Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Es ging wirklich etwas bezauberndes mit diesem Becken und seinen Früchten vor, und die Erscheinung war mir äußerst überraschend.
Die Früchte, die halb in der Wand verborgen waren, fingen allmählig an zu schimmern. Zuerst erleuchteten sich der Lorbeerkranz mit dem Schmetterlinge und die Trauben, ein dunkles ernsthaftes Grün, das endlich in verschiedene Stimmungen über die umgebenden Früchte zerrann. Dann glühte das ganze Becken in mildem grünen Feuer und die schillernden Tropfen, die zwischen den Früchten hervor drangen, leuchteten und sammelten die verschiedenen Grade des Feuers in dem Boden des Beckens, das mit grünen Spiegel überzogen die immer gleiche Menge des Wassers mit einer zurückstralenden Seele belebte, und in dieser brannte das Ganze noch einmal reflektirt.
Wir standen alle erfreut vor dem großen Smaragde, der zu leben schien, und ich empfand in mir einen heftigen Eindruck, eine ganz wunderbare Sehnsucht.
Ich wollte, das Ding schwiege still, erblaßte und verlöre seine Gestalt, sagte ich, denn eins allein von diesen könnte ich nicht sagen. Hier ist Ton, Farbe und Form in eine wunderliche Verwirrung gekommen. Man weiß gar nicht, was man fühlen soll. Es lebt nicht und ist nicht todt, und steht auf allen Punkten auf dem Übergange, und kann nicht fort, es liegt etwas banges, gefesseltes darin.
Aufhören wird es bald, sagte Godwi, wenn sich nur die Sonne wendet. In der Einrichtung liegt das Schöne, daß es mit dem himmlischen Lichte in Verbindung steht. Wenn die Sonne sich wendet, verliert es sein Leben und stirbt.
Bald wechselte die ganze Beleuchtung gleichsam stoßend, einmal, zweimal, und alles war vorüber.
Godwi erzählte uns, daß der verborgene Theil des Kunstwerks von außen der Sonne ausgesetzt sey, die, wenn sie auf einem gewissen Punkte stehe, durch mehrere geschliffene Spiegel, die im Inneren sehr künstlich angebracht seyen, das Becken so erleuchte. Sein Vater habe eine Zeitlang viele Künstler um sich gehabt, denen er vieles verdanke, und unter ihren Arbeiten seyen auch manche, die ihm selbst wohl thäten.
Ich fragte ihn, warum nur manche, da doch jedes schöne Werk ein allgemeines Gefallen zur Bedingung hat.
Mein Vater, erklärte er, wollte nicht das Schöne der Kunst, er wollte nur ihre Macht. Sie sollte ihm dienen, denselben Eindruck, den er wollte, ihm auf alle Arten zu geben. Sie sollte ihm etwas, was er gern vergessen hätte und nie vergessen konnte, seinem unerreichlichen Wunsche zum Trotze auf allen Seiten hinstellen. Nehmen Sie an, er habe sich vor Geistern gefürchtet und sie seyen oft neben ihm getreten, so sey er nun aus Verzweiflung ein zweiter Faust geworden, habe die Geister zu sich gezwungen, um ihm zu dienen, habe sich unter sie gestürzt, um sie nicht zu fürchten. So ist er mit der Kunst umgegangen; Alles, was er arbeiten ließ, umfaßte einzelne Ideen, von denen eine mich in meiner Jugend schon peinigte, und die mich jetzt, daß ich sie kenne, da ich mich kenne, und meine Bestimmung, nur dann und wann rührt.
Hier hielt er ein, und ich durfte ihn nicht fragen, denn mit seiner Rede war sein Schmerz gestiegen; aber Haber durfte ihn fragen, weil seine Neugierde größer war, als seine Schonung; – und diese Idee? – sagte er.
Godwi sah ihn an, und sprach lächelnd – und diese Idee habe ich in meinen Worten ganz allein verhüllt, weil ich sie nicht sagen wollte.
Dies Becken aber, das uns so eben erfreuete, fragte ich, wie kam er zu diesem, warum bauete er den wunderbaren Saal, in dem wir sitzen, und das ganze Jägerhaus?
Godwi erwiederte, er that dieses einer gewissen KordeliaSiehe den ersten Band pag. 178, wo Molly von dieser Kordelia schreibt. wegen, die sich hier aufhielt, und auch hier gestorben ist, einem sehr merkwürdigen Weibe, durch seine so einseitige Anhänglichkeit an die todte Natur, daß es alle Menschen, und besonders die Männer vermied. Diese Kordelia brachte ihre letzten Jahre hier zu. Sie war ein Jahr vor meines Vaters Abreise nach Italien in meiner Abwesenheit hierher gekommen. Mein Vater ließ ihr dieses Haus nach ihrer Phantasie erbauen. Sie starb unter freiem Himmel, und liegt hier im Walde begraben. Ich erbrach ihren letzten Willen, der nichts enthielt als die Bitte, den versiegelten Schrank in ihrer Schlafstube nicht eher zu erbrechen, bis ihr eigentlicher Name bekannt sey, der immer noch verborgen ist. Dies einzelne Werk, das Becken, kaufte ich von einer emigrirten Familie auf meiner Reise. Es ist von einem Straßburger Künstler aus dem funfzehnten Jahrhundert, der nicht bekannt geworden ist, weil er mit seltsamen ganz eigenthümlichen Zwecken arbeitete. Alle seine Werke sind in einem solchen phantastischen romantischen Stiel, und bezeichnen seinen wunderbaren Gemüthszustand. Dieses Becken war ihm eigen geblieben, und seine Erben kannten den Gebrauch durch ihn. Da die Wirkung mir gefiel, kaufte ich es, und schickte es meinem Vater, der es Cordelien zur Freude hier anbringen ließ. Zu gleicher Zeit habe ich mancherlei Papiere dieses Künstlers gekauft, die wir einmal mit einander durchlesen wollenIch besitze durch die Güte des Herrn Godwi jetzt diese Papiere, die nichts anders, als das selbstgeschriebene Tagebuch dieses höchst interessanten Menschen enthalten. Er lebte in dem funfzehnten Jahrhunderte, und ich bin Willens, so bald ich Muße habe, dem Publikum dieses interessante Manuscript mitzutheilen.
Maria
Ueber diesem war es Abend geworden, und Haber erinnerte an das Heimgehen vor Nacht.
Wenn es Zeit ist, sagte Godwi, kömmt mein Jäger von selbst uns zu rufen. Er kennt unsre gewöhnliche Zeit, und überdies ist Flametta so spröde gegen ihn, daß er sicher früh genug aufgebracht seyn wird, und dann wird er uns schon abholen, es wäre unfreundlich, ihn jetzt zu stören, da er bey dem Apollo uns zu Liebe schon so viele Zeit versäumt hat.
Erzählen Sie uns doch etwas näheres von Flametta, sagte ich.
Er erinnerte aber, ich sey die Rede der Kreuzfahrer noch schuldig, ich möchte diese nur erst sprechen lassen; denn es wäre äußerst unartig, solche entschlossene Jünglinge länger in der Berathschlagung stehen zu lassen.
Haber sagte, ihr letzter Satz war –
So schwebte ruhend die Fittiche in unentschiedenem Fluge ihr Geschick.