Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtundsiebzigstes Kapitel.
Das gefährliche Anbieten

Mr. Seyers hatte während der entsetzlichen Katastrophe, die sich an diesem Nachmittage in der Menagerie ereignet hatte, sich in seiner Wohnung mit den äußersten Vorsichtsmaßregeln verbarrikadirt; hatte aber durch eine Oeffnung des Wagens während der Schreckensscene fortwährend hinausgerufen, daß man Feuerwaffen holen solle, um, wenn es nöthig sei, die Tigerin zu erschießen oder auch den Löwen, oder auch gar beide, und hatte, als die Scene ihr Ende erreicht hatte, wohl von einem und dem andern der Menagerie-Mitglieder das Resultat gehört, hatte aber sich nicht entschließen können, die Thüre seiner Wohnung zu öffnen und sich persönlich von den Vorgängen zu überzeugen, und als Noddy vor seinen Wagen trat und ihm erklärte, daß er ihn zu sprechen habe, weigerte er sich ebenfalls, ihn einzulassen; sondern machte ihm den Vorschlag, mit ihm das Gespräch so zu führen, wie einst Romeo mit Julia oder wie Pyramus mit Thisbe.

Aber Noddy beharrte dabei, eingelassen zu werden, da er in dringenden Geschäftsangelegenheiten mit dem Chef der Menagerie zu sprechen habe.

»Dann aber, lieber Freund,« versetzte Mr. Seyers, »muß ich um alles in der Welt um die größte Vorsicht bitten. Treten Sie gefälligst auf die oberste Stufe der Treppe.« Nach diesen Worten öffnete er die Thür, aber so wenig, daß Noddy nur mit der größten Anstrengung sich hindurchzuzwängen vermochte, worauf er sie schnell wieder in's Schloß warf und doppelte Riegel vorschob.

»Es ist den Bestien nicht zu trauen, mein lieber Mr. Noddy,« sagte er, »Sie wissen noch nicht, was für gefährliche Bestien es sind, wenn sie einmal Menschenblut gekostet haben. Man kann nicht vorsichtig genug sein. O Himmel, daß ich gerade heut das erleben muß, was ich erlebt habe! Ich bin ein ruinirter Mann!«

»Ja wohl«, bestätigte Mrs. Seyers, die aus dem Nebenzimmer ebenfalls hervorkam, »ja wohl, bester Mr. Noddy; bedenken Sie nur, der Mann repräsentirte uns einen jährlichen Gewinn von 1500 Dollars, er allein mit seiner Person, ganz abgesehen davon, daß er mit der Pflege am besten Bescheid wußte und der Einzige war, der bei'm Ankauf eines Exemplars oder in sonst schwierigen Fragen meinem Manne mit Rath zur Hand gehen konnte. Und nun muß dieser Mann gerade heute verunglücken. Das ist ein Schaden, den ich gar nicht berechnen kann. Mann«, wandte sie sich an Mr. Seyers, »sicherlich hast Du ihn nicht genug zur Vorsicht ermahnt und hast ihm nicht die Regeln, welche bisher befolgt sind, ordentlich eingeschärft; denn sonst würde er nicht gewagt haben, noch einmal in den Tigerkäfig hineinzugehen.«

»Schweig, Weib«, befahl Mr. Seyers; »ich sage Dir, daß ich mehr gethan habe, als meine Pflicht Sie können überzeugt sein, Mr. Noddy, daß ich Alles gethan habe, um ihn zur Vorsicht zu bewegen. Ich habe ihm gesagt: Mr. Smith, gehen Sie nicht in den Tigerkäfig kurz vor der Fütterung. Sein Sie vorsichtig, lassen Sie sich von Ihrer Ruhmsucht nicht zu Unbesonnenheiten verleiten. Aber, Mr. Noddy, Sie glauben nicht, wie weit die Ruhmsucht eines solchen Menschen geht. Durch den Beifall, der ihm morgen voraussichtlich zu Theil geworden wäre, hat er sich zu dieser Unbesonnenheit hinreißen lassen; weiter Nichts. Ich habe ihm gerathen, wie ein Bruder und wie ein wahrer Freund.

Noddy dachte in diesem Momente an die 50 Dollars, welche Mr. Sehers dem Löwenbändiger versprochen hatte für jedes neue Kunststück, das er den Thieren beibringen würde und begann nach diesen eben gehörten Worten seinen Principal herzlich zu verachten.

