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Ich habe dir gestern geschrieben, Römer, wie wir sprachen, und will gerne fortfahren, aber ich habe hier in jeder Minute stets so viel geliebt und gelebt, daß ein ganzes Leben der Erinnerung immer hinabsinken muß, um die Gegenwart zu umfangen.
Wer in der reinen Natur und unter den Menschen Gottes lebt, o! der ist so von der unendlichen Kraft durchdrungen, daß er keine Augen für die Handlung hat. ich bin so gezwungen zu leben, daß alle Reflexion mir Mühe kostet, und wäre ich nicht so ungeschickt, und so verschroben, daß in jeder Minute des Alleinseyns mir alles Genossene als Bedürfniß erscheint, weil ich noch nicht in mir selbst fortdauernd empfinde, daß diese Welt ewig in mir entzündet, so könnte ich dir nichts schreiben, als abgebrochene Sätze und Ausrufungen, wie der, der in dem tiefsten Schooße der Wollust versunken, sich selbst mit aller Aeußerung in ihm auflöst, und keine Beschreibung, als in der Anschauung des Genusses selbst geben kann. –
Godwi.
Es ist eine Thorheit, Römer, daß ich dir diese Scene zu schildern anfing, da es keine war – – Es ist als wollte ein Maler ein wunderbar heiliges, lebendiges Leben im Mondschein, wo alle Gestalt leise zerrinnt, vor dir in bestimmten Formen hinzeichnen, wo der Mensch und alles Einzelne in das Ganze zerrinnt, wo nichts von dem Hintergrunde sich trennt, und alles in ein leises Gefühl der ewigen Gleichheit verschwimmt, und unser bestimmtester Begriff nur der des allgemeinen seligen Daseyns des Lebens seyn kann.
Es war kein Umriß da und keine Fülle, und kein Selbstgefühl, es war alles eins, und ich fühlte Tiliens warmen Busen an meiner Brust, wir wandelten leise, als wollten wir den Schlaf des Waldes nicht erwecken. Mein Herz drängte sich in meiner Brust schüchtern hinüber zu dem ihrigen, dessen vollen Schlag ich fühlte, sie drängte sich im Gehen dicht an mich, und alle Fibern zitterten in mir.
Ich wußte nicht, ob die Eichen oder unsre Locken so sanft über uns rauschten, ob Tiliens Blicke den Mond, oder der Mond ihre Blicke anzündete. Ich war nie mehr – und doch nichts als ein Lebender. Das Aeußre fühlte ich in meiner Seele in einem stillen Weben, und mich das Aeußre bildend und von ihm gebildet. Es war, als habe ich ein Element um mich erschaffen, das seinen Schöpfer mit Wellen dankend umschlingt, und ihn von sich selbst trennend zur Einzelheit erhebt. – – Es war die letzte Empfindung des Geschaffenen, und die erste des Schöpfers.
Mit dunkeln Wünschen ist die Ordnung in unserm Herzen angeknüpft, ihr stiller Strom fließt zu der Liebe hin, und kehrt mit allem Leben ewig in unser Herz zurück.
Ich habe bis jetzt noch keinen Genuß im Leben gehabt, den mir die Reue über den Misbrauch meiner Fähigkeit, mich zu freuen, nicht begleiten würde, wenn es nicht nichtswürdig und eine schnöde Verachtung der Gegenwart wäre, etwas zu bereuen.
Schnell nieder mit der alten Welt, Die neue zu erbauen. Der, dem die Liebe sich gesellt, Darf nicht nach Trümmern schauen. Aus Kraft und nicht aus Reue dringt, Was die Vergangenheit verschlingt. |
Nie darf die Erinnerung mit Neid nach der Gegenwart blicken, auf den Gräbern wollen wir tanzen, wenn wir Leben kennen, und sterben können.
Ich stehe wieder wie ein Kind im Leben, wie ein mächtigeres Kind eines mächtigeren Lebens. Und jetzt soll ich mich auf das Ehemals besinnen, da mir die Gegenwart meine ganze Möglichkeit so süß vereinzelt hinbietet?
Es ist mir, als ob alle dunkle sehnsüchtige Stunden meiner Jugend voreilige muthige Boten der Zukunft gewesen wären, die ich jetzt verstehe.
Meine Liebe zu der Engländerin war voll Kenntniß, voller Übung aller selbstischen Bemühung des Herzens in der Leidenschaft. Es war eine Liebe, wie die des Naturforschers zur Natur, die er in Kabinetten mit seinem Leitfaden in der Hand überrascht, und in seinem Laboratorium chemisch in einem Schmelztiegel küßt.
Jetzt hat mich die allgemeine Verbindung einer Schweiz umarmt. Das Leben wiegt sich wie ein Blumenkranz in meinen Locken, den Tilie hineingelegt. Ich fühle ihn nicht, und meine Phantasien wohnen in seinen Kelchen. Nie wird ihn mein Geist entblättern, denn mein Gemüth hat sich wie Dank und Rausch an Frühling und Liebe entzündet. Die Stimme meines stillen innern Danks spricht wie die Liebe im Liede der Nachtigall, aus Liebe, ohne Liebe zu dichten.
Ich liebte die Engländerin, weil sie meinen Sinnen schmeichelte, weil sie meinem Bedürfnisse und meinem Geschmacke das Bild der Natur hinzureichen schien. – Aber sie kam nur von der mißverstandenen Kunst zurück – dies Bild war nicht rein, der Zwang hatte hie und da einen schmerzhaften Zug zurückgelassen – es war Genesung, die nimmer Gesundheit wird.
