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Neunundsiebzigstes Kapitel.
Das Asyl armer Verwandten

Wir verließen Miß Fanny, die Tochter des so vielfach heimgesuchten Plantagenbesitzers Mr. Cleary, auf dem Perron des Bahnhofes und zwar in dem Moment, als sie von einer ihrer jungen Reisegefährtinnen, der zwölfjährigen Nettice, zu ihrer nicht geringen Bestürzung die Vermuthung aussprechen hörte, daß die Stadt, welche das Ziel ihrer Reise war, nicht Richmond sei, da Richmond nicht am Meere liege.

Als Mrs. Bethsey Bagges ihre Schützlinge mit der ängstlichen Sorge einer zärtlichen Mutter glücklich in den Wagen gepackt hatte, und dann selbst hineingestiegen war, sprang Scip, der Neger, neben den Kutscher auf den Bock, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Selbst bei Mondschein machten die prächtigen Gebäude der Stadt einen solchen Eindruck, daß Fanny mehrmals Ausrufe der Bewunderung ausstieß, während der Wagen durch die schönen Straßen hinfuhr. Die Straßen wurden indessen im Verlauf der Fahrt immer weniger ansehnlich, und endlich bog der Wagen in eine sehr dunkle und von der Hauptstraße ziemlich entlegene, versteckte Seitengasse ein.

Von dem Luxus, den alle Häuser der Stadt zur Schau trugen, war hier nicht viel zu sehen, nur einzelne Häuser nahmen sich in dieser Gasse noch stattlich genug aus. Die Gasse war lang und erstreckte sich bis nahe an den Quai. Dort hörten die Häuser auf, und eine hohe Mauer zog sich eine Strecke die Straße entlang.

Vor einer ziemlich niedrigen Pforte in der Mauer hielt der Wagen au. Scip sprang vom Bock und zog eine neben der Thür in der Mauer befindliche Glocke, während Mrs. Bagges ihren Schützlingen aussteigen half.

Fanny beschlich ein unheimliches Gefühl· In dieser abgelegenen, einsamen Gegend der Gewalt einer Frau preisgegeben, gegen welche ein unbesiegbarer Widerwillen sich in ihr geltend gemacht hatte, das war ein Gedanke, der ihr Furcht einflößte. Die Mauer, vor welcher der Wagen hielt, sah der Mauer eines Gefängnisses so ähnlich, daß in ihr plötzlich der Vorsatz rege ward, die Flucht zu ergreifen.

Zitternd stand sie neben dem Wagen und schien umherzuspähen, ob sich ihr nicht eine Gelegenheit zur Flucht darbieten würde.

Da fühlte sie ihre Hand ergriffen und leise gedrückt. Es war Nettice, welche ihr zuflüsterte:

»O Gott, Miß Fanny, ich fürchte mich so sehr, ich wollte, wir könnten entfliehen.«

Fanny wollte antworten, daß sie eben auch daran dächte, da traf die Stimme der Mrs. Bagges ihr Ohr, welche ihr zurief:

»Nun, liebe Fanny, ist's gefällig einzutreten? Die Thür ist offen. – Was stehst Du albernes Ding« – wandte sie sich an Nettice – »und geberdest Dich, als wollte Dir Einer ein Leid anthun? Gleich komm' her, marsch hinein!«

Mit diesen Worten ergriff sie die zitternde Kleine am Aermel ihres Kleides und zog sie ziemlich unsanft durch die Thür.

»Bitte Miß Fanny ...« fuhr sie fort als diese noch zögerte.

Fast willenlos gehorchte Fanny, als sie sah, daß sie allein noch draußen stand.

»Guten Abend, Mr. Gamp«, redete Bethsey Bagges den Portier an, welcher zu ihrer Begrüßung aus der Loge herausgetreten war und mit wohlgefälligem Grinsen die vier Kinder eins nach dem andern musterte. – »Guten Abend. – Nichts besonderes vorgefallen? – Ist keine von den Rangen ungezogen gewesen?«

»Es ist alles so leidlich gut gegangen« antwortete Mr. Gamp, mit nicht ganz sicherer Stimme.

»O«, erwiederte Mrs. Bagges, »ich sehe Sie haben wieder der Flasche allzufleißig zugesprochen. Ich habe Belle Boyd expreß ausgetragen, dafür zu sorgen, daß Sie nicht zu viel Wein erhalten.«

»Belle Boyd hat ihre Schuldigkeit gethan«, lallte Mr Gamp, »es ist nicht von ihr.«

»Von wem denn?«

»War nach Kundschaft, Bethsey. Wollte dem Geschäfte Kundschaft zuführen, weil schon zwei Tage Niemand hier war, mußte aber ein Paar Baumwollenmäklern wacker zutrinken, ehe sie mitkamen.«

»Kein Wunder«, antwortete Mrs. Bagges, »daß das Geschäft schlecht geht, wird aber jetzt wohl besser gehen.«

»Vermuthlich«, grinzte der Trunkenbold, »lauter hübsche Dinger das – ganz was Appartes dabei.«

Der Raum, in welchem diese Unterredung stattfand, war eine Art Eingangshalle, welche sich unmittelbar hinter der Pforte an der Mauer befand, es war das ein überdachter, an einer Seite offener Gang, an der andern Seite befand sich die Wohnung des Mr. Gamp. Das ganze Gebäude war nicht länger als etwa 16 Fuß und hatte keine andere Bestimmung, als dem Portier zur Wohnung zu dienen.