Trotz dessen fuhr er fort:

»Sie sind also für den morgenden Tag in großer Verlegenheit?«

»Natürlich, bester Mr. Noddy, in sehr großer Verlegenheit, denn was soll ich nun für Kunststücke machen lassen? Das Einzige, was ich den Herrschaften zeigen kann, sind die Kunststücke des Nimus und des andern Elephanten, die Mr. Mops mit ihnen exerciren wird, und das alberne Zeug hat man ja überall geschehen; es wird die Herrschaften wahrscheinlich wenig amüisiren. Kurz, der Ruf meiner Menagerie ist hin, und ich bin so ruinirt, wie es Mr. Gamp nur jemals war.«

»Das sehe ich ein, Mr. Seyers. Was würden Sie also daran wenden, um einen Mann zu finden, der morgen zu den Thieren hineingeht in den Käfig?«

»O, Mr. Noddy, funfzig Dollar würde ich daran wenden, wenn ich einen Mann fände, der morgen zu den Thieren hineingeht. Glauben Sie, es käme mir auf funfzig Dollars nicht an, obgleich es eine große Summe Geldes ist. Aber ich thäte es, wenn ich einen solchen Mann finden könnte.«

»Fünfzig Dollars«, wiederholte Noddy spöttisch, »das ist die Summe, welche Mr. Smith haben sollte für jedes neue Kunststück, das er den Thieren beibringen würde.«

»Aber bedenken Sie, Mr. Noddy, Kunststücke und Hineingehen, das ist ein Unterschied. Das bloße Hineingehen ist ja gar nicht gefährlich. Glauben Sie mir, es ist nicht die allermindeste Gefahr dabei, sich in dem Käfige der Thiere eine Zeit lang aufzuhalten. Nein, nein, gar keine Gefahr; das könnte Jeder thun und ist mit funfzig Dollars königlich bezahlt.«

»So?« sagte Noddy, »dann sind wir ja für morgen aus aller Verlegenheit, vorausgesetzt, daß Sie im Ernste sprechen.«

»Nicht die geringste Gefahr, mein liebster Freund, nicht die allergeringste. Ich bin lange genug im Besitz der Menagerie, um das zu kennen. Nicht die aller geringste Gefahr. Es ist nicht schlimmer, als ob Einer in eine Gesellschaft Lämmer oder sonst welcher zahmen Geschöpfe hineinginge. Glauben Sie meiner Erfahrung.«

»Ich glaube es Ihnen, Mr. Seyers«, versetzte Noddy, und habe bereits ein Mittel gefunden, wie wir uns morgen aus der Verlegenheit heraushelfen. Wir wollen Beide in den Käfig hineingehen. Sie, Mr. Seyers, und ich.«

»Um's Himmelswillen!« rief Mr. Seyers und taumelte, vor Entsetzen bleich, zurück. »Was sagen Sie? Ich? Ich sollte in den Käfig der Löwen oder der Tigerin gehen? – Junger Mann, was sprechen Sie? Ach Gott, ich sehe mich schon zerfleischt und in meinem Blute schwimmend unter den Tatzen dieses Teufels von einer Tigerin. Nein, um Gotteswillen nicht ich.«

»Nun, was erschrecken Sie, Mr. Seyers? Sie selbst sagten ja eben, daß nicht die mindeste Gefahr damit verbunden sei.«

»Ja, das heißt«, sagte Mr. Seyers, ohne im mindesten in Verlegenheit zu sein, »das heißt, keine Gefahr für denjenigen, der nervenstark ist. Ich bin nicht nervenstark, Mr.·Noddy, mich würden sehr leicht meine Nerven im Stiche lassen. Es ist wirklich nicht die mindeste Gefahr dabei. Sie kennen nicht die Gewalt des menschlichen Auges über die Bestien. Aber, wie gesagt, meine Nerven. Ich weiß es, denn ich bin niemals mit den Löwen und Tigern in so nahe Berührung gekommen, wie zum Beispiel Sie, Mr. Noddy. Sie sind mit Löwen und Tigern tagtäglich in Berührung gekommen und haben von Mr. Smith so manchen Kunstgriff gelernt, wie man diese Thiere behandelt; wohingegen ich mich nur mit den sanfteren Geschöpfen der Menagerie beschäftigt habe, mit den Kakadus und den Ziegen und Schafen, und was diese Thiere betrifft, so bin ich jederzeit bereit, mich ihnen zu nähern und mit ihnen vorzunehmen, was Se. Excellenz nur immerhin wünschen mögen; aber mit Tigern und Löwen? ... Nein, nein, Mr. Noddy, nimmermehr. – Erschrecken Sie mich nicht, sprechen Sie nie wieder davon.«

Plötzlich unterbrach er sich:

»Herr Gott, was ist das?« rief er, als ein gräßliches Gebrüll aus der Menagerie herauftönte.

