Hans Dominik
John Workmann wird Millionär
Hans Dominik

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17. Kapitel

Der Morgen des elften Reisetages zog herauf. In einer kleinen Schlucht, durch steile Felswände gegen die kalten Winde geschützt, am Rande eines kleinen Gebirgsbaches, hatte die Expedition ihr Lager aufgeschlagen. Hier sollte die Karawane unter der Obhut von Lopez und Juliano zurückbleiben, während Webster und John Workmann mit zwei Maultieren weitergingen. Sorgfältig stellte James Webster die Traglasten für die beiden Tiere zusammen. Etwas Proviant, allerlei Werkzeug und 20 Kilogramm Dynamit. Den übrigen Dynamitvorrat brachte er in einer kleinen Felsenhöhle unter, wo er vor dem Einfrieren sicher geschützt war. Das war auf der ganzen Reise bis hierher seine größte Sorge gewesen, ein solches Gefrieren zu verhüten. Geschickt hatte er den Sprengstoff so auf die Maultierrücken gepackt und von außen mit wollenen Decken umhüllt, daß die tierische Wärme sich ihm mitteilen und das Einfrieren verhüten mußte. So hatte er die gefährliche Last unverändert trotz des immer kälter werdenden Höhenklimas bis hierher gebracht.

Die Stunde des Abschieds war gekommen. Noch einige Verhaltungsmaßregeln an die zurückbleibenden Führer, dann setzte sich der kleine Trupp in Bewegung. Aus dem Tale heraus ging es auf schmalen, stark steigenden Pfaden in die Höhe. Bald war das Lager der Zurückgebliebenen ihren Blicken entschwunden. John Workmann und James Webster zogen allein ihrem Ziel und ihrem Schicksal entgegen.

Die ersten Stunden ging es in gleichmäßiger Steigung bergauf an der Lehne eines Tales in die Höhe. Schon lag die Talsohle zu ihrer Linken in schwindelnder Tiefe, als sich zu ihrer Rechten eine schmale Seitenkluft öffnete. Schweigend blieb James Webster stehen und warf prüfende Blicke über die fast senkrechten Wände der Kluft. Dann nickte er befriedigt.

»Bis jetzt hat sich noch nichts verändert. Das Erdbeben scheint diese Gegend verschont zu haben. Geht es so weiter, dann können wir in einer Stunde an der Stelle sein.«

Schweigend wanderten sie in der Seitenschlucht weiter. Deren Wände traten so dicht zusammen, daß die Sonne keinen Weg mehr in die Tiefe fand. Es wurde von Minute zu Minute dunkler und feuchter zwischen den Felsen. Langsam schritt die kleine Karawane vorwärts. James Webster ging an der Spitze. Dann kamen die beiden Maultiere. John Workmann machte den Schluß.

Und dann blieb Webster stehen und stieß einen grimmigen Fluch aus. Die Schlucht nahm jäh ein Ende. Ein Felsbrocken von der Größe eines kleinen Hauses war offenbar von oben herniedergestürzt und schloß den Pfad wie eine mächtige unübersteigliche Pforte. Eine steile Wand, wenigstens zehn Meter hoch. Es war unmöglich, daß die Maultiere über dies Hindernis hinwegkamen, es war kaum möglich, daß Menschen es überwanden.

»Was nun, Mr. Webster?«

Die Worte kamen von den Lippen John Workmanns. Der hatte sich auf einen Felsblock niedergelassen und blickte stumm auf das unerwartete Hindernis.

»Was nun, Mr. Webster?« fragte John Workmann zum zweiten Male. Da hatte Webster seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen. Er nahm dem einen Maultier die Last ab, öffnete die Bündel und breitete allerlei Werkzeug aus.

»Was wollen Sie tun, Mr. Webster?«

»Über das Hindernis müssen wir hinweg, Mr. Workmann. Zwei Möglichkeiten gibt es. Die erste: Wir müßten von Meter zu Meter Steigeisen in den Fels schlagen. Eine zeitraubende und ermüdende Sache. Der zweite Weg . . . wenn er glückt, führt er schneller zum Ziel. Versucht muß er werden. Ich fürchtete, daß etwas Derartiges geschehen könnte. Es war eine dunkle Ahnung, daß ich einen Raketenapparat mitnahm.«

Während dieser Worte hatte James Webster ein kräftiges, wohl sechzig Meter langes Seil aus dem Gepäck genommen. Jetzt begann er in die ersten dreißig Meter seiner Länge Knoten zu machen und in kurzen Abständen auch Werkzeugstiele und Holzknüppel einzuknoten, die sich in dem Gepäck fanden.

