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Brehms klassisches »Tierleben« kennt alle Welt, nur wenige aber wissen bis heute, daß dieser Meister der Tierschilderung ein berühmter Forschungsreisender war, dem zwar die Menschheit nicht die Entdeckung neuer Länder und Völker verdankt, der aber den sechsten Teil seines Lebens in fremden Erdteilen zugebracht hat, um Neuland für seine Wissenschaft, d. h. die Tierkunde, zu erobern.
Fünf Jahre durchquerte er Afrika. Das erstemal (1847 bis 1852) ging die beschwerliche Forscherfahrt durch ganz Ägypten und Nubien, den östlichen Sudan und Kordofan, das zweitemal (1862) nach Habesch und den Bogosländern, ins abessinische Hochland hinein. Im Jahre 1856 erweiterte er seine Kenntnis der Tierwelt auf einer Reise nach Spanien, zum Teil im Verkehr mit Ziegenhirten, Gebirgsjägern, aber auch Schmugglern und Räubern, und vier Jahre später trieb ihn der Wunsch, die Vogelberge des hohen Nordens aus eigener Anschauung kennen zu lernen, durchs schwedische Lappland zum Nordkap hinauf. Die letzte große Forscherfahrt (1876) führte gemeinsam mit Otto Finsch durch die sibirischen Steppen und Tundren bis über die Grenze Chinas hinaus, und abermals ein paar Jahre darauf beschloß ein längerer Jagdausflug, der in Begleitung des Kronprinzen Rudolf der Adlerjagd in Ungarn galt, das rastlose Wanderleben Brehms.
Was weiß man heute von alledem? Das »Tierleben« ist in aller Mund und hat den Namen seines Verfassers durch die gesamte Kulturwelt getragen, kaum jemand aber erinnert sich mehr an die Reisewerke des Forschers Brehm. Auf seinen aufschlußreichen drei Bänden »Reiseskizzen aus Afrika«, der interessanten »Reise nach Habesch«, sowie den zahlreichen, hier und da in Zeitschriften niedergelegten Aufsätzen und der nach seinem frühen Tode erschienenen Sammlung der Vorträge Brehms (er starb, kaum 55jährig, am 11. November 1884) liegt heute unverdientermaßen der grausame Staub der Vergessenheit.
Der Gedanke, den fesselndsten Teil dieser Schriften zu neuem Leben zu erwecken, kam mir gelegentlich der Bearbeitung meiner »Tierleben«-Volksausgabe (6 Bände, Leipzig 1924), in der ich als erster das klassische, unter seinem letzten Herausgeber brehmfremd, brehmfeindlich gewordene Werk auf seinen Urtext zurückgeführt, wieder »brehmgetreu« gestaltet habe. Es dünkte mich wie eine Ehrenpflicht gegenüber dem Reisenden Alfred Brehm, im Anschluß daran auch die Schilderungen seiner Forscher- und Wanderfahrten, seiner Erlebnisse unter Tieren und Abenteuer unter Menschen, soweit sie noch frisch und bedeutsam sind, für Volk und Jugend herauszugeben. Wir haben an starken Persönlichkeiten, wie Brehm eine war, keinen Überfluß und können mannhafte Vorbilder brauchen: wir haben aber in unserem Schrifttum auch keinen Überfluß an Autoren, in deren Werken gleich stark der Zauber ihrer Persönlichkeit fühlbar wird. Möchten sich viele an diesem Vermächtnis des unvergeßlichen Brehm erbauen!
Carl W. Neumann.