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Die letzten zehn Jahre der Regierung Katharinas setzten ihrem Ruhm und ihrer Macht die Krone auf. Nachdem ihr großer Partner Friedrich der Große gestorben war, regierte ihr Genie über Europa. Sie zog den politischen Faden, der sich in ihrer Hand befand, nach Willkür an. Die gekrönten Häupter, die miteinander im Streite lagen, wählten die russische Kaiserin zur Schiedsrichterin und ließen von ihr die Interessen ihrer Staaten regeln. Ihr unermeßliches Reich, die unerschöpflichen Hilfsquellen, über die sie verfügte, der glänzende Hof, der sie umgab, der barbarische Prachtaufwand ihrer Höflinge, das fabelhafte Glück, das sich an alle ihre Unternehmungen heftete, und die Riesenpläne, die ihr unersättlicher Ehrgeiz entwickelte, erfüllten die ganze Welt mit Bewunderung und Erstaunen.
Und doch war nicht alles so glänzend im Innern des Reiches, wie es in den Augen der Außenwelt erschien. Rußland war in seinem Innersten verfault und verdorben. Unter dem Schutze des Günstlings teilten sich ein paar Dutzend Grandseigneure in das Reich, plünderten die Staatskassen und -einkünfte und bedrückten auf alle Weise das arme russische Volk. Katharina war nicht mehr die junge, kräftige Herrscherin, sondern eine alte Frau, die sich ganz von der Leidenschaft zu einem jungen, von ihr vergötterten Manne leiten ließ. In seine Hände hatte sie das Wohl ihres Staates gelegt. Und dieser junge, willkürliche Herrscher hieß Plato Zubow.
Mit sechzig Jahren sprachen noch einmal Katharinas ewig junges Herz und ihre unersättlichen Sinne. Und der in der Liebe so leichtgläubigen Frau fiel es sogar nicht schwer, sich einen neuen Liebesfrühling vorzuzaubern. Der 22jährige Zubow wußte nämlich noch besser Komödie zu spielen wie seine Vorgänger. Er nahm die Sentimentalität zu Hilfe, um den Weg zum Herzen Katharinas zu finden.
Er war ein junger, flotter Leutnant bei der Garde zu Pferd. Der sehr einflußreiche Feldmarschall Nikolai Saltikoff war sein Onkel und Gönner, und Zubow verstand es, sich diese Verwandtschaft zunutze zu machen. Er hatte ein sehr angenehmes Äußere, war nicht besonders groß, aber sehr geschmeidig und schlank und wohlgebaut. Seine Gesichtszüge waren edel. Die wundervollen dunklen Augen verhießen Zärtlichkeit und Leidenschaft. Das Allerschönste waren die Haare. Sie glänzten wie Seide. Dazu war dieser junge hübsche Mann liebenswürdig, guterzogen und ziemlich gebildet Er sprach mehrere Sprachen geläufig und war auch ein wenig musikalisch. Kurz, er besaß alle Eigenschaften, um nicht nur eine alte, sondern auch eine junge Frau zu verführen. Und er gab sich die redlichste Mühe, seine guten Eigenschaften in das beste Licht zu setzen, um von der Kaiserin bemerkt zu werden. Was aber bedurfte es mehr als kraftvolle Schönheit und unternehmende Kühnheit, um Katharinas intimste Gunst zu gewinnen? Die Schönheit besaß er in hohem Maße, und an Kühnheit und Unternehmungslust fehlte, es ihm wahrhaftig nicht. Aber er war außerdem noch unermeßlich ehrgeizig. In seinem jungen Kopfe entwickelten sich die kühnsten Pläne. Um sie zur Ausführung zu bringen, wußte er sich in der unmittelbaren Umgebung der Kaiserin einflußreiche Freunde zu schaffen. Durch die Verwandtschaft mit Saltikoff fiel ihm das nicht schwer. Als Offizier der Garde hatte er übrigens oft Dienst in den Vorzimmern Ihrer Majestät, wo die Protassoff, Anna Narischkin und die Pierekusschina, die Vertrauten Katharinas, mehr als einmal Zeuge seiner glühenden Begeisterung für die erhabene Herrscherin waren. Er lobte vor ihnen alles, was die Kaiserin betraf. Es dauerte auch nicht lange, und Katharina wußte von der tiefen Verehrung, die der junge Offizier ihr entgegenbrachte. Ihre Damen ließen sie auch darüber nicht im Unklaren, daß es nicht nur die Verehrung der Majestät sei, die Plato Zubow so ganz erfülle, sondern daß Katharina – mit 60 Jahren! – als Frau auf ihn unauslöschlichen Eindruck gemacht habe. Ihr eitles Herz konnte einer solchen Eroberung nicht widerstehen.