Nachdem er beinahe die halbe Länge des Seiles derartig präpariert hatte, stellte er einen kleinen eisernen Apparat auf, der teils an ein Stativ für einen fotografischen Apparat, teils an einen Fackelhalter erinnerte. Auf diesen legte er eine Rakete und band das Seil an deren Holzstab fest. Sorgsam richtete er jetzt die ganze Apparatur und trat dann mit einer brennenden Lunte an die Rakete heran.

Einen Moment zischte es auf. Ein Feuerregen schoß neben dem Stock aus der Raketenhülse. In hohem Bogen stieg die Rakete empor. Ring auf Ring folgte ihr das schwere Seil, dessen Ende Webster jetzt in beiden Händen hielt. In breitem Wurf legte sich das Seil über den oberen Abschluß der Sperre, während die Rakete dahinter in die Tiefe sank.

»Jetzt wollen wir zum Himmel beten, Mr. Workmann, daß das Seil sich beim Zurückziehen mit seinen Knoten und Knüppeln richtig in eine Spalte klemmt. Dann haben wir hier wenigstens gewonnen.«

Langsam begann er das Seil wieder zu sich hinzuziehen. Meter um Meter kam herab. Dann aber gab es Widerstand. Jetzt ging es gar nicht mehr weiter. Mit beiden Armen zog Webster an dem sich straffenden Seil, und jetzt hing er mit beiden Händen daran, hing frei in der Luft. Das Seil trug seine Last.

»Ich glaube, wir haben gewonnen, Mr. Workmann.«

Mit leichtem Sprung ließ er das Seil los und stand wieder auf dem felsigen Boden.

»Es ist nur schlimm, Mr. Workmann, daß wir mit den Maultieren nicht näher an das Ziel heran können. Aber es konnte noch schlimmer sein. Jetzt müssen wir selber schleppen, was wir brauchen.«

Bei diesen Worten machte er sich bereits bei den Tieren zu schaffen. Er pflöckte sie an, warf ihnen Heu vor und nahm auch dem zweiten die Last ab. Schließlich bereitete er zwei kleinere Pakete, das eine mit Werkzeug, das andere mit Proviant. Und dann trat er wieder an das Seil an der Felswand heran.

»Also, Mr. Workmann, als erster gehe ich hinauf. Dann binden Sie die Pakete an das Seil und ich ziehe sie hinauf. Dann kommen Sie mir nach. Glück auf, Mr. Workmann.«

Zwei Minuten später stand Webster auf der Krone des Hindernisses.

»Halt! Warten!« schrie er zurück, und John Workmann bemerkte, daß er bleich geworden war. Webster verschwand für Minuten und an den Bewegungen des Seiles merkte John Workmann, daß er an diesem arbeitete. Jetzt erschien er wieder.

»Hallo, Mr. Workmann, jetzt das Gepäck.« Nacheinander zog er jetzt die beiden Packen mit dem Seil empor.

»Hallo, Mr. Workmann, jetzt Sie!«

Schnell und geschickt klomm John Workmann an dem Seil in die Höhe, während die beiden Maultiere ihm verdutzt nachschauten. Jetzt stand er neben Webster auf der Felsmasse.

»Was ist Ihnen, Mr. Webster? Warum wurden Sie so blaß?«

»Weil ich mir um ein Haar das Genick gebrochen hätte, Mr. Workmann. Man soll die Götter nicht versuchen. Das Seil hatte sich gelöst und war im Begriff, nachzugeben, als ich gerade noch den oberen Felsrand packen konnte. Na! Jetzt ist es richtig festgemacht . . . und es scheint, als ob wir bei alledem noch gut davonkommen. Das Erdbeben konnte noch mehr Unheil anrichten. Der Kamin, der zu unserem Schatz führt, ist unverändert geblieben.«

John Workmann warf einen Blick um sich. Das Hindernis, das sie soeben erklommen hatten, war bedeutender, als es von unten her erschien. Nicht nur ein einzelner Block war hier in die Tiefe gestürzt. Offenbar hatte unter der Einwirkung des Erdbebens ein großer Bergrutsch stattgefunden und den ganzen weiter bergauf gelegenen Teil dieser engen Schlucht zugeschüttet. Aber Webster warf nur einen gleichgültigen Blick auf dies wilde Trümmerfeld.

