten und jede davon im Gewicht von mehr als vier Zentnern. Als die letzte in dem Gewölbe stand, stieß James Webster einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Bis hierher hatte alles gut geklappt, war eigentlich alles über Erwarten gut gegangen. John Workmann, der seit geraumer Zeit auf der Morganbank bekannt war und dort sein Konto hatte, hatte durch sein Telegramm von Bord des Schiffes aus vorzüglich vorgearbeitet. Fünfundzwanzig Minuten nach der Ankunft des Schiffes im Hafen standen die Kisten bereits im Gewölbe. Das war schnelle und gute Arbeit.
Auch für die Verhältnisse der Morganbank war das ein ungewöhnlich großer Geldtransport. Man hatte das erste Telegramm John Workmanns für einen Irrtum gehalten, hatte zurückgefragt und es sich bestätigen lassen, daß er wirklich zweitausend Kilo des kostbaren Metalles in den Kellern der Bank deponieren wolle. Nun standen die Kisten dort, und während draußen die Dämmerung niedersank, sollte der Schatz noch in der kommenden Nacht geprüft und gewogen werden.
Betrat man das unterirdische Gewölbe der Morganbank, so kam nach einem kleinen Vorraum noch einmal ein starkes enges Eisengitter mit verschließbaren Türen. Hinter ihm lag ein zweiter freier Raum, und dann erst folgten die freistehenden Tresors, von denen jeder einzelne wieder ein mit allen Errungenschaften neuester Technik ausgestatteter Panzerschrank war. In jenem zweiten Vorraum standen große glatte Tische. Dort waren auch Waagen verschiedenster Art aufgestellt, und hier sollte die Prüfung vonstatten gehen.