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Die Lahu verweigern uns Gastfreundschaft

Eines der jüngsten Völker im hinterindischen Lebensraum sind die Musö oder Lahu, wie sie sich selbst nennen. Obwohl sie eine tibeto-burmanische Sprache sprechen, scheinen sie nach unseren Feststellungen im Norden rassenmäßig mit den Wa, Lawa und den roten Karen verwandt zu sein. Auch in kultureller Hinsicht konnten wir eine Reihe gemeinsamer Elemente finden.

Auch sie sind aus China eingewandert, vertrieben durch die sich ungestüm ausbreitenden Chinesen. Seit dieser Zeit konnten sie keine Heimat mehr finden: da sie sich aber von den vitaleren Bergvölkern auch in die malariaschwangeren Täler abdrängen lassen, sie ferner von diesen das ihnen von Hause aus unbekannte Opium übernommen haben und süchtig geworden sind, ist die Aussicht für sie, den Lebenskampf auf die Dauer zu bestehen, recht gering.

Unsere Nachforschungen ergaben, daß sich die erst vor wenigen Jahrzehnten nach Nordsiam eingewanderten Lahu dort zum Teil mit den Resten der Ureinwohner, den nomadisierenden Phi Tong Luang, vermischt haben. Die Phi Tong Luang sind dort heute bereits verschwunden, unter den Lahu finden sich aber noch starke primitive, und zwar infantile Rassenmerkmale.

Bei ihren Nachbarn genießen die Lahu den Ruf, sehr unabhängigkeitsliebend zu sein, denn seit sich Kolonisatoren um ihr Heil bemühen, hat es immer Schwierigkeiten mit ihnen gegeben. Noch vor wenigen Jahren ist ein englischer Beamter, der sich in ihr Gebiet verirrte, ihren Armbrüsten zum Opfer gefallen. Ein Lahuhäuptling aus den Bergen Kengtungs gestand mir aber, daß die Streitsüchtigkeit der Lahu ebenso groß sei wie ihr Haß gegen alles Fremde. Ein großes Dorf könne nirgends lange bestehen, viele Bewohner zögen fort, weil sie immer Streitigkeiten miteinander hätten. Dies sei auch der Grund, warum das Volk der Lahu, das so weite Gebiete der Schanstaaten bewohnt und viel zahlreicher ist als manche andere Bergstämme, nicht die Widerstandskraft besitzt, dem Ansturm erobernder Völker standzuhalten.

In den Gebirgszügen zwischen Muang Fang und Chiengrai in Nordsiam sollten nach siamesischer Angabe Lahustämme leben, die noch niemals Weißen begegnet waren, und auch so gut wie keine Verbindung mit den im Tal lebenden Lao hatten.

Bevor wir dorthin aufbrachen, kamen wir in eine kleine Station an der siamesischen Grenze. Einige Baracken standen in der glühenden Sonnenhitze, ein Salzlager breitete sich unter flüchtig errichteten Blätterdächern aus, eine Karawanserei, in der sich das durchziehende Volk müde und elend zusammenfand, und einige chinesische »shops«, das war alles, was Menschenhände an diesem trostlosen Ort errichtet hatten. Doch vor einer dieser Buden blieben wir mit freudig erregten Herzen stehen. »Postoffice« stand mit schwarzer Farbe und ungelenker Hand darauf geschrieben. Mit gleichmütigem Lächeln überreichte ein Siamese meiner Frau ein Paket – endlich hatte sie die ersehnte Nachricht von unserem Kind!

Mit unzähligen Briefen, Zeitungen und verspäteten weihnachtlichen Liebesgaben flüchteten wir in den Winkel einer Chinesenbude … Erst nach Stunden kehrten wir wieder in die Gegenwart zurück, die uns in Form von zeitungsbeklebten Wänden, Knoblauchgeruch und zerbrochenen schmutzigen Kaffeeschalen entgegenstarrte. In dem Bretterverschlag, hinter einem wehenden Vorhangfetzen, lebte ein Vater, eine Mutter und viele Chinesenkinder – wie leicht tragen doch diese Menschen die Bürde des Lebens.

