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Die Apokalypse, die sogenannte Offenbarung des Johannes, die das Neue Testament abschließt, scheint zuerst geschrieben zu sein und ist in gewisser Beziehung die Grundlage des ganzen Gebäudes. Wer dieser Johannes, der als Urheber der Schrift auftritt, in Wirklichkeit gewesen ist, läßt sich nach der Natur der Sache unmöglich feststellen. Nur soviel ist unzweifelhaft, daß er mit dem Verfasser des vierten Evangeliums nichts zu tun hat.
Es wird berichtet, daß die Schrift auf Patmos entstand, einer kleinen, schmalen, kaum vier Meilen langen Insel, die vor Ephesos liegt. Sie hatte im Altertum durch ihren vorzüglichen Hafen nicht geringe Bedeutung. Sie war die erste oder letzte Station für den Reisenden, der sich von Ephesos nach Rom begab oder umgekehrt. In der griechischen Zeit war sie blühend und dicht bevölkert, in der Römerzeit eine Hafenstadt, von wo täglich Schiffe abgingen, heute ist sie wie die anderen griechischen Inseln nackt, aber schön, ohne irgendwelchen Schrecken, ansprechend mit ihren rötlichen Felsen in dem blauen Meer unter der schimmernden Sonne. Ein Grieche des Altertums hätte hier ein Liebesidyll schreiben können, ein Jude des Altertums verfaßte hier ein kleines Werk, dessen Bestimmung es war, die Menschen mit Schrecken zu schlagen durch den Ausspruch unerhörter Weissagungen, durch die Darstellung barocker und barbarischer Gesichte. Und das alles in dem unerträglichen Stil, zu dem sich die strenge Ausdrucksweise der alten jüdischen Propheten allmählich entwickelt hatte, einer unverständlichen Freimaurersprache, wie tausend Jahre später die von Umschreibungen (Kenningar) wimmelnde Poesie der isländischen Skjalden.
Unter Ezechiel beginnt der prophetische Stil zu verderben. Er schreibt verbannt, zwischen 574 und 572. Er führt die Visionen ein, um Wirkungen zu erzielen: »Und ich sah, und siehe: ein Sturmwind kam von Mitternacht, großes Gewölk und wogendes Feuer und ein Glanz darin ringsum, und aus seiner Mitte wie Golderzschein, mitten aus dem Feuer. Und in seiner Mitte eine Form von vier lebenden Wesen … Menschenform hatten sie. Und vier Gesichter hatte jedes, und vier Flügel hatte jedes von ihnen. Und ihre Füße waren gerade, und ihrer Füße Ballen wie Kalbfußballen, und glänzend wie der Schein geglätteten Erzes … Und die Form ihrer Gesichter: ein Menschengesicht, und zur Rechten ein Löwengesicht hatten die vier.« So geht es bis ins Unendliche mit diesen barocken zoologischen Mißgeburten, die vielleicht anfänglich inspiriert waren durch den Anblick der geflügelten Stiere und anderer Fabeltiere in den Tempeln, die Ezechiel während seiner babylonischen Gefangenschaft zu sehen bekommen hatte.
Er ist kräftig und malerisch genug, vermag aber nicht wie die früheren Propheten zu Herzen zu sprechen.
Zacharias, der bedeutend später lebt und etwa um das Jahr 518 schreibt, ist noch dunkler als Ezechiel, wendet wie er die Allegorie an und drückt sich wie er in Gesichten aus: »Und ich erhob meine Augen und schauete, und siehe, da waren vier Hörner. Da sprach ich zum Engel, der mit mir redete: was sind diese? Und er sprach zu mir: Diese sind die Hörner, welche Juda, Israel und Jerusalem zerstreuet haben. Und der Ewige ließ mich vier Schmiede sehen. Da sprach ich: Was kamen diese zu tun? Und er sprach, sprechend: Jene sind die Hörner, welche Juda zerstreueten, so daß keiner sein Haupt erheben konnte, aber diese kamen, sie zu erschüttern, abzuschlagen die Hörner der Völker, die das Horn erhoben wider das Land Juda usw.« Ein klarer, lehrreicher oder überzeugender Stil ist dies nicht. Es ist ein wirrer Rätsel-, ein Logogriphstil, zudem bei Zacharias ohne Geschicklichkeit und ohne Anmut angewandt.