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Einundsiebzigstes Kapitel.
Die Botschaft

»Ich fürchte, Sie werden Ihre Leidenschaft diesmal schon bekämpfen müssen,« erwiderte Breckenridge auf die in fast leidenschaftlichem Ton gesprochenen Worte Berckleys. »So viel ich das Mädchen kenne, falls sie es wirklich ist, so wird sie selbst um die Million Ihres Heirathsgutes nicht käuflich sein.«

»Ha, ha, ha!« lachte der Angeredete mit scheinbarem Hohn. »Es giebt ein Mittel, sie zu besitzen, ich weiß es!«

»Etwa Gewalt?« fragte Breckenridge ernst. »Ist dem Falle muß ich Ihnen erklären, daß das Mädchen Ihrem Bereiche sehr bald entzogen sein wird, ich lasse sie schon in der nächsten Stunde verhaften.«

Berckley schwieg verdrießlich. Nach einer Weile machte er in mürrischem Tone die Bemerkung:

»Nun, ein Aufschub von 2 Tagen wird aller Wahrscheinlichkeit nach nichts in der Sache ändern.«

»Nicht zwei Stunden, Mr. Berckley. Sie kennen dies Mädchen nicht. Sie kann in zwei Tagen mehr Unheil anrichten, als mancher unserer Feinde in zwei Jahren zu Stande bringen würde. – Was willst Du?«

Diese letzte Frage war an Pet gerichtet, welcher wieder in der Glasthür erschienen war und sich in der gewöhnlichen demüthigen Stellung dort aufgepflanzt hatte, wartend, bis sein Herr ihn anreden würde.

»Der Aufseher von White-House, Jim, sein angereist gekommen, mit Nachricht,« meldete Pet.

»Jim? laß ihn sofort eintreten! – Er bringt Nachrichten aus dem Lager,« wandte er sich an seine beiden Gäste, »ich bin neugierig, was ihn herführt.«

Fast athemlos und mit der den Negern eigenthümlichen lebhaften Geberde deutete Jim die große Wichtigkeit seiner Nachrichten und seiner eigenen Aufregung an.

»Du kommst aus dem Lager?« redete ihn Breckenridge an.

»Ja, Massah. Direct von Spottsylvania.«

»Und hast Nachrichten?«

»Viele und sehr wichtige, Massah. – Zuerst: wir sind geschlagen in allen Schlachten und Gefechten, die wir auf dem Wege rückwärts durch die Wilderneß geliefert haben. Aber« – fügte er grinsend hinzu – »Wir haben die Wilderneß mit Yankeeleichen gedüngt. Grant ist erschöpft, braucht Verstärkung. Lee ist auch erschöpft, braucht auch Verstärkung, aber die Soldaten haben Courage; kriegen vor jeder Schlacht ein halbes Quart Brandy, und dann gehen sie drauf wie die Bluthunde. Achtzigtausend Yankees haben allein in der Wilderneß dran glauben müssen. Aber auch wir haben Verluste gehabt – sehr schwere Verluste –«

Hier verzog er sein Gesicht zu einer Fratze, welche seine Betrübniß ausdrücken sollte.

»Von den Führern Einer?« fragte Breckenridge ungeduldig.

»Ja, Massah, von den Führern Einer und noch dazu Einer der besten. Sie haben Ihrem Freunde wohl gerathen, er solle nicht mitgehen und lieber hier wirken. Er wollte nicht hören, er wollte selbst kämpfen und nun, nun liegt er in der Wilderneß und seine Leiche fault auf dem Schlachtfelde hinter den Schanzen.«

»Mensch von wem sprichst Du? doch nicht von Mr. Cley?«

»Ich spreche von Mr·Cley, Sir, er führte eine Angriffscolonne mitten unter dem Hagel von Flintenkugeln und Kartätschen bis in die Mitte der Feinde. Die Soldaten warfen die Waffen weg, aber er stand noch unerschüttert da. Den Offizier, der ihm den Degen abforderte, schoß er nieder, aber zwei Minuten später war er selbst eine Leiche.«

Breckenridge wechselte mit den beiden Andern stumme Blicke des Schreckens.