Im Juli 1789 erbat sich Zubow von Nikolai Saltikoff die Gunst, zum Befehlshaber der Gardeoffiziere ernannt zu werden, die Katharinas Umgebung in Zarskoje-Selo bildeten. Saltikoff kam das sehr gelegen, Er hatte längst gemerkt, daß Ihre Majestät nicht abgeneigt sein würde, dem um diese Zeit in Ungnade gefallenen Mamonoff einen Nachfolger zu geben. Plato Zubow schien ihm wie geschaffen zu diesem Posten. Er gedachte sich des jungen Offiziers als Werkzeug gegen Patiomkin zu bedienen, den er haßte. Zubows Wunsch ward schneller erfüllt, als er zu hoffen gewagt hatte. Noch am Abend seiner Ernennung wurde er von der Kaiserin zur Tafel gezogen. Katharina fand Gefallen an ihm, besonders, da er der einzige junge und hübsche Offizier war, der sich in ihrer Nähe befand. Ihr Herz suchte überdies Trost und Genugtuung für die Schmach, die ihr Mamonoff angetan hatte. Am folgenden Tag erhielt der junge Zubow einen Befehl, sich zum Leibarzt der Kaiserin und dem Ehrenfräulein Protasoff zu begeben. Der Bericht, den beide ihrer Majestät erstatteten, mußte wohl gut sein, denn Zubow wurde zu ihrem Generaladjutanten ernannt und bezog die Gemächer des Günstlings »en titre«. Am Abend führte er die Kaiserin in den Empfangssalon und saß bei Tisch an ihrer rechten Seite. Alle Würdenträger und Höflinge standen mit dem Hute in der Hand tiefergeben vor dem neuen aufgehenden Stern. Als Katharina das Spiel verließ, war sie ganz besonders heiter und zum Scherzen aufgelegt. Ihr Gesicht strahlte in heller Freude. Man merkte es ihr an, wie stolz und glücklich sie war, sich einen so schönen, jungen Mann erkoren zu haben. Er folgte ihr allein in ihr Schlafgemach, und die Klatschmäuler am Hofe hatten einen neuen, interessanten Gesprächsstoff. Man kommentierte diese neue Kaprice der Kaiserin auf die verschiedenste Weise.
»Er ist ein wohlerzogener Junge, aber mit kurzem Verstand; ich glaube nicht, daß er sich in seiner Stellung lange halten wird. Übrigens interessiert mich das auch nicht«, schrieb Betzborodko an den Grafen Woronzoff, den Onkel der Fürstin Daschkoff, Großkanzler des Reichs.
»Ein junger Mann mit einem reizenden Gesicht, dunkel, schlank, nicht sehr groß, einem hübschen Franzosen ähnelnd, ungefähr wie der Chevalier de Puységur« meinte der schwedische Gesandte Stedingk.
Katharina selbst fand den jungen Zubow entzückend. Sie erwachte zu neuem Leben in den Armen dieses Geliebten, dem es einerlei zu sein schien, daß sie fast unförmig dick war. Ihre Beine hatten gar keine Form mehr; sie waren beständig geschwollen und bildeten vom Fuß bis zum Knie eine einzige unschöne Fleischmasse. Ihr Gesicht besaß zwar noch Spuren des einstigen bezaubernden Reizes, aber – sie war sechzig Jahre alt! Ihr Mund war zahnlos, ihr Kinn hatte Runzeln, ihr Hals Falten. Nur ihre schönen weißen Hände waren noch entzückend. Und ihr Herz schien noch ebenso jugendlich lebhaft zu schlagen wie mit 26 Jahren, als sie zum erstenmal den tollen Saltikoff in ihrem Zimmer empfing. »Ich bin zum Leben zurückgekehrt wie eine Fliege, die von der Kälte erstarrt war«, schrieb sie dem fernweilenden Patiomkin; »von neuem bin ich wieder heiter und gesund … Sein (Zubows) liebenswürdiger Charakter macht auch mich liebenswürdiger«. Sie nannte ihn nur »das Kind«, den »kleinen Schwarzen«, den »liebenswürdigen Jungen«, wenn sie von ihm sprach. Und nie vergißt sie ihn in ihren Briefen an die Freunde zu erwähnen.
Aber dieser liebenswürdige Junge entpuppte sich bald als ein ehrgeiziger, tyrannischer, unersättlicher Gebieter für den ganzen Staat. Er riß allen Einfluß, alle Ämter und Würden an sich und stopfte sich und seiner Familie mit Katharinas Gold die Taschen voll. Seine Liebenswürdigkeit erstreckte sich nur auf die Person der Kaiserin, der er zu schmeicheln wußte. Alle anderen Menschen behandelte er wie Geschöpfe einer niederen Gattung. Dabei war er selbst der größte Ignorant in allen Staatsgeschäften und gab sich nicht die geringste Mühe, etwas zu lernen. Seine Politik, seine Führung der Geschäfte und nicht zum wenigsten sein sybaritischer Luxus wirkten geradezu verheerend auf den russischen Staat und ließen nichts als leere Kassen zurück, die ruhmreichsten Denkmäler dieses letzten Günstlings Katharinas der Großen! Und sein verderblicher Einfluß machte sich noch viel bemerkbarer, als der immerhin gefürchtete Rivale Patiomkin gestorben war. In sieben »Herrscherjahren« gelangte Zubow zu allen Ehren und Auszeichnungen, wozu Patiomkin 20 Jahre wirklichen Verdienstes gebraucht hatte. Zubow wurde, Fürst, »Generalgouverneur des neuen Rußland«, Großmeister der Artillerie und erhielt alle russischen und ausländischen Orden, die sein Vorgänger gehabt, sogar den schwarzen und roten Adlerorden. Im Jahre 1795 schrieb Graf Rastopschin an Simon Woronzoff: »Der Graf Zubow ist hier alles. Es gibt keinen anderen Willen als den seinigen. Seine Macht ist größer als die des Fürsten Patiomkin von einst. Er ist ebenso nachlässig und unfähig wie ehedem, obgleich die Kaiserin allen und jedem wiederholt, er sei das größte Genie, das Rußland jemals hervorgebracht habe«.