»Unser Kamin ist noch da. Das Seil müssen wir mitnehmen.«

Er zog das Seil ganz herauf, löste das Ende, welches er fest um eine Felszacke geschlungen hatte, entfernte die Knoten und Knüppel daraus, rollte es zusammen und warf es über die Schulter.

»Kommen Sie, Mr. Workmann. Aber seien Sie vorsichtig. Ein Knöchel ist in diesem Wirrwarr von Felsbrocken leicht gebrochen.«

Der Weg ging noch etwa hundert Meter talaufwärts über die Massen des Bergrutsches hinweg. Dann öffnete sich zur Seite wiederum eine Schlucht. Eigentlich nur eine Ritze in diesem Urgestein. Kaum einen halben bis höchstens einen Meter breit mit fast senkrechten Wänden.

»Hier heißt es klettern, Mr. Workmann. Bleiben Sie mit dem Gepäck wieder unten. Ich steige voran. Wir brauchen nur vierzig Meter in die Höhe. Dann ziehe ich das Gepäck am Seile nach und zuletzt kommen Sie.«

John Workmann stand zwischen diesen engen, steilen Wänden und zerbrach sich den Kopf, wie auch nur eine Katze, geschweige denn ein Mensch hier hinaufkommen solle. Aber James Webster zeigte ihm sehr bald, wie das zu machen sei. Der klemmte sich wie ein Pfropfen zwischen die beiden steilen Wände, arbeitete abwechselnd mit Knien und Ellbogen, stemmte sich bald mit dem Rücken und bald mit den Füßen gegen kleine Vorsprünge und kam Meter um Meter in die Höhe.

Jetzt zeigte sich erst die ganze Gewandtheit dieses Prospektors und Waldläufers, der den größten Teil seines Lebens in den Bergen der ganzen Welt nach Metallen umhergeklettert war. Jetzt war sein Körper verschwunden, schien plötzlich von einer der beiden Felswände aufgeschluckt zu sein. Und dann kam sein Ruf von oben.

»Das Gepäck an das Seil!«

Langsam schwebten die Ballen in die Höhe. Dann ein neuer Ruf:

»Hallo, Mr. Workmann, binden Sie sich das Seil fest um die Brust unter beiden Armen hindurch!«

»Warum, Mr. Webster, Sie sind ja auch in die Höhe gekommen, ohne angebunden zu sein.«

John Workmann empfand es als eine Zurücksetzung, daß der andere, der soviel Ältere alle Gefahren dieser Expedition auf sich nahm und ihm alle Schwierigkeiten aus dem Wege räumte. Aber schon kam Websters Antwort durch den engen Felsschacht dröhnend zurück:

»Nein, Mr. Workmann! Unter keinen Umständen, Mr. Workmann. Wir können hier keinen Knöchelbruch brauchen . . . und einen Genickbruch noch viel weniger.«

Da fügte sich John Workmann der Einsicht des älteren Partners. Er seilte sich an und begann sich ebenso in dem Kamin emporzuarbeiten, wie er es bei Webster gesehen hatte. Dabei holte dieser das Seil Schritt um Schritt ein, so daß es stets leicht gestrafft blieb. Und dann stand John Workmann neben James Webster auf einem winzigen Felsenvorsprung, von dem ein enger, nicht ganz manneshoher Gang geradezu in den Berg hineinführte. Webster zog eine Azetylenlampe aus dem Gürtel und zündete sie an. Grell fiel ihr weißes starkes Licht auf die Wände des Ganges, den sie jetzt gebückt entlangschritten, jeder von ihnen einen ziemlich schweren Ballen mit allerlei Gepäck und Werkzeug auf dem Rücken. John Workmann betrachtete verwundert die Struktur der Wände, während sie weitergingen. Es waren tiefschwarze, glänzende Säulen von fünfeckigem Querschnitt, die hier dichtgedrängt nebeneinander standen und die beiden Seitenmauern des Ganges bildeten. Schließlich konnte er sich nicht länger halten. Durch einen Zuruf brachte er auch Webster zum Stehen und fuhr mit der Hand über die spiegelnden Säulen.

