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Hermann Kurz

(1813-1873)

Kurz, Hermann

 

Im Weinberg

Die du grünst um meine Klause,
Junge, hoffnungsvolle Rebe,
Da ich selbst in Jugend brause,
Selbst in goldner Hoffnung schwebe:

Ist's mein Ahnen, ist's mein Glaube,
Daß wir beide Liebevollen,
Ich und deine zarte Traube,
Blutverwandte werden sollen?

Darum laß uns von der Flamme
Dieses Sommers Glut erlangen,
Wie Milchbrüder aus der Amme
Ein verbundnes Sein empfangen.

Durchgeglüht in allen Säften,
Reifen wir zum Herbst allmählich,
Im Gefühl von hohen Kräften
Schmerzensreich und tränenselig.

Endlich sterben Schmerz und Wonne,
Fällt das grüne Laub der Reben,
Flieht die heiße Sommersonne
Und der Jugend frisches Leben.

Junger Wein, der Weg zur Würde
Geht durch Leiden dir und Klagen,
Und auch ich muß meine Bürde,
Erd' und Himmel muß ich tragen.

Hat im gärenden Bewegen
Sich geläutert jede Welle,
Wogen wir dem Ziel entgegen,
Ruhig, rein und spiegelhelle.

Nachts, wann leise niederflammen
Nur der Himmel ferne Lichter,
Glühn und duften wir zusammen,
Und du segnest deinen Dichter.

*

 

Auf der Mühle

Ich sitz auf der Mühle,
Da wird es mir wohl!
Es schüttern die Gänge
Tief unten so hohl.
Das bebt durch die Seele
Mit Schauer und Lust
Und weckt mir zu Tönen,
Zu Liedern die Brust.

Die Wasser, sie rauschen:
Grüß Gott und komm mit!
Das liebliche Tälchen,
Es läßt mich ja nit.
Möcht allzeit hier sitzen,
Die Felsen und Aun,
Die waldgrünen Berge
Die ernsten, zu schaun.

Margretchen, mein Engel,
Kredenzt mir den Wein.
Ein Jährchen und drüber,
So könnt' ich sie frein.
Ach, lieben und sorgen!
Es wird nichts daraus.
Ich hab ja nicht Heimat,
Nicht Hof und nicht Haus.

Und wie ohne Weilen
Die Welle hinschwebt,
Wie schüttert die Mühle
Und unter mir bebt:
So muß ich durchs Leben
Mit flüchtigem Gruß,
So zittert der Boden
Mir unter dem Fuß.

*

 

Laßt mich von hinnen

Laßt mich von hinnen!
Haltet nicht länger!
Mir wird's im Herzen
Enger und bänger.
Qualm und Getümmel!
Flitter und Schmerz! – –
Fliehe zu Wäldern,
Einsames Herz!

Hoch auf den Bergen
Atmen die Lüfte.
Stille, wie stille
Schlummern die Klüfte!
Himmel, wie trübe,
Wolken, wie schwer!
Mächte der Liebe,
Bebt ihr nicht mehr?

Über den Wolken
Lauschen die Sterne,
Hinter den Nebeln
Lächelt die Ferne.
Brich durch die Ängste,
Fliege mein Mut!
Deine Gestirne
Führen dich gut.

*

 

Maulbronn

Dich, entlegnes, stilles Kloster, das mich heimlich einst umfing,
Seh ich oft im Geiste wieder hinter deinem Mauerring.
Deine alte Kirche steigt mir wieder aus der Jahre Kluft,
Mit dem Glöcklein, das so schrillend aus dem Feld die Schwärmer ruft.

In dem Kreuzgang altertümelnd wand'l ich, wo in Steines Truhn
Deine alten Mönche mit dem schlau verborgnen Gelde ruhn,
Lehn' im Chor mich an der Stühle künstlich ausgeschnitztes Holz,
Und es macht mich manche Inschrift, wie ich sie entziffre, stolz.