»Es ist die Semiramis«, antwortete Noddy kaltblütig.

»Die Semiramis? Um Gotteswillen, sie ist doch nicht ausgebrochen?«

»Nein, sie erhält nur ihre Strafe, die darin besteht, daß man ihr das Fleisch, was ihr heute Abend zum Futter bestimmt war, vorgelegt, und wieder fortgenommen hat. Darüber erhebt sie das wüthende Gebrüll.«

»Ach Du mein Gott! wie entsetzlich es sich anhört.– Sieh' Frau, wie ich zittere.«

Mrs. Seyers hatte ihn in der That zittern sehen und hatte auch bereits in zarter Fürsorge für das Wohlbefinden ihres Mannes ein Gefäß mit ihrem Universalmedicament, dem von Mr. Seyers so gefürchteten Theerwasser, herbeigeholt, dessen Anblick allein schon geeignet war, Mr. Seyers Energie wieder etwas aufzuwecken, die sich zunächst darin kundgab, daß er sich weigerte, das ganze Gefäß zu leeren, sondern entschieden erklärte, daß er nur einen Schluck davon nehmen würde.

»Nun ein Wort im Ernst«, fuhr Noddy fort. »Was würden Sie daran wenden, wenn Sie einen Mann fänden, der in den Käfig hineingeht. Ich wiederhole diese Frage, weil ich einen solchen Mann weiß. Funfzig Dollars, Mr. Seyers, das ist eine lächerliche Summe, die Sie wahrscheinlich im Ernst Niemandem anbieten werden.«

»Siebenzig, Mr. Noddy, ich sagte siebenzig, Sie mißverstanden mich. Denken Sie nur, in jeder Minute, welche Sie sich in dem Käfige aufhalten, verdienen Sie fünf Dollars.«

»Ganz recht«, sagte Noddy, »in jeder Minute fünf Dollars. Für die erste Minute erhalte ich fünf Dollars, und den Rest der Summe würden Sie wahrscheinlich meinen Testaments-Exekutoren auszuzahlen haben.«

»Fürchten Sie sich nicht, Mr. Noddy, nein, nein, Sie sind zu furchtsam. Glauben Sie mir – »Ach Du mein Gott, das Gebrüll hört nicht auf; Frau noch einen Schluck Theerwasser.«

Diese Bemerkung bezog sich auf ein erneuetes Wuthgebrüll der Tigerin, welches in wahrhaft markerschütternder Weise durch die Menagerie dröhnte.

»Mr. Noddy, ich sagte 80 Dollars, ich glaube, ich habe 80, gesagt – 80 Dollars – Frau; entsinnst Du Dich nicht, was ich sagte?«

»Ich entsinne mich, Mann, daß Du Unsinn schwatztest,« erwiederte Mrs. Seyers. »Sprich nicht, was Du einem Manne giebst, der ein einziges Mal in den Käfig hineingeht, sondern sage, was Du einem Manne Gehalt giebst, der die Dressur der Thiere übernimmt, und wenn Mr. Noddy einen solchen weiß, so sei dem jungen Manne dankbar dafür, und biete ihm nicht ein Lumpengeld, sondern biete ihm einen anständigen Gehalt, wie er sich in einer anständigen Menagerie ziemt.«

»So sagen Sie, Mr. Noddy, was verlangt der Mann, von dem Sie sprechen?« wandte sich Seyers an den jungen Mann.

»Der Mann, von dem ich spreche, Mr. Seyers, der Mann bin ich selber«, sagte Noddy, »und ich verlange dieselbe Gage, welche Sie Mr. Smith gezahlt haben, ohne die für die heutige Vorstellung versprochene Vergünstigung. Ich verlange einen Gehalt von 3000 Dollars, und davon lasse ich keinen Cent ab. Wollen Sie? gut, das Geschäft ist abgemacht. Ich werde die Thiere morgen dieselben Kunststücke machen lassen, welche sie Mr. Smith lehrte, und werde die Dressur für das ganze Jahr fortsetzen Wollen Sie nicht, so mögen Sie sehen, wie sie mit der morgenden Vorstellung und mit Ihrer Menagerie überhaupt fahren.«

»Dreitausend Dollars! Mr. Noddy, Sie ruiniren mich; bedenken Sie dreitausend Dollars, welche Summe!«

»Und bedenken Sie einen Reingewinn von 1500 Dollars, den Sie durch mich haben werden, wie sie ihn durch Mr. Smith hatten, nach der Aeußerung von Mrs. Seyers.«

Mr. Seyers warf seiner Frau einen wüthenden Blick zu, weil sie ihn durch ihre Offenherzigkeit in eine solche Klemme gebracht.