»Was ist das, Mr. Webster? Was ist das für ein wunderbares Gestein? Nie sah ich etwas Derartiges.«

»Es ist Basalt, Mr. Workmann. Wir befinden uns in einem Basaltgebirge, das aber nur einen winzigen Strich in dem großen es umgebenden Quarzgebirge ausmacht. Wir befinden uns in einem eruptiven Basalterguß, der nach meiner Meinung viel später als der umgebende Quarz aus dem feuerflüssigen Erdinnern nach oben gequollen ist. Der flüssige Basalt hatte übrigens nicht mehr die Kraft, die Quarzdecke vollkommen zu durchbrechen. Ich habe vor fünf Jahren auch die Gipfel über uns besucht und genau untersucht. Nirgends tritt dort Basalt zutage. Die ganze feurige Masse des Basalts ist auf halbem Wege steckengeblieben. Während sie allmählich kristallisierte und diese rhombischen Säulen bildete, muß dann der Druck von unten sogar abgenommen haben. Anders wären ja diese Höhlungen hier nicht zu erklären. Doch lassen Sie uns weitergehen. Wir haben noch ein Stück Weg vor uns.«

Sie gingen noch fünf Minuten in diesem Gange vorwärts, der dabei immer niedriger und enger wurde, so daß es schließlich mehr ein Kriechen als ein Gehen für beide wurde.

Und dann hatte der Gang plötzlich ein Ende. Von beiden Seiten her wuchsen die senkrechten Basaltsäulen zusammen und sperrten die Straße.

»Was nun, Mr. Webster?« fragte John Workmann ebenso, wie er es vor dem Hindernis in der Schlucht getan hatte.

»Nun, Mr. Workmann, kann ich Ihnen sagen, daß wir nicht mehr allzuweit vom Ziele entfernt sind.«

Bei diesen Worten warf Webster sein Bündel zur Erde, holte Brecheisen und Hammer hervor und machte sich an der sperrenden Wand zu schaffen. Mit kräftigen Hammerschlägen trieb er das Eisen zwischen zwei Basaltsäulen in das Gestein. Dann wuchtete er am anderen Ende der Brechstange und mit einem Ruck flog die Säule heraus. Schnell arbeitete er in der gleichen Weise an den Nachbarsäulen weiter, und jetzt merkte auch John Workmann, daß das Gestein hier nicht mehr mit seiner ursprünglichen Festigkeit zusammenhing. Es war offenkundig, daß hier der Durchgang erst nachträglich mit sehr genau passenden Basaltstücken verkeilt und verschlossen worden war. So unauffällig und so gut passend jedenfalls, daß ein Fremder, der etwa bis hierher gelangt wäre, niemals auf die Idee gekommen wäre, daß der Weg noch eine Fortsetzung haben könne.

Zum erstenmal, seitdem sie zusammen waren . . . ja zum erstenmal, seitdem John Workmann Webster überhaupt kannte, hörte er ein volles und glückliches Lachen von dessen Lippen.

»Ein Stein ist von meinem Herzen, Mr. Workmann. Der Zugang ist noch genau so, wie ich ihn vor fünf Jahren verschlossen und verlassen habe. Jetzt hoffe ich mit Bestimmtheit, daß wir unseren Schatz unversehrt finden.«

Mit diesen Worten barg er das Werkzeug wieder in seinem Packen, warf mit den Händen noch ein paar Basaltstücke beiseite und schlüpfte durch die Öffnung. Unmittelbar dahinter erweiterte sich der bisher so enge Gang und wurde zu einer mächtigen domartigen Höhle. Dabei aber war das Vorwärtskommen jetzt schwieriger als vordem, denn der Boden dieser Grotte wurde von einem unregelmäßigen Gewirr einzelner Basaltkristalle gebildet. James Webster schraubte die Azetylenlampe höher und leuchtete sorgsam die Wände ab. Jetzt arbeitete er sich auf dem ansteigenden Boden zu der einen Seitenwand empor, und jetzt stand John Workmann einen Augenblick in tiefster Finsternis.