Drei Tage später brachen wir mit 14 Trägern und Tscha Pu, einem Lahu-Dolmetsch, den wir von einer Missionsstation in Kengtung mitgenommen hatten, wieder in die Berge auf. Standen wir nun unter dem Eindruck der nicht gerade günstigen Nachrichten von daheim, oder war es die täglich zunehmende Hitze – jedenfalls verspürten wir bei diesem Aufbruch zum erstenmal eine Expeditionsmüdigkeit, deren Auftreten meist eine Folge dauernder körperlicher Überanstrengung ist. Und wahrlich: die Rasttage, die wir in den letzten Monaten gehalten hatten, konnten wir leicht an den Fingern einer Hand abzählen! Wir mußten also von nun an etwas sparsamer mit unseren Kräften umgehen.

Nach den Enttäuschungen in Kengtung und den staubigheißen Tagen im Tale gab uns die herrliche Wanderung durch die frischgrüne Bergeswelt wieder neuen Mut. An einem Akhadorf ging es vorüber, bis wir endlich das erste Dorf der Lahu erreichten. Doch das Glück, das uns bis dahin in Hinterindien treu begleitet hatte, ließ uns plötzlich im Stich. Die Kunde von unserem Herannahen war bereits in das Dorf gedrungen. Der Zauberpriester, der die Zukunft zu deuten versteht und dem die Lahu blinden Glauben schenken, hatte geweissagt, daß unsere Anwesenheit dem Dorfe Unheil bringen würde. Vor dem Eingang erwarteten uns daher bewaffnete Krieger und gaben uns deutlich zu verstehen, daß sie nicht daran dachten, uns Einlaß zu gewähren! So waren wir noch bei keinem der stolzen Bergstämme empfangen worden: »In den Tälern möget ihr Macht haben, in den Bergen herrschen unsere Geister«, antwortete der Zauberpriester auf die Vorstellungen meines Dolmetsches, und alle Unterhandlungsversuche blieben ergebnislos. – Mit haßerfüllten Augen umstanden uns die Dorfbewohner und warteten ungeduldig auf unseren Abzug. Wir mußten froh sein, daß uns der Häuptling des unfreundlichen Dorfes schließlich gestattete, auf einem überwucherten Reisfeld ein flüchtiges Nachtlager aufzuschlagen. Schon in früher Morgendämmerung brachen wir auf, um unser Glück an anderer Stelle zu versuchen.

Doch die Nachricht hatte sich mit Windeseile weiterverbreitet, und alle Dörfer, auf die wir stießen, empfingen uns in gleicher Weise. Bald begann sich unter unseren Trägern, die der langen Tagesmärsche müde geworden waren, Furcht vor den Lahu und Widersetzlichkeit gegen uns bemerkbar zu machen. Müde und enttäuscht blickten wir bange in die Zukunft. Die unruhigen Nächte, die wir in der Nähe der feindlichen Dörfer verbringen mußten, brachten uns nur wenig Schlaf. Auch die einzelnen Gehöfte, deren Bewohner sich von der Dorfgemeinschaft getrennt hatten, und die immer wieder von der Unverträglichkeit der Lahu Zeugnis gaben, blieben uns fremd und verschlossen. Endlich fanden wir Einlaß in ein kleines armseliges Lahudorf. Von keinen eiligen Boten war es vor uns gewarnt worden, denn böse Geister hatten sich seiner bemächtigt: das halbe Dorf war vor kurzem an Cholera gestorben, und kein Lahu wagte sich in die Nähe. Auch hier konnten wir nicht bleiben, Armut und Siechtum stand in den ausgemergelten Gesichtern der Überlebenden. »Gehet in das Dorf des großen Häuptlings A Tscha Pö, er wird euch aufnehmen«, sagte der Dorfälteste und wies dabei von der Höhe seiner Plattform über die weiten Berge hin. Schluchtartige Täler trennten steile Bergrücken voneinander, kein Ausblick mußte aus diesem Dickicht möglich sein, wie sollten wir das Dorf nur finden? Wir alle waren schon am Ende unserer Kräfte und wollten hier wenigstens einige Tage rasten. Doch der Alte erzählte weiter, daß jenes Dorf des Großhäuptlings, drei Tagmärsche entfernt, der Sitz dreier mächtiger Zauberer sei und sozusagen das religiöse Zentrum der Lahu darstelle. Man würde dort eben zum großen Neujahrsfeste rüsten, das hier infolge der Epidemie verschoben und am ersten Tage des nächsten Mondes beginnen sollte. Kein Fremder dürfe den Bannkreis innerhalb des Dorfes überschreiten, sobald das Opferschwein geschlachtet sei und das Fest, das viele Tage dauert, somit seinen Anfang genommen habe. Würde der Fremde aber noch vor diesem Zeitpunkte das Dorf betreten, so dürfe er es bis zum Abschluß des Festes nicht verlassen und müsse innerhalb des Kreises verbleiben, den der Großhäuptling zu Beginn der Feier gezogen habe.

