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(1770–1843)
Treu und freundlich wie du, erzog der Götter und Menschen
Keiner, o Vater Äther! mich auf; noch ehe die Mutter
In die Arme mich nahm und ihre Brüste mich tränkten,
Faßtest du zärtlich mich an und gossest himmlischen Trank mir,
Mir den heiligen Odem zuerst in den keimenden Busen.
Nicht von irdischer Kost gedeihen einzig die Wesen,
Aber du nährest sie all' mit deinem Nektar, o Vater!
Und es drängt sich und rinnt aus deiner ewigen Fülle
Die beseelende Luft durch alle Röhren des Lebens.
Darum lieben die Wesen dich auch und ringen und streben
Unaufhörlich hinauf nach dir in freudigem Wachstum.
Himmlischer! sucht nicht dich mit ihren Augen die Pflanze,
Streckt nach dir die schüchternen Arme der niedrige Strauch nicht?
Daß er dich finde, zerbricht der gefangene Same die Hülse;
Daß er belebt von dir in deiner Welle sich bade,
Schüttelt der Wald den Schnee, wie ein überlästig Gewand ab.
Auch die Fische kommen herauf und hüpfen verlangend
Über die glänzende Fläche des Stroms, als begehrten auch diese
Aus der Woge zu dir; auch den edeln Tieren der Erde
Wird zum Fluge der Schritt, wenn oft das gewaltige Sehnen,
Die geheime Liebe zu dir sie ergreift, sie hinaufzieht.
Stolz verachtet den Boden das Ross, wie gebogener Stahl strebt
In die Höhe sein Hals, mit der Hufe berührt es den Sand kaum.
Wie zum Scherze berührt der Fuß der Hirsche den Grashalm,
Hüpft, wie ein Zephyr, über den Bach, der reißend hinabschäumt,
Hin und wieder schweift, kaum sichtbar durch die Gebüsche.
Aber des Äthers Lieblinge, sie, die glücklichen Vögel,
Wohnen und spielen vergnügt in der ewigen Halle des Vaters!
Raums genug ist für alle. Der Pfad ist keinem bezeichnet.
Und es regen sich frei im Hause die Großen und Kleinen.
Über dem Haupt frohlocken sie mir, und es sehnt sich auch mein Herz
Wunderbar zu ihnen hinauf; wie die freundliche Heimat
Winkt es von oben herab, und auf die Gipfel der Alpen
Möcht' ich wandern und rufen von da dem eilenden Adler,
Daß er, wie einst in die Arme des Zeus den seligen Knaben,
Aus der Gefangenschaft in des Äthers Halle mich trage.
Töricht treiben wir uns umher; wie die irrende Rebe,
Wenn ihr der Stab gebricht, woran zum Himmel sie aufwächst,
Breiten wir über den Boden uns aus und suchen und wandern
Durch die Zonen der Erd', o Vater Äther! Vergebens;
Denn es treibt uns die Lust in deinen Gärten zu wohnen.
In die Meersflut werfen wir uns, in den freieren Ebnen
Uns zu sättigen, und es umspielt die unendliche Woge
Unsern Kiel, es freut sich das Herz an den Kräften des Meergotts.
Dennoch genügt ihm nicht! denn der tiefere Ozean reizt uns,
Wo die leichtere Welle sich regt – o wer dort an jene
Goldnen Küsten das wandernde Schiff zu treiben vermöchte!
Aber indes ich hinauf in die dämmernde Ferne mich sehne,
Wo du fremde Gestad' umfängst mit bläulicher Woge,
Kömmst du säuselnd herab von des Fruchtbaums blühenden Wipfeln,
Vater Äther! und sänftigest selbst das strebende Herz mir,
Und ich lebe nun gern, wie zuvor, mit den Blumen der Erde.
*
Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir
Von aller deiner Wonne; denn eben ist's,
Daß ich gelauscht, wie, goldner Töne
Voll, der entzückende Sonnenjüngling
Sein Abendlied auf himmlischer Leier spielt';
Es tönten rings die Wälder und Hügel nach,
Doch fern ist er zu frommen Völkern,
Die noch ihn ehren, hinweggegangen.