»M'Clellan vom Oberbefehl, Breckenridge vom Kriegsministerium, Cley todt! – eine Säule nach der andern stürzt, bis der ganze Bau zusammen bricht!« murmelte Cleary für sich.

»Ich habe ihn aber gerächt,« fuhr der Neger in seinem Berichte fort· »Der Mann, der eigentlich an seinem Tode schuld ist, der Offizier, der ihm den Degen abfordern wollte, der hat durch mich sein Ende gefunden. Das war Einer, der, wenn er lebendig in unsere Hände gerathen wäre, uns viel hätte nützen können.«

»Warum tödtetest Du ihn alsdann?« fragte Breckenridge.

»Ich tödtete ihn nicht,« antwortete Jener. »Die Kugel Mr. Cley's hatte ihn nicht tödtlich verwundet. Ich sah es, erkannte ihn, fing ihn, als er eben niedersank, auf, hob ihn auf ein Pferd, schwang mich ebenfalls hinauf und im Galopp gings fort. Ich glaubte längst aus der Schußweite der Feinde zu sein, wenigstens anderthalbtausend Schritte weit von ihnen, da – weiß der Teufel wie es zuging, ob in den Büschen Einer versteckt lag, oder ob einer der gottverdammten Scharfschützen, die ihre Kugel so weit schicken können wie ein gezogener Zwölfpfünder; den Schuß that – genug eine Flintenkugel traf das Pferd. Ich trieb es noch eine Viertelstunde fort, aber dann stürzte es zusammen. Glücklicherweise befand ich mich mit meinem Gefangenen schon weit jenseit unserer Schlachtlinie mitten in dem Walde, der sich vor Old Church ausbreitet, eine Gegend, in welche weder von den Unseren, noch von den Feinden Einer hinkommen konnte. Ich hatte eben diese Richtung gewählt, weil ich den Preis für den Gefangenen gern allein haben wollte; diese Weißen machen gern einem Nigger seinen Ruhm streitig. – Ich trug also meinen Gefangenen, denn gehen konnte er nicht, der Blutverlust hatte ihm die Kräfte geraubt, auf den Schultern weiter. Nun habe ich sicherlich keine schwachen Gliedmaßen, aber die Last, die Hitze und Hunger und Durst raubten mir allmählig doch die Kräfte. Ich trug meinen Gefangenen bis gegen Abend ununterbrochen weiter, weil ich mit ihm Old Church erreichen wollte, wo ich ihn verbinden und auf einem Wagen weiter befördern wollte. Aber ich hatte noch beinahe 8 Meilen bis Old Church, als ich hinsank und nicht im Stande war, einen Schritt zu gehen. In 24 Stunden hatte ich nichts gegessen und dabei die Strapazen und Anstrengungen. Ich warf also meinen Gefangenen auf den Boden und legte mich neben ihn. Ich schlief ein·paar Stunden. Als ich erwachte, lag mein Gefangener todt neben mir, der Blutverlust war zu stark gewesen. Verdrießlich, daß nun alle meine Anstrengungen vergebens gewesen waren, gab ich seiner Leiche einen Fußtritt und überließ sie den Prairie Wölfen, während ich mich nach Old Church wandte, um meine erschöpften Kräfte wieder so weit herzustellen, um weiter reisen zu können.«

»Wer war denn dieser Gefangene, daß Du Dich seinetwegen solchen Beschwerden unterzogst?« fragte Breckenridge.

»Es war derselbe Offizier, den ich schon einmal, während er auf Spionage ausging, eingefangen habe.«

»Wie, der Sohn des Staatssecretairs der Union?«

»Derselbe, Oberst Frederic Seward, der Sohn des Staatssekretairs.«

Ein Schrei ward hinter der Laubwand der Veranda ausgestoßen.

Ueberrascht und betroffen sprang Breckenridge auf.