Der weite Platz, welchen die hohe Mauer umschloß und an dessen einem Ende das Portierhäuschen mit der Halle lag, war ein weiter, dicht bewachsener Park. Laubgänge führten in verschiedenen Richtungen durch denselben und vereinten sich zuweilen auf geräumigen Rasen- und Spielplätzen oder verloren sich in schattig umrankten Lauben oder im kleinen idyllischen Gartenhäuschen.

Mrs. Bagges ging mit ihren Schützlingen voran, Scip mit dem Gepäck folgte. Sie schlug den breitesten der Gänge ein, welcher in ziemlich gerader Richtung auf ein mitten im Park gelegenes ziemlich geräumiges und sehr hübsch gebautes Haus zuführte.

Je näher Fanny dem Hause kam, desto unruhiger ward sie, ihre Hand, welche die Netticens fest umfaßt hatte, zitterte, und ihr Gang war schwankend.

In dem Hause selbst ging es trotz der späten Abendzeit noch sehr lustig her. Die Fenster des ersten Stockes waren alle hell erleuchtet, wie man durch die geschlossenen Läden doch bemerken konnte, und jubelndes Getöse, untermischt mit dem Gesang einer Discantstimme und den Tönen eines Pianos erschallte weithin durch den Garten.

»Es wird Besuch da sein«, bemerkte Sairy, deren Verstimmung auch mit der Annäherung an das Haus wuchs. – »Gehen wir vorn hinein, Alter« fügte sie hinzu.

»Nein, wir werden unsere Freundinnen über die Hintertreppe in ihre Zimmer führen«, antwortete Mrs. Bagges, »sie werden Ruhe nöthig haben.«

Der Gang, welchen sie eingeschlagen hatte, führte an den Haupteingang. Hier aber bog Mrs. Bagges ab und führte ihre Zöglinge auf einem Seitenweg über einen hübschen, sauberen Hof, an die Hinterseite des Hauses. Auf Scips Klopfen ward die Thür von einem sehr hübschen Mädchen, die mit hochgeröthetem und erhitztem Gesicht herbeistürzte, geöffnet.

»Nun, da sind Sie ja«, rief sie, als sie Mrs. Bagges erblickte, »und wie es scheint«, fügte sie hinzu, auf die kleinen Begleiterinnen der Dame deutend – »haben Sie auf Ihrer Reise Glück gehabt.«

»Ich kann nicht klagen, Belle Boyd«, antwortete Mr. Bagges. »Ich bin zufrieden. Aber wenn ich Dich bitten darf, so schicke auf den Salon im zweiten Stock schleunigst ein gutes Abendessen, die lieben Kleinen haben sicherlich großen Hunger – Die Zimmer sind doch in Ordnung?«

»Alles in Ordnung«, antwortete Belle Boyd. »Gehen Sie nur mit unseren neuen Gästen hinauf, ich werde das Abendessen sofort besorgen lassen.«

Die Treppen, welche in die oberen Stockwerke führten, waren sauber und mit Teppichen belegt, das Zimmer, welches Mrs. Bagges ihren Gästen anwies, ein sehr geschmackvoll möblirter Salon, die Fenster mit dichten Gardinen von grüner Seide verhängt, bequeme Sophas und Sessel standen an den Wänden und eine Ampel brannte an der Decke, welche durch das grüne Glas ein eigenthümliches Licht, ein trauliches Clair-obscur, über das gemüthliche Boudoir ergoß.

Eine Negerin deckte einen Tisch und servirte ein ausgesuchtes Abendessen, wobei Mrs. Bagges präsidirte.

Die Furcht, welche sich der Kinder bemächtigt haben mochte, begann allmälig zu schwinden, als sie sahen, daß es sich hier keineswegs um ein Gefängniß handelte, sondern ein sehr angenehmer Aufenthalt ihrer wartete. Der Apetit stellte sich auch bald ein, und sie sprachen Alle den wirklich ausgesuchten Speisen in einer für Mrs. Bagges sehr befriedigenden Weise zu, selbst von dem Wein, der bei der Abendtafel nicht fehlte, nippten sie Alle ein wenig, und Sairy trank sogar so viel, daß Mrs. Bagges in ihrer mütterlichen Fürsorge die Befürchtung aussprach, es werde ihr nicht bekommen.

