Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

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Die Jungfrau von Stubbenkammer.

   

Ich trank in schnellen Zügen
    Das Leben und den Tod
Beim Königsstuhl auf Rügen
    Am Strand im Morgenrot.

Ich kam am frühen Tage
    Nachsinnend einsam her,
Und lauscht' dem Wellenschlage,
    Und schaute übers Meer.

Wie schweifend aus der Weite
    Mein Blick sich wieder neigt,
Da hat sich mir zur Seite
    Ein Feenweib gezeigt.

An Schönheit sondergleichen,
    Wie nimmer Augen sah'n,
Mit gold'ner Kron' und reichen
    Gewändern angethan.

Sie kniet' auf Felsensteinen,
    Umbrandet von der Flut,
Und wusch, mit vielem Weinen,
    Ein Tuch, befleckt mit Blut.

Umsonst war ihr Beginnen,
    Sie wusch und wusch mit Fleiß,
Der böse Fleck im Linnen
    Erschien doch nimmer weiß.

Da sah sie unter Thränen
    Mich an, und bittend fast;
Da hat ein heißes Sehnen
    Mich namenlos erfaßt.

»Gegrüßet mir, du blendend,
    Du wundersames Bild.« – –
Sie aber, ab sich wendend,
    Sprach schluchzend aber mild:

»Ich weine trüb' und trüber
    Die Augen mir und blind;
Gar Viele zieh'n vorüber,
    Und nicht ein Sonntagskind.

Nach langem, bangen Hoffen
    Erreichst auch du den Ort –
O hättest du getroffen
    Zum Gruß das rechte Wort!

Hätt'st du Gott helf'! gesprochen,
    Ich wär erlöst und dein,
Die Hoffnung ist gebrochen,
    Es muß geschieden sein!« –

Da stand sie auf, zu gehen,
    Das Tuch in ihrer Hand,
Und wo die Pfeiler stehen,
    Versank sie und verschwand.

Ich trank in schnellen Zügen
    Das Leben und den Tod
Beim Königsstuhl auf Rügen
    Am Strand im Morgenrot.

 


 


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