Katharina sah nicht, oder wollte es nicht sehen, daß durch ihren Liebling, durch dessen schlanke Hände Millionen flossen, das Innere ihres Staates zerrüttet wurde. Die Liebe und Leidenschaft machten sie vollkommen blind gegen diesen jungen Fant, dem sie später, als der erste Rausch ihrer Sinnlichkeit verflogen war, auch noch seinen jüngeren Bruder Valerian für ihren persönlichen Dienst beigesellte. Beide Verschwender und Wüstlinge bemühten sich redlich, die Schätze ihrer kaiserlichen Maitresse zu vergeuden. Kurze Zeit, nachdem Valerian in Gunst gekommen war, setzte er eines Abends beim Pharaospiel dreißigtausend Rubel auf eine Karte; er, der noch wenige Wochen vorher ein armer Leutnant gewesen war! Sowohl Plato wie Valerian schöpften aus dem Reichsschatze, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Man konnte von ihnen und ihren Anhängern Ämter, Titel, Würden, Auszeichnungen, Befreiung von einer Strafe, sogar Bündnisse und Krieg und Frieden erkaufen. Und die Günstlinge des Günstlings vergeudeten beinahe ebensoviel wie Zubow selbst. Er war jedoch viel raffinierter als seine Vorgänger. Er bat Katharina nie um Geld und Reichtümer, sondern zog alles aus seiner bevorzugten unumschränkten Stellung. So legte er z. B. den Großgrundbesitzern übermäßige Steuern auf, die ihr Vermögen zerrütteten. Ihre Besitzungen verschuldeten und gingen schließlich in die Hände des Staates über, d. h. in Zubows Hände, denn er ließ sie mit Katharinas Golde für sich ankaufen.
Noch zu Lebzeiten Patiomkins gedachte sie ihrem jungen Geliebten eins der Schlösser zu schenken, das Patiomkin verkaufen wollte. Eines Tages fragte sie diesen bei vollbesetzter Tafel, wieviel er für die Besitzung haben wollte. Patiomkin merkte die Absicht. Es war jedoch durchaus nicht sein Wunsch, daß auch dieses Schloß in die Hände des Rivalen fließe. Er antwortete daher ruhig und mit geheimer innerer Freude: »Eure Majestät verzeihen, aber das Schloß ist bereits verkauft.« – »Seit wann?«, fragte die Kaiserin erstaunt. – »Seit heute morgen.« – »An wen?« – »Hier ist der Käufer,« und dabei wies er auf einen jungen Adjutanten ohne Vermögen, der noch vor wenigen Augenblicken nicht gewußt hatte, daß er Besitzer eines großen Schlosses mit 12 000 Bauern sein würde. Aber der Streich war gelungen, die Kaiserin mußte sich zufrieden geben. Sie entschädigte ihren Liebling bald durch andere Schenkungen und überhäufte ihn mit dem größten Lobe seiner vielen Tugenden. »Niemals,« schrieb sie ihm einmal, »hat jemand in Ihrem Alter so ungeheure Vollmachten noch die Mittel besessen, seinem Vaterlande nützlich zu sein.«
Der ganze Hof kannte die große Schwäche Katharinas für Zubow. Um ihr angenehm zu sein, schmeichelte man dem Günstling in der übertriebensten Weise. Alte Generale und Minister, die im Dienst Ihrer Majestät ergraut waren, füllten die Vorzimmer des jungen Menschen und warfen sich vor diesem Idol, das der weitsehende Blick der Herrin als Genie aufgefunden hatte, wie vor einem Götzen im Staube nieder. Im Innern aber verwünschten, haßten und verachteten sie ihn. Er war zu arrogant. Einst gefiel es ihm, mit seinem Gefolge auf der Straße, die von Petersburg nach Zarskoje-Selo führt, einen Hasen zu jagen. Um dieses Ziel zu erreichen, hielt Zubow eine Stunde lang mit seinen Wagen, Begleitern und Hunden die Straße gesperrt, ohne sich im geringsten darum zu kümmern, daß dadurch die Höflinge der Kaiserin, die sich in ihren Equipagen an den Hof begaben, die Post, die Kuriere, die Bauern, die zur Stadt wollten, aufgehalten wurden und ihre Geschäfte versäumten. Niemand wagte, seinen Weg fortzusetzen, um die Jagd des mächtigen Zubow nicht zu stören.
