Clemens Brentano
Godwi
Clemens Brentano

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Siebentes Kapitel.

Nach Tische hörten wir einige Waldhörner, die lustig erklangen. Godwi sagte: wir wollen uns gegen den Spiegel wenden, da werden wir unser Orchester besser sehen können, und besonders Flametta, die ein sehr schönes Mädchen ist, und sich bey solchen Gesängen öfters sehr reizend dekorirt.

Wir warteten auch nicht lange, als wir an dem Wasserfalle einen zahmen Hirsch trinken sahen. Er hatte ein blankes Halsband mit Schellen an, und sah sehr zierlich aus. Er drehte sich um und sah zu uns herein. Godwi gab ihm etwas Brod, und er guckte uns mit seinen hellen freundlichen Augen groß an, dann rief ihn Flametta und er lief wieder weg.

Godwi sagte, das gehört sicher zu dem Liede, und wir können uns nun von Flametta etwas dramatisches erwarten.

Nun begannen die Hörner wieder ein lustiges Jagdlied zu blasen, verloren sich dann in der Ferne, und ahmten das Echo nach, als ob eine Gesellschaft Jäger auszöge, dann verstummten sie ganz, und an dem Wasserfalle erschien eine liebliche Maske.

Flametta war es, sie hatte sich in einen jungen Jäger verkleidet. Ein grünes Mäntelchen hing schön geschürzt über ihren Schultern. Die kräftigen Hüften hatte sie mit weißen Puffen bedeckt. Sie setzte sich, und streckte die schlanken behenden Beine nachlässig an den Boden. Ihr hoher Hals drang stolz aus dem strengen Dianenbusen, den sie leider aus Costum, so viel als möglich verbarg. Sie wußte wohl nicht, wie gern solche Fehler übersehen werden. Sie stützte das trotzige freie Köpfchen, auf dem sie einen schönen Kranz von frischen Blättern und Flittergold trug, in die Linke, und warf mit der Rechten Bogen und Pfeil von sich.

Indem sie sich über das Wasser beugte, und ihre Worte mit gelinden Bewegungen begleitete, sang sie mit heller klingender Stimme, und die Hörner tönten leise nach.

Cyparissus.
        Nicht lachen mehr, nicht singen mehr,
Nicht mehr in Wäldern jagen,
Still sitzen hier und klagen
Weil ich nun mein Hirschlein geschlagen todt.

Wollt eilen hin, wollt eilen her,
Könnt einer mir nur sagen,
Daß ich es nicht erschlagen,
Daß ich nicht vergossen sein Blut so roth.

O böse Jagd! o böser Pfeil!
Mit lieben Blut geröthet,
Mein Freund hab' ich getödtet,
Der um mich verlassen die Freiheit sein.

Nicht lachen mehr, nicht singen mehr,
Nicht mehr in Wäldern jagen,
Still sitzen hier und fragen,
Wer hat erschlagen das Hirschlein mein?

O Sonnenschein! o heißer Schein!
Hier sitz ich an der Quelle,
Wo in dem Wasser helle,
Das Hirschlein sah sein güldin Geweih.

Was rauschet wohl, was blinket fein?
Was brauch ich's dann zu hören,
Mein Hirschlein kann nicht kehren,
Es ist ja todt und blinket nicht meh'.

Welch hoher Schritt, welch güldner Schein!
Zwei Hörner seh ich blinken,
Mein Hirschlein kömmt zu trinken,
O Freude groß! daß ich es noch seh.

Hier trat der Jägerbursche mit einer goldenen Leier auf. Flametta hatte ihn als Phöbus maskirt. Flametta, welche den Cyparissus vorstellte, glaubte nach der Wendung ihres Liedes, als sie die Leier blinken sieht, es sey das Geweih ihres Hirschleins.

Phöbus.
O Cypariß! du holder Knab!
Dein Hirschlein ist im Walde,
Mein hoher Tritt so schallte,
Mein güldin Leier gab solchen Glanz.

Seit ich dich nicht gesehen hab',
Und hier bey dir gesessen,
Hast du mich schon vergessen,
Und flochte dir doch den grünen Kranz.

Flametta nahm hier den grünen Kranz und warf ihn in das Wasser, wobey ihr die schönen lange Haare herabflossen.

Cyparissus.
        Den grünen Kranz will ich nicht mehr,
Und bist du nicht mein Hirschelein,
Und gehe und laß mich nur allein,
So habe ich es doch geschlagen todt.
Phöbus.
Dein's Hirschlein's Tod verdrießt mich sehr,
Will dir ein andres suchen,
In Eich' und grünen Buchen,
Vom Morgen bis zum Abendroth.

In heißer Sonn', in kühler Nacht,
Will ruhn in keiner Stunden,
Bis ich ein solches funden,
Damit ich tröste dein'n bittern Schmerz.

Cyparissus.
In heißer Sonn' in kühler Nacht,
Kannst kein's du je erjagen
Wie mein's, das ich erschlagen,
Dem ich durchstochen sein treues Herz.

Verlassen hat's sein'n freien Stand,
Von selbst kam es gegangen,
Ich hab es nicht gefangen,
Ein'n treueren Freund giebt es wol kaum.

Am Halse trug's ein güldin Band,
Mit Schellen auch von Golde,
Und wenn ich reiten wollte,
Legt ich ihm auf ein'n Purpurzaum.

Ihm war vergüldt sein hoch Geweih,
Daß mit den vielen Enden
Es alles mogt verblenden,
Wann es rannte durch den dunklen Wald.

Es schien, als ob's ein Blitzstral sey,
In seinen Ohren hinge
Von Perlin ganz ein Ringe,
So war geziert seine hohe Gestalt.

Phöbus.
O Cypariß! Du holder Freund!
Ich geb dir Pfeil und Bogen,
Mit Gold ganz überzogen,
O höre doch auf betrübt zu seyn.

Dein' schöne Augen sind ganz verweint,
Von deinen süßen Wangen
Ist ganz das Roth vergangen,
Und deine Lippen sind so voll Pein.

Komm, geh mit durch den dunklen Wald,
Den wilden Schmerz zu kühlen,
Will singen dir und spielen,
Komm und vergesse dein Hirschelein.

Cyparissus.
Dein Pfeil und Bogen nur behalt
Und in den Wald alleine geh,
Denn ich vergeß es nimmermeh',
Und sterbe hier voll großer Pein.

Will setzen zu dem Hirschlein mich,
Am heißen Mittag, wenn alles schweigt,
Will ruhen da,
Will sterben da,
In der Einsamkeit will ich sterben,
Meine Gedanken ganz traurig,
Will sterben bey dem Hirschelein.

Hier verließ Phöbus und Cypariß die Scene. Die Waldhörner spielten eine traurige Weise, und mehrere Stimmen sangen, ohne gesehen zu werden, folgendes Chor:

Da saß der Jüngling und weinte,
Der Gott konnt ihn nicht trösten,
Und mogt nicht, daß er leide.
Da macht er ihn aus Liebe
Zu einer Trauerweide.

Des Baumes Zweig' sich senken
Und scheinen still zu denken
Und leis herab zu weinen
Cypressus er nun heißet.

         

Hier war das Fest zu Ende, und alles schwieg still. Die Sonne hatte recht gut dekorirt. Im Anfange schien sie ganz heiß auf den Wasserfall und zog dann mit dem Gesange davon. Sie ging von der Seite des Phöbus, so daß Cypariß nach und nach ganz in den Schatten kam und auch der Saal viel düstrer ward.


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