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XXI.
»Des Staubes eitle Sorgen.«

Die ersten Monate verliefen sehr rasch. Das Schloß La Faisanderie war seit lange nicht mehr bewohnt und erheischte daher mancherlei Reparaturen. Auch der Park war vernachlässigt. Die frühern Wege mußten wieder hergestellt werden, das gar zu dichte Laubholz war zu lichten, und der verwilderte, von Unkraut überwucherte Rasen wurde wieder in einen grünen Sammetteppich à l'Anglaise umgeschaffen. Ein Gewächshaus erschien dem Gärtner unerläßlich; sofort wurden deren zwei angelegt, das eine für tropische Pflanzen. Inmitten eines Blumenbeetes, welches ein Meisterstück der Gärtnerkunst war, sprudelte hoch ein praller Wasserstrahl hervor. Der Hühnerhof wurde mit lauter distinguirten Gästen bevölkert. Unter der Sorge für alle diese Anlagen ging der Gräfin die Zeit angenehm und rasch dahin. Als dann aber das Schloß restaurirt und verschönert, als der Park in einen Unterhaltungsplatz für die Nachbarschaft umgeschaffen, als alles fix und fertig war, machte Delphine bald die traurige Wahrnehmung, daß sie sich vom frühen Morgen bis zum späten Abend langweile, und daß in dieser Langweile ihr längst begraben gedachte Gedanken aufstiegen, daß, kurz gesagt, ein schönes Haus keineswegs genüge, um sich vor düsterm Hinbrüten zu schützen.

In den Augen der Leute und zwar selbst solcher, die der Sentimentalität durchaus unzugänglich waren, hatte ihre Traurigkeit gute Gründe. Hatte sie doch einen in der Gesellschaft hochgestellten und verehrten Gatten verloren, und ihre Kinder waren weit von ihr entfernt. Das wußte Jedermann, und es machte ihren Kummer erklärlich. Dieser hatte jedoch einen ganz andern Grund. In der Einsamkeit des Landlebens, wo Delphine keine theuere Stimme mehr vernahm, welche das Gewissen künstlich betäubte, fern von dem Geräusche der Welt, das den innern Aufschrei der Seele erstickt hatte, erhoben sich in ihr die Erinnerungen an die Vergangenheit, und die Stimmen der Reue und der Furcht waren nicht zum Schweigen zu bringen. In dem kühlen Schatten des Parks, in der ländlichen Stille gedachte Delphine unwillkürlich und unablässig der Tage ihrer ersten Jugend, jener Zeit, wo der Marquis sie, das arme, abhängige Waisenkind, in sein Ahnenschloß geführt und zu ihr gesagt hatte: »Dies alles gehört dir; du bist hier Herrin, – Haus und Hof ist dein!« …Sie gedachte seiner zarten und wachsamen Liebe, welche die eines Gemahls und Vaters zugleich war; sie sah ihr Kind wieder vor Augen, diese sanfte und liebliche Charlotte, deren erste Lebensäußerungen und erste Blicke ihr Herz entzückt hatten. Was hatte sie denn aus dem Gedächtnisse der Mutter verbannt? Flavia war um nichts liebenswürdiger als Charlotte, ihr erstes Lächeln hatte nichts Entzückenderes; sie versprach keine einzige Tugend mehr als die, welche Charlotte in den heißen Tagen der Prüfung durch die That schon bewährt hatte …Wo war sie jetzt, die erst so geliebte, dann gänzlich vergessene Charlotte, welche, ohne es zu wissen und zu wollen, jetzt wieder Besitz nahm vom Mutterherzen?

Delphine hatte keine Kenntniß über das Schicksal des Fräuleins von Neuville. Zu der Zeit, wo der Marquis gestorben war, ungefähr gleichzeitig mit der Nachricht vom Tode des Generals, hatte die Gräfin vom Pfarrer in Baignon ein Schreiben empfangen, welches die Worte enthielt:

 

»Madame!

»Der Herr Marquis von Neuville ist heute in der Frühe in den Armen seiner Tochter gestorben. Er hat mich beauftragt, Sie seiner Vergebung und Fürbitte zu versichern. Er ist gestorben, wie er gelebt hat, – als Christ.