O wie oft schlug meine Sehnsucht eine Brücke durch die Luft
Zu den nahen Buchenwäldern mit dem herrlich frischen Duft.
Dort im halben Schlummer hab' ich oft der Rückkehr Frist versäumt,
Habe, wie die Siebenschläfer, manch Jahrhundert durchgeträumt.

Fröhlich aus der dumpfen Zelle folgt ich oft der eigenen Spur,
Oder schweift an Freundeshand durch Berge, Wälder, Tal und Flur.
Deine Meierhöfe haben kühle Milch mir aufgetischt,
Und die stillen Seen der Wälder mir das heiße Blut erfrischt.

Meine Flöte blies ich abends, einsam, nicht allein, im Wald,
Denn Eidechsen kamen lauschend, und so fand ich Kenner bald.
Dann im Kreise der Genossen ward manch Wagnis ausgeführt;
Ob es wohl als Heldensage deine grauen Mauern ziert?

Noch gedenk ich, wie wir stiegen zum Gemach, wo Doktor Faust
Bis zu seinem blutig an die Wand geschriebenen Tod gehaust,
Wie wir eine Hütte bauten, sie bewohnten mit Gesang,
Und wie auf den sieben Hügeln Jugendlust die Fahne schwang.

Aber nachts, wenn alle schliefen, wacht' ich bei der Lampe Licht,
Wühlend in des Lebens Tiefen, denn die Ruhe kannt' ich nicht.
Doch es kam ein Frühgewitter über meinen Lebenstraum,
Und ein Doppelregenbogen stand an meines Himmels Saum.

Lieb' und Freundschaft, wie erhellten sie mein dunkles Herz zugleich,
Wie mit Leid und Freude machten sie mein armes Leben reich!
Und in manchem leisen Liede löst' ich dunklen Herzensdrang,
Das in scheuen Tönen zwischen fernem Waldgebüsch verklang. – –

Schönes Tal, du liegst mir ferne, eine stille Siedelei,
Dran mich kaum auf raschen Schwingen einsam trägt mein Weg vorbei.
Aber, Wiege meines Herzens, meines Geistes, Segen dir,
Segen deiner Söhne jedem, dem die Seele flammt wie mir!

*

 

An Eduard Mörike

Cleversulzbach, 29. Mai 1838, morgens 4 Uhr

Früh, wie früh! beim ersten Graun
Treibt der Tag mich aus dem Bette.
Morgenröte säumt die Au'n,
Vögel singen um die Wette,

Sieh, am Abschiedstage doch
Wird der Siebenschläfer munter!
Seine Wirte sticht er noch,
Die ihn oft geneckt, herunter.

Alles schläft. Des Sieges froh
Und der ungewohnten Stunde,
Mach' ich durch den Garten so
In dem feuchten Gang die Runde.

Denke dein, des Träumenden,
Wie so oft du ihn beschreitest,
Wie den Freund, den säumenden,
Du ins Grüne heilsam leitest.

Sonne, die ereilt' ich auch,
Und auf deinem Lieblingshügel!
Und im frischen Morgenhauch
Prüf' ich halb erstaunt die Flügel.

Baum und Blume sind schon wach,
Mit betauten Augen blickend,
Und der Laube Blätterdach
Übergießt mich fröhlich nickend.

Alle sind bei gutem Mut,
Saftgeschwellt vom lauen Regen.
Nußbaum selbst, das junge Blut,
Streckt ein Knöspchen mir entgegen.

Wie so eigen doch Natur
Sich in ihrem Haushalt rühret,
Unbelauscht auf leiser Spur
Die geliebten Kinder führet!

Ja, sie lehrt mich hastigen Geist,
Nicht an jedem Keim zu rütteln,
Nicht vom jungen Baume dreist
Vor der Zeit die Frucht zu schütteln.