»Was war das? – Wer ist im Park?« rief er und seine Hand griff nach der Glocke, um seine Diener zu rufen. Noch ehe er aber die Glocke ertönen ließ, da stürzte mit todtenbleichem und verstörtem Antlitz ein Mädchen die Stufen hinauf, welche vom Park aus auf die Veranda führten. Einen nach dem Andern streifte ihr rollendes, düsteres Ange, bis es sich zuletzt strenge ja fast drohend auf den Kriegsminister heftete.

»Sir, ich bitte Sie um Gehör,« begann sie. »Ich habe eine Bitte, welche Sie mir nicht abschlagen dürfen. Zunächst bitte ich, daß man uns allein lasse.«

Breckenridge war über dies Erscheinen Esthers dermaßen erstaunt gewesen, daß er in der That einige Zeit bedurft hatte, sich von dem Erstaunen zu erholen. Fast noch mehr als über die Kühnheit des Mädchens, daß sie es wagte, sich ihm gegenüber zu stellen, verwunderte er sich über deren fast gebieterisches Auftreten. Er antwortete ihr nur durch ein sarkastisches Lächeln und wandte sich dann an Jim:

»Du wirst Sorge tragen, Jim, daß sie sofort verhaftet wird, geh, hole einen Policeman, damit er sie abführt.«

»Sie müssen mich hören, Sir," fuhr Esther fort, ohne den Befehl des Kriegsministers im mindesten zu beachten, »oder bei Gott, Sie werden es bereuen.«

»Du führst eine kecke Sprache, Mädchen!« sagte Breckenridge, sie von oben bis unten betrachtend, »nimm Dich in Acht, daß Dich außer der Gefängnißstrafe nicht noch eine Züchtigung von meiner Seite trifft«.

Esther erwiderte seinen zornigen Blick mit einem stolzen Zurückwerfen des Kopfes. Ihr großes Auge fest auf ihn heftend, sagte sie mit Achtung gebietendem Tone:

»Zunächst, Mr. Breckenrigde, ist es nöthig, daß wir gegenseitig uns unsere Stellung klar machen. Ich bin nicht mehr Ihre Sklavin, ich bin eine Freigelassene Sie haben also kein Recht, sich des anmaßenden »Du« zu bedienen. Außerdem aber bin ich die Tochter, wenn auch nicht legitime Tochter Mr. Peter Brown, eines Mannes, der Ihnen vollständig ebenbürtig war, und da er mich nicht nur wie ein legitimes Kind erzog, sondern auch mir eine standesgemäße Ausbildung zu Theil werden ließ, so habe ich das Recht von Ihnen zu verlangen, daß Sie zu mir sprechen, wie es der Anstand gegen eine Dame vom Stande erfordert.«

»Bei Gott, sie treibt ihre Frechheit weit!« rief Breckenridge, dem die Röthe des Zornes ins Gesicht stieg »Warum gehst Du nicht, die Polizei zu holen, Jim?«

»Halt«, rief Esther, »lassen Sie Ihren Sklaven hier, bis Sie noch ein Wort von mir gehört haben.«

»Nun? ich bin neugierig.«

»Ich sage Ihnen, daß Sie nicht nur nicht mich verhaften lassen dürfen und werden, sondern auch, daß ich von Ihnen verlangen werde, daß Sie mir einen Paß der diesseitigen Regierung verschaffen, wie ich einen von der Regierung des Nordens habe, damit ich ungehindert in diesem Lande reisen und die Grenzen zwischen diesem und dem Gebiet der Union überschreiten kann.«

Breckenridge verzog sein Gesicht zu einem höhnischen Lächeln, und Berckley machte die Bemerkung:

»Das Mädchen muß wahnsinnig sein.«

»Noch bin ich es nicht,« antwortete Esther kalt. »Vielleicht aber bringen Sie mich dahin, daß ich's werde, und dann wehe Ihnen!«

»Nennen Sie denn das, was Sie eben sprachen, vernünftig, Miß Brown?« spottete Berckley.

»Mr. Breckenridge wird urtheilen, ob ich ein Recht zu dieser Sprache habe. – hier lesen Sie, Sir«, fügte sie hinzu, dem Kriegsminister einen Brief übergebend.

