|
Wie jetzt der Baum im kalten Nebelwind
Mit nackten Zacken, also traur' ich selbst;
Es reget sich kein Lied in meiner Brust,
Und müßig auf der Harfe ruht die Hand.
Hat solches mir der Herbst nur angethan,
Und wird ein Frühling wieder mich erwecken? –
Vielleicht, – ich weiß es nicht. – Ist aber ganz
Versiegt in mir die Quelle des Gesanges –
Geduld, mein Herz! du wirst es überwinden,
Dich hat das Leben schon den Tod gelehrt.
Du mein vertrauter Freund, mein Saitenspiel,
Magst hier indeß am stillen Herde hangen;
Ich will die Epheuranke um dich winden,
Dich scheidend schmücken mit dem Wintergrün.
Hast du mich doch geschmückt mit meinen Blüten
In Lust und Leid, verherrlicht meine Freuden,
Den Schrei des Schmerzes lindernd aufgelöst
In Wohllaut, und die Lohe meines Zornes
Verklärt ergossen in des Äthers Strom.
Und meine Lieder lockten feuchte Perlen
In sitt'ger Frauen Augen, ja, sie weckten
In manchem deutschen Busen Widerhall;
Die Jugend nennt und liebt den alten Sänger,
Deß Namen guten Klanges nicht verschallt,
Bevor das werdende Geschlecht erlischt;
Ich weiß es, und ich sprech' es ruhig aus,
Nicht stolz, nicht eitel, nein, von Dank erfüllt.
Ich danke dir, mein heimisch deutsches Land,
Du hast, in dieser ernsten, stürm'schen Zeit,
Mir unverhofft geliehen Ohr und Herz,
Und hast, mitfühlend, mir die eignen Freuden,
Die Lust der Lieder in bewegter Brust
Reich, überschwenglich reich gelohnt. Hab Dank!
Ich sang ja nur, so wie der Vogel singt.
Ihr jüngern Sangbegabten, sammelt euch
Um mich; ich rechne mit dem Leben ab,
So scheint es; laßt mich einmal noch zu euch
Aus vollem Herzen reden; hört mich an:
Des Sehers und des Sängers Gaben sind
Von Gott und heilig; ehrt den Gott in euch;
Frönt nicht mit Heiligem dem Weltlichen;
Buhlt mit der Lyra nicht um schnöden Lorbeer
Und nicht um schnöd'res Gold. Vermeßt euch nicht
Mit uns'rer Zeit und unserm Vaterlande
Zu hadern, weil nach eurem Dünkel nicht
Euch Preis und Ehre zugemessen ward;
Verklagt die Mitwelt bei der Nachwelt nicht!
In Berges-Klüften schläft der Widerhall
Und schläft in aller Herzen; wem ein Gott
Die Macht verliehen hat, der ruft ihn wach.
Und das ist Sängerslohn. Begehrt ihr mehr?
Begehrt den Lohn vielleicht ihr der Propheten?
Frei schallt aus freier Brust das deutsche Lied,
Von keinem Ludwig wird es ausgesät;
Frei wie der Vogel sei der deutsche Sänger.
Und mög' er vogelfrei auch sein, ihn schützt
Der Gott, der ihn zum Liebling sich erwählt,
Ihm lohnt der Ton, der aus der Kehle dringt.
Er borget nichts von ird'scher Majestät.
Es singe, wem Gesang gegeben ward,
Im deutschen Dichterwald, doch nie entwürdigt
Zum schnöden Handwerk werde der Gesang.
Ernähret euch von ehrlichem Erwerb;
Eßt euer Brot, das ist der Menschen Los,
In eures Angesichtes Schweiß; dem Tage
Gehöret seine Plage: spaltet Holz,
Karrt Steine, wenn die Not es von euch heischt;
Wann aber schlägt die Abendfeierstunde,
Und in des Himmels Räumen sich entzündet
Das Licht der Sterne, dann, Geweihte, schüttelt
Von euch die Sorgen, frei erhebt das Haupt
Und frei belebt die heil'ge Nacht mit Tönen;
Ruft in den Schlafenden die Träume wach,
Die Träume jener Welt, die in euch lebt; –
Das Reich der Dichtung ist das Reich der Wahrheit,
Schließt auf das Heiligtum, es werde Licht! |