»Fräulein von Neuville hat ein anständiges und friedliches Asyl gefunden, wo ihr, wie ich hoffe, ein Glück zu Theil werden wird, das ihrer Tugenden würdig ist. Mehr zu sagen, ist mir nicht gestattet.

»Entschuldigen Sie meine Kürze, Madame.

»Baignon, Febr. 1813.

Ihr sehr ergebener Diener in Christo J.-B.
Lecomtois, Pfarrer.«

 

Das war alles: selbst in seiner Todesstunde, der Stunde der Verzeihung und des Vergessens, hatte der Marquis ihr seine und ihre Tochter nicht zurückgeben wollen. Jetzt, wo sie vielleicht für immer von ihr getrennt war, welch heißes Verlangen, sie wiederzusehen, verzehrte Delphinen! Charlotte war die Gefährtin ihrer Leiden, der Herzenstrost ihrer Gefängnißstunden und ihrer Armuth, sie war ihr Stolz in den glücklichsten Tagen gewesen. Welcher Trost und welche Stütze wäre dieses liebliche, edele, hochsinnige und tieffühlende Mädchen in den schweren Jahren gewesen, denen Delphine entgegenging! Alle ihre Schritte, sie aufzufinden, waren vergeblich: der Pfarrer Lecomtois war nach einer segensreichen Wirksamkeit in Baignon gestorben, und unter den Einwohnern des Dorfes wußte Niemand, was aus Charlotte geworden war.

Die Sehnsucht nach ihrer Tochter gewann in dem Herzen Delphinens immer mehr an Raum und Kraft, dem scharf geschliffenen Eisen ähnlich, das mit jedem Schlage tiefer in das Holz eindringt. Das brennende Verlangen, sie wiederzusehen, verließ die Gräfin nie mehr; an ihre jüngern und glücklichen Kinder dachte sie bei weitem nicht so oft, als an jenes melancholische Antlitz, welches ihr das letzte Mal, wo sie es sah, durch die Glorie eines großen Opfers verklärt geschienen hatte.

Zugleich mit der Sehnsucht nach Charlotte fühlte die Gräfin eine ungeheuere Leere und Zerrissenheit in ihrem Innern. Das Bild des Marquis stand beständig strafend und drohend vor ihrem geistigen Auge trotz der Verzeihung des Sterbenden. Was hatte sie jetzt von all dem Sinnenkitzel, von dem Taumel der Leidenschaften, den sie nach jenem großen Fehltritte – der Ehescheidung – in dem modernen Babylon so überreich genossen? …Da sie dem Christenthum fern und apathisch gegenüber stand, so dachte sie freilich nicht an den naheliegenden Spruch des weisen, alttestamentlichen Königs: »Eitelkeit und nichts als Eitelkeit!« Wohl aber summte ihr beständig eine moderne Uebersetzung dieses Wortes in den Ohren, welche sie ein Mal zu Paris in einem glänzenden Concerte gehört hatte. Es war eine in ihrer edeln Einfachheit tief ergreifende Schöpfung eines zeitgenössischen deutschen Tondichters, nämlich die Motette unseres gefühlsinnigen Joseph Haydn, über folgenden Text:

»Des Staubes eitle Sorgen
Beirren uns're Seele,
Treiben zu Reu' und Jammer
Oft das bedrängte Herz.

»O Sohn des ird'schen Lebens,
Vergiß des wirren Strebens:
Ein Traum ist Erdenglück!
Drum trockne deine Zähren,
Schau' auf zu bessern Sphären,
Wo ew'ger Friede wohnt!«

