Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

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Der Tod des Räubers.

(Nach de la Vigne.)

           

Dem Söldner zahlt den ausgerufenen Preis! –
Der sonst um Roma's Mauern weit im Kreis
Gemordet und geraubt, liegt überwunden;
Der Schreckliche verspritzt aus tiefen Wunden
                Sein Blut so heiß.
Die Seinen haben ihn hinabgetragen
In ihre Höhle, wo beim Fackelschein
Um den Gefall'nen sie gekauert klagen;
Der Alte liegt besinnungslos, allein
                Die Pulse schlagen.

Der späht, indem den Brand er näher schiebt,
Ob er kein Lebenszeichen von sich giebt;
Der spricht, indem er geht das Grab zu graben
Und seine Thränen er verschluckt: wie haben
                Wir ihn geliebt!
Die um das Sterbebett des Papstes weilen,
Sie haben nicht für ihn die Herzlichkeit.
Wie wußt' er zu der Plünderung zu eilen!
Wie stark im Kampf und welche Ehrlichkeit
                Sodann beim Teilen!

Er war ein echter Christ vom alten Schlag,
Er hielt die Fasten, wie nur einer mag,
Die heil'ge Kirche nebst den Heil'gen ehrt' er,
Und Raub und Mord, und jedes Werk verwehrt' er
                Am Feiertag.
Da hatte nicht ein Christenkind zu beben,
Der Ketzer durfte nur, wie sich's gebührt,
Der Engeländer uns zu schaffen geben. –
Beeifert euch, wenn's so zu sterben führt,
                Noch fromm zu leben!

Nun regt er sich, erwartet sein Gebot. –
Er streckt die Hand aus, breit und blutig rot,
Sie suchet seine Flinte noch zu fassen;
Nicht will er von der alten Waffe lassen,
                Nicht in den Tod.
Sie war so manche Jahre sein getreuer,
Sein einziger Beschützer und Genoss';
Er freut sich ihrer, die er hält so teuer,
Versucht mit starrem Finger noch das Schloß –
                Da giebt sie Feuer.

Schon gut, du kennst mich noch, – indessen rafft
Der Söldner mich inmitten meiner Kraft:
Ich kann nicht selber meine Rache nehmen;
Du mußt dich einer stärkern Hand bequemen,
                Die Rache schafft.
Durch dich getroffen muß der Wicht erstarren,
Den schuldest du mir noch, versage nicht;
Sie werden in die Erde mich verscharren,
Drei Tage geb' ich Zeit, thu' deine Pflicht,
                Ich werde harren.

Des Weges zog ein Mönch von ungefähr,
Mit Geld und milden Gaben hatten schwer
Die Gläub'gen ihn beladen, dieses bracht' er
Dem Kloster zu, des Geldes nur gedacht er; –
                So zog er her.
Ein Räuber hieß, ehrfürchtig die Geberde,
Das Haupt entblößt, ihn folgen zu dem Platz;
Er kam unweigerlich, den Blick zur Erde,
Mit leisem Schritt, daß klingend nicht sein Schatz
                Verraten werde.

Und brünstig betet' er zu Gott empor;
Da klang dies Wort unheimlich an sein Ohr:
Ihr sollt mich beichten hören, mich entbinden,
So lieb euch euer Kopf ist, meiner Sünden
                Confiteor:
Es lastet mancher Mord auf meiner Seele,
Darauf war einmal mein Gewerb' gestellt.
Demütig sprach mit angstgeschnürter Kehle
Der Mönch: Wer ist, mein Sohn, in dieser Welt
                Ganz frei von Fehle?

Erbaulich kreuzigte, wer um ihn stund,
Bei jedem Mord sich traurend, den sein Mund
Berichtete; und ferner sprach der Alte:
Wie sich's mit meinem Nachlaß noch verhalte,
                Ich mach' es kund.
Im Namen Gottes und der Jungfrau sollen
Gehören meinem Weib Geschmeid und Tand!
Dir mein Gewehr, um Rache mir zu zollen;
Euch, Herr, mein Geld; – die Seel' in Gottes Hand,
                Mög' er sie wollen!

Der Mönch empfing im Schrecken seinen Lohn
Und gab dem Sünder Absolution;
Dann trat das schöne Weib herein, mit stieren,
Mit stolzen Augen, in den Armen ihren
                Unmünd'gen Sohn.
Tot, rief sie, tot! doch hat er nicht die Seinen
Verlassen, und kein Feiger liegt er da!
Nein! schrie er zornig aus, wer dürft' es meinen?
Das Kind indessen weinte, weil es sah
                Die Mutter weinen.

Sie warf sich neben den geliebten Mann,
Nahm in den Schoß sein Haupt und weinte dann.
Ihm klapperten vor Schmerz die Zähne heftig,
Bezwingen wollt' er sich noch willenskräftig,
                Es ging nicht an.
Wir werden länger nicht vereinigt bleiben,
Leb' wohl, du gutes Kind, es wird nun wahr;
Der scheidet, will auch uns vonsammen treiben.
Er lächelte, – sein Lächeln aber war
                Nicht zu beschreiben.

Und weißt du noch den Kuß, der uns verband,
Den ersten, als im Wald ich einst dich fand,
Dich widerstrebend fest umschlungen hatte,
Und liebesstark dein Bräutigam, dein Gatte
                Dich überwand!
So laß mit einem letzten Kuß uns scheiden;
Nicht wonnetrunken, taumelnd, unbewußt,
Nein, schmerzenreich besiegelt er uns beiden,
Wie jener erste dort die erste Lust,
                Die letzten Leiden.

Es will nicht taugen, daß du einsam bist;
Nimm einen wackern Mann nach kurzer Frist,
Und beide liebet meinen armen Knaben.
Laßt, wie ich selbst, ihn Gott vor Augen haben
                Als guter Christ.
Wann dreizehn Jahr' er alt ist, so erschein' er
Zum Abendmahl; dann sprich zu ihm das Wort:
Dein Vater, der dich schaut, war kühn wie keiner;
Sieh' hier sein Grab, die off'ne Straße dort, –
                Und denke seiner.

Er sprach's, dann ging's zu sterben; in der Wut
Der Schmerzen wälzt' er stöhnend sich im Blut,
Das Antlitz bleich, von Angstschweiß überflossen.
Noch rief er: Ave! – Amen! die Genossen
                Mit trübem Mut.
Dann sank sein müdes Haupt zurück. Hienieden
Gebührt die Ehr' ihm: feuert in die Luft
Noch dreimal die Musketen; schaffet Frieden
Vor Kinderschrei um dieses Mannes Gruft:
                Er ist verschieden.

 


 


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