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Wie die glühende Lava, welche dem feurigen Krater des Vulkans entströmt, sich durch die Schluchten und Felsenspalten hinwälzt und sich endlich zu einem feurigen Meer in der Ebene ausbreitet, alles Lebende versengend und vernichtend, so stürzten brennend vor Begierde, zu rauben und zu morden die Banden, welche das Gold des Südens gedungen hatte, aus den Schlupfwinkeln hervor in die Straßen der nichts ahnenden Stadt; und wie der Schneeball, welcher von der Furka Gipfel sich loslöset, im Herabrollen wächst und wächst, bis er zu der furchtbaren Lawine wird, welche die Hütten des Landmanns verschüttet und begräbt, so wuchsen die Massen des aufrührerischen New-Yorker Pöbels auf ihren verbrecherischen Zügen mit jeder Minute, bis die Bestie, welche das Leben der Weltstadt bedrohte, eine so furchtbare Größe erlangte, daß jeder Widerstand, jeder Versuch, ihrem Treiben einen Damm zu setzen, thöricht erschien.
Die Feuerspritzen, welche die Feuer zu löschen kamen, wurden zertrümmert, die Policemen, wo sie sich dem Gesindel entgegenstellten, zurückgeschlagen, und wo sie demselben in die Hände fielen, getödtet; und Miliz befand sich in New-York nicht.
Es gab also nichts, was die losgelassene Canaille hätte hindern können, ihrem verbrecherischen Lauf zu folgen. Robert Payne hatte sehr richtig vorausgesehen, daß, wenn die Hülfe der Stadt nur zwölf Stunden lang ausblieb, an der Stadt nichts mehr zu retten sein würde.
Die Frist aber, welche Robert Payne der Stadt gegeben hatte, verlängerte sich, und seine Berechnung schlug fehl, nicht, weil es der Canaille an Willen fehlte, sondern gerade, weil die Raublust und Mordlust größer war, als es die Verschworenen wünschten, denn es lag den gedungenen Banden nicht daran, den Zwecken der Verschworenen zu dienen, sondern nur, ihre eigenen Begierden zu befriedigen. Die Einen, wozu namentlich die Irländer gehörten, legten sich lediglich aufs Plündern, sie sorgten nur für die Befriedigung ihrer Habgier.
Irische Weiber standen auf den Straßen und nahmen in Empfang, was ihnen die Männer aus den erbrochenen Häusern zuwarfen. Keuchend schleppten sie die Ballen Seidenzeug, welche sie bei Plünderung der Manufacturläden erhielten, fort, und vergaßen ihr Kind zu Hause, um nur keinen Augenblick zu versäumen, neue Beute herbeizuschleppen. Sie stahlen sogar Wagen und fuhren ihre Beute davon, wobei es ihnen denn nicht selten passirte, daß ihre eigenen Genossen sie anhielten und ihnen den Raub wieder abnahmen. Eiserne Geldspinde lagen auf der Straße. Man hatte sie hinausgeworfen und sich das Erbrechen derselben aufgespart, bis mehr Zeit dazu sein werde.
Bob Harrold hatte sich namentlich diesem Theile der Meuterer angeschlossen. Trotz des strengen Befehls, die Häuser der Freunde des Südens zu schonen, plünderte er ohne Ansehen der Person. Es brauchte nur Einer das Haus eines reichen Mannes zu bezeichnen, so ward dasselbe erstürmt und geplündert, gleichviel, welcher Partei er angehörte. Was kümmerte sich auch dies Gesindel um die Partheien? Ihnen galt ja jedes Regiment gleich, wenn sie nur Gelegenheit hatten, sich auf Kosten Anderer zu bereichern?
Ein andrer Theil der Banden, dem auch Payne und Atzerott sich zugesellt hatten, glaubte dem Staat eine Wohlthat zu erweisen, wenn man die Ursache des Bürgerkrieges beseitigte. Als die Ursache aber sahen sie die Neger an, und haßten dieselben auf den Tod, diesem Haß machten sie nun dadurch Luft, daß sie die Neger todtschlugen, wo sie sie fanden.
Viele der unglücklichen Schwarzen suchten zwar ihr Heil in der Flucht, Hab' und Gut im Stiche lassend, aber mehr als 3000 von ihnen fielen der Wuth des Pöbels zum Opfer. Ihre Leichen lagen auf der Straße zerstreut, oder hingen zu zweien und dreien an den Laternenpfählen, und das Blut der Ermordeten floß in den Gossen.