Delphine kam wenig mit Menschen in Berührung. Bisweilen besuchte der Pfarrer des Dorfes sie; sie empfing denselben mit der Anmuth und dem feinen Anstand einer Frau »von Welt« und überwies ihm bei bestimmten Jahresabschnitten eine festgesetzte Summe Geldes für die Armen seiner Pfarre. Dieser Priester war, gleich dem Abbé Lecomtois, einer von den Wenigen, welche die Strapazen der Deportation überstanden hatten; er war während jenes Schreckensjahres auf den »Zwei Kameraden« gewesen und hatte dort den Leidenskelch bis auf die Hefe getrunken. Die Gräfin ließ sich seine Schicksale ein Mal ausführlich von ihm erzählen und schien von der Verfolgung der armen Priester tief ergriffen zu sein; aber ihr Verhältniß zu dem Seelsorger gestaltete sich dadurch, dem Anscheine nach, doch nicht inniger. Der Pfarrer, welcher tiefer schaute als der gewöhnliche Mann, konnte die Ursache des geheimen Kummers der Gräfin nicht errathen noch auch die Gründe, die sie von der Kirche und den Sacramenten fern hielten, ausfindig machen. Gleichwohl fuhr er mit seinen Besuchen regelmäßig fort, und von Zeit zu Zeit wagte er sogar, die Gräfin zu frommen Werken heranzuziehen. An solchen beteiligte sie sich eifrig, indem sie in reichem Maße gab. »Wenn die Gräfin zu Gott zurückkommt,« sagte der Pfarrer zu sich selber, »so geschieht es durch das Thor der christlichen Charitas.«

Drei Jahre hindurch hatte Delphine ihr Schloß nicht verlassen, als das Dorf, zu welchem La Faisanderie gehörte, eines Morgens in große Bewegung gerieth. Vom frühesten Morgen an gingen die Glocken in vollem Klang; auf allen Wegen wimmelte es von Landleuten, die zur Kirche strömten; des Abends riefen die metallenen Zungen wiederum hell in die Landschaft hinein, und das gläubige Volk gehorchte dem Rufe. Seit die Nemesis den Revolutionskaiser ereilt, und die europäischen Fürsten den ältesten, ehrwürdigsten und legitimsten aller Throne, den der corsische Despot frevlen Sinnes gestürzt, wieder aufgerichtet hatten, seit dem 24. Mai 1814, wo Pius VII. seinen feierlichen Einzug in Rom hielt, athmete die verfolgte und geknechtete Kirche freudig wieder auf, und es erneuerte sich das wunderbare Schauspiel, welches schon vor anderthalb Jahrtausenden die Welt in Staunen setzte – »den Juden ein Aergerniß, den Heiden eine Thorheit«: – das Blut der Martyrer wurde der Same zu neuen Christen. Die vor einem Menschenalter durch die Kirchenräuber mit der Freiheitsmütze aus der Erde gerissenen Kreuze wurden von neuem aufgerichtet; die in festliches Weiß gekleideten, mit Rosen bekränzten Kinder wurden wieder der Gottesmutter geweiht; die Bittgänge kamen überall wieder in Aufnahme.

So auch in diesem Dorfe zu Anfang der zwanziger Jahre. Die Procession wallfahrtete hier zu einer alten Kapelle, welche zu Ehren des heiligen Martin, des Apostels von Gallien und Schutzpatrons der Touraine, errichtet war. Alle die frommen Bräuche, welche seit einem Vierteljahrhundert in Vergessenheit gerathen waren, traten wieder an das Tageslicht, und das Volk, welches dieselben ungern hatte verschwinden sehen, begrüßte freudig ihre Rückkehr: es wurde eine Mission gehalten. Diese Missionen hatten damals eine ganz besondere Wichtigkeit; sie erneuerten den Geist des Glaubens im Volke, flößten lebensfrisches katholisches Blut in seine Adern trotz dem Geschrei der Meute von verkappten Kirchenfeinden, welche in den Redactionssesseln der »liberalen« Zeitungs-Bureaux saßen. Die Missionaire zeigten sich diesen Herren von der rothen Feder völlig gewachsen. Wie viel Gutes haben sie gestiftet, welch reichliche Weizengarben dem Herrn eingescheuert! Wie sehr wurden sie geliebt und wie grimmig gehaßt! Welche Freuden, aber auch welche Leiden mußten sie kosten! Der Same, den sie gestreut, ist herrlich aufgegangen.

Drei dieser muthigen Missionaire versammelten an den Tagen, bei denen unsere Erzählung angelangt ist, die Volksmenge um ihre Kanzel. Das Dienstpersonal der Gräfin betheiligte sich auch an der Mission. Als Delphine eines Abends fast allein in ihrem Schlosse war und sich wieder ein Mal recht in ihrer Vereinsamung langweilte, verspürte sie große Neugierde, zu sehen, was die Leute so gewaltig anziehe; sie entschloß sich, die Kirche zu besuchen.