»Ach was«, antwortete Sairy spitzig, »hab' Dich nich, Alte, Du siehst es ja nur zu gern, wenn wir uns einen kleinen Rausch trinken.«

»Mäßige Dich, liebes Kindchen«, sprach Bethsey Bagges begütigend. »Was müssen nur unsere Gäste von mir denken, wenn Du solche Reden führst.«

»Nun, ob sie es heute oder morgen erfahren«, erwiderte Sairy in unverbesserlicher Trotzköpfigkeit; »ihnen werden ja doch bald genug die Augen aufgehen.«

Wer weiß, ob solche unehrerbietigen Reden die gute Dame nicht ernstlich erzürnt hätten. Indessen erhielt der unerquickliche Wortwechsel dadurch eine Unterbrechung, daß in diesem Moment das junge Mädchen, welches Mrs. Bagges Belle Boyd genannt hatte, die Thür geöffnet und ihr vor Aufregung geröthetes Gesicht durch die Oeffnung geschoben hatte mit der Frage:

»Darf ich? ...«

»Ich bitte, Belle Boyd, tritt näher!« sagte Mrs. Bagges zuvorkommend, indem sie zugleich aus dem Sopha Platz machte, um die Eintretende neben sich sitzen zu lassen.

Belle Boyd erschien in einem Kostüm, welches man in jeder anständigen Gesellschaft anstößig gesunden haben würde. Nicht nur war ihr rabenschwarzes Lockenhaar dermaßen ausgelöst; daß es wirr und ungeordnet über ihre Schultern herabhing, sondern auch das Mieder von rother Seide, das. Sie trug, war geöffnet, und ihr üppiger Busen drängte sich nach Erledigung des Zwanges in einer Weise vor, die Fanny beinahe erröthen machte. Trotzdem aber sah Beile Boyd doch schön aus, und ihre Schönheit, wie ihre ungeheuchelte Freundlichkeit und die Munterkeit ihres Wesens, söhnte die Kinder leicht mit der Nonchalance ihres Anzugs aus.

»Ich muß doch unsere neuen Hausgenossen begrüßen!« rief sie lachend. – »Eins, zwei, drei, vier! – Herrlich und wie hübsch sie Alle sind – Ach welche Feueraugen, welch zarter Teint, welch eine schöne Hand, ich bin überzeugt, daß jeder der Gentlemen, die unsere Kunden sind, 500 Dollars ...

»Still, Belle Boyd!« unterbrach sie Mrs. Bagges, »die junge Dame ist Miß Fanny. Liebe Fanny, ich hoffe, Du verzeihst meiner lustigen Freundin ihre Ausgelassenheit, sie ist nicht so schlimm, wie sie scheint.«

Fanny erklärte erröthend, daß sie es sehr freundlich finde, sich von Seiten ihrer Wohlthäterin mit solcher Rücksicht behandelt zu sehn.

»Ihr meine kleinen Püppchen,« fuhr Belle Boyd fort, ohne den Verweis sonderlich zu beachten, indem sie sich an Nettice und Anna wandte, »seht ein wenig abgemagert aus, aber tröstet Euch, Ihr werdet bald so voll und rund sein wie irgend Eine hier im Hause; denn Mrs. Bagges hält auf eine gute, nahrhafte Kost. Ich war eben so abgemagert, als ich vor 8 Jahren zu Mrs. Bagges kam, aber schon nach einem Monat sah ich blühend aus wie eine Rosenknospe und war bei allen Herren beliebt und von Allen die Gesuchteste.«

»Diese junge Dame,« fügte Mrs. Bagges erklärend hinzu, als sie bemerkte, daß Fanny und Nettice die Erzählung Belle Boyds mit einigem Befremden anhörten, »ist nämlich auch von mir erzogen worden. Sie war 13 Jahr alt, als sie zu mir kam, elend und abgemagert. Sie blieb bei mir bis zu ihrem siebzehnten Jahre und entwickelte sich zu einer merkwürdigen Schönheit, da sie nun meiner Obhut nicht weiter bedurfte, so ist sie seitdem ihren eigenen Weg gegangen, und das erlaube ich jeder der armen Verwandten in meinem Hause, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hat.« – –

Nach dem Abendessen forderte Mrs. Bagges ihre Schützlinge auf, sich in ihre Schlafgemächer zu begeben.

»Dieser Salon,« fügte sie hinzu, »ist für Euren gemeinsamen Aufenthalt bestimmt, außerdem aber erhalten je Zwei und Zwei von Euch eines der anstoßenden Zimmer zum Schlafzimmer.«

Fanny, welche, wie die Dame erklärte, ihr Liebling war, erhielt den Vorzug, sich eine Stubengenossin wählen zu dürfen. Ihre Wahl fiel auf Nettice. Polly und Anna bewohnten also das andere Zimmer. Sairy hatte ein in der Nähe belegenes Zimmer allein, ihr wurde, als der Aeltesten eine Art Vormundschaft über die Neulinge aufgetragen, sie wurde gewissermaßen mit den Anfängen ihrer Erziehung betraut; die weiteren Fortschritte zu leiten aber, wie den jungen Mädchen später klar wurde, das behielt sich Mrs. Bagges selber vor, und ließ sich dabei nur von Belle Boyd assistiren.