Mrs. Seyers aber beachtete diesen Blick nicht, sondern mit wahrer Begeisterung schaute sie den jungen Mann an, und es fehlte Nichts, so hätte sie ihn in ihre Arme geschlossen. Da indessen dies gegen die Schicklichkeit gewesen wäre, so begnügte sie sich, seine Hände zu erfassen, und mit Thränen in den Augen zu rufen:

»O, Mr. Noddy, welch ein Jüngling sind sie! Ich wollte Sie wären mein Sohn, und wenn Sie mein Sohn wären, so würde ich sagen: Mein Sohn, erwirb Dir Ruhm und Ehre, thue, wie Du sagst. Da Sie aber mein Sohn nicht sind, sondern nur ein Freund, ein Schützling, so sage ich: Nein, Mr. Noddy, thun Sie es nicht, bringen Sie Ihr Leben nicht in Gefahr. Sie sind ein muthiger, edelherziger Jüngling, aber bringen Sie Ihr Leben nicht in Gefahr, als Freundin rathe ich Ihnen, thun Sie es nicht.«

Mr. Seyers Stirn umwölkte sich immer mehr, und ein Gewitter drohte sich über dem Haupte seiner Gemahlin zu entladen; und um die Gefahr abzuwenden, welche ihm ihre Sentimentalität zu bereiten drohte, so legte er ihrem Redefluß mit dem beliebten »alte Seeschlange« zunächst einen Hemmschuh an.

Noddy lächelte und sagte:

»Ereifern Sie sich nicht, Mr. Seyers. Der wohlmeinende Rath Ihrer Frau Gemahlin soll mich nicht von meinem Entschlusse abbringen. Fürchten Sie nicht, daß ich mich etwa bestimmen lassen würde, von dem einmal gefaßten Beschlusse abzugehen. Ich habe es mir vorgenommen: ich will es, und kenne recht gut die Gefahr, welche mit diesem Berufe verbunden ist. Mag es nun glücken, oder mag ich das Schicksal meines Freundes Tomahuhu theilen, ich will es einmal.«

Mit einem herzlichen Händedruck wandte er sich darauf an Mrs. Seyers und dankte ihr in warmen aufrichtigen Worten für die Aeußerung ihrer mütterlichen Besorgniß.

Wenn eigennützige Charaktäre einmal sich zu einem gewissen Grade von Uneigennützigkeit erheben und mit dieser ungewohnten Tugend einmal im Zuge sind, so kann man in der Regel gar nicht absehn, wie weit sie noch darin gehen werden. Und daß dies Uebel auch bei seiner Frau eintreten würde, befürchtete Mr. Seyers mit Recht. Denn sie fuhr nach einigen schmeichelhaften und bewundernden Exklamationen fort:

»Mann, ich sage Dir, daß Du diesen Jüngling so besoldest, wie er es verdient. Er hat Recht, wenn er sagt, daß wir durch ihn einen Reingewinn von 1500 Dollars haben werden; also zahle ihm die 3000 Dollars, weigere Dich nicht und bedenke, was uns allein der morgende Tag einbringen wird.«

Mr. Seyers hatte eben die »weibliche Atzteke« auf den Lippen, als Noddy einfiel:

»Ich bitte Sie, Mrs. Seyers kein Wort zu meinem Gunsten zu sprechen. Ich sage hiermit Mr. Seyers mein letztes Wort. Entweder Sie engagiren mich zur Dressur der Thiere, für den Gehalt von 3000 Dollars, oder Sie thun es nicht. Indessen bin ich bereit, Ihnen eine Concession zu machen. Glückt die morgende Vorstellung nicht, so beanspruche ich keinen Dollar; glückt sie aber, so verlange ich den von mir geforderten Gehalt. – Ist das abgemacht, Mr. Seyers?«

Die entschiedene Sprache des Jünglings mußte Mr. Seyers wohl überzeugen, daß er nicht weiter mit sich handeln lassen werde und, wenn auch mit einigem Widerstreben, schlug er in die dargebotene Rechte des Jünglings ein.