Sein »Lever« glich dem der einflußreichsten Kurtisane Ludwigs XV. Seit acht Uhr morgens war sein Vorzimmer mit Ministern, Höflingen, Generalen, fremden Diplomaten und hohen Persönlichkeiten, Bittstellern aller Art, angefüllt. Die meisten warteten vier oder fünf Stunden lang, ohne je empfangen zu werden. Am nächsten Tag warteten sie von neuem. Kam schließlich der Tag, wo Seine Gnaden geruhten, ihnen eine Audienz zu erteilen, so empfing er sie in seinem Ankleidezimmer, immer eine größere Anzahl auf einmal. Er drehte gewöhnlich den Eintretenden den Rücken zu, denn er saß vor einem großen Toilettespiegel, der sich der Tür gegenüber befand, und ließ sein seidenweiches Haar frisieren und pudern. Die Menge der Höflinge, die sich um ihn schweigend gruppierte, beachtete er gar nicht. Kein Blick fiel zu ihnen herüber. Er gab sich den Anschein eines sehr beschäftigten Mannes und ließ sich die eingelaufenen Berichte und Briefe vorlesen, während sein Kammerdiener ihn puderte und die Umstehenden, die nicht wagten, einen Schritt zurückzugehen, in eine dichte Staubwolke hüllte. War dieser eitle junge Mann nicht mit Zuhören der Briefschaften beschäftigt, so blickte er gelangweilt zur Decke, beachtete aber ebensowenig seine Besucher. Er schien ganz von den Sprüngen seines kleinen Affen eingenommen zu sein, der entweder auf den Kronleuchtern, den Gardinenstangen oder den alten Köpfen der Höflinge herumtanzte. Um dem kleinen Liebling des Günstlings sein Vergnügen zu erleichtern, neigte mancher ehrerbietig sein Haupt, damit der Affe es zu seinen Unternehmungen ausersehe. Es soll sogar einige gegeben haben, die ihr Haar stärker pudern und höher frisieren ließen, weil sie wußten, daß das Tier eine besondere Vorliebe für Puder und hohe Toupets hatte. Auf diese erniedrigende Weise suchte man dem Liebling der Kaiserin zu schmeicheln. Andere wieder, wie ein hoher General, ehemaliger Gesandter in Konstantinopel, den Rastopschin in einem Brief erwähnt, beeilten sich, dem verwöhnten »Kind« jeden Morgen eine Stunde, bevor er sich erhob, seinen türkischen Kaffee eigenhändig zu bereiten und zu servieren; oder sie kamen und küßten ihm zum Morgengruß ehrerbietig die Hände, während er noch im Bett lag.
Solange die obenerwähnte Audienz dauerte, wagte kein Mensch das Wort an Zubow zu richten. Geruhte er aber einmal, einen der Umstehenden mit einer Anrede auszuzeichnen, so näherte sich der so Bevorzugte ganz behutsam auf den Zehenspitzen, um das Wort des Erhabenen zu empfangen. Dann begab er sich, ebenfalls auf den Zehenspitzen, wieder an seinen Platz. Es gab Leute, erzählt der General Langeron, ein Zeitgenosse, die drei Jahre bei Zubow antichambrierten, ohne jemals von ihm angeredet worden zu sein. Aber sie erschienen trotzdem immer wieder, weil sie fürchteten, sonst in Ungnade zu fallen.
Das alles sah Katharina nicht. Sie war glücklicher denn je. Der junge Zubow hatte sich ganz in ihr Herz und ihre Sinne einzunisten gewußt. Sie bildete sich ein, sie erziehe ihn sich als Stütze, ganz ein Ebenbild ihres Genies. In die Liebe zu ihm mischte sich wie einst zu Lanskoi das Muttergefühl, nur noch in weit erhöhtem Maße. Zubow war ihr Abgott, ihr Sohn, das Kind, das »weinte, wenn es nicht in ihr Zimmer eingelassen wurde«. Diesem Kinde zu Ehren wurde die alte Katharina wieder jung. Sie gab Feste und Gastmähler und war so heiter wie nie. Sieben Jahre genoß sie dieses Glück ohne Unterbrechung. Man merkte ihr ihre 67 Jahre im Wesen kaum an. Nie kam die kleine Ermitage so oft zusammen, wie in den letzten Jahren Katharinas. Nie lachte man dort so viel, wie zur Zeit Zubows. Katharina besaß bis ins hohe Alter eine ungeheure Lebenslust und Lebenskraft und suchte so viel wie möglich die Schwächen zu verbergen, die sich natürlicherweise einstellten. So schien sie z. B. nie ermüdet, ging trotz ihrer großen Beleibtheit mit raschen kurzen Schritten durch die Zimmer. Sie haßte das Alter. Mit Schrecken bemerkte sie jedes Jahr zu ihrem Geburtstag, wenn man ihr gratulierte, daß sie immer um ein Jahr älter wurde. Aber sie machte auch kein Hehl daraus. »Ich hasse diesen Tag wie die Pest,« schrieb sie einst; »ein schönes Geschenk, das er mir bringt, indem er stets ein Jahr zu den früheren hinzufügt; wie gern würde ich das entbehren.« Und am 18. August 1796, wenige Monate vor ihrem Tode, bemerkte sie in einem Briefe an Grimm: »Lassen Sie es sich gut gehen; ich fühle mich leicht wie ein Vogel.«
Mit dieser Vogelleichtigkeit war es jedoch nicht so weit her. Katharinas Beine schwollen immer mehr an; sie hatte Krampfadern, die sich bei starken Anstrengungen öffneten; infolgedessen konnte sie keine Treppe mehr steigen. Die Vornehmen ihres Hofes ersetzten die Stufen ihrer Häuser, wenn sie bei großen Festlichkeiten die Kaiserin bei sich empfingen, durch sanft ansteigende Dielen, um ihr das Treppensteigen zu ersparen. Einem Fürsten kostete einmal ein solches Vergnügen ein kleines Vermögen, weil er alle Treppen seines Hauses ebnen und mit kostbaren Teppichen hatte belegen lassen. Meist mußte sich Katharina beim Gehen eines Stockes bedienen, denn die Füße wollten den schweren Körper nicht mehr ohne Stütze tragen. Sie tat es ungern, wie alles, was ein Hinweis auf ihr Matronenalter war, Ihr ewig junges Herz schlug im jungen Liebesfrühling an der Seite ihres schönen Günstlings, den sie beinahe schwärmerisch liebte. Sie vergaß alles: ihr Alter, ihre Gestalt, ihre verblichenen Reize, und gehorchte nur ihrem leidenschaftlichen Herzen. Sie wähnte sich selbst von Zubow geliebt. Er aber täuschte ihr ein Gefühl vor, das er nicht empfand; seine Eitelkeit allein ließ ihn die Rolle spielen, und zwar ausgezeichnet spielen, die er selbst gewünscht hatte.