So viel Gräuel auch verübt wurden, so viel man plünderte und mordete, so wenig wurde doch für den eigentlichen Zweck der Verschwornen gethan.
Die Stadt sollte niedergebrannt werden, das war Booth's Absicht.
Dem aber widersetzten sich die Irländer, welche die Häuser erst ausplündern wollten, ehe sie sie anzündeten, ja sie machten sich sogar daran, das Feuer der brennenden Häuser zu löschen, wenn die Häuser von reichen Leuten in der Nähe lagen, damit diese nicht von den Flammen verzehrt würden, ehe sie sie nach den Schätzen, welche sie enthielten, durchsucht hatten.
Die Aushebungslisten sollten vor allen Dingen vernichtet werden, wollte Booth ferner; denn in dem Fall war der Staat gezwungen, eine Werbungen von Neuem zu beginnen, ein Zeitverlust, welcher für den Ausgang des Krieges von der allergrößten Wichtigkeit war.
Aber was kümmerte sich das Gesindel um die Aushebungslisten! – Sie wollten plündern oder wollten morden, oder wollten ihren scheußlichen Muthwillen ausüben an den schönen Töchtern der reichen Bürger; was darüber hinaus war, hatte für sie nicht das mindeste Interesse.
Booth war in Verzweiflung, mehrere Stunden schon tobte der Aufruhr in den Straßen und noch war es ihm nicht gelungen, auch nur 20 Mann um sich zu versammeln, um die Conscription-Office zu erstürmen und die Aushebungslisten vernichten zu können. Erst nachdem sich die erste Wuth gekühlt hatte, gelang es ihm mit Arnold's und O'Langhlin's Hülfe die nöthigen Mannschaften zusammen zu bringen. – – –
Auch zu den Beamten der Conscription-Office, welche sich in einem ziemlich entlegenen Theil der Stadt befand, war das Gerücht gedrungen, daß man die Stadt an vielen Stellen in Brand gesteckt und den Pöbel aufgewiegelt habe gegen die Reichen und die Nigger. Sie hatten aber keine Ahnung, daß es von Seiten der Anstifter namentlich auf die Aushebungslisten abgesehen war. Vielmehr, da sie sahen, daß das Feuer noch nicht in ihrer Nähe brannte, und da sie wußten, daß die Wohnungen der Reichen in ganz andern Stadttheilen lagen, so waren sie für sich und ihre Office nicht im mindesten in Sorge, höchstens gerieth Einer oder der Andere der Beamten in Schrecken, wenn er hörte daß auch dort, wo seine Familie wohnte, der Aufruhr tobe. In dem Fall griff er nach dem Hut und eilte davon.
So kam es, daß, als bereits der Abend dämmerte, das ganze Gebäude von den Beamten verlassen war, bis auf zwei, den Portier und den Wächter, welche ihre Wohnung in demselben hatten, trotz dessen aber keinen Augenblick angestanden haben würden, ihre Posten ebenfalls zu verlassen, wenn sie nur im Geringsten eine Gefahr für ihre Person hätten vermuthen können.
»Reichthum haben wir nicht,« sagte der Portier, »und Nigger sind in diesem Hause auch nicht, also denke ich, wir find hier sicherer als irgendwo anders.«
»Dummheit, daß sie die Nigger todtschlagen,« versetzte der Wächter. »Wegen der Nigger, die in New-York sind, ist doch der Krieg nicht.«
»Na, ist immer noch besser, als wenn sie es auf die Weißen abgesehen hätten, denn alsdann möchte am Ende an uns auch die Reihe kommen,« meinte der Portier. »Denke Dir nur Jac, es klopfte plötzlich die Bande draußen an die Thür und ...«
»Heiliger Gott!« schrieen Beide zugleich.
Der laute Schall des Klopfers drang vom Eingangsthor herein. Beide standen unbeweglich, wie versteinert.
»Sie sind es, rühre Dich nicht,« flüsterte zitternd der Portier.