Breckenridge nahm mit gleichgültiger Miene und halb mit Widerstreben das Schreiben, welches Esther ihm überreichte Er las.

So wenig auch sonst seine starren Züge zu verrathen pflegten, was in seinem Innern vorging, so entging in diesem Augenblick doch Keinem der Anwesenden, daß der Inhalt dieses Briefes ihn bald mit Schrecken und Furcht, bald mit Wuth, bald mit Hoffnung und Freude erfüllten. Er las ihn zu Ende, faltete ihn dann langsam und gab ihn Esther zurück.

Der Brief war von Mr. Powis aus New-York, welcher, als ein Anhänger des Südens, dem Kriegsminister sehr wohl bekannt war. Er lautete:

 

»Die Inhaberin dieses Schreibens, Miß Esther Brown, hat in New-York bei mir Schutz und Aufnahme gefunden, durch eine Verkettung trauriger Umstände, hat dieselbe die sämmtlichen Anstifter der Pöbelemeute in New-York kennen gelernt. Sie kennt sie theils mit Namen, theils kann sie ein so genaues Signalement der Persönlichkeiten geben, daß es den Behörden nicht schwer fallen kann, sich derselben zu versichern. Sie hat von dieser ihrer Kenntniß bis jetzt keinen Gebrauch gemacht, hat nicht einmal mir dieselbe mitgetheilt. Sie verpflichtet sich auch, über ihre Erlebnisse am 9. September ewiges Stillschweigen zu bewahren, falls man sie ungefährdet in den Südstaaten reisen läßt. Sie hat bei ihrer Abreise ein versiegeltes Schreiben hinterlassen, welches die Namen der Agenten des Südens respective ihre Signalments und die nöthigen belastenden Beweismittel enthält. Falls nun Miß Brown nicht bis zu einer von ihr bestimmten Frist zurückgekehrt ist, oder ich nicht durch sie erfahre, daß man ihr ihre persönliche Freiheit und Sicherheit in den Südstaaten garantirt hat, so bin ich ermächtigt und bereit, dies Schriftstück der hiesigen Behörde zu übergeben, und dasselbe durch dasjenige, was mir von dem Verbrechen bekannt geworden ist, zu unterstützen. – Außerdem aber ist Miß Brown im Stande, Auskunft zu ertheilen über den Verbleib der Millionen Dollars, welche als Beute von den gekaperten Schiffen von der Alabama dem hiesigen Banquier Aaron Lewy übergeben, demselben aber während der Revolte gestohlen wurde. Miß Brown ist bereit dem Kriegsminister der Conföderation die nöthige Auskunft zu geben, falls ihr dieser durch Einhändigung eines Sicherheitspasses ihre Freiheit garantirt. Es wäre in dem Falle vielleicht noch möglich, für die Regierung des Südens die Summe zu retten.

Patrik Powis.«

 

»Soll ich die Polizei holen?« fragte Jim, als Breckenridge den Brief zurückgab.

»Nein«, antwortete dieser; »es ist nicht nöthig, aber geh' hinaus bis ich Dich rufen lasse.«

Jim machte ein sehr erstauntes Gesicht, als er sich langsam entfernte.

Breckenridge erhob sich von seinem Stuhl und durchschritt mehrere Male in heftiger Aufregung das Zimmer. Dann blieb er vor Esther stehen, und seine Aufregung gewaltsam niederkämpfend, sagte er:

»Und was beabsichtigen Sie zu thun, falls ich Ihre Bedingungen eingehe?«

»Ich beabsichtige nichts, als mich so lange hier aufzuhalten, wie es mir beliebt.«

Der Kriegsminister machte wieder erst einige Gänge durch's Zimmer ehe er fortfuhr:

»Welche Garantie aber geben Sie uns, daß Sie über ihre angeblichen Erlebnisse vom 9. September auch dann noch Stillschweigen bewahren, wenn Sie unserer Sicherheitspässe nicht mehr benöthigen?«

»Mein Wort, das ich niemals brach, ist Ihnen Garantie genug, eine andere kann und will ich Ihnen nicht geben.«

»Und Ihre Mittheilung über den Verbleib der Kiste?« –

»Mache ich in dem Augenblicke, wo ich den Paß in Händen habe.«

Der Minister trat an einen Tisch, auf welchem Schreibmaterialien standen und schrieb einige Worte auf einen Zettel, den er zusammen faltete und versiegelte. Darauf klingelte er und Pet erschien.