Die Aussicht, das Neujahrsfest der Lahu doch noch zu erleben und bei dieser Gelegenheit Einblick in ihr streng verschlossenes religiöses Leben zu gewinnen, erweckte unsere Lebensgeister wieder. Unser Plan war rasch gefaßt: in zwei Tagen hatten wir Neumond, wir mußten unter allen Umständen das Dorf in dieser Zeit, also vor Beginn des Festes, erreichen. Daß wir es dann nicht mehr verlassen durften, konnte uns gerade recht sein.

Es war ein harter Wettlauf mit dem Geist des neuen Jahres. Als ob es ums Leben ginge, feuerten wir unsere Träger an und versprachen ihnen ungeahnte Festesfreuden, wenn wir das Dorf rechtzeitig erreichten, kündeten Hunger und weitere mühevolle Märsche an, wenn wir zu spät kämen. Ein junger Bursche aus dem Choleradorf ging als Führer mit uns. Er fand sich in dem unentwirrbaren Dickicht erstaunlich gut zurecht, doch um seine Kräfte zu erhalten, legte er sich alle paar Stunden auf den Waldboden nieder und rauchte seine Opiumpfeife. Da rückten auch unsere Träger mit ihren Opiumpäckchen heraus. Sie hatten bisher aus Furcht vor meinem Verbot nur unbemerkt davon Gebrauch gemacht, nun aber aßen und rauchten sie das süße Gift nach Herzenslust. Solange dieser Genuß keinen längeren Aufenthalt verursachte, konnte ich nichts dagegen einwenden, da er sichtlich die Widerstandsfähigkeit der schwerbeladenen Träger steigerte.

Die Lahu pflegen keine Wege anzulegen – in Bachbetten ging es über Felsblöcke und tückische Löcher hinweg, über glatte Baumstämme, die über Abgründe führten, dahin. Es schien uns wie ein Wunder, daß meine Frau und ich ohne gebrochene Glieder davonkamen. In steilste Geraden wurden die Bergrücken erklettert, flüchtige Lager aufgeschlagen. Bergauf, bergab ging es weiter, bis wir endlich vollkommen erschöpft vor dem Eingang des ersehnten Dorfes standen. Doch da – ein Schrecken durchfuhr unsere Glieder – stand das wohlbekannte, aus Bambusstreifen geflochtene magische Zeichen, das jedem Fremden den Festbeginn verkünden und den Eintritt verwehren sollte! Wir waren also zu spät gekommen. Mußten wir auch hier wieder umkehren? Wir kamen uns vor wie müde Wanderer, die ein Obdach begehren und immer wieder vor verschlossenen Türen stehen. Bald erschien der Großhäuptling mit zahlreichem Gefolge und forderte uns auf, rasch weiterzuziehen, da in kurzer Zeit der Geist des neuen Jahres eintreffen werde. Tscha Pu aber, unser braver Dolmetsch, nahm den Kampf mutig auf, und immer dringlicher wurden seine Worte. Ich sei ein mächtiger Fürst eines fernen Reiches, von der anderen Seite der Erde, erklärte er, und gekommen, um mit den Lahu das Neujahrsfest zu begehen, und dem Geiste des neuen Jahres reiche Opfer darzubringen. Es würde Glück und Segen für die Lahu bedeuten, wenn der Großhäuptling uns in Gastfreundschaft aufnehme und teilnehmen ließe an den Opfern und Zeremonien des großen Festes, dessen Vorschriften wir genauestens einzuhalten versprächen. Mit klopfendem Herzen hörten wir zu und legten unsere Geschenke vor dem Häuptling auf den Boden. Dieser zögerte einen Augenblick, wandte sich schweigend seinen Ratgebern zu, wir wurden minutenlang aufmerksam gemustert, dann – hieß uns der Großhäuptling willkommen!