Die Schlafzimmer der Kinder waren geschmackvoll, bequem und elegant und ließen nichts zu wünschen übrig. In jedem standen zwei Himmelbetten mit schneeweißer Leinwand bezogen, Gegenstände der Toilette waren im Ueberfluß vorhanden, in den Schränken hing eine Auswahl der elegantesten und feinsten Kleider – beim An- und Auskleiden leisteten kunsterfahrene Negerinnen Hülfe – kurz alles, was ein verwöhntes Mädchen sich nur wünschen mag, das war hier vorhanden.

Am Tage nach der Ankunft der vier fremden Kinder forderte Mrs. Bagges dieselben auf, ein Bad zu nehmen. Sie selbst in eigener Person unterstützte die Negerinnen bei ihren Hülfeleistungen, eine Freundlichkeit, welche gewiß alle Anerkennung verdiente. Indessen kam es doch hierbei zu dem ersten Conflict zwischen ihr und Fanny. Da nämlich die ganze Unterhaltung der Dame so lange sie im Badezimmer sich befand, sich auf eine eingehende Musterung der körperlichen Vorzüge und Mängel beschränkte, wobei sie, behufs Feststellung gewisser Details die Kleinen zur Duldung von Berührungen und Besichtigungen nöthigte, welche ihnen das Blut in die Wangen trieben, so erklärte Fanny, daß sie nie wieder baden werde, wenn Mrs. Bagges zugegen sei.

Wochen vergingen, ohne daß Fanny, so oft sie auch mit ihrer Stubengenossin im vertraulichen Gespräch das Thema ventilirte, das räthselhafte Dunkel, welches Mrs. Bagges und ihr Haus umgab, zu lichten vermochte. Wie hätten auch diese Kleinen eine Ahnung haben sollen, von den Verbrechen, durch welche die übersättigten Ronés, die in Lastern aller Art erschöpften Junker, die blasirten Wüstlinge des Südens Befriedigung ihrer Wollust suchten? – Wie hätten sie eine Ahnung haben können von den unnatürlichen Mitteln, deren sich die entmannten Libertins bedienten, um noch einmal aus dem Becher des Genusses zu kosten? –

Es muß zur Schande der entsittlichten Aristokratie des Südens gesagt werden, welche sich solcher Institute bediente und zur Schande der Behörden, welche die Existenz solcher Institute möglich machten – daß man in vielen der Hauptstädte der südlichen Staaten Kinder zu Opfern der Wollust machte; daß man Etablissements des Lasters einrichtete, welche von Kindern bevölkert waren! –

Wie gesagt, Fanny und ihre Freundin hatten davon keine Ahnung. Was sie herausbrachten, war nur geeignet, den Schleier, welcher sich vor ihrem Blicke ausbreitete, noch dichter zu machen. Daß sie sich, wie Nettice behauptet hatte, wirklich in Charlestown befanden, das hatte sie sehr bald von einer der Negerinnen erfahren. Ferner wußte sie, daß im Hause sich außer ihnen noch 6 bis 8 Kinder ihres Alters befanden, daß diese in einer höchst bestechenden Toilette sich Abends in einem Gesellschaftszimmer des ersten Stockes versammelten, und daß dort auch Herren, und zwar meistens alte Herren, zu sein pflegten. Sie hatten mit den früheren Bewohnern des Hauses keinen Verkehr, sie speisten nicht mit ihnen zusammen und kamen auch sonst wenig mit ihnen in Berührung, nur Sairy, die ihnen als Gouvernante oder Gesellschaftsdame diente, verlebte die meiste Zeit in ihrer Nähe, sie hielt sich entweder bei ihnen in ihrem gemeinsamen Boudoir auf oder machte Spaziergänge mit ihnen in dem Park. Es fehlte ihnen an keiner Bequemlichkeit, und der Tisch der Mrs. Bagges war von Belle Boyd nicht mit Unrecht gelobt worden. Auch für Unterhaltung war gesorgt. In dem Boudoir befand sich eine kleine Bibliothek, indessen verzichtete Fanny darauf, davon Gebrauch zu machen, da sie gefunden hatte, daß es durchgängig Romane äußerst lasciven Inhalts waren.

So verging ein Tag nach dem andern, eine Woche nach der andern; der Winter kam heran, und die Spaziergänge im Park hörten auf, sonst veränderte sich nichts in ihrem täglichen Leben. Auf Netticens wie auf der verkommenen kleinen Anna Aeußeres hatte, wie Beile Boyd vorher gesagt, die gute Lebensweise vortheilhaft eingewirkt, sie hattest sich in kurzer Zeit sehr zu ihrem Vortheil verändert. Fanny hatte mehr als einmal Mrs. Bagges gebeten, ihr die Mittel zu gewähren, um nach Richmond zu ihrer Mutter reisen zu können, allein Mrs. Bagges hatte davon nichts wissen wollen, vielmehr dies Verlangen zwar nicht unfreundlich, aber doch sehr entschieden zurückgewiesen; es stand demnach fest, daß ihre Wohlthäterin sie nicht weglassen wollte. Fanny und die andern, welche mit ihr gekommen, waren nichts als Gefangene, und ihr Loos kein besseres, als das des Vogels im goldenen Käfig.

