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Von wessen Rufe hört man widerhallen,
Die her zu diesen Höhen führt, die Schlucht
Von Porto Vecchio? Flintenschüsse fallen.
Die Gelben sind's, die Jäger, und es sucht
Vor ihnen her den Buschwald zu erreichen
Ein schwer Verwundeter in scheuer Flucht.
Aus dem Gehöfte will ein Kind sich schleichen,
Zu spähen, was bedeute solcher Ton;
Es siehet vor sich steh'n den Blut'gen, Bleichen.
»Du bist, ich kenne dich, Falcone's Sohn;
Ich bin Sampiero; hilf mir, feines Kind,
Verstecke mich, die Gelben nahen schon.« –
»Ich bin allein, die beiden Eltern sind
Hinausgegangen.« – »Schnell denn und verschlagen,
Wohin verkriech ich mich? sag' an, geschwind.« –
»Was aber wird dazu der Vater sagen?« –
»Der Vater sagt, du habest recht gethan;
Und du zum Dank sollst diese Münze tragen.«
Die Münze nahm der Knabe willig an.
Ein Haufen Heu, der sich im Hofe fand,
Verbarg den blutigen, zerlumpten Mann.
Dann ging das Kind, des Blutes Spur im Sand
Austretend, nach dem äußern Thor besonnen,
Wovor schon lärmend der Verfolger stand.
Es war der Vetter Gamba. – »Wo entronnen,
Sprich, Vetter Fortunato, ist der Wicht,
Dem wir die Fährte hieher abgewonnen?« –
»Ich schlief.« – »Ein Lügner, der vom Schlafe spricht.
Dich hat zu wecken mein Gewehr geknallt.« –
»Noch knallt es wie des Vaters Büchse nicht.« –
»Antworte, Bursche, wie die Frage schallt;
Und führst du solche Reden mir zum Hohne,
So schlepp' ich dich nach Corte mit Gewalt.« –
»Versuch' es nur, mein Vater heißt Falcone.« –
»Ich aber werde deinem Vater sagen,
Daß er mit Schlägen dir die Lüge lohne.« –
»Ob er es thut, das möchte sich noch fragen.« –
»Wo ist dein Vater? sprich!« – »Ich bin allein,
Im Buschwald wird er sein, ein Wild zu jagen.«
Und Gamba zu den Untergeb'nen sein:
»Hier führt, ich traf ihn gut, die Spur des Blutes;
Durchsucht das Haus, er wird zu finden sein.«
Ein Jäger drauf: »So ihr es wollt, so thut es;
Doch solltet ihr's erwägen, Adjutant,
Uns bringt Falcone's Feindschaft nimmer Gutes.«
Er aber stand unschlüssig, abgewandt,
Und stach in's Heu, nachlässig, in Gedanken,
Wie einer, der das Rechte nicht erkannt.
Der Knab' indessen spielte mit dem blanken
Gehenke seiner Uhr und schob gelinde
Ihn vom Versteck zurück des armen Kranken.
Und wieder freundlich sprach er zu dem Kinde:
»Du spielst mit meiner Uhr und hast noch keine,
Die hatt' ich dir bestimmt zum Angebinde.« –
»In meinem zwölften Jahre bekomm' ich eine.« –
»Bist zehn erst alt, betrachte diese nur.«
Und blinkend hielt er sie im Sonnenscheine.
Gar argen Glanzes funkelte die Uhr,
Das zierliche Gehäus so blank und klar,
Die Nadeln Gold, das Zifferblatt Lasur. –
»Wo steckt Sampiero?« – »Wird dein Wort auch wahr?« –
Dem Knaben schwur er zu mit teuerm Eide,
Daß sie der schnöde Preis des Blutes war.
Des Knaben Rechte hob nach dem Geschmeide
Sich langsam zitternd; niederwärts sich neigend
Berührt' es sie; ihm brannt' das Eingeweide.
Da hob sich auch die Linke, rückwärts zeigend,
Und gab den Schützling dem Verfolger bloß;
Geschlossen war der Kauf, der arge, schweigend.
Da ließ der Adjutant die Kette los;
Das Kind, vom köstlichen Besitz befangen,
Vergaß sich selbst und des Verrat'nen Los
Und Gamba ließ hervor den Flüchtling langen,
Der blickte stumm verächtlich auf den Knaben
Und gab dem Jäger willig sich gefangen. –
»Ihr müßt, Freund Gamba, schon die Güte haben,
Schafft eine Bahre her, ich kann nicht gehen;
Verblutet hab' ich mich, im Heu vergraben.
Ihr seid ein Schütz, man muß es euch gestehen;
's ist aus mit mir; ihr habt mich gut gefaßt
Doch habt ihr auch, was ich vermag, gesehen.«
Und menschlich sorgte man und freundlich fast
Für einen, den man doch als tapfer pries,
Und, wo es galt, als Gegner nur gehaßt.
Die Münze reicht' ihm Fortunat, er stieß
Zurück den Knaben, welcher voller Scham
Entwich und jenen Thaler fallen ließ.
Falcone jetzt mit seinem Weibe kam
Vom Walde her; um sein Gehöfte sah
Er Jäger schwärmen, was ihn wunder nahm.
Schußfertig, kühn, vorsichtig naht' er da
Und hieß das Weib der zweiten Büchse pflegen,
Wie's Brauch ist, wo der Schütz dem Feinde nah'.