Katharina konnte nicht nur als Frau, sondern auch als Herrscherin auf eine Reihe wohlgelungener Erfolge zurückblicken. Sie stand auf dem Zenithe ihrer Macht und Größe, die Frucht ihrer klugen Staatskunst und unermüdlichen Tätigkeit. Aber im Grunde ihres Herzens waren es doch auch manche Enttäuschungen, die sie erleben mußte, wenn sie sich auch nicht den Anschein gab, weil sie sich eben täuschen lassen wolle. Wie hätte eine so kluge Frau, ein so großes Genie nicht bemerken sollen, daß es ihr besonders in den letzten Jahren an fähigen Feldherrn, getreuen und gewissenhaften Verwaltern fehle, daß sich infolge des zunehmenden Luxus und der ungeheuren Verschwendung Zubows und seiner Kreaturen, aber auch infolge ihrer eigenen grenzenlosen Verschwendungssucht, ein großer Geldmangel im Staate bemerkbar machte, daß die Zerrüttung der Finanzen und Verwaltung, sowie die Armut des Volkes nicht im richtigen Verhältnis zu ihrem glänzenden ausschweifenden Hofe stand? Es gab für Katharina Momente der Abspannung. Das Gelingen ihrer Unternehmungen war ihr unentbehrlich; alles Mißlingen traf sie um so schwerer. Dann klagte sie gegen die ihr Nahestehenden, aber nie kam ein Wort des Vorwurfs oder der Sorge gegen Zubow über ihre Lippen. Ihm verschwieg sie ihren Kummer. Für ihn mußte sie fröhlich und heiter sein, um ihn zu gefallen.
Der empfindlichste Schlag, der diese an Erfolge in ihrer Politik so sehr verwöhnte Frau traf, war die Weigerung des jungen Königs Gustav IV. Adolf von Schweden im Herbst 1796, den Ehekontrakt mit ihrer Enkelin, der Großfürstin Alexandrine, zu unterzeichnen. Es war Katharinas sehnlichster Wunsch, diese Verbindung zustande zu bringen. Sie hätte ihr großen politischen Nutzen gewährt. Nachdem sie ein anderes Heiratsprojekt des Königs mit einer mecklenburgischen Prinzessin infolge ihrer Machtstellung zunichte gemacht hatte, lud sie den jungen König und den Regenten, Herzog Karl von Südermanland nach Petersburg ein. Gustav machte den günstigsten Eindruck am Hofe. Er war ein schöner schlanker Jüngling mit feinen Sitten, die gar sehr von dem rohen Benehmen des Großfürsten Konstantin abstachen. Katharina war ganz Leben und Frohsinn während dieses Besuchs. Sie veranstaltete glänzende Feste und Bälle, und war selbst eine der Lebhaftesten und Lustigsten. Sah sie doch ihren liebsten Wunsch in Erfüllung gehen. Die reizende 15jährige Alexandrine und der junge König schienen eine wahrhafte Neigung für einander zu empfinden, zum mindesten war ein gegenseitiges Interesse vorhanden. Als Katharina den Augenblick zur Verlobung gekommen glaubte, bestimmte sie einen Tag, an dem sie den ganzen Hof, den Senat und die Geistlichkeit um sich versammelte. Sie sollten Zeuge sein, wie die große Herrscherin ihrer Enkelin einen Königsthron verlieh. Katharina strahlte an diesem Abend im Purpurmantel, mit der Krone auf dem Haupte unter dem Thronhimmel, den sie bei solchen Gelegenheiten einzunehmen pflegte. Alle warteten mit großer Spannung auf den jungen König, in dessen Hand sie die Hand der Großfürstin legen wollte.