»Gieb Jim diesen Zettel, den er dem Polizeichef überbringen soll,« befahl Breckenridge.

Pet verneigte sich und ging.

»Sie werden in einer halben Stunde die verlangte Sicherheitsgarantie erhalten, Miß Brown,« fuhr Breckenridge, sich an diese wendend fort. »Aber lassen Sie sich's zur Warnung gesagt sein, daß, falls Sie Ihr Versprechen im mindesten verletzen, die Strafe Sie treffen wird, wo Sie sich auch immer aufhalten mögen. Ich habe nichts mehr hinzuzufügen, die Papiere werde ich an die Adresse Miß Emmy Brown's senden.«

»Aber ich habe noch etwas hinzuzufügen, Sir,« antwortete Esther. »Sie vergessen, daß ich Sie um eine Unterredung unter Vier Augen bat.«

»Ich habe nichts mit Ihnen zu schaffen, das diesen Herren ein Geheimniß bleiben müßte. Wollen Sie in ihrer Gegenwart nicht sprechen, so bedaure ich, Sie nicht anhören zu können.«

»Gut denn, so mögen sie es hören. Was mich zu Ihnen führt, Sir, ist ein Anliegen, daß nicht mich selbst betrifft, wohl aber eine Person, welche mir theurer ist als Alles auf der Welt. Mr. Breckenridge, der Heirathscontract zwischen Miß Brown und diesem Herrn« – mit einer Handbewegung gegen Berckley – »so wie der Revers, welchen Miß Brown unterschrieben hat, das ist Ihr Werk. Nur Ihrem Einfluß ist es gelungen, diese Heirath zu Stande zu bringen; meine Bitte gebt nun dahin daß Sie jetzt Ihren Einfluß anwenden, um die Heirath rückgängig zu machen.«

»Eine sonderbare Bitte. Miß Brown.«

»Nur sonderbar für denjenigen, welcher das Gefühl inniger Liebe, das mich an meine Schwester kettet, nicht kennt. – Sie ahnen vielleicht nicht, Mr. Breckenridge, wie unglücklich Sie sie gemacht haben. Sie haben ihr Herz gebrochen, denn ihr Herz gehört schon längst einem Andern. Haben Sie Mitleid mit dem unglücklichen Mädchen und zertreten Sie nicht eine Blüthe, welche bestimmt ist, Glück und Freude Allen zu bringen, die ihr nahen. Machen Sie nicht das Mädchen zur elendesten Bettlerin, welches bestimmt ist eine Fürstin zu sein.«

»Sie sind zu poetisch, Miß Brown,« antwortete Breckenridge mit geringschätzigem Lächeln, »um über das, was reines Geschäft ist, urtheilen zu können.«

»Oh, ich weiß sehr wohl, Sir,« fuhr Esther fort, »daß diese Heirath nichts als ein bloßes Geschäft ist. Mr. Berckley, falls sein Herz überhaupt für Liebe empfindlich ist, empfindet solche sicherlich ebenso wenig für meine Schwester, als sie ihn jemals lieben wird. Allein meine Schwester ist erbötig, mit ihrem Heirathsgut den Revers einzulösen. Sie verzichtet gern auf ihr Vermögen, um nur von einem Manne befreit zu sein, den sie nicht liebt, ja den sie haßt, den sie verabscheut.«

