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Auf jeden Fall ist er nach seinem Aufenthalt in Damaskus verwandelt, er ist selbst lauter Hoffnung und Glauben, er wandert den Scharen, die er an sich zieht, wie eine Feuersäule voran. Flammt er von der Liebe, die er so schön gepriesen hat? Sie kommt über ihn wie Hitzeschauer, brennt durchaus nicht in ihm wie eine heilige Lampe.

Das erste beste Beispiel wird es beweisen. Es hatte sich eine kleine Gemeinde in Korinth gebildet, aber dort wie überall war viel Fleischlichkeit im Schwange. Die Messiasgläubigen, die man gelehrt hatte, daß das Gesetz Mose jetzt keine Gültigkeit mehr hätte, sondern daß ihnen alles erlaubt wäre, führten ein höchst unzüchtiges Leben. Die Frauen zeigten sich ohne Schleier. Das gemeinsame Liebesmahl, an das sich das Abendmahl anschloß, war zu wilden Schmausereien ausgeartet. Man kaufte auf dem Markte von dem Fleisch, das von den den griechischen Göttern dargebrachten Opfern übriggeblieben war, und ließ es sich gut schmecken, viele entblödeten sich nicht einmal, an heidnischen Opferfestlichkeiten teilzunehmen. Doch die scheußlichste Botschaft, die Paulus erhielt, war, daß einer von der Gemeinde sich noch zu Lebzeiten seines Vaters mit seiner geschiedenen Stiefmutter verheiratet hatte. Paulus ist außer sich. Er rast. Obwohl der Sünder aufrichtig bereut, beruhigt ihn das keineswegs. In demselben Brief (1. Korinther 5, 3-5), der von Hymnen zum Preis der Liebe überströmt, stellt er ein strafendes Wunder in Aussicht. Er hat beschlossen, im Namen des Herrn vor versammelter Gemeinde mit seinem Geist und mit der Kraft des Herrn Jesu Christi den Sünder zum Verderb seines Fleisches Satan zu übergeben, auf daß sein Geist später am Tage des Herrn selig werden kann.

Sein Zorn ist zügellos. Aber das schlimmste beinahe war, daß er sich lächerlich machte, da das Wunder ausblieb. Jetzt wurde er auf jede Art und Weise als Prahlhans verhöhnt: er wolle durch Briefe schrecken, komme aber nicht selber (2. Korinther 10, 9). – Wahrlich, er machte sich das Leben sauer durch sein ewiges Agitieren und Ermahnen, seinen unablässigen Kampf gegen Feinde innerhalb und außerhalb des Lagers der Heiligen.

Er ist rechthaberisch, zänkisch, man dürfte das Wort Querulant wagen. Man sehe ihn selbst sein Verhältnis zu Petrus darstellen (im Galaterbrief 2, 11 ff.). Kein Wort ist verletzend genug für den Rivalen. Er beschuldigt ihn sowohl der Feigheit wie der Heuchelei: »Da aber Petrus gen Antiochien kam, widerstand ich ihm unter Augen, denn es war Klage über ihn gekommen. Denn zuvor, ehe etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden, da sie aber kamen, entzog er sich und sonderte sich ab, darum daß er die aus den Juden fürchtete. Und mit ihm heuchelten die andern Juden, also daß auch Barnabas verführt ward, mit ihnen zu heucheln. Aber da ich sah, daß sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen öffentlich: ›So du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du denn die Heiden, jüdisch zu leben?‹« Und nun folgt ein fast unverständliches Donnerwetter.

 

Doch alles dies, worauf Ideenassoziationen den Gedankengang geführt haben, diese Streitigkeiten in den ältesten messiasgläubigen Gemeinden zwischen denen, die aus jüdischem Geschlecht, und denen, die es nicht waren, sowie zahlreiche andere Tatsachen oder Fragen sind von untergeordneter Bedeutung im Vergleich mit der einen großen Wahrheit, die seit langer Zeit Forschern gedämmert hat, welche sich von den professoralen Vorurteilen der Fachtheologen freigemacht hatten, also Männern wie Arthur Drews in Deutschland, J. M. Robertson in England, Alfred Loisy und Paul Louis Couchoud in Frankreich.

Das Christentum existierte in seinem Keim und seinem Wesen von dem Augenblick an, da der Messias der Propheten, der Diener des Herrn bei Jesaia, der verfolgte Gerechte der Psalmen und Weisheitsbücher zu einer einzigen Gestalt, zu Jahve selbst verschmolzen, in einen Gott verwandelt wurde, der starb, wieder auferstand und sich wiederum offenbaren wollte, um die Welt zu richten.

Von dieser Grundanschauung des Daseins, dieser Verdoppelung Jahves zu einem Jahve-Messias oder Jahve-Jesus nimmt das Christentum seinen Ausgang. »Dieser Jesus wird nicht von Joseph und Maria gezeugt, sondern von Glauben, Hoffnung und Liebe« (Couchoud).

Die sogenannte Offenbarung des Johannes, die aus einer jüdischen Apokalypse, einer Nachahmung des sogenannten Buches Daniel, zu einer christlichen Apokalypse gemacht wurde, etwa wie ein Operateur der Jetztzeit aus einem Hahn eine Henne macht, kennt nur einen solchen Jahve-Messias.

Auch Paulus hat keinen andern gekannt.

Später haben dann die Fragelust und Wißbegier des gemeinen Volkes, sein Mangel an Fähigkeit, sich in solche geistigen Höhen zu heben, verursacht, daß man überlieferte Anekdoten, eine mystische oder mythische Erzählung von der Entstehung Jesu, eine Nachstellung des Neugeborenen durch Herodes, nachgeahmt der des neugeborenen Moses durch Pharao (auch ihm ist nie nachgestellt worden, und er hat wohl nie gelebt), eine Mythe von seiner Versuchung durch den Teufel, eine Menge treffender Aussagen und Gleichnisse, die von damaligen Weisen stammten, die Erzählungen von einem hochsinnigen, überlegenen Manne aus dem Volke, eine Menge Heilungsmirakel, Wunder, Symbole, Visionen zusammengescharrt und daraus das aus zahlreichen Elementen bestehende Gebräu gekocht, das Markus zufolge das Evangelium genannt wird.

Aus diesem entstanden dann die anderen Evangelien.


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