Wieder einmal hatte eine Felswand seinen Führer und mit ihm auch die Lichtquelle verschluckt. Doch im gleichen Moment fiel von dorther schon wieder der Lichtkegel in die Grotte zurück und die Stimme Websters klang laut nachhallend durch die weite Höhle.

»Hier hinauf, Mr. Workmann! Hierher zu mir!«

John Workmann folgte vorsichtig dem wegweisenden Lichtstrahl. Er würdigte jetzt vollauf die Warnung Websters, daß auch der geringste Knochenbruch, ja schon ein verstauchter Knöchel in dieser gottverlassenen Einöde zur Katastrophe werden müsse. Nun stand er wieder neben seinem Führer und konnte sich einer Frage nicht enthalten.

»Ich wundere mich, Mr. Webster, wie sicher Sie den Weg hier finden. Besteht nicht Gefahr, daß wir uns rettungslos verlaufen und nie wieder an das Tageslicht zurückkommen?«

James Webster lächelte.

»Der Weg ist markiert. Ich habe ihn bei meinem ersten Besuche so markiert, daß ich ihn sicher wiederfinde. Ein anderer freilich wird die Markierung nicht sehen, und der soll sie ja auch nicht sehen.«

Die beiden waren währenddes weitergeschritten, und jetzt zeigte sich eine Änderung in den Gesteinsverhältnissen. Während der jetzt wieder recht enge Gang merklich nach links umbog, bestand seine linke Seite nach wie vor aus den tiefschwarzen, glänzenden Basaltsäulen, während die rechte Seite von einem anderen blaugrauen Gestein gebildet wurde, dem jedes kristallinische Gefüge fehlte.

»Wir stehen an der Grenze der beiden Felsarten«, erklärte Webster. »Hier hat der geschmolzene, hellweißglühende Basalt den älteren Quarzfelsen erreicht, zerdrückt und zur Seite geschoben. Dann, viel später jedenfalls, hat sich der Basalt wieder zurückgezogen. So entstand dieser Gang an der Grenze, in dem wir jetzt stehen. Dabei aber muß sich etwas ereignet haben, was für uns recht angenehm ist und was wir nun gleich sehen werden.«

Nochmals ein Dutzend Schritte . . . und John Workmann sah, was James Webster gemeint hatte. In dem blaugrauen, hier wie verbrannt und verräuchert aussehenden Quarzgestein zeigte sich eine gelblich schimmernde Ader. Sie setzte etwa fingerstark ein, verbreiterte sich dann bis zur Handbreite und zog sich die Quarzwand wohl über 20 Meter weit entlang.

»Was ist das?« fragte John Workmann.

»Gold, Mr. Workmann, gediegenes Gold. An dieser Stelle hier habe ich jenes Nugget entnommen, von dem ich Ihnen in New York erzählte.«

»Gold . . . gediegenes Gold . . . und das steckt hier in solcher Menge im Felsen . . . und gehört niemand . . .«

»Gehört dem, Mr. Workmann, der es zuerst findet und an sich nimmt. So ist es stets und immer mit allem Gold der Erde gewesen.«

Währenddessen hatte Webster sein Bündel zur Erde geworfen und noch eine zweite Azetylenlampe entzündet.

»An die Arbeit, Mr. Workmann. An die Arbeit, solange unsere Kräfte reichen. Wir müssen die Goldader zunächst wenigstens mit Fäustel und Schlägel aus dem Quarz heraushauen. Wir können es nicht riskieren, hier in dem engen Gang mit Dynamit zu sprengen. Sehen Sie mir nur erst ein Weilchen bei der Arbeit zu, und dann versuchen Sie es selber.«

Während dieser Worte hatte Webster Rock und Weste abgeworfen.

»Wir müssen das Gestein rund um die Ader herum wegschlagen«, sagte er, während er den Fäustel, den scharfen Bergmannsmeißel, auf das Gestein setzte und die ersten Schläge mit dem schweren Hammer tat. Die Funken sprühten unter der Meißelkante und der Gang dröhnte unter den wuchtigen Schlägen. Brockenweis flog das Gestein unter dem Meißel davon, und Schlag um Schlag legte Webster die Goldader frei. Erst während dieser Arbeit wurde es möglich, sich ein ungefähres Bild von der Ergiebigkeit des Fundes zu machen. Die Goldader war überall ungefähr ebenso breit wie tief. Das Gold ging nicht auf unabsehbare Entfernung etwa wie ein Kohlenflöz in das Gestein hinein. Es war aber auch umgekehrt nicht nur eine papierdünne Schicht auf der Gesteinsoberfläche, sondern eben eine solide, runde Goldader.

