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Karl Weitbrecht

(1847-1904)

 

Und wer die schönste Blume malt –

Und wer die schönste Blume malt,
Der malt nicht ihren Duft,
Und wer mein Lieb beschreiben will,
Der schreibt in leere Luft.

Sie ist als wie ein Morgenhauch
So frisch und so geschwind –
Wer diesen malt, der malte mir
Mein wunderholdes Kind.

*

 

Traumesgrüße

Ist dir's noch nie in einem Traum geschehen,
Wenn ganz dein Sinn der Außenwelt verschlossen
Und uferlos die Seele hingegossen,
Ein Meer, wo rings der Himmel nur zu sehen –
Ist dir's noch nie geschehen, daß du spürtest,
Wie einer andern Seele reinstes Sein
Mit deiner Seele Fluten du berührtest,
So wie das Meer den Himmel rührt allein,
Sich grenzenlos mit ihm zusammenschließt,
In einem Blau mit ihm zusammenfließt?

Nur selten kommt's – und immer nur im Traum,
Und beim Erwachen bleibt ein endlos Sehnen
Im Innersten zurück, gebannt im Raum
Ist wieder, was sich raumlos möchte dehnen;
Doch ahnst du dann, wie auf den Himmelsauen,
Wenn diese Erdenreise ist vorbei,
Sich Selige grüßen mögen, klar und frei –
Du ahnst auch, was es sein mag, Gott zu schauen.

*

 

April

Wolkenschatten, Sonnenstreifen,
Erstes Grün und letzter Schnee,
Schmerzlich Lächeln, selig Weinen,
Höchstes Glück und tiefstes Weh –
Nur der Lenz vermag's zu einen,
Nur die Liebe kann's begreifen.

*

 

Auf meines Kindes Tod

Es gibt kein Wissen weiter, wenn der Tod
Des Grabes Türen dröhnend zugeschlagen –
Kein Wissen weiter! Ewiges Morgenrot
Sieht nur das Kindesaug des Glaubens tagen.

Kein Wissen weiter! Nicht vermess' ich mich,
Daß ich dem Ewigen ins Geheimnis sehe –
Doch als des Kindes Lippenpaar erblich,
Sprach ich getrost: Dein Wille, Herr, geschehe!

*

 

Schmiedebrauch

Die Sonn' im Westen Abschied nahm,
Als ich an der Schmiede vorüberkam.

Ich trat an die Tür und schaute hinein –
Noch glühte die Esse im Feuerschein.

Um den Amboß stoben die Funken hell,
Da schmiedet der Meister und sein Gesell.

Und kaum das Eisen geschmiedet war,
Da klang die Abendglocke klar.

Der Meister fromm sein Käpplein zog,
Der Gesell ein wenig den Nacken bog.

Der Meister legte das Schurzfell beiseit
Und sprach: »'s ist Feierabendzeit!«

Doch eh' er nun die Schmiede verläßt,
Faßt er noch einmal den Hammer fest,

Tut auf den Amboß einen Schlag –
Was das nun wohl bedeuten mag?

Ich hielt ihn unter der Türe an
Und fragte – da brummte der alte Mann:

»Das ist ein guter Schmiedebrauch
Und nützt der ganzen Welt wohl auch.

Der Teufel feilt an seiner Kett'
Mit jedem Schlosser um die Wett'.

Er hätt' sie durchgefeilt schon lang,
Wär' nicht des Schmiedehammers Klang.

Am Feierabend ein kalter Schlag
Des Teufels Kette festen mag.

Das ist ein guter Schmiedebrauch
Und nützt der ganzen Welt wohl auch!«

Drauf ging der Meister von dannen gemach,
Der junge Gesell sah ihm spöttisch nach.

Er sprach: »Das ist eine dumme Geschicht',
Es gibt ja keinen Teufel nicht!«

Doch eh' er aus der Werkstatt ging,
Der Amboß den kalten Schlag empfing.