»Miß Brown hat kein Recht, über ihr Vermögen in dieser Weise zu disponiren,« entgegnete Breckenridge kalt, »denn sie steht noch unter meiner Vormundschaft. Allein gesetzt auch, sie könnte und dürfte einen solchen Vertrag eingehen, wie Sie ihn andeuten, so würden wir ihn doch zurückzuweisen genöthigt sein, denn wir sind nicht Willens uns auf einem andern als gesetzlich und moralisch zu rechtfertigenden Wege in den Besitz ihres Vermögens zu setzen.«

»Ist es gesetzlich, ist es moralisch zu rechtfertigen,« rief Esther mit steigender Leidenschaft, »daß man einem hülflosen Mädchen eine Unterschrift abzwingt? Sind die Veranstalter dieser Heirath weniger verdammungswerth, weil sie den Schein eines Rechts für sich haben? Ihr Gewissen, Mr. Breckenridge –– und ich zweifle nicht, daß diese Rechtsstimme auch zuweilen in Ihrem Herzen spricht – muß sie verdammen, trotz ihres scheinbaren Rechts.«

»Scheinbares Recht? – Wiefern nennen Sie das Recht scheinbar?«

»Weil meine Schwester zu der Unterschrift lediglich gezwungen wurde, weil ich weiß, daß sie sie freiwillig nie gegeben hätte.«

»Da sind Sie im Irrthum. Die Lady hat ihre Unterschrift ganz von freien Stücken gegeben.«

»Um mich zu retten, ja, Sir; man drohte nicht ihr, sondern man drohte mir, wenn sie die Unterschrift weigerte und versprach mir die Freiheit, wenn sie sie geben würde, das ist für ein so zartes Gemüth, wie das ihrige, mehr Zwang als Kerker und Ketten. – Sie können nicht leugnen, daß Sie, wie Sie die Welt über diese Gewaltthat täuschen, so auch sich selbst betrügen. Thun Sie es nicht, Mr. Breckenridge, sein Sie überzeugt, die Stunde wird kommen, wo die Stimme in Ihrer Brust Gespenster heraufbeschwören wird, welche Ihre Seele mit Angst erfüllen. Die Gespenster der Wesen, deren Lebensglück Sie gewaltsam zerstörten und erbarmungslos zertraten; diese Gespenster werden die Ruhe von Ihrem Lager verscheuchen und auf Ihrem Sterbebette Ihnen den letzten Trost rauben, und sich an der Pforte der Ewigkeit drohend vor Ihnen erheben. Ich wende mich mit meiner Bitte an Sie, und nicht an den, welchen meine Bitte zunächst angeht, Mr. Berckley, denn wie wenig Sie auch Ihrer Umgebung gezeigt haben, daß in Ihrer Brust ein menschliches Herz schlägt, so weiß ich doch, daß das Unglück Ihrer Mitmenschen in Ihrer Seele leichter ein Echo findet, als in der dieses Herrn.«

Breckenridge wurde, je wärmer das Mädchen sprach, desto unruhiger. Wenn aber wirklich die Worte, welche die innigste Liebe und Theilnahme für die Schwester athmeten, einen Eindruck auf ihn machten, so wußte sein kalter Egoismus denselben doch bald zu besiegen. Er wandte sein Gesicht ab und mit finsterer Stirn hörte er ihr zu.

»Es geht nicht,« sagte er kurz, als sie schwieg und eine Antwort zu erwarten schien. »Und wenn auch wirklich Ihre Freundschaft für Ihre Schwester mich rührte, ich könnte doch nichts dazu thun, der Revers befindet sich in den Händen Mr. Berckley's, und dieser ist es sich wie dem Orden schuldig, auf sein Recht nicht zu verzichten, also sparen Sie Ihre Bitte.«