*
»Warum huldigest du, heiliger Sokrates,
Diesem Jünglinge stets? kennest du Größres nicht?
Warum siehet mit Liebe,
Wie auf Götter, dein Aug' auf ihn?«
Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste,
Hohe Tugend versteht, wer in die Welt geblickt,
Und es neigen die Weisen
Oft am Ende zum Schönen sich.
*
Schönes Leben! Du liegst krank, und das Herz ist mir
Müd vom Weinen, und schon dämmert die Furcht in mir;
Doch, doch kann ich nicht glauben,
Daß du sterbest, solang du liebst.
*
Deine Freundin, Natur! leidet und schläft, und du
Allbelebende säumst? ach, und ihr heilt sie nicht,
Mächt'ge Lüfte des Äthers,
Nicht, ihr Quellen des Sonnenlichts?
Alle Blumen der Erd', alle die fröhlichen
Schönen Früchte des Hains, heitern sie alle nicht
Dieses Leben, ihr Götter,
Das ihr selber in Lieb' erzogt?
Ach! schon atmet und tönt heilige Lebenslust
Ihr im reizenden Wort wieder, wie sonst, und schon
Glänzt das Auge des Lieblings
Freundlich offen, Natur! dich an.
*
In jüngern Tagen war ich des Morgens froh,
Des Abends weint ich; jetzt, da ich älter bin,
Beginn ich zweifelnd meinen Tag, doch
Heilig und heiter ist mir sein Ende.
*
Heilig Wesen! gestört hab' ich die goldene
Götterruhe dir oft, und der geheimeren,
Tiefern Schmerzen des Lebens
Hast du manche gelernt von mir.
O vergiß es, vergib! gleich dem Gewölke dort
Vor dem friedlichen Mond geh' ich dahin, und du
Ruhst und glänzest in deiner
Schöne wieder, du süßes Licht!
*
Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,
Von Inseln fernher, wenn er geerntet hat;
So käm' auch ich zur Heimat, hätt' ich
Güter so viele, wie Leid geerntet.
Ihr teuern Ufer, die mich erzogen einst,
Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir,
Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich
Komme, die Ruhe noch einmal wieder?
*
Du schweigst und duldest, und sie verstehn dich nicht,
Du heilig' Leben! welkest hinweg und schweigst,
Denn ach! vergebens bei Barbaren
Suchst du die Deinen im Sonnenlichte,
Die zärtlich großen Seelen, die nimmer sind!
Doch eilt die Zeit! Noch siehet mein sterblich Lied
Den Tag, der, Diotima, nächst den
Göttern mit Helden dich nennt und dir gleicht.
*
Send' ihr Blumen und Früchte aus nie versiegender Fülle,
Send' ihr, freundlicher Geist, ewige Jugend herab!
Hüll' in deine Wonnen sie ein und laß sie die Zeit nicht
Sehn, wo einsam und fremd sie, die Athenerin, lebt,
Bis sie im Lande der Seligen einst die fürstlichen Schwestern,
Die zu Phidias Zeit herrschten und liebten, umfängt.
*
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben.
Auf keiner Stätte zu ruhn.
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern.
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewisse hinab.
*
Kaum sproßten aus den Wassern, o Erde, dir
Der alten Berge Gipfel; und dufteten,
Voll junger Wälder, durch die Mailuft,
Über den Ozean hin, lustatmend,
Die ersten grünen Inseln; und freudig sah
Des Sonnengottes Auge die Erstlinge,
Die Bäum' und Blumen, seiner Jugend
Lächelnde Kinder, aus dir geboren:
Da auf der Inseln schönster, wo immerhin
Den Hain in zarter Ruhe die Luft umfloß,
Lag unter Trauben einst, nach lauer
Nacht, in der dämmernden Morgenstunde,
Geboren dir, o Erde, dein schönstes Kind;
Und auf zum Vater Helios sieht bekannt
Der Knab' und weiht und wählt, die süßen
Beeren versuchend, die heil'ge Rebe
Zur Amme sich. Und bald ist er groß; ihn scheun
Die Tiere, denn ein anderer ist, wie sie,
Der Mensch; nicht dir und nicht dem Vater
Gleicht er, denn kühn ist in ihm und einzig
Des Vaters hohe Seele mit deiner Lust,
O Erd', und deiner Trauer von je vereint,
Der ewigen Natur, der Götter-
Mutter, der furchtbaren, möcht' er gleichen.