Es war beinahe völlig Nacht, als sie in dem Gotteshause anlangte. Die Stimme des Missionärs tönte hell durch den von Menschen dicht gefüllten Raum, über welchem eine tiefe Stille lag. Der Kanzelredner sprach über die letzten Dinge des Menschen; Ueberzeugung, Seele und Leben pulsirten in seinen Worten, eine Seele, welche diejenigen der Zuhörer suchte, um sie ebenfalls zu überzeugen und zu gewinnen. Delphine folgte der Predigt mit Aufmerksamkeit; ein geheimer Schauder durchrieselte sie bei dem Gemälde, welches an ihrem geistigen Auge vorüberzog: Tod, Gericht, Hölle, Himmel. Gewonnen wurde sie nicht; aber zum ersten Male seit langer Zeit bewegten ernste Gedanken über das Leben im Jenseits ihre Seele. Sie widerstand nichtsdestoweniger dieser ersten Regung und blieb während mehrerer Tage taub gegen den freundlichen Laderuf der Glocke; sie stemmte sich gegen die mahnende Stimme in ihrer Brust.

Wie sie selbst der Mission nicht mehr beiwohnen wollte, so sollten es auch Andere nicht. Ihren Dienstboten den Kirchenbesuch geradeswegs zu verbieten, wagte sie nicht, sondern sie beschränkte sich darauf, dieselben mit Arbeit zu überbürden. In der bezeichneten Absicht hatte sie eben ihrem Kammerzöfchen eine Menge von Befehlen ertheilt. Das Mädchen fiel ihr plötzlich in's Wort; es sagte mit flehender Stimme: »Madame, ich will gern aufbleiben, wenn Sie es befehlen, und werde mich nicht eher schlafen legen, als bis ich Ihre Aufträge alle erledigt habe; aber um's Himmels willen gestatten Sie mir, daß ich nichts von der Missions-Andacht verliere!«

»Hältst du darauf so große Stücke, Sophie?« frug die Gräfin spöttisch.

»Madame,« antwortete das Mädchen überrascht und ernst, »muß man denn nicht große Stücke darauf halten, sein Heil zu wirken und von unserm Herrn reden zu hören?«

Dies Wort eines armen, unwissenden und sehr beschränkten Kindes brachte die Gräfin in Verwirrung. Der dem Erlöschen nahe Funke des Glaubens glimmte in ihrem Herzen wieder auf. »Sophie,« sagte sie sanft, »gehe nur zur Kirche und schlafe ruhig in der Nacht; du kannst meine Roben und die Wäsche später besorgen.«

Als die Zofe sie verlassen hatte, stand Delphine noch lange unbeweglich auf demselben Fleck. »Das Heil! …die Seele! …Jesus Christus!+... Habe ich daran jemals gedacht?« flüsterte sie.

Am folgenden Morgen erhob sie sich beim ersten Klange des Angelusglöckchens und ging zur Kirche. Der Reiz eines frischen, duftigen, stillheitern Julimorgens wirkte wohlthuend auf ihr Herz und brachte sie in die richtige Stimmung zur Anhörung des göttlichen Wortes. Der Priester sprach über die Sacramente als die Brunnen des Lebens und Heiles, die aus den Wunden des Heilandes entspringenden Quellen zur Läuterung, Stärkung und Heiligung der Menschen. Delphine hörte ehrfurchtsvoll die kurzen, ergreifenden Betrachtungen über diese Geheimnisse. Als der Prediger aber an das Sacrament der Ehe kam und die Heiligkeit, Unauflöslichkeit, sowie die erhabenen Pflichten derselben aus einander setzte, senkte sie das Haupt und erblaßte.

Delphinens Sitten waren rein, ihr Charakter sanft und edel; Haß und Lüsternheit kannte sie nicht. Ein einziger Fehltritt war der Makel ihres Lebens: sie hatte Menschensatzung zum Bruche eines von Gott selbst geheiligten Bandes angerufen. Dieser erste Fehltritt hatte sie aus den Reihen des gläubigen Volkes verbannt und andere Verletzungen der göttlichen Gebote nach sich gezogen. So lange sie im Glücke lebte, hatte sie jenen Fehler überfirnißt, entschuldigt und zu vergessen gesucht: jetzt trat er wieder nackt und ungeschminkt vor ihre Seele; sie fühlte die ganze Wucht desselben. Verwirrt und bestürzt sank sie am Ende der Predigt in die Kniee und barg ihr thränenbenetztes Antlitz in den Händen. Der Thau der Reuezähren tröpfelte lösend und besänftigend in ihre Seele.