»Mir däucht, ich hörte einen Wagen vorfahren,« antwortete leise der Wächter. »Es könnte am Ende ein Anderer sein.«
Das Klopfen wiederholte sich heftiger und zugleich auch rief eine Stimme:
»Aufgemacht, oder die Thür wird gesprengt!«
»Du, sieh hinaus wer es ist,« flüsterte der Wächter. »Es scheint, als ob Einer in einem Wagen angekommen ist«
»Ich kann nicht hinaussehen, ich habe die Laden geschlossen,« antwortete der Portier.
»So werde ich fragen,« sagte der Wächter, sich ein Herz fassend, und sich dem Eingangsthor nähernd.
Dort legte er den Mund an das Schlüsselloch und rief hindurch:
»Wer ist da!«
»Das werde ich Euch sagen, wenn ich drin bin,« war· die Antwort.
»Sind Sie allein, Sir?«
»Ja ich bin allein.«
»Was wollen Sie?«
»Das werde ich Euch ebenfalls sagen, wenn ich drin bin.«
»Woher kommen Sie?«
»Vom General Wallace – Aufgemacht, sage ich und das schnell, oder ich muß dem General sagen, daß er Euch feige Memmen zum Teufel schickt, damit man seine Befehle ausführen kann.«
»So mach nur auf, Jac,« redete der Portier zu, der seinen Kopf durch die Thür seiner Loge schob, den Drücker derselben aber in der Hand behielt, um die Thür, im Fall eine Gefahr drohte, schnell hinter sich schließen zu können. – »Mach nur auf, wenn es nur Einer ist, so hast Du ja den Bleiknopf.«
Langsam schob der Wächter den Riegel zurück Die Thür wurde von außen schnell geöffnet und ein Jüngling von blassem aber entschlossenem Gesicht stand vor den Ueberraschten. Draußen hielt in der That ein Wagen.
Der junge Mann schloß die Thür wieder hinter sich und wandte sich dann an den Wächter:
»Der General Wallace schickt mich, um die Aushebungslisten abzuholen Schnell öffnet die Registratur.«
»Die Aushebungslisten, Sir?«
»Ja wohl, hört Ihr nicht gut? – Die Aushebungslisten und das ohne Zeitverlust, weil es von der allergrößten Wichtigkeit ist, daß der General sie sofort bekommt.
»Thue es nicht Jac,« sagte der Portier, der noch immer die Thür seiner Loge in der Hand hielt, »laß Dir zuerst von dem Herrn seine Vollmacht zeigen.«
»Vollmacht?« rief der Jüngling »Ich werde Euch zu Eurer Beruhigung meine Karte geben.«
»Thue es nicht, Jac, laß Dir die Vollmacht zeigen,« wiederholte der Portier.
»Still,« schrie der Jüngling den Sprecher an. »Ich muß sie haben mit oder ohne Vollmacht. Das Wohl des Staats soll nicht darunter leiden, daß man Esel zu Aufsehern der Aushebungsoffice macht. Auf der Stelle die Registratur aufgeschlossen oder ...«
Ein sechsläufiger Revolver, den der junge Mann unter seinem Ueberrock hervorzog, sagte den beiden Erschrockenen leicht das Uebrige.
Der Portier schnappte schnell die Thür seiner Loge hinter sich zu, und der Wächter warf seinen Bleiknopf weg und bat um Schonung seines Lebens, da er eine starke Familie zu ernähren habe.
»Es soll Ihnen nichts geschehen,« beruhigte ihn der Jüngling. »Schließen Sie nur ohne Verzug die Registratur auf.«
»Aber wenigstens Ihre Karte ... Sie versprachen doch, Sir ...«
»Hier ist meine Karte.«
» George Borton, Hauptmann a. D.« buchstabirte der Wächter. – »Den Namen kenne ich nicht«
»Ist auch nicht nöthig.«
»Sind wohl in Diensten bei dem General Wallace?«
»Augenblicklich bin ich in seinen Diensten. – Aber nun keine Zeit verloren!«
Seufzend und fortwährend die Karte betrachtend, als suchte er von derselben eine Beschwichtigung seines Gewissens abzulesen, stieg der Mann die Treppen hinan, während George Borton ihm folgte. Die Registratur ward aufgeschlossen, und die mächtigen, centnerschweren Bücher zusammen gepackt und durch Beider Bemühung in den vor der Thür haltenden Wagen transportirt.
In scharfem Trabe fuhr der Wagen davon.