Ihn kennend, ging ihm Gamba schnell entgegen. –
»Verkennt den Freund nicht!« – Langsam stieg der Lauf
Der Büchse, die im Anschlag schon gelegen. –
»Wir hatten, Vetter, einen weiten Lauf,
Der Tag war heiß, wir haben ihn erjagt,
Doch gingen auch der Unsern zwei darauf;
Ich meine den Sampiero.« – »Was ihr sagt!
Sampiero, der die Ziege mir geraubt,
Vom Hunger freilich wohl und scharf geplagt.« –
»Er hat gefochten, wie es Keiner glaubt;
Wir haben ihn und danken's Fortunato,
Der uns geliefert sein geächtet Haupt.«
Der Vater rief entrüstet: »Fortunato?« –
Die Mutter sank zusammen wie gebrochen,
Und wiederholte schaurig: »Fortunato?« –
»Er hatte dort sich in das Heu verkrochen,
Der Vetter zeigt' ihn an, man soll's erfahren,
Und ihm und euch wird hohes Lob gesprochen.« –
Sie traten an das Haus; die Jäger waren
Geschäftig und bemühet um den Alten,
Die Bahre wohl mit Mänteln zu verwahren.
Und wie zu seinem Ohr die Schritte schallten,
Und er sich umgesehen, wer genaht, –
Da konnt' er nicht zu lachen sich enthalten;
Ein Lachen, gar entsetzlich in der That.
Das Haus anspeiend schrie er: »Lug und Trug!
In diesen Mauern hauset der Verrat!« –
Erbleichend, zitternd hört's Falcone, schlug
Vors Haupt sich die geballte Faust, und stumm
Verharrt' er, bis man fort den Alten trug.
Es sah sich Gamba grüßend nach ihm um;
Er merkt' es nicht, er ließ die Truppe ziehen,
Er starrte zu dem Knaben taub und stumm.
Es will vor ihm das Kind erzitternd knieen,
Er schreit es an: »dein erstes Stück war gut.
Zurück von mir!« – Es hat nicht Kraft zu fliehen. –
Und zu der Frau gewandt: »ist der mein Blut?« –
»Ich bin dein Weib« – und ihre bleichen Wangen
Erglühen schnell von wundersamer Glut. –
»Und ein Verräter!« – Ihre Blicke hangen
An ihrem Kinde, sie erspäht die Uhr:
»Von wem hast dieses Kleinod du empfangen?«
»Vom Vetter Gamba.« Heftig an der Schnur
Sie reißend, schleudert und zerschellt Falcone
An einem Stein der That verhaßte Spur.
Dann starrt er vor sich hin und scharrt, wie ohne
Gedanken, mit dem Kolben in dem Sand
Und rafft sich endlich auf und ruft dem Sohne:
»Mir nach!« Das Kind gehorcht. Er selbst, zur Hand
Sein trautes Feuerrohr, nimmt durch die Heide
Den Richtpfad nach dem nächsten Waldesrand.
Ihn hält die Mutter schreckhaft an dem Kleide:
»Dein Sohn, dein einz'ger Sohn, den Gott dir gab,
Den mit Gelübden wir erflehten Beide.«
Und er: »ich bin sein Vater, drum laß ab.«
Da küsset sie verzweiflungsvoll den Kleinen
Und schaut ihm nach bis in den Wald hinab.
Dann geht sie, vor das Heil'genbild der reinen,
Gebenedeiten Mutter sich allein
Zu werfen und zu beten und zu weinen.
Falcone hält im Wald am schwarzen Stein,
Versucht den Boden und erwählt die Stätte;
Hier ist die Erde leicht, hier wird es sein.
»Knie nieder, Fortunato, knie und bete.«
Der Knabe kniet und winselt: »Vater, Vater!
Du willst mich töten?« – Und der Vater: »bete!«
Und weinend, schluchzend stammelt er das Pater;
Mit fester Stimme spricht der Vater: »Amen!«
Und weiter stammelt er das Ave Mater. –
»Bist du nun fertig?« – Von den Klosterdamen
Erlernt' ich noch die Litanei so eben.« –
»Sehr lang ist die; jedoch in Gottes Namen!«
Er hat gebetet. – »Vater, laß mich leben,
O töte mich noch nicht!« – »Bist du am Schluß?« –
»Vergieb mir.« – »Gott, der möge dir vergebe!«
Die Hände streckt er aus – da fällt der Schuß.
Vom Leichnam wendet sich der Vater ab,
Und heimwärts schreitend wanket nicht sein Fuß.
Sein Aug' ist dürr, mit seines Alters Stab
Sein Herz gebrochen. Also holt der Mann
Den Spaten, um zu graben dort das Grab.
Die Mutter stürzt beim Schuß entsetzt heran,
Sie stürmet händeringend auf ihn ein:
»Mein Kind! mein Blut! Was hast du nun gethan!« –
»Gerechtigkeit. – – Er liegt am schwarzen Stein.
Ich lass' ihm Messen lesen, der als Christ
Gestorben ist, und also mußt' es sein.
Sobald du aber selbst gefaßter bist,
Verkünde unserm Tochtermann Renzone,
Daß meine wohlerwogne Meinung ist,
Daß künftig er mit uns mein Haus bewohne.« |