Sie las in ihrem Gebetbuche das Evangelium vom verlorenen Sohne. Jene Worte: »Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Ich habe gesündigt!« – hatte Delphine niemals so gut verstanden wie eben jetzt. In ihrem Innern reifte der Entschluß, ebenso zu handeln. Sie erforschte sich über ihr Leben und beweinte es bitter. Einige Tage später legte sie ihre Beicht ab; als sie aus dem Beichtstuhl zurückkam, weinte sie auch, aber das waren andere Thränen!

Die Mission ließ einen Lichtstreifen, der das Land erhellte, hinter sich zurück. Ihren heilsamen Eindruck wollte der Pfarrer zur Ausführung eines guten Werkes benutzen, welches ihm schon lange sehr am Herzen lag. Er mußte vor allem mit der Gräfin darüber sprechen, welche jetzt zugänglicher war als je. Delphine fühlte bald heraus, daß der geistliche Herr ein besonderes Anliegen habe; sie kam ihm daher mit liebenswürdiger Anmuth durch die Frage entgegen, ob sie ihm in irgend etwas dienen könne.

»Sie errathen meine Gedanken, Frau Gräfin,« antwortete der Pfarrer. »Dank der Mission ist die Gemeinde verjüngt; dank Ihrer Freigebigkeit und der Opferwilligkeit meiner guten Pfarrkinder fehlt es der Kirche an nichts und werden die Armen reichlich unterstützt. Aber die Kinder, die armen Kinder!«

»Nun wohl, Herr Pfarrer, was ist vonnöthen? Eine Schule? ein Erziehungshaus?« frug Delphine.

»Ein Erziehungshaus nicht, gnädige Frau,« versetzte der Geistliche; »die Mütter richten schon hinlänglich ihr Augenmerk auf die Kinder. Aber eine Mädchenschule ist unerläßlich. Die Kleinen gehen mit den Knaben zusammen zum Lehrer. Das taugt nicht und bringt viele Nachtheile auf beiden Seiten. Ich wünschte daher eine besondere Mädchenschule und Schulschwestern. Aber wie nach Montecucculi zum Kriege, so ist auch zu den Werken des Friedens und der Charitas nothwendig: erstens – Geld, zweitens – Geld, und drittens – Geld+...«

»Wir wollen sehen,« fiel Delphine lächelnd ein. »Was meinen Sie, Herr Pfarrer, von dem Gebäude am Ausgange meines Parks, dem Jägerhaus, wissen Sie, – wie wär's, wenn Sie dahin Ihre Schule verlegten?«

»O, ganz ausgezeichnet!« rief der Pfarrer mit strahlendem Antlitz. »Das Jägerhaus liegt ja unmittelbar beim Dorfe, und die Kinder hätten bloß einen Schritt dahin.«

»Also wohl! Ich schenke es Ihnen und werde es selbst für die Schule in Stand setzen lassen. Außerdem bin ich bereit, eine von den Schulschwestern, die Sie kommen lassen, zu unterhalten.«

Der Pfarrer dankte der Gräfin in warmen Worten.

Delphine unterbrach ihn, als er ihr den Segen Gottes in Aussicht stellte. »Beten Sie zu Gott,« sagte sie melancholisch, »daß Er mein Gebet erhöre; nur Eins verlange ich noch auf Erden, verlange es so heiß! Aber ich werde nicht erhört!«

»Ich hoffe doch, Frau Gräfin, daß der Herr Sie endlich erhören wird,« versetzte der Pfarrer. »Auf jeden Fall aber wird die große Wohlthat, welche Sie diesen armen Kleinen erwiesen haben, Ihnen unendlichen Trost gewähren in Ihrem letzten Stündlein. Empfangen Sie nochmals meinen Dank, und seien Sie meines Gebetes versichert!«


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