Aber die stolze Katharina und ihr Hof warteten vergebens auf den Bräutigam. Er erschien nicht. Katharina hatte unvorsichtigerweise vorher nicht die Regelung des Religionsbekenntnisses der Braut klargestellt. Als der König, der annahm, Alexandrine werde zum Protestantismus übertreten, in dem von Zubow und Markow unterbreiteten Heiratsvertrag las, die Großfürstin müsse eine Kapelle und ihre Popen im Schlosse ihres Gemahls haben, weigerte sich Gustav, ihn zu unterzeichnen. Er blieb allem Zureden, selbst der schwedischen Diplomaten unzugänglich. Die Kaiserin und ihr Hof mußten sich, ohne ihn gesehen zu haben, zurückziehen. Eine solche Demütigung, noch dazu von einem 17jährigen Fürsten, war Katharina der Großen noch nicht widerfahren. Aber nur einen Augenblick ließ sie sich von dem Schrecken über diese Beleidigung überwältigen. Als der Günstling sich ihr näherte und ihr die Nachricht ins Ohr flüsterte, starrte sie einige Sekunden lang sprachlos vor sich hin, dann verabschiedete sie ihren Hof und begab sich, von Zubow geführt, in ihre Gemächer. Hier soll sie Anzeichen von einem leichten Schlaganfall gehabt haben. Jedenfalls verbrachte sie eine äußerst peinliche und schmerzliche Nacht. Sie selbst bemerkte am nächsten Morgen, daß die Nacht vor ihrer Thronbesteigung lange nicht so aufregend gewesen wäre, wie die eben verbrachte. Bekanntlich schlief Katharina in der Nacht vom 27. zum 28. Juni 1762 so fest, daß Alexis Orloff sie morgens um 5 Uhr wecken und sie gewissermaßen erst über ihre Lage aufklären mußte.
König Gustav verließ jedoch noch nicht sogleich nach dieser Szene die russische Hauptstadt. Noch waren die Unterhandlungen nicht abgebrochen. Katharina veranstaltete sogar noch einen Ball, auf dem sie und der junge König erschienen. Auch Alexandrine war anwesend. Aber Gustav blieb unerbittlich. Er richtete den ganzen Abend nicht das Wort an Alexandrine, sondern tanzte mit den anderen jungen Prinzessinnen. Der Bruch war offenkundig. Die Kaiserin hatte den härtesten Schlag ihres Lebens, einen Mißerfolg, erhalten! Sie hatte diesmal wohl allzu vertrauensselig ihre Politik in die unerfahrenen Hände Zubows und Markows gelegt. Ihr Stolz und ihr Ehrgeiz aber ließen es nicht zu, sich auch nur das geringste Bedauern über diesen Mißerfolg merken zu lassen. Es nagte in ihrem Innern. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. Sie, die stets über Aberglauben gespottet hatte, machte im August 1796 die Bemerkung, als sie eine Sternschnuppe fallen sah, daß das ihren nahen Tod bedeute.
Ein Zeichen ihres Alters war es auch, daß sie, die sonst Klarsehende, sich einem Quacksalber, einem Abenteurer, dem berüchtigten Lambro-Cazzioni, in die Hände gab. Er hatte ihr eingeredet, er könne ihre offenen Aderbeine heilen, wenn sie täglich eiskalte Seewasserfußbäder nähme. Um seiner Heilmethode mehr Gewicht zu verleihen, holte er das Wasser dazu selbst aus dem Meere herbei. Anfangs bekam ihr die Kur nicht schlecht, und sie spottete mit Lambro über die Ärzte und ihre Heilmethode. Bald jedoch stellten sich Blutstauungen und Koliken bei ihr ein, und sie mußte mit den Bädern aufhören. Von Tag zu Tag wechselte ihr Befinden; einmal war es gut, einmal schlecht. Manche Tage konnte sie sich nur mit größter Mühe von der Stelle bewegen; sie hing wie Blei am Arme Zubows und wurde auf der anderen Seite entweder von einem Diener oder einer Kammerfrau gestützt. Dann kamen wieder Tage des völligen Wohlbefindens. Am 5. November 1796 hatte sie einen besonders guten Tag. Es war kleine Ermitage, und Katharina lachte fröhlicher denn je. Leo Nerischkin hatte sich als Trödler verkleidet und feilschte mit der Kaiserin um allerhand Kram und Spielsachen, die er aus seinen unerschöpflichen Taschen hervorbrachte. Solche Scherze liebte Katharina außerordentlich. Sie war geistig äußerst aufgelegt an jenem Abend, denn sie hatte die gute Nachricht erhalten, daß der General Moreau gezwungen worden war, über den Rhein zurückzugehen. Sie setzte auch gleich ein scherzhaftes Schreiben an den österreichischen Gesandten Cobenzl auf, worin es hieß: »Je m'empresse d'annoncer à l'excellente Excellence que les excellentes troupes de l'excellente cour ont complètement battu les Français.« Plötzlich jedoch zog sie sich früher als gewöhnlich mit Zubow zurück, und zwar mit der bezeichnenden Bemerkung, sie habe Leibweh, weil sie zu viel gelacht habe.
Am nächsten Morgen erhob sich Katharina zur gewohnten Stunde um 6 Uhr. Sie ließ Zubow zu sich rufen, arbeitete mit ihren Sekretären und erledigte verschiedene Geschäfte. Dann drückte sie den Wunsch aus, einen Augenblick allein zu bleiben, bis sie ihren Geheimsekretär rufen werde. Dieser wartete einstweilen im Vorzimmer. Es verging jedoch eine geraume Zeit, ohne daß die Kaiserin wieder etwas von sich hören ließ. Man wurde unruhig, lauschte an den Türen; nichts regte sich in den Gemächern Katharinas. Aber weder der Sekretär noch die andern Personen ihrer Umgebung wagten, ihrem Befehl zuwiderzuhandeln und in ihre Zimmer einzudringen, wenn sie allein bleiben wollte. Als sie jedoch noch eine gewisse Zeit gewartet hatten, wagte es endlich der Kammerdiener Zotoff ihr Schlafzimmer zu öffnen. Die Kaiserin war nicht darin, auch nicht in ihrem Ankleidezimmer. Zotoff ging weiter – plötzlich stieß er einen gellenden Schrei aus – die Kaiserin lag in einem Gang, der nach ihrer Toilette führte, bewußtlos am Boden, mit Schaum vor dem Munde.