Tilien liebe ich, weil sie so ist, denn die Gesundheit allein ist liebenswürdig. Sie war nie anders, sie ist nie so geworden, und wird nie anders werden. Sie ist so, und ewig so.
Sie schafft sich ewig selbst, und weiß es nicht. Jede Minute ihrer Schönheit wird durch sie, und sie ist das Kind jeder Minute ihrer Schönheit. Wie die Liebe ihren Busen hebt, so ist ihr Busen das göttliche Gefäß ihres liebenden Herzens.
Aeußere Dinge bestimmen sie nur, in sofern sie in die unwandelbare treue Folge der Lebensaussprache tritt, in deren Sittewechselnden Bildungen sie eine wunderbar ehrwürdige Urgeberde geblieben ist.
Sie selbst steht da, wie die Natur im schönen Menschen; ihre Gedanken, ihre Worte, Geberden und Mienen, ihre ganze Erscheinung ist der heiligsten Anschauung fähig. Man könnte jede Folge ihrer Aeußerung mit schönen abwechselnden Bildern allegorisiren.
Wenn ich mir sie denke, wie sie sich bewegt, wie sie spricht, oder singt, so sehe ich eine Reihe schöner weiblicher Gestalten in harmonischen Wellen vor mir hinschweben, die sich bald mit ihren zarten Armen, bald mit einzelnen Blumen oder Tönen, mit ganzen Blumen- und Tonfolgen, bald mit süßen durchsichtigen Liedern aus beiden gewebt berühren.
Diese Gestalten bilden mir dann keinen Zirkel, sondern kommen unmittelbar aus der Natur, die Sie umgiebt, und schweben wieder so aus ihr hinüber.
So fühlte ich, als sie mir befohlen hatte, mich zu besinnen, und besann mich also nicht –
Tilie. | |
Hast du denn bald genug gedacht? ich fürchte, Du suchst so lange, bis du mehr als findest. Denn suchst du über's Finden, so erfind'st du. |
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Ich. | |
Verzeih', ans Suchen dachte ich noch gar nicht. | |
Tilie. | |
Was dachtest du? | |
Ich. | |
Ich weiß nicht, was ich dachte, Ich sprach mit dir, und diese ganze Welt, Der Wald, der Mond, sie lagen mir am Busen. Ich fühlte, daß sie mit mir sprachen, daß ich Mit Allem Leben innig tief verbunden, Doch keinem Einzelnen eröffnen könnte, Und keinem das erwiedern, was sie mir vertraut, Als dir, du liebe Tilie, dir allein. |
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Tilie. | |
So sprich mir nun von deinen Kinderjahren, Du hast dich schon besonnen; was du fühltest, War Wahrheit, Leben; wo sie einig sind, Kann sicher nur das Rechte einzig seyn. Laß dies Gefühl um deine Worte währen, Und reine Dinge wird Otilie hören. |
Scene aus meinen Kinderjahren.
Oft war mir schon als Knaben alles Leben Ein trübes träges Einerlei. Die Bilder, Die auf dem Saal und in den Stuben hiengen, Kannt' ich genau; ja selbst der Büchersaal, Mit Sandrat, Merian, den Bilderbüchern, Die ich kaum heben konnte, war verachtet, Ich hatte sie zum Ekel ausbetrachtet. So, daß ich mich hin auf die Erde legte, Und in des Himmels tausendförm'gen Wolken, Die luftig, Farben wechselnd oben schwammen, Den Wechsel eines flücht'gen Lebens suchte. Kein lieber Spielwerk hatt' ich, als ein Glas, In dem mir Alles umgekehrt erschien. Ich saß oft Stundenlang vor ihm, mich freuend, Wie ich die Wolkenschäfchen an die Erde, Und meines Vaters Haus, den ernsten Lehrer Und all' mein Übel an den Himmel bannte. Recht sorgsam wich ich aus, in jenen Höhen Den kleinen Zaubrer selbst verkehrt zu sehen. Ich wollte damals alles umgestalten, Dann lernt' ich unsern Garten lieben, freute Die Wolken drängten sich wie wilde Heere, Da fühlte ich in mir ein tiefes Sehnen Der Tag war hinter Berge still versunken, Der Gärtner gieng nun still an mir vorüber Die Vöglein sangen in den dunkeln Zweigen, Da sehnt' ich mich nach Ruhe nach der Arbeit, Des Abends Gluth zerfloß in weite Röthe, Da flocht ich trunken meine Ideale, Und nie konnt' ich die Phantasie bezwingen, Ich ruht' in mich ganz aufgelöst im Busche, Und es schien das tiefbetrübte Traurig blickt es in die Wellen, Sieht im Teich ihr Abbild winken, Kann nicht weinen, denn die Augen Es riß mich fort, als zögen mich Gespenster Da ward es plötzlich dunkel, und der Mond Als ich am Thurm zu deinen Füßen saß, Ich glaube, daß es mir in jener Nacht, Mein Vater saß an meinem Bette, lesend Mein Vater hob die Augen gegen Himmel, Es war mir Alles Schranke, nur wenn ich |
Meine Stimme war nach und nach gesunken, und mein Gefühl konnte ich nicht mehr erreichen.
Wir wendeten uns denn, es war spät in der Nacht und kühl, der Mond goß den kalten Tag der Geister durch die Nacht; in sonderbar wilde fremde Formen zerriß sich das einsame traute Leben der Dämmerung, Schauer wehte aus den Gebüschen, und in den Gewölben der Eichen herrschte bange Geisterfeier.
Godwi.