Lehret mich dem Gott vertraun
Meine Saaten, meine Sorgen,
Der mir linden Schlaf läßt taun
Und die Ernte zeigt am Morgen.

Wie? Was hat mich so erbaut?
Treibt mich so, mich umzuarten?
Woher stammt dies seltne Kraut?
Freund, es wuchs in deinem Garten.

*

 

Jugendbitte

Was braucht es weiter vorzusehn in Tagen und in Stunden,
Als daß der Gott in jedem Schlag des Pulses werd' erfunden?
Ja, gib den Geist mir, Herre Gott, in Stunden und in Tagen,
Und wenn ich ihn gewaltig spür', so hilf mir ihn ertragen.
Lehr' mich erkennen jedes Wort, das aus der Quelle springet,
Ja, was ich selber blindlings red', gib, daß es mich durchdringet,
Und was mir einmal hat geblitzt, das wahre mir zur Leuchte,
Auf daß es auch den Pfad erhellt, der mir umnachtet deuchte.
Laß mich erringen unverwandt, wozu ich bin berufen,
Und führst du mich zu deinen Höhn, gewähr' mir feste Stufen.
Der Worte Trugkunst will ich nicht, ja, mach' mich lieber blöde,
Daß desto mehr ich innerlich mit dir mich unterrede.
Gib mir der Liebe Feuerkraft, die Feuerkraft des Weines,
Und werd' ich nie ein großes Licht, so sei ich dir ein reines!

*

 

Nachlaß

Ich werde so von hinnen eilen
Mit tiefgeschlossenem Visier,
Und ein paar arme stumpfe Zeilen,
Die bleiben dann der Welt von mir.
Nach diesen werden sie mich wägen,
Verdammung sprechen oder Lob,
Nicht ahnend, ach, mit welchen Schlägen
Sich oft mein Herz in meinem Busen hob,
Wie ich am schönen Tag, in guter Stunde,
Mit einem kleinen Menschenbunde
Ein ganzes, volles Leben durchgelebt;
Wie wir das Herz, wie wir die Welt gemessen,
Wie manch gewichtig Wort in Lethes Wellen fiel,
Und wie wir dann in seligem Vergessen
Manch kecken Scherz geübt, manch übermütig Spiel.
Vor solchem Leben, frisch und reich,
Wie sind die Lettern tot und bleich.

Doch was ich mir in mir gewesen,
Das hat kein Freund gesehen, wird keine Seele lesen.

*

 

Stumm schläft der Sänger

Nach Thomas Moore

Stumm schläft der Sänger, dessen Ohr
Gelauschet hat an anderer Welten Tor.
Ein naher Waldstrom brauste sein Gesang
Und säuselt' auch wie ferner Quellen Klang.

Du schlummerst stille, schlummerst fest,
Indes am Hügel wechseln Sturm und West,
Der Sturm, der dir den Schlachtgesang durchdröhnt,
Der Hauch, der sanft im Hauch der Liebe tönt.

*

 

Alle Lust hat Leid

Nach Thomas Moore

Alle Lust hat Leid,
Das Schönste muß verderben,
Huld und Herrlichkeit
Lebt nur, um bald zu sterben.
Sternenschein vergeht,
Die Blume welkt im Keime,
Und so schnell sind auch verweht
Des Herzens liebste Träume!

Alle Lust hat Leid,
Das Schönste muß verderben,
Huld und Herrlichkeit
Lebt nur, um bald zu sterben.
Trau der Freude nicht!
Nur Tränen sind ihr Ende,
Jede Stunde bricht
Entzwei die liebsten Hände.
Lieber bleibe fern
Im Dunkel ohne Schimmer,
Seh nicht an den liebsten Stern,
Der dir verlischt auf immer!

Alle Lust hat Leid,
Das Schönste muß verderben,
Huld und Herrlichkeit
Lebt nur, um bald zu sterben.

*

 


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