»Ich hätte Sie nicht überredet, hierherzukommen und Ihr gutes Geld in die Sache zu stecken, wenn ich der Größe des Fundes nicht vollkommen sicher gewesen wäre«, sagte Webster. »Von jenem ersten Nugget her wußte ich sicher, daß es sich hier nicht um eins jener üblen Naturschauspiele handelte, bei denen das Gold große Steinblöcke nur mit einem feinen, gediegenen Häutchen überzieht und dadurch Nuggets vortäuscht. Gewissermaßen natürliche Vergoldungen, die aber schon manchen Goldgräber genarrt, ja in den Tod getrieben haben.«

Dabei brach Webster ganze Stücke der jetzt freigelegten Ader aus dem Gestein und packte sie sorgfältig auf eine ausgebreitete Decke hin.

»Da! Heben Sie mal«, sagte er und reichte John Workmann ein Stück, dessen Inhalt er etwa auf einen Liter schätzte. Aber der Arm sank ihm nieder, als Webster das Stück losließ. Das Gewicht dieses gelblichen, mattblinkenden Klumpens betrug wenigstens 40 Pfund.

»Ja, ja, Mr. Workmann«, schmunzelte Webster, den dessen Erstaunen belustigte. »Reines Gold . . . spezifisches Gewicht 19 . . . neunzehnmal so schwer wie Wasser . . . wenn Sie einen mit Gold gefüllten Literkrug anheben, bricht sicher der Henkel ab. Was denken Sie, was das Stückchen da wert ist?«

Prüfend hielt John Workmann den Klumpen in der Hand.

»Zwanzig Kilogramm«, murmelten seine Lippen. »Das Kilogramm 670 Dollar, 20 Kilogramm 13 400 Dollar . . .«

»Richtig so, Mr. Workmann, 13 400 Dollar. Mit diesem einen Stück da haben Sie die Hälfte Ihrer 25 000 Dollar, die Sie für unsere Expedition mobil machten, schon wieder zurück. Und Sie sehen, hier steckt noch mancher Klumpen von dieser Güte im Felsen.«

Jetzt wurde auch John Workmann vom Goldfieber gepackt. Er hielt es nicht mehr länger aus, müßig dabeizustehen, während Webster im Schweiße seines Angesichts den Felsen bearbeitete. Entschlossen packte auch er einen Fäustel und Schlägel und begann seinerseits den Felsen beiseite zu schlagen und die Ader in ihrem weiteren Verlauf freizulegen. Funken stoben, Brocken flogen, und Stück für Stück des goldigen Streifens wurde aus dem Gestein gelöst und auf der Decke in Sicherheit gebracht.

Sie vergaßen den Ort und die Zeit über ihrer Arbeit, freuten sich nur, wie die Menge der gelblich blinkenden Brocken und Klumpen auf der Wolldecke wuchs und schwoll.

»Das Licht brennt so dunkel, Mr. Webster«, unterbrach John Workmann schließlich die lange Pause. Webster blickte von seiner Arbeit auf. In der Tat, jene Lampe, die er zuerst beim Betreten des Felsganges entzündet hatte, brannte nur noch matt und rötlich mit kleiner Flamme. Er riß seine Uhr aus der Tasche und warf einen Blick auf das Zifferblatt.

»Bei Gott, Mr. Workmann, die Lampe hat Grund, dunkel zu brennen. Wissen Sie, wie spät es ist?«

Auch John Workmann sah auf die Uhr.