Welchen Zweck aber hatte Mrs. Bagges, sie gefangen zu halten? – Sie durften nie den Park verlassen, Mr. Gamp hielt an der Pforte strenge Wacht. Mit einigen Mädchen, die bereits länger sich im Hause befanden, zu denen auch Sairy gehörte, machte Mrs. Bagges öfters weitere Spaziergänge, mit ihnen besuchte sie Conzerte, Theater und andere öffentliche Vergnügungsorte. Fanny befragte eines Tages Sairy um die Ursache dieser Zurücksetzung, und die Kleine gab ihr lachend die Antwort:

»Weil sie Dich noch nicht für sicher hält. – Sie fürchtet, daß Du ihr davon läufst, oder die Hülfe irgend eines der Herren anrufst, mit denen Du zusammen kommst. – Uebrigens,« setzte Sairy, plötzlich ernsthaft werdend, hinzu, »ist es gut, daß Du mich darnach fragst, ich habe Dich vorzubereiten auf die Rolle, welche Ihr hier in diesem Hause zu spielen habt.«

Fanny horchte auf! – Endlich sollte also der Schleier gelüftet werden.

»Du wirst bereits wissen,« fuhr Sairy fort, »daß hier im Hause etwa ein Dutzend Mädchen unsers Alters sind.«

»Ich weiß es! – Ich weiß auch, daß noch mehrere Mädchen unsers Alters dies Haus besuchen, denn ich sehe oft welche, und zwar aus den vornehmeren Ständen, um die Mittagszeit durch die Pforte kommen. Da sie meistens Schulmappen tragen, so glaubte ich, sie erhielten hier Unterricht.«

Sairy brach in ein unbändiges Lachen aus, so daß sie erst nach einer längeren Pause wieder reden konnte.

»Allerdings, Unterricht erhalten sie hier; aber nicht in irgend einer Kunst oder Wissenschaft, sondern in der Liebe.«

»In der Liebe?«

»Nun ja, wenigstens etwas Aehnliches. – Die Mädchen kommen nämlich aus der Schule, und auf dem Schulwege sprechen sie ohne Wissen der Eltern hier an.«

»Und zu welchem Zweck?«

»Um mit den Herren zu scherzen, die sie hier treffen.«

»Herren?«

»Freilich, und zwar sehr reiche und vornehme Herren, welche ihnen und Mrs. Bagges große Geschenke machen. Sie sind zwar meistens etwas alt und nicht besonders hübsch, aber sie haben desto mehr Geld. Du könntest von einem solchen Herrn verlangen, was Du wolltest, er würde es geben. Hättest Du nicht Lust, an unsern Cirkeln theilzunehmen?«

Fanny ahnte noch immer nicht den drohenden Abgrund, an dessem Rande sie schwebte. Nur ein Gedanke war ihr klar, nämlich, daß es ihr gelingen möchte, einen dieser freigebigen Herrn zu bewegen, sie aus diesem Hause fort zu nehmen und ihr die Mittel zu der Reise nach Richmond zu geben. Sie sprach deshalb ihre Bereitwilligkeit aus, an den Cirkeln theilzunehmen.

»Das ist gut,« antwortete Sairy, »so kleide Dich sorgfältig an, ich werde Dich heute Abend abholen. Auch Nettice und Anna sind jetzt so ausgewachsen, daß Mrs. Bagges sie für präsentabel hält. Polly hat, wie Du weißt, schon längst an den Cirteln theilgenommen, und hat sich die Zufriedenheit unserer »Tante« bereits so weit erworben, daß sie sie nächstens mitnehmen wird, wenn wir ausgehen.«

Eine Negerin erschien und versah beim Ankleiden der Mädchen die Dienste einer Kammerzofe. Allerdings waren die Kleider schön, aber ihre Façon so kokett, daß sie selbst, namentlich bei Nettice, einen schüchternen Protest hervorriefen, allein es war Befehl der Mrs. Bagges, daß diese Kleider angezogen werden sollten, dazu kam die kindliche Eitelkeit, und so ließen die jugendlichen Opfer gar bald den Protest fallen.

Fanny, Nettice und Anna standen vor dem großen Trumeau in ihrem gemeinschaftlichen Salon, sich einander mit strahlenden Augen betrachtend.

»Wie schön Du bist, Fanny! – Wie herrlich Dein Haar sitzt!«

»Wie gut die rosa Schleifen zu Deinem braunen Haar stehen, und wie hübsch ist Dein Wuchs, Nettice! –

»Anna sieht wahrlich reizend aus mit den geschminkten Wangen und den dunkel gefärbten Brauen!«

So riefen sie wechselseitig, umarmten und küßten sich, und standen in lieblicher Gruppe, wie ein Bouquet duftiger Blüthenknospen, als Sairy kam, um sie abzuholen.

»Wo ist Polly?« fragte Fanny.