Langsam schritt unsere Karawane ins Dorf. Der Festbaum stand, mit Fähnchen und Girlanden geschmückt, schon auf dem Dorfplatz bereit, auf einem Gestell lag der Kopf eines geopferten Schweines, flackerten zwei brennende Kerzen. Wir aber dachten vorläufig nur daran, unser Lager aufzuschlagen. Mit bleischweren Gliedern fielen wir auf unsere Matratzen nieder und erwachten erst am hellen Tag, als Gongschläge und Flötenspiel an unsere Ohren klangen. Wir waren freiwillige Gefangene des Dorfes – das Fest war in vollem Gange.

Von allen 15 Dörfern, die dem Großhäuptling untertan sind, kommen täglich Abordnungen, um die vorgeschriebenen Opfer darzubringen und um den Neujahrsbaum zu tanzen. Dieser Baum soll eigentlich ein Nadelbaum sein, wie er in der nördlichen Heimat der Lahu wächst, doch hier muß Bambus seine Stelle vertreten. (Abb. 84.) Dieser Baum mit seinem Schmuck, den Kerzen und Opfergaben, gemahnt an unseren Weihnachtsbaum, der dem Jahresbaum der alten Germanen entsprungen und erst in jüngster Zeit vom Christentum übernommen worden ist. Eine ganze Anzahl von Merkmalen sprechen dafür, daß dieser Jahresbaum der Germanen und der Baum »des Geistes des neuen Jahres« aus uralter gemeinsamer Wurzel hervorgegangen sind.

Männer und Kinder, Frauen und Mädchen umtanzen den Baum. Die Anführerin spielt auf der Mundorgel (Abb. 86), die anderen schreiten, eng aneinandergeschmiegt, langsam, mit etwas ruckhaften Bewegungen im Rhythmus der großen Trommel im Kreise dahin. Trommeln, Mundorgeln, Tschinellen und Gongs ertönen den ganzen Tag, und nur mit kleinen Unterbrechungen tanzt jeder so oft er kann um den Baum herum. Die Männer hüpfen und springen, verrenken ihre Glieder in grotesken Bewegungen und flehen dabei zu den Geistern: »So gelenkig wie ich heute bin, laß mich noch 99 Jahre sein!« Denn 99 Jahre ist die Ewigkeit.

Dann schreiten die Gäste die Leiter zur Plattform des Häuptlingshauses empor, um ihm die mitgebrachten Lebensmittel und die geschnitzten, mit Baumwollkugeln behangenen Opferstangen zu übergeben, die er dem Geist des neuen Jahres darzubringen hat.

In der Neujahrsnacht machen sich die Kinder der Lahudörfer auf und holen frisches Wasser von der Quelle. Mit diesem Wasser des neuen Jahres waschen sie ihren Eltern die Hände, und diese segnen sie. Dann schreiten die Erwachsenen zur Quelle, waschen dem Dorfhäuptling die Hände, und er segnet sie. Jede Abordnung aber, die das Dorf des Großhäuptlings erreicht hat, holt ebenfalls das Wasser des neuen Jahres herbei und überschüttet damit den ganzen Körper des Großhäuptlings, um dessen Segen zu empfangen. (Abb. 87.) Da den ganzen Tag eine Abordnung nach der anderen eintrifft, kommt der Häuptling aus seinen nassen Kleidern nicht mehr heraus.

Er nimmt die Opfergaben entgegen, legt sie auf ein Tischchen neben den Neujahrsbaum, entzündet zwei Kerzen, wäscht, bevor er seine Opferhandlung beginnt, seine Hände, und betet laut mit gefalteten Händen. (Abb. 84.) Er segnet die Gaben und bittet den Geist, sie anzunehmen; er segnet auch die Spender und fleht für das kommende Jahr den Schutz des Geistes auf sie herab: »Euer Leben möge so lange sein wie die Flüsse unserer Berge, und die Kinder, die auf dem Boden eurer Häuser spielen, seien so zahlreich wie die Bäume unserer Wälder. Viele Rinder und Schweine mögen unter euren Häusern stehen und keine bösen Geister euch auf euren Wegen begegnen. Keine Feinde sollen nach eurem Gut und Leben trachten und reiche Ernte fülle eure Speicher!«

Wir blicken über die gläubige Schar, über die noch immer tanzende Menge hinweg, zu den Bergen hinüber. Da ziehen langsam weiße Wolken über sie hinweg, zerteilen sich, ballen sich wieder zusammen, färben sich langsam rosa, dann dunkelrot im Scheine der untergehenden Sonne. Bald senkt sich schwarz die erste Nacht des neuen Jahres der Lahu herab, und gleichzeitig prasselt ein großes Feuer am Dorfplatz auf, in dessen Schein die bunten Trachten und das gleißende Silber der Frauen blitzt und funkelt. (Abb. 85.) Während die Alten von den Plattformen ihrer Häuser rauchend zusehen, tanzen noch immer die Männer zu Ehren des Geistes und zum Segen des Dorfes um den Festbaum herum. (Abb. 88.)