Und wenn des Teufels Kette bricht,
Der junge Gesell ist schuldig nicht.

*

 

Die Künstlerin

Warum gerade diese Weise
Vor allen andern? – sag' mir an –
Die immer wieder [mir] in leise
Wehmut die Seele schmelzen kann!

Wo nahmst du her die Herzenstöne,
Die mir das ganze Herz durchbebt?
Wo nahmst du her die reine Schöne,
Die dir um Stirn' und Augen webt?

Lebt auch in dir mit heiliger Trauer
Dasselbe Heimweh ungestillt,
Des Wasser mir mit kühlem Schauer
Durch meiner Seele Gründe quillt?

*

 

Lieder aus der Enge

Der Falke, den sie in der Jugend fingen,
In ihrem Garten in den Käfig setzten,
Das Gitter schlug er lange mit den Schwingen,
Am Ende ließ er ruhig die zerfetzten.

Das Futter, das sie ihm durchs Gitter schoben,
Das tote Aas hat er verachtet lange,
Der Hunger zwang ihn endlich, es zu proben,
Nun holt er's täglich sich auf seine Stange.

*

 

Hilde

Vor meinem Fenster stiebt das dürre Laub,
Auf meiner Seele liegt's wie Grabesstaub.

Sie schwingt nicht mehr, sie gibt nicht Ton noch Klang,
Stumm trauert sie und kümmert mondenlang.

Dort überm Kirchhof zieht der Regenwind:
Dort in dem Grabe liegt mein süßes Kind.

's war ein Kind, doch seit dies Kind mir starb,
Gott weiß allein, was in mir selbst verdarb.

* * *

Ein Klang in der Luft, eine Blum' auf der Flur
So grad um die Erntezeit –
Und mir tropfen die Tränen wie jemals nur,
Ist's auch schon lang, schon weit.

Und rastlos such' ich deine Spur
In sonniger Einsamkeit,
Bei dem Klang in der Luft, bei der Blum' auf der Flur
So grad um die Erntezeit.

*

 

Am Lucendrosee

Laß stehen die Blume und das karge Moos,
Komm, schau mit mir in dieser Tiefe Schoß!
Sie ist so tief als hoch der schneeige Firn,
Der in dem Wasser spiegelt seine Stirn.

Der Himmel, der von droben niederblaut,
Sieh, wie er auch von drunten widerschaut,
Und wie der Fels, der schroff zur Höhe steigt,
Sich straff geschwungen nach der Tiefe neigt.

Du fragst, je länger daß du schaust hinein:
Was ist die Wahrheit, was ist nicht der Schein?
Wo ist die Grenze, wo ist der Ufersaum?
Du siehst nur einen grenzenlosen Raum.

Und alles Form und Farbe, Bild und Licht,
In einem Bild das ganze Weltgedicht,
Drin Schein und Wahrheit unterschieden sind – –
Nun suche wieder Moos und Blumen, Kind!

*

 

Ein Blatt

Es rauscht in stiller Nacht ein Blatt
Vom Baum vorm Fenster dürr und matt,
Mein Ohr vernimmt's in halbem Traum,
Ich acht' es kaum.

So war's oft, wenn mir müd und krank
Ein welkes Glück zu Boden sank.
Ich merkt' es so in stiller Nacht,
Nahm's kaum in acht.

*

 

Wenn ich Abschied nehme

Wenn ich Abschied nehme, will ich leise gehn,
Keine Hand mehr drücken, nimmer rückwärts sehn.

In dem lauten Saale denkt mir keiner nach,
Denkt mir keine Seele, was die meine sprach.

Morgendämm'rung weht mir draußen um das Haupt,
Und sie kommt, die Sonne, der ich doch geglaubt.

Lärmt bei euren Lampen und vergeßt mich schnell!
Lösche meine Lampe! – Bald ist alles hell.

*

 


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