Die Legende hat eine schändliche Geschichte über diesen Ort erfunden, an dem Katharina den tödlichen Schlag erhielt. Man sagt, sie habe dort den einstigen sammetbeschlagenen Thron Poniatowskis aufgestellt, um ihn zu einem nichts weniger als erhabenen Zweck zu benutzen. Einer so schmachvollen Idee eines ganz niedrigen Charakters war Katharina gewiß nicht fähig.
Man brachte die bewußtlose Kaiserin sofort in ihr Schlafzimmer. Da sie jedoch sehr schwer war, vermochte man sie nicht aufs Bett zu heben, sondern legte sie auf eine in der Eile herbeigeschaffte Matratze zu ebener Erde. Alles war in heftigster Bestürzung. Die Ärzte erklärten, es sei keine Hoffnung mehr, ein Schlaganfall habe Katharina überrascht. Der Todeskampf währte indes noch 37 Stunden, ohne daß sie die Sprache wieder erlangte. Man meinte, für Paul sei das ein Glück gewesen, denn sie würde ihm den Thron entzogen haben.
Eine reichangelegte Natur, vom Schicksal wie keine andere begünstigt, ein mit allen Vorzügen und Fehlern begabtes Genie schied mit Katharina II. aus der Welt und ließ ihre engere Umgebung in der größten Fassungslosigkeit zurück. Der Admiral Schichkoff beschreibt die grenzenlose Verwirrung, die Katharinas Tod im Petersburger Schlosse hervorrief, in seinen Memoiren. Er war am 6. November gekommen, um wie gewöhnlich, dem Lever Zubows beizuwohnen. Er hatte noch keine Ahnung von dem Vorgefallenen. Als er das Audienzzimmer betrat, fand er es zu seinem größten Erstaunen und ganz gegen die Gewohnheit leer. Nur der Quacksalber Lambro-Cazzioni stand da, bleich wie der Tod. Er starrte den eintretenden Admiral mit weitgeöffneten Augen wie entgeistert an. Er rührte sich nicht und antwortete auch nicht auf seine Fragen. Darauf trat der Bruder Zubows, Nikolai Zubow, ein, ebenfalls mit verstörter Miene. Auch er sprach nicht. Schichkoff entfernte sich. Auf der Treppe begegnete er dem Sekretär der Kaiserin; er hielt ihn an und fragte ihn, was denn geschehen sei. Der junge Mann zitterte am ganzen Körper, brachte aber keinen Ton heraus. Da befiel den Admiral ebenfalls ein nervöses Zittern. Er eilte nach Hause, ohne etwas erfahren zu haben und legte sich mit hohem Fieber zu Bett. Es mußte etwas Furchtbares sein, was im Petersburger Schlosse vorgegangen war; er ahnte, es könne nur der Tod der Kaiserin sein.
Am meisten litt jedoch Zubow unter diesem Ereignis. Der Tod Katharinas stürzte ihn in ein Nichts zurück, denn von Pauls Regierung hatte er nichts zu hoffen. Zubow hatte nicht allein den Großfürsten mit der größten Verachtung und Arroganz behandelt, sondern Paul liebte überhaupt seine Mutter und ihre Umgebung nicht. Es genügte, mit seiner Mutter auf gutem Fuße gelebt zu haben, um ihn sich zum ewigen Feind zu machen. Zubow sah alles vor sich in Trümmer fallen. Er weinte heiße Tränen, nicht um den Verlust der Geliebten, sondern um den der Wohltäterin, der mächtigen Beschützerin, der Spenderin all seines Glücks und Reichtums. Zehn Tage lang schloß er sich bei seiner Schwester, der Gräfin Jerebzoff, ein, empfing niemand, ging nicht aus, wollte mit keinem Menschen sprechen. Mit Bangen sah er seinem Schicksal entgegen, das in des neuen Kaisers Händen lag. Nie hatte er Paul geliebt und geehrt. Jetzt fürchtete er dessen Rache. Alle seine Schmeichler hatten jetzt den einst so mächtigen Günstling verlassen. Man haßte ihn, man brauchte ihn nicht mehr; er war eine abgetane Größe. Die Kaiserin lag noch auf dem Paradebett des Todes, aber schon richteten sich alle Blicke auf den neuen Zaren, und alle bemühten sich, ihm angenehm zu sein. Die Gunst des neuen Hofes, den man ebenfalls nicht liebte, aber um so mehr fürchtete, schien allen das höchste Ziel zu sein.