»Sie haben die Unterschrift dieses Reverses veranlaßt, und ich weiß, daß Ihr Einfluß groß genug ist, um meine Schwester von der eingegangenen Verbindlichkeit zu befreien. Wenden Sie sich nicht kalt ab, Mr. Breckenridge. Sie wissen, ich bin von jeher stolz gewesen. Ich habe nie Jemanden so gebeten, wie ich Sie bitte. Allein ich weise den Stolz von mir, ich wehre den Thränen nicht; – hier zu Ihren Füßen, Sir, flehe ich Sie an, hören Sie mich, lassen Sie den Frevel nicht geschehen. Nie habe ich mich vor einen Menschen gedemüthigt, wie ich mich vor Ihnen demüthige. Ihre Kälte verletzt mich nicht, Ihr Stolz beleidigt mich nicht. – Alles, alles, will ich ertragen, um Emmy dem furchtbaren Geschick zu entreißen, das Sie über sie verhängt haben, und um sie wieder glücklich zu machen, wie sie es ohne Ihre Dazwischenkunft sein würde.«

»Halten Sie ein, Miß Brown,« unterbrach sie Breckenridge. »Stehen Sie auf. Sie ändern nichts an meinem Entschlusse.«

»Ist das Ihr letztes Wort, Sir?«

»Ich kann Ihnen keinen andern Bescheid geben.«

»Halt!« rief Esther aufspringend, »sagen Sie das nicht, ich habe Ihnen noch was zu sagen!«

Esther hatte ihren stolzen Charakter gebeugt. Was sie selbst für unmöglich gehalten, das hatte die Liebe für ihre Schwester möglich gemacht, sie hatte sich vor dem Manne gedemüthigt, den sie aufs Bitterste haßte, und diese Demüthigung war vergebens. Die Thräne stockte in ihrem Auge. Die Röthe der Scham mischte sich in die leidenschaftliche Erregung: der Stolz gewann wieder Raum, und der Haß sprühte aus ihrem finstern Auge. Sie ging festen Schrittes auf den Kriegsminister zu, der ihren Blick durch Abwenden des Kopfes zu vermeiden suchte.

»Ich hasse Sie, Sir! Sie wissen es!« sagte sie mit halberstickter Stimme. »Ich erinnere Sie an den letzten Tag meines Aufenthaltes in White-House – an die Stunde, da Sie mit dem Schurken Tucker über den Kaufpreis für meine Person unterhandelten, da ward mir von Ihrer Hand die tiefste Herabwürdigung. Sie haben mich beschimpft und gemißhandelt. Die Spuren Ihrer Peitsche auf meinen Schultern sind kaum vernarbt. – Da schwur ich Ihnen Rache, und diese Rache ist es bisher gewesen, welche mir das Leben werth machte. Schon hundertmal habe ich mir den Tod selbst geben wollen. Aber ich wollte leben, um mich zu rächen, an Ihnen zu rächen. Doch, Mr. Breckenridge, ich entsage der Rache, ich entsage diesem glühenden Hasse in meinem Busen, ich verzeihe Ihnen, wenn Sie, was Sie an mir verbrochen, an meiner Schwester sühnen. – Wollen Sie das?«

»Drohungen, Miß?« rief Breckenridge in einem Tone, der wie Spott klingen sollte, aber doch den Eindruck, welchen ihre Worte und ihre Leidenschaft auf ihn gemacht, deutlich erkennen ließen. – Sie sollten mich besser kennen, Miß, um zu meinen, daß man mit Drohungen bei mir etwas ausrichtet.«

Er zog die Schelle.

»Ist Jim da?« fragte er den Neger, welcher auf das Zeichen erschien.

»Er ist eben zurückgekehrt,« antwortete der Gefragte. »Hier sind die Pariere, welche ihm vom Polizeichef übergeben sind.«

»Es ist gut, gieb her und bleibe hier, Du wirst diese Dame sogleich hinaus begleiten.«

Unaussprechliche Verachtung drückte sich in den Zügen der Miß Esther aus, als sie, den Grund dieser Maßregel ahnend, ihren ehemaligen Gebieter betrachtete.

»Hier sind Ihre Pässe, Miß Brown,« sagte dieser. »Sie schulden mir nun noch die Auskunft über die Kiste.«

»Sie finden dieselbe in diesen Papieren,« antwortete Esther, indem sie dem Kriegsminister ein zusammengefaltetes Schreiben überreichte und dagegen die Pässe in Empfang nahm.