Noch hatten die beiden Beamten sich nicht von ihrem Schrecken erholt und waren eben beschäftigt, die Thür durch doppelte Riegel zu versichern, als sie ein Getöse von Stimmen auf der Straße vernahmen.
»Mein Himmel, sie kommen doch in diese Gegend,« jammerte der Portier, von Neuem erbleichend.
»Ei, sie werden uns nichts thun, was könnten sie hier auch suchen?« beruhigte ihn der Wächter.
Aber er täuschte sich, das Getöse braus?te wie ein Gewittersturm näher und näher und schwoll unmittelbar vor dem Eingangsthor zum markdurchdringenden Brüllen an.
Der Klopfer donnerte gegen die Thür.
Keine Antwort.
»Aufgemacht – Aufgemacht!« schrie man von Außen.
Aber die beiden Aufseher hatten sich in den fernsten und dunkelsten Winkel des Korridors zurückgezogen und gaben keine Antwort.
Da ertönte ein furchtbarer Knall – noch, einer – noch einer; dann ein Krachen – die Thür war gesprengt durch einen Balken, den man als Widder benutzt hatte.
Der Korridor, der schon am Tage finster war, füllte sich mit Menschen.
»Eine Fackel!« rief der Anführer der Rotte.
Die Fackel wurde gebracht, und beleuchtete mit ihrem rothen Schein die unheimlichen Gesichter der Eingedrungenen.
»Ist hier Niemand?« fuhr der Anführer fort. »Durchsucht das Haus, und wen Ihr findet, den schleppt her, damit er uns zurecht weiset.«
»Hier, hier, Mr. Wilkes, rief Einer, der beim Licht der Fackel die beiden halbtodten Aufseher hinter einem riesigen Actenspinde entdeckt hatte. »Hier sind die beiden muthigen Vertheidiger dieses Gebäudes.«
»Bringe sie her, Mac,« versetzte Booth.
O'Laughlin brachte den Wächter und den Portier, die sich vor Schrecken kaum auf den Beinen zu halten vermochten, herbei geschleppt.
»Wo ist die Registratur?« fragte sie Booth.
»Dort oben eine Treppe hoch, Sir,« stotterte der Wächter.
»So schließ auf, Du Feiger Hund.«
»Gern, Sir, aber was wollen Sie dort?«
»Dich darin aufhängen, das wollen wir nicht, obwohl es eine Wohlthat wäre, eine so feige Memme von der Welt zu schaffen. – Geh voran und schließ auf.«
O'Langhlin mußte den zitternden Wächter die Treppe hinauf fast tragen. Er schloß auf.
»Wo sind die Aushebungslisten?« fragte Booth.
»Die Aushebungslisten, Sir? – die sind nicht hier.«
»Nicht hier?«
»Nein, Sir; die hat der General Wallace soeben abholen lassen.«
»Kerl, Du lügst!« schrie Booth, und packte den Wächter bei der Kehle.
»Ich schwör es, so wahr ich lebe!« betheuerte der Wächter.
»Es ist nicht möglich, Mac, sieh nach, kehre alle Winkel um, ich muß, ich muß die Listen haben.«
»Der Kerl lügt in der That nicht,« meinte O'Laughlin, der alle Schranke öffnete und jede Ecke durchsuchte. »Die Bücher, welche wir brauchen, sind nicht hier.«
»Hölle und Teufel, so war Alles vergebens!« schrie Booth, »was soll uns jetzt der ganze Aufstand? – Hah!« fuhr er nach einer Pause fort, und schleuderte den Wächter weit von sich. »Wenn die Bücher noch in New-York sind, so werde ich sie doch vernichten. – Sengt, brennt Alles nieder, bis die Stadt einem ungeheuren Schutthaufen gleicht. Schonet nichts, lein Haus, denn schonet Ihr ein einziges, wer weiß, ob nicht in diesem grade die Listen stecken? – Laßt uns mit diesem Aktenkasten hier den Anfang machen. – Vorwärts, werft eine Fackel in die Papiere.« –
Mit rohem Gelächter folgte die Menge diesem Befehl, man riß die Thüren auf, und schon ehe sie Alle das Ausgangsthor erreicht hatten, züngelte die Flamme hoch empor, und als sie auf der Straße waren, drang Qualm und helle Lohe aus allen Fenstern.
»Nun zum General Wallace!« befahl Booth.