Endlich traf ein Kurier Pauls I. bei Zubow ein. Er meldete ihm, der Kaiser habe ihm ein Haus einrichten lassen und gedächte am nächsten Tag mit der Kaiserin den Tee bei ihm einzunehmen. Zubow traute seinen Ohren nicht. Und doch war es Wahrheit. Paul hatte ihm ein sehr elegantes Haus in der Morskaia mit allem Luxus, Stallungen, Dienerschaft etc., zur Verfügung gestellt. Und wirklich erschien er am folgenden Tag, als Zubow in sein neues Heim eingezogen war, mit der Kaiserin bei dem einstigen Geliebten seiner Mutter. Zubow warf sich ihm zu Füßen. Paul hob ihn jedoch gütig auf und sagte: »Wer sich vergangener Beleidigungen erinnert, verdient ein Auge zu verlieren.« Es ist ein sehr bekanntes altes russisches Sprichwort. Diese Sprache in Pauls Munde, der als verbissen und menschenhassend bekannt war, versetzte Zubow in noch größeres Erstaunen. Ein Diener reichte Champagner herum. Da ergriff der Kaiser ein Glas, leerte es bis zur Hälfte mit den Worten: »So viele Tropfen in dem Glase sind, so viele Jahre wünsche ich Dir Glück.« Zubow dankte, ein wenig mißtrauisch im Herzen. Darauf forderte Paul seine Gemahlin auf, dem Günstling seiner Mutter eigenhändig den Tee zu servieren. »Du weißt ja,« fügte er ironisch und mit beißendem Spott hinzu, »es ist keine Herrin (Maitresse) im Hause.« Zubow biß sich auf die Lippen.
Diese Szene ereignete sich am 29. November 1796. Schon zwei Monate später, am 17. Januar 1797, wußte Zubow, daß er seine Rolle am Zarenhofe für immer ausgespielt hatte. Paul, der ihn anfangs so freundlich entgegengekommen war, entsetzte ihn aller seiner Ämter und Würden und legte überdies Beschlag auf alle seine Besitzungen. Ein kaiserlicher Ukas erteilte dem ehemaligen Günstling Katharinas die Erlaubnis, ins Ausland zu reisen, mit anderen Worten: man verjagte ihn aus Rußland. Jetzt haßte Zubow den Sohn Katharinas noch mehr als früher. Er begab sich nach Deutschland und hielt sich längere Zeit in dem damals sehr in Mode gekommenen Teplitz auf. Dort bildeten seine zahlreichen Liebschaften, besonders aber das Verhältnis zur reizenden Gräfin La Roche-Aymond, und nicht zum wenigsten die Tatsache, daß er der letzte Geliebte einer großen Kaiserin gewesen war, den täglichen Gesprächsstoff der Kurgäste. Kurze Zeit darauf verliebte er sich in eine der jungen Herzoginnen von Kurland, die als die reichsten Erbinnen in ganz Europa galten. Der alte Herzog jedoch, der durch Zubow seiner Herrschaft beraubt worden war, hatte genug Stolz dem einstigen Günstling der russischen Kaiserin sein Kind nicht zur Frau zu geben. Vielleicht wäre Zubow zu einer Entführung der jungen Prinzessin fähig gewesen, allein, plötzlich erhielt er vom Kaiser Paul – wahrscheinlich auf Pahlens Veranlassung – den Befehl, wieder an den Petersburger Hof zurückzukehren. Paul ahnte nicht, mit welch neuem, großem Feind er sich umgab. Im Jahre 1801 hatte Zubow ebenso großen Anteil an der Ermordung des unglücklichen Zaren wie Graf Pahlen und Bennigsen. Er wurde der Mörder des Sohnes seiner Geliebten. Auf diese Weise rächte er sich für die erlittene Ungnade.
Alexander I. behandelte ihn, wie alle Verschworenen an diesem Komplott, kalt und gleichgültig, und gab ihm zu verstehen, daß er ihn lieber fern vom Hofe sähe. Der eitle Zubow hatte keine Lust, eine verachtete Rolle zu spielen. Er begab sich daher wieder auf Reisen nach Deutschland. Später lebte er auf seinem Schlosse Schawle in Polen, ein Geschenk Katharinas, das Paul I., nachdem er es beschlagnahmt, wieder freigegeben hatte. Der verschwenderische Zubow wurde im Alter ein entsetzlicher Geizhals. Er hatte nur den einen Gedanken, sein Vermögen zu vergrößern, und verbarg die Geldrollen in seinem Keller.
Mit fünfzig Jahren packte ihn noch einmal die Liebe. Diesmal war die Auserwählte weder eine Kaiserin, noch eine Fürstin, auch keine Gräfin, sondern ein ganz einfaches Menschenkind, die Tochter eines kleinen Hauseigentümers, Thekla Walentinowitsch. Er sah sie eines Tages auf der Straße und wollte sie sofort durch seinen Intendanten auf sein Schloß holen lassen, um sie zu seiner Geliebten zu machen. Zum erstenmal in seinem Leben stieß er auf Widerstand. Sowohl die Eltern wie das junge Mädchen selbst widersetzten sich hartnäckig seinen Wünschen, trotz der goldenen Versprechungen des hohen Herrn. Es wurde nur eine regelrechte Heirat in Betracht gezogen. Zubow war verliebt, er willigte ein. Aber er genoß das neue Glück nur ein Jahr. Und so wurde die junge Fürstin Zubow die Erbin von 20 Millionen Rubel, die die freigebige Hand Katharinas zum Teil ihrem Liebling geschenkt hatte.