»Polly ist schon unten«, war die Antwort, »und sitzt bereits ihrem Galan auf dem Schooß. Ei!« fügte sie hinzu, indem sie einen Schritt zurücktrat und die drei jugendlichen Grazien betrachtete, »Ihr werdet Furore machen. Da ist gerade der alte Viscount, dem Keine von uns mehr gefällt – der wird Augen machen, – Ich bin überzeugt, daß Du sofort eine Eroberung an ihm machst.«

»Wenn er mich von hier befreien könnte!« dachte Fanny.

»Uebrigens«, fuhr Sairy fort, »werdet Ihr heute auch die neue Hausgenossin kennen lernen, nämlich die Schwester von Mrs. Bagges, eine gewisse Mrs. Gamp, die heute von New-York eingetroffen ist und bei uns bleiben wird; ein ebenso widerwärtiges Geschöpf, wie unsere Alte. Sie ist die Frau von unserem Portier, hat aber seit Jahren nicht mit ihm zusammen gelebt, sondern in New-York ein ähnliches Geschäft betrieben, wie ihre Schwester hier in Charleston. Ich für meine Person habe ihr bereits gezeigt, daß ich selbständig bin und mir nichts sagen lasse, und ich rathe Euch, ebenfalls ein wenig keck ihr gegenüber zu treten, denn sie scheint sich hier viel herausnehmen zu wollen. – Seid Ihr bereit, so kommt. – Noch eins muß ich Euch einschärfen. Vergeßt nicht, die Alte »Tante« zu nennen und nennt Niemandem, selbst wenn Ihr danach gefragt werden solltet, Eure Zunamen, oder sprecht gar den Wunsch aus, von hier fort zu kommen, das rathe ich Euch, denn in dem Fall ist die Alte unerbittlich. Sie würde Euch bei Wasser und Brot einsperren.«

In spannender Erwartung, mit zagender Unsicherheit und kindlicher Schüchternheit folgten die drei Opfer ihrer Führerin die Treppe hinab.

Sairy öffnete eine auf einen mit Teppich belegten und hell erleuchteten Corridor führende Flügelthür, schlug die dahinter befindliche Portiere zurück, und die Mädchen befanden sich im Gesellschaftssaal.

Es war ein prächtiges Zimmer, geräumig und feenhaft ausgestattet. Prächtige Spiegel waren an den Wänden angebracht, an den Fenstern hingen schwere seidene Vorhänge, an der Decke ein krystallfunkelnder Kronleuchter, und neben den Spiegeln brannten goldene Armleuchter. Rings waren Nischen mit schweren Vorhängen, künstliche Lauben, unter welchen Divans von reichen Stoffen standen, der parquettirte Fußboden war mit persischen Teppichen belegt und die Tapete mit Goldborte und Goldleisten prunkend verziert. Auf Consolen standen Marmor-Statuetten und die Decke war mit Fresken kunstreich geschmückt.

In diesem Feengemache bewegten sich nun, auf den Divans oder unter den Blumen sitzend, oder tanzend und scherzend die Kleinen, welche Mrs. Bagges den Fremden als »arme Verwandte« vorzustellen pflegte, und nahmen sich in ihren, an das Feenreich lebhaft erinnernden Kostümen aus, wie die Elfen im Blüthenhain.

Auch mehrere meistens ältere, aber sämmtlich der Geldaristokratie angehörige Herren, befanden sich hier, welche auf Sesseln oder auf den Divans, nachlässig hingeworfen, Sherry tranken und mit den Kindern scherzten, zum Theil in einer Weise, daß Fanny blutroth wurde und Nettice, welche ihre Hand krampfhaft erfaßt hielt, zu zittern begann.

Alle Anwesenden richteten ihre Blicke auf die Ankommenden und ein einstimmiges »Ah!« von Seiten der Herren drückte den Beifall aus, den Fanny von ihrer Seite fand.

Sairy entriß sie der ersten Verlegenheit dadurch, daß sie sie bei der Hand nahm und an eine Art Büffet führte, hinter welchem Mrs. Bagges thronte, hinter deren Stuhl sich Scip postirt hatte, während ihr zu Seite eine andere Dame saß, welche Sairy ihnen als Mistreß Gamp aus New York vorstellte.

Mrs. Bagges sprach ihre Freude aus, daß ihre neuen Schützlinge sich entschlossen hätten, sich ihren Cirkeln anzuschließen, und drückte die Hoffnung aus, daß sie den in Bezug auf sie gehegten Erwartungen entsprechen würden, worauf sie sich an ihre Schwester wandte mit der Frage:

»Was meinst Du, eine gute Acquisition, nicht wahr?«

Mrs. Gamp schwieg eine Weile, machte ein wichtiges Gesicht, musterten jede Einzelne von oben bis unten, und sagte dann, während sie langsam eine Prise nahm, mit der wichtigthuenden Miene einer competenten Person:

