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Werdo, der Vater Tiliens, ist heiterer, seitdem ich hier bin. Tilie dankt es mir, und nennt mich darum den Freund. Da ich sie zum erstenmal sprach, es war in der Gesellschaft des Alten, wartete für mich eine seltsame Zauberei über ihrer Rede. Sie sprach in weiten geisterischen Umrissen von der Welt, und ich fühlte, indem sie mit einer hohen Theilnahme und vielem Geiste die Leiden und das Uebel der Gesellschaft vermuthete, daß alles in der Welt recht sey, und wie es seyn könne.
Unsre Wirklichkeiten wurden unter der zarten Bestimmung ihrer Phantasie zu einer fremden freundlichen Poesie, so wie ihre Wirklichkeit unsre Poesie seyn könnte. Es ist mir, als sey der Genius der höchsten Kultur auch derselbe der einfachsten Natur, und habe seinem Kinde die Sitten der Kinder der Gesellschaft anvertraut, um sie durch die Darstellung jener Unzulänglichkeit für ihr eignes Leben empfänglicher zu machen.
Werdo, der mein Erstaunen über sein weissagendes Kind bemerkte, ergriff in einer seiner fraulicheren Stunden meine Hand, und sprach: »Mein Freund! du bist mein Hausgenosse geworden, und freuen soll es mich, noch lange in stiller Liebe so mit dir zu theilen! Ich schwieg bis itzt, ich glaubte, daß auch dich das Mitleid ekelhaft durchdringe, und alles müßte ich vor dir und deines Herzens Vorwitz bang verhüllen. Doch freudig habe ich des Herzens stille Theilnahme gefunden, vor der ich ohne Scheu, daß du in lautes Seufzen, in Verwundern, wie kein Mensch es darf, verfielest, die lang entwöhnte Offenheit ergieße. Mein Schmerz ist still, du hast ihn nie mit Klang und lauten Worten angeredet, so liebt er dich und mag dich wohl in seiner Ruhe leiden. Das Leben, das ich sonst um gar nichts fragte, es wollte mir auf alles Antwort geben, und that es rauh mit scharfen lauten Worten, so daß es mich hinausgedrängt. Itzt frag' ich nichts, und nichts mehr spricht mit mir; so lebe ich in tiefer Einigkeit mit Allem, was hier um und um mich lebet.«
Wenn der Sturm das Meer umschlinget, Schwarze Locken ihn umhüllen, Beut sich kämpfend seinem Willen Die allmächt'ge Braut und ringet, Küsset ihn mit wilden Wellen, Wenn die Liebe aus den Sternen Denn der Tod kömmt still gegangen, Rufe, daß die Felsen beben, Frühling darf nur leise hauchen, In des Baumes dichten Rinden, In uns selbst sind wir verloren, In der Nächte Finsternissen Wer rufet in die stumme Nacht? An Ufers Ferne wallt ein Licht, So breche dann, du todte Wand, Vergangen sey vergangen, Und reicht nach allen Seiten So tausendfach gestaltet, Mein Wort hallt von den Klippen, Ich habe allem Leben Es sinkt der Morgen nieder, Und wenn ich einsam weine, Muß ich am Stabe wanken, Ich sinke ewig unter, Das Leben nie verschwindet, Das Licht hat mich durchdrungen, So kann ich nimmer sterben, |
Die Harfe lag, während er sprach, schon an seiner Brust, wie ein Theil seines Gemüths und seiner Aeußerung.
Ich empfand erst in der Mitte seines Liedes, daß er sie spielte, so leise hatte er angefangen. Alles das hatte sich verschlungen und durchdrungen, ohne daß ich irgend einen Übergang sah.
Morgen schreibe ich dir weiter; ich habe den Greis verlassen, sitze hier auf meiner Kammer, weine und bete; der Abend kömmt schon, von ihm den Abschiedskuß zu fordern. O lebe wohl!