Still und finster liegt unser Lager da, als wir es endlich aufsuchen. Wir können keine Ruhe finden, von hüben und drüben hallt die Musik, von weit her dröhnt über die Berge lauter Trommelschlag zu uns herüber – das Bergvolk feiert!

Nach vielen Tagen erst flaute die Feststimmung ab, und dann trat langsam wieder das tägliche Leben in seine Rechte. A Tscha Pö kam nun darauf, daß wir mit unserem Besuch auch anderes im Sinne hatten, als nur mit ihm das Neujahrsfest zu feiern. Erst blieb er still und schweigsam, doch als er sah, daß er für seinen Hausrat, seine Waffen und den Silberschmuck seiner Frauen schweres Silber erhielt, hatte er nichts mehr gegen uns einzuwenden. Er war kein Tsin Tsai – und die Vermehrung seines Reichtums, den er in kleinen Bambusstäbchen in nur ihm allein bekannten Baumhöhlen versteckt hielt, lag ihm sehr am Herzen, eine Eigenschaft, die deutlich aus seinen verkniffenen Mienen sprach.

Klug war er aber, und er und Tscha Pu zusammen halfen uns, die Monographie der Lahu zu einem glücklichen Ende zu bringen, und eine Menge Mythen, Sagen, Märchen und Liedertexte aufzunehmen, an denen die poetisch veranlagten Lahu so reich sind.

Es hieß nun, im Reigen der Bergvölker, die wir besucht hatten, noch eine Lücke zu schließen und die Yao aus eigener Wahrnehmung kennenzulernen, da gerade die Vergleichsbasis, auf der wir nun arbeiten konnten, von großer Bedeutung war.

In Indochina und China sind die Siedlungsgebiete der verschiedensten Yaostämme zum Teil bekannt. Über die Yao in Siam aber konnten wir so gut wie nichts erfahren. Von all den gut gemeinten Ratschlägen, die wir in Chiengrai und dann in Chiengmai von verschiedenen Seiten erhielten, folgten wir einem, und versuchten die Yao in den Grenzbergen gegen Burma, nordwestlich von Chiengmai, anzutreffen.

Leider hat sich dieser letzte Vorstoß, der uns reichlich viel Mühe und Überwindung gekostet hatte, nicht gelohnt. Denn als endlich alle Schwierigkeiten überwunden waren, mußten wir feststellen, daß es nicht Yao waren, zu denen man uns geleitet hatte – sondern Meau. Eine Verwechslung, die von uns, wie man meinte, »viel zu tragisch genommen wurde, denn das sei doch kein so großer Unterschied, ob Yao oder Meau«.

Auf dem Rückmarsch von den Meau – es war im übrigen erstaunlich, wie weit nach Südwesten dieses Volk bereits vorgedrungen war – hatten wir Gelegenheit, uns einige Zeit bei den Weißen Karen (Abb. 89 bis 93) aufzuhalten, und uns also mehr oder weniger unfreiwillig mit dem Karenproblem zu befassen, das in Hinterindien heute eine besondere Rolle spielt.

Mit einiger Sicherheit können wir heute erst sagen, daß die Hauptmasse der sogenannten Karenstämme vor der Welle der Thai, später aber als die Mon-Khmer-Völker in Hinterindien eingedrungen sind. Viele Theorien gibt es, die sich mit Herkunft und Wanderung dieses Volkes befassen, gelöst sind die Rätsel aber keineswegs. Meinen Erfahrungen nach scheint es sehr wahrscheinlich, daß unter dem Namen Karen, der keineswegs autochton ist, völlig verschiedene Rassen und Kulturschichten fälschlich zusammengefaßt werden.

Aus den Bergen des nördlichen Siams ging es über Chiengmai, der schönsten Stadt des Nordens, direkt nach Bangkok zurück. Wir hatten die dritte Etappe unserer Expedition, welche die Untersuchung der Bergvölker Nordsiams zum Ziele hatte, glücklich beendet.


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