»Ich sage, Bethsey, daß diese hier« –diese Eloge galt Fanny – allein ein Kapital von zwanzigtausend Dollars repräsentirt. Auch die Andere ist gut – schöner Wuchs, hübscher Fuß, runde Wade und ... willst Du nicht so gut sein, ein wenig das Kleid aufheben, daß ich die Beine besser sehe. ... Nun, nicht geziert, mein Püppchen, um Dich zu zieren, dazu bist Du nicht hier ... Da, siehst Du, wenn Du es nicht thust, so muß ich es selber thun ... ein wohlgeformtes Bein. – Bei der Kleinen da«, sie meinte Anna – »muß vorläufig noch etwas nachgeholfen werden, bis sie sich ein wenig ausgewachsen hat.«

»Geschieht auch, Schwester«, antwortete Bethsey Bagges. »Die Kleine ist auch erst fünf Monate in meinem Hause, und da hat meine Pflege noch nicht die frühere Vernachlässigung gut machen können. – Sairy«, wandte sie sich an diese – »führe doch die lieben Kleinen ein wenig umher, daß sie ihre Schüchternheit los werden. Mache sie mit den Andern bekannt.«

Es waren im Ganzen außer ihnen nur sechs Mädchen in dem Salon. Auf Fanny's Frage, wo denn die Anderen seien und namentlich auch, wo Polly sey, antwortete Sairy:

»Polly und noch drei Andere sind mit zwei Herren im rothen Cabinet.«

»Was ist das für ein Cabinet und was machen sie dort?«

»Hm ha! Das wirft Du schon noch erfahren!«

Während Sairy bei den neuen Gästen», den Ciceronc machte, setzte Mrs. Bagges mit ihrer Schwester das Gespräch über diesselben fort.

»Beim Himmel, Bethsey«, äußerte die Letztere, »wenn ich es nicht möglich gemacht hätte, durch einen glücklichen Zufall mir ein Sümmchen bei Seite zu schaffen, ein solches Geschäft finge ich auch an, das ist ja eine wahre Goldgrube.«

»Hat aber auch sein Unangenehmes«, entgegnete die Dame vom Hause. »So zum Beispiel macht es immer große Schwierigkeiten, ein Mädchen, wenn es trotzköpfig ist, herumzukriegen. Von den Vieren, die ich aus Winchester mitbrachte, hat sich bis jetzt nur erst Eine gut angelassen, die Anderen sind alle noch spröde, höchstens, daß die kleine Anna aus Dummheit zum Nachgeben sich bereit finden ließe; aber mit Fanny und Nettice werde ich noch meine Noth haben.«

»Kannst Du sie nicht zwingen?«

»Das thu' ich ungern, denn erstlich ist es gefährlich für den Fall, daß Eine wieder entkommt, und zweitens, sehen es auch die Herren gewöhnlich nicht gern, daß man irgend Gewalt anwendet. Ich habe aber ein anderes Mittel, welches selten seine Wirkung verfehlt.« –

»Worin besteht das?«

»Es befinden sich versteckte Oeffnungen in ihrem Salon, durch welche man in das rothe Cabinet sehen kann, wo die Herren mit den Mädchen ihre Kurzweil treiben. Ich zeige ihnen diese Oeffnungen. Anfangs zieren sie sich, hindurch zu sehen, aber schließlich finden sie doch Gefallen daran, und wenn sie die Dinge sehen, die dort vorgehen, so wird ihre Phantasie erregt, und sie suchen von selbst die Gelegenheit zu ähnlichen Belustigungen.«

»Sehr schlau, das muß ich sagen. – Sieh einmal, Bethsey, die hübsche Fanny hat schon ihre Anbeter gefunden, da sieh, wie die Augen des alten Dickwanstes verklärt leuchten, wie er ihre Taille umfaßt, wie er ihre Hand pätschelt – ob sie sich seine Zärtlichkeit gefallen läßt? ...«

»Das ist der reiche Viscount,« antwortete Mrs. Bagges ... Ja, Alterchen, unter tausend Dollars ist sie nicht ... Mein Gott, wie sie so spröde thut, die unausstehliche Range – da, haben wirs, sie reißt sich von ihm los, verdammt, und er wird jetzt keine Andere wollen. Ach, mein Schätzchen, wir werden Dich schon verliebt zu machen wissen.«

Hochroth und verstörten Antlitzes stürzte Fanny der Thür zu. Laut schreiend hielt sie sich die Hände vor das Gesicht, und gefolgt von Nettice sprang sie wie ein verfolgtes Reh die Stufen hinauf und warf sich verzweifelnd auf das Sopha nieder. Nettice suchte sie zu trösten, und fragte sie, was ihr begegnet sei; aber Fanny konnte nicht antworten. Da trat Sairy ein.