Sie wollte gehn; auf halbem Wege aber hielt sie noch einmal inne und wandte sich um.

»Sie haben mir keine andere Antwort zu geben, Sir?«

»Ich habe Ihnen mein letztes Wort gesagt.«

»Und ich habe gesehen, daß Sie nicht nur ein Heuchler sind, sondern auch, daß Sie Furcht haben. Das Verbrechen ist immer feige. Bisher haßte ich Sie nur, Sir, jetzt verachte ich Sie.«

Mit diesen Worten wandte sich Esther stolzen Schrittes zur Tür.

Cleary und Berckley waren zwei stumme Zuhörer dieser Scene gewesen, doch hatte dieselbe auf Jeden von ihnen einen mächtigen Eindruck gemacht, wenn auch auf den Erstern einen andern, als auf den Letztern. Cleary hatte unwillkürlich mehr und mehr das Gefühl der Hochachtung empfunden. Diese Aufopferung, diese Hingebung rührten ihn, und dieser Stolz, dieser Muth imponirten ihm.

»Sie ist das Seitenstück ihres Bruders,« hatte er gedacht. »Hingebend und aufopfernd, wie sie, nahm er sich des Kindes der Sclavin an, das der Vater desselben herz- und lieblos dem traurigsten Geschick preisgab. Unerschrocken, wie sie, ergriff er das Schwerdt der Rache, und stolz, wie sie, behauptete er seine Würde, dadurch, daß er einen vermeintlich ihm geleisteten Dienst durch eine Hochherzigkeit ohne Gleichen wett machte. – Wahrlich, zwei Geschwister, welche einen Adel im Herzen tragen, den weder die Schmach ihrer Geburt, noch die Ketten der Sklaverei auszulöschen vermögen.«

Er war von den rührenden Bitten des Mädchens dermaßen bewegt worden, daß er mehr als einmal den Versuch machte, ihre Bitte zu unterstützen, nur ein Wink Mr. Berckley's und die Furcht, er möchte durch solche Weichlichkeit in den Augen seiner Parteigenossen verlieren, hielt ihn davon zurück.

»Das ist ein gefährliches Weib!« rief Berckley, als Esther hinaus war. »Ich glaube, Mr. Breckenridge, Sie haben da eine Tigerin aus dem Käfig entwischen lassen, welche so leicht nicht zu zähmen ist, wenigstens nicht eher, als bis sie ihren Durst mit Blut gestillt hat.«

Breckenridge antwortete nicht, wie sehr er aber der Meinung seiner Ordensgenossen war, das zeigte die Unruhe seines Wesens.

»Meinen Sie, daß sie sich bei Ihrem Bescheide beruhigen wird?« fuhr Berckley fort. »Ich glaube nicht, sie wird wahrscheinlich noch einen Versuch bei mir machen.«

»Und was werden Sie thun?« fragte Breckenridge.

»Ich werde im besten Einvernehmen mit ihr stehen und sie mit mehr Hoffnung entlassen, als Sie es thaten.«

»Sie wollen doch nicht etwa ihrer Bitte nachgeben?«

»O nein. Ha, ha! da beurtheilen Sie mich falsch.«

»Ich rathe Ihnen, sein Sie vorsichtig mit ihr,« mahnte Cleary. »Das Mädchen besitzt eben so viel Leidenschaft als Kühnheit.«

»Da haben Sie Recht,« stimmte Berckley bei, »und ich muß gestehen, daß ich sie nie schöner und verführerischer fand, als in dieser Scene. Das Mädchen hat mich fast außer Fassung gebracht.«

»Ich in Ihrer Stelle würde mich hüten, ihr zu begegnen,« bemerkte Cleary. »Sie wird auch aller Wahrscheinlichkeit nach bei Ihnen keinen Versuch machen, so viel ich aus ihren Aeußerungen über Sie schließe.«

»Ich aber versichere Ihnen,« entgegnete Berckley, »sie wir den Versuch machen. Sie wird mich besuchen, und ich freue mich auf diesen Besuch, denn beim Himmel, sie ist schön!«


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