»Ich weiß«, fügte er hinzu, nachdem der geschäftliche Theil der Verhandlung abgemacht war, »daß Sie muthig und kühn sind. Allein eine erste Dressur pflegt in der Regel nicht gerade glänzend auszufallen. Ich erinnere Sie an das, was ich sagte: Die Gewalt des menschlichen Auges ist groß, und wenn Sie morgen Vormittag mit den Bestien noch eine Probe anstellen, so werden Sie den kleinen Rest von Furcht, der Ihnen vielleicht noch inne wohnt, überwinden lernen. Sein Sie ganz furchtlos, Mr. Noddy, wie es Ihr Freund Tomahuhu war, und sollte Ihnen dann bei der Dressur ein Unglück begegnen, nun, Mr. Noddy, so werden Sie persönlich überzeugt sein, daß ich auch bei Ihnen, wie es bei Mr. Smith der Fall war, alles Mögliche gethan habe, um Sie zu warnen und zur Vorsicht zu ermahnen, daß mich also von Seiten der Behörde keine Verantwortung oder ein Tadel treffen kann.«

»Sein Sie unbesorgt«, antwortete Noddy; »ich werde Sie nicht für das verantwortlich machen, was mir widerfährt, ebenso wenig, wie Tomahuhu Sie für das verantwortlich gemacht hat, was ihm widerfahren.«

Auf Noddy machte diese letzte Bemerkung seines Chefs welcher die Schuld an dem Unglück, das den Löwenbändiger getroffen, auf diesen allein zu schieben sich bemühte, keineswegs einen günstigen Eindruck, sondern ließ ihm denselben in ziemlich verächtlichem Lichte erscheinen.

Es ist ja der Mensch so leicht geneigt, eine Schuld, die ihn drückt, von sich abzuwälzen auf die stärkeren Schultern eines Anderen, und wer vermöchte die Last einer Schuld wohl leichter zu ertragen, als ein Todter? –

Nachdem man noch abgemacht hatte, daß auf den Anschlagzetteln nicht das Mindeste geändert werde, daß selbst der Name des Löwenbändigers auf demselben beibehalten werde, und nachdem man sich noch einmal durch Handschlag versichert hatte, daß das Geschäft abgemacht sei, verabschiedete sich Noddy. –

Als er in seinem Wagen, in der Wohnung des Löwenbändigers, ankam, da erinnerte ihn, obwohl man den Leichnam längst aus derselben fortgeschafft hatte, Alles an seinen Freund und dessen Schicksal.

Da hing sein Anzug, sein Wams von Leder, das neue Leopardenfell, was Mr. Seyers ihm zu der morgenden Vorstellung zum Geschenk gemacht hatte, die Messingkrone, welche für dem morgenden Tag noch extra mit Adlerfedern geziert war.

Dort lag die Peitsche, mit dem quecksilbergefüllten Griff, dort in jener Nische stand die Flasche, aus welcher Mr. Smith nach jeder Vorstellung eine Herzstärkung zu nehmen pflegte.

Das Alles erinnerte ihn nicht nur an das Schicksal seines Freundes, sondern mahnte ihn auch, an das zu denken, was ihm selber bevorstand.

Der Schlaf floh ihn.

Doch neben den Schreckensbildern, die vor seiner Seele emporstiegen, da traten auch Erscheinungen sanfterer Art auf, da tauchte Fanny's Bild empor, die herrliche Zeit, die er mit ihr zusammen in Georgesville verlebt, das Versprechen, welches sie ihm zu Nashville gegeben, und der Kuß, welchen sie auf seine Lippen drückte.

War sein Entschluß, diese gefährliche Carriere zu ergreifen, in welche er jetzt den ersten Fuß gesetzt, lediglich gefaßt, um sich eine bessere Existenz zu sichern, oder um sich dem Verstorbenen als einen, seiner würdigen, Freund zu zeigen?

Vielleicht. – Vielleicht aber war es auch das Verlangen, in Fanny's Augen in einem andern Lichte, als in dem eines verachteten Negers zu erscheinen. Denn die Person eines Thierbändigers, mögen sich auch manche Lächerlichkeiten an dieselbe knüpfen, umgiebt stets in gewissem Maaße der Glanz des Heroismus und sollte dieser Heroismus nicht den Makel zu überstrahlen vermögen, der an seiner Geburt haftete? War es nicht möglich, daß Fanny ihn in seinem jetzigen Berufe mit anderen Augen betrachten würde, als sie ihn bis dahin zu betrachten gewohnt war? War es nicht möglich, daß die Lehren, die der fromme Mr. Payne ihr eingeimpft, ferner in ihrem Herzen kein Echo finden würden?

Mit einem Gebete für seine Erhaltung und mit einem letzten Gedanken an Fanny, schlief er erst spät am Morgen ein.


 << zurück weiter >>