»Mein Gott,« rief diese, »wie kannst Du Dich nur so ungeberdig stellen, wenn sich ein Herr einen Scherz mit Dir macht?«

»Schweig!« schrie Fanny. »Ich will Niemanden sehen oder hören, als Nettice. O Gott, wer rettet mich – Noddy, Noddy! Wenn Du es wüßtest–wie fürchterlich, wie entsetzlich! Rette mich, Noddy, rette mich!«

Sairy war anscheinend gleichgültig auf die Wand zugeschritten und schob dort eine Klappe in der Tapete bei Seite, eine Einrichtung, welche den Bewohnern dieses Zimmers bis dahin völlig unbekannt gewesen war. Hinter der Tapete befand sich eine Oeffnung in der Wand. Sairy blickte, ohne die beiden Andern zu beachten, hindurch, indem sie, von Zeit zu Zeit Ausrufe that, welche offenbar den Zweck hatten, ihre Gefährtinnen aufmerksam zu machen. Dieser Zweck wurde auch erreicht, denn Nettice fragte nach einer Weile:

»Was hast Du da, Sairy?«

»Was ich habe? – Einen sehr ergötzlichen Anblick. Es befindet sich hinter der Wand das rothe Cabinet.«

»Das rothe Cabinet? Darf ich hindurch sehn?«

»Sieh hindurch, und laß auch Fanny herantreten, solch ein Anblick wird sie auf andere Gedanken bringen.«

Nettice folgte ihrer Neugierde. Kaum aber hatte sie sich der Oeffnung genähert, als sie mit einem Schrei zurückfuhr, auf Fanny zustürzte, sie umschlang und ihr Gesicht tief in ihren Schooß barg.

»Fanny, Fanny, wir sind verloren! – O Gott, was habe ich gesehn!«

»Was hast Du gesehen, Nettice?«

»Ich kann es Dir nicht sagen. – Sieh nicht hindurch, Fanny, nie, nie thue es!« – –

Ihrem Prinzip folgend, wandte Mrs. Bagges keinen Zwang an, die beiden Widerspenstigen ihrem Willen zu unterwerfen, sondern überließ ihre Bekehrung der Zeit. So verstrichen wieder mehrere Monate, während welcher Fanny und Nettice ihr Zimmer nur verließen, um im Garten einen Spaziergang zu machen, sonst aber alle Gelegenheit vermieden, mit irgend Jemand im Hause zusammen zu kommen. Mrs. Bagges machte kaum einen Versuch, sie umzustimmen. Da kam der Sommer heran und mit ihm die glänzenden Gäste von nah und weit. Die Cavaliere aus Richmond, welche dass Gefolge des Präsidenten bildeten und reiche Plantagenbesitzer der Umgegend. Das war die Erntezeit für Mrs. Bagges, und um die Herren ausbeuten zu helfen, dazu brauchte sie auch Fanny und Nettice. Ihre Schwester hatte ihr gerathen, Fanny einmal öffentlich zu zeigen, ihre bloße Erscheinung sei schon hinreichend, dem Etablissement reiche Kunden zuzuführen. Mrs. Bagges trat deshalb eines Tages unerwartet zu Fanny ins Zimmer.

Nach einer Einleitung, in welcher sie ihre gute Absicht und Fanny's Undankbarkeit ins rechte Licht gestellt und gegen Netticen einige Malicen geschleudert hatte, welche sich auf ihr früheres Elend und ihre jetzige beneidenswerthe Lage bezogen, fuhr sie fort:

»Ich kann es Dir nicht verdenken, liebe Fanny, wenn Du traurig bist. Du langweilst Dich. Das soll aber jetzt anders werden, ich werde mit Dir ausgehen.«

Fanny mochte irgend einen neuen Angriff auf ihre Tugend fürchten, und erklärte deshalb, daß sie nicht mit ihr gehen werde, es sei denn, daß sie sie ganz frei lasse.

»Dir soll nichts geschehen,« antwortete Mrs. Bagges. »Es wird Dir Niemand etwas zu Leide thun, ich führe Dich mit Deinen Freundinnen an einen Vergnügungsort, wo Du eine Zerstreuung haben wirst, die Dir sicherlich zusagt, nur eine Bedingung mache ich.«

»Welche?«

»Daß Du Dich Niemandem zu erkennen giebst. Erfüllst Du die Bedingung, so wirst Du mich begleiten können, so oft ich ausgehe. – Hast Du schon eine Menagerie gesehn?«

Fanny entgegnete, daß sie noch keine gesehen, und daß sie sich auch nicht viel von dem Besuche einer Menagerie verspreche.

»Oh!« antwortete Mrs. Bagges, »diese Menagerie ist eine sehr bedeutende, es ist die von Seyers, vormals Gamp. Du wirst dort einen ausgezeichneten Thierbändiger sehen, den Tomahuhu aus Central-Afrika. Morgen um 5 Uhr findet eine Gala-Vorstellung statt, bei welcher der Präsident selbst und alle hohen Herren vom Hofe zugegen sein werden. – Sage, würde es Dir nicht Vergnügen machen, den Thierbändiger Tomahuhu zu sehen? Ich habe durch den Herrn Viscount Billets erhalten.«

Fanny überlegte. Sie dachte nicht an den Thierbändiger, sondern dachte darüber nach, ob unter den Herren aus Richmond nicht Jemand sein könne, der sie kenne. Eine neue Hoffnung dämmerte in ihr auf.

»Ich werde morgen mitgehen in die Gala-Vorstellung,« sagte sie. –

Diese Unterredung fand in derselben Stunde statt, da Tomahuhu von der Tigerin Semiramis erwürgt wurde.


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