»Vier Uhr, Mr. Webster, das kann doch nicht stimmen. Wir sind doch länger als zwei Stunden von unserem letzten Lager fort. Bestimmt sind wir längere Zeit fort.«

»Jawohl, Mr. Workmann. Seit 14 Stunden sind wir unterwegs. Seit wenigstens acht Stunden stecken wir hier bei der Ader und bearbeiten den Felsen. Es ist nicht mehr 4 Uhr nachmittags, sondern 4 Uhr morgens. Jetzt Feierabend für acht Stunden. Wir müssen essen und schlafen, damit wir bei Kräften bleiben . . . und vor allen Dingen müssen wir die Lampen frisch füllen. Bald wird auch die zweite mit ihrem Karbid zu Ende sein. Es wäre eine üble Geschichte, wenn wir hier plötzlich im Dunkeln säßen.«

Mit diesen Worten warf James Webster Fäustel und Schlägel beiseite und machte sich mit den Lampen zu schaffen. Er versah sie alle beide mit frischem Karbid und Wasser, entzündete dann aber nur eine von ihnen. Mit geschicktem Griff zog er von dieser den Scheinwerfer ab und hing einen Kessel mit Wasser dicht über der Flamme auf. Dann holte er seine Uhr aus der Tasche und zog sie bedächtig, ja beinahe pedantisch auf. John Workmann sah alle diese Maßnahmen und zeigte nicht übel Lust, weiterzuarbeiten. Aber James Webster nahm ihm die Werkzeuge mit sanfter Gewalt aus der Hand.

»Keine Überstürzung, Mr. Workmann. Glauben Sie den Erfahrungen eines alten Prospektors. Wir brauchen jetzt ein kräftiges Mahl und danach einen festen Schlaf. Dann werden wir wieder frisch sein und weiterarbeiten können.«

Mit diesen Worten zog Webster die bekannte Dose aus dem Gepäck hervor, füllte das Teesieb mit Matepulver und hing es in das siedende Wasser. Dann griff er wieder in den unerschöpflichen Mantelsack und brachte Konservendosen zum Vorschein. Ein Stich mit einer Stahlnadel in eine bestimmte Stelle dieser Büchsen, und Wasser und ungelöschter Kalk, die sich in einem besonders abgeschlossenen Teil dieser Büchsen befanden, flossen zusammen. Mit der Uhr in der Hand saß Webster daneben. Fünf Minuten später öffnete er die Büchsenhülsen und schüttete den Inhalt in das Eßgeschirr. Dampfendes, verführerisch duftendes Frikassee und appetitlich aussehendes Gemüse.

»Langen Sie zu, Mr. Workmann«, rief er, während er seinem Partner eine Schüssel hinschob. »Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Ich bestehe darauf, daß Sie Ihre Schüssel radikal leer machen.«

Dabei hieb Webster selbst auf seine Portion ein. Bald hatte er den Boden seiner Schüssel klargemacht und sog in langen, behaglichen Zügen den Matetee ein. Sein Beispiel wirkte ansteckend. John Workmann folgte ihm auch hier getreulich und spülte das Mahl ebenfalls mit Matetee hinab. Heut fand er, daß dieser Trank doch gar nicht so übel sei.

»Jetzt zu Bett, Mr. Workmann«, rief Webster. Schon hatte der alte Bergläufer sich den Mantelsack in Form eines brauchbaren Kopfkissens ausgebreitet und sich in eine Wolldecke gehüllt. Nur wenige Minuten, und schon verrieten seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge, daß er fest schlief. John Workmann lag länger wach. Die Fülle der Erlebnisse stürmte auf ihn ein. Der abenteuerliche Marsch durch die Wildnis. Das Eindringen in diese majestätische Gebirgswelt. Der Aufenthalt hier in den Eingeweiden des Berges . . . Das gleißende Gold, das dort im Gewicht von Zentnern neben ihm lag.

Seine Gedanken flogen zurück bis in die Jahre seiner Kindheit. Er dachte seines so früh dahingeschiedenen Kameraden, jenes Charley Beckers, den er in seinen letzten Stunden gepflegt hatte. Was hatte der Kleine auf die erste Seite seines Notizbuches geschrieben: Charley Beckers, Millionär. In dürftigster Armut war der Kleine dahingegangen. John Workmann hatte das Notizbuch als Vermächtnis an sich genommen . . . Charley Beckers, Millionär . . . das war nicht geglückt. Ein bitteres Schicksal hatte den Kleinen dahingerafft . . . John Workmann, Millionär, würde es heißen müssen. Er wollte den Reichtum an sich bringen . . . das blinkende Gold . . . die Millionen, die ihm die Macht gaben, Gutes zu tun . . . der Mitwelt zu helfen . . . Pläne auszuführen, die er schon lange im Herzen trug und bisher nicht verwirklichen konnte . . . John Workmann, Millionär . . .


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