Ach! darum treibt ihn, Erde! vom Herzen dir
Sein Übermut, und deine Geschenke sind
Umsonst, die zärtlichen; zu hoch schlägt
Immer und immer der stolze Busen.
Von seines Ufers duftender Wiese muß
Ins blütenlose Wasser hinaus der Mensch,
Und glänzt' auch, wie die Sternennacht, von
Goldenen Früchten sein Hain, doch gräbt er
Sich Höhlen in den Berg und späht im Schacht,
Von seines Vaters heiligem Strahle fern,
Dem Sonnengott auch ungetreu, der
Knechte nicht liebt und der Sorgen spottet.
Ach! freier atmen Vögel des Walds, wenn schon
Des Menschen Brust sich wilder und stolzer hebt,
Sein Trotz wird Angst, und seines Friedens
Blume, die zärtliche, blüht nicht lange.
*
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortereicher und leerer war?
Ach! der Menge gefällt, was auf dem Marktplatz taugt.
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.
*
Du kömmst, o Schlacht! schon wogen die Jünglinge
Hinab von ihren Hügeln, hinab ins Tal,
Wo keck herauf die Würger dringen,
Sicher der Kunst und des Arms; doch sichrer
Kömmt über sie die Seele der Jünglinge,
Denn die Gerechten schlagen, wie Zauberer,
Und ihre Vaterlandsgesänge
Lähmen die Kniee den Ehrelosen.
O nehmt mich, nehmt mich mit in die Reihen auf,
Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods!
Umsonst zu sterben, lieb ich nicht; doch
Lieb ich, zu fallen am Opferhügel
Fürs Vaterland, zu bluten des Herzens Blut,
Fürs Vaterland – und bald ist's geschehn! Zu euch,
Ihr Teuern! komm ich, die mich leben
Lehrten und sterben, zu euch hinunter!
Wie oft im Lichte dürstet' ich euch zu sehn,
Ihr Helden und ihr Dichter aus alter Zeit!
Nun grüßt ihr freundlich den geringen
Fremdling, und brüderlich ist's hier unten;
Und Siegesboten kommen herab: die Schlacht
Ist unser. Lebe droben, o Vaterland,
Und zähle nicht die Toten! Dir ist,
Liebes! nicht
einer zuviel gefallen.
*
O heilig Herz der Völker, o Vaterland!
Allduldend gleich der schweigenden Mutter Erd'
Und allverkannt, wenn schon aus deiner
Tiefe die Fremden ihr Bestes haben.
Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,
Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie
Dich ungestalte Rebe, daß du
Schwankend den Boden und wild umirrest.
Du Land des hohen ernsteren Genius!
Du Land der Liebe! Bin ich der deine schon,
Oft zürnt' ich weinend, daß du immer
Blöde die eigene Seele leugnest.
Doch magst du manche Schöne nicht bergen mir,
Oft stand ich überschauend das sanfte Grün
Im weiten Garten hoch in deinen
Lüften auf hohem Gebirg und sah dich.
An deinen Strömen ging ich und dachte dich,
Indes die Töne schüchtern die Nachtigall
Im Dunkel sang und still und klar auf
Dämmerndem Grunde die Sonne weilte.
Und an den Ufern sah ich die Städte blühn,
Die edeln, wo der Fleiß in der Werkstatt schweigt,
Die Wissenschaft, wo deine Sonne
Milde dem Künstler zum Ernste leuchtet.
Kennst du Minervens Volk? es erwählete
Den Ölbaum sich zum Lieblinge, kennst du dies?
Noch lebt's! noch waltet der Athener
Seele, die sinnende, still bei Menschen.
Wenn Platons frommer Garten auch schon nicht mehr
Am stillen Strome grünt und ein dürft'ger Mann
Die Heldenasche pflügt und scheu der
Vogel der Nacht auf der Säule trauert.
O heiliger Wald! o Attika! traf der Gott
Mit furchtbar sichrem Strahle so bald auch dich
Und eilten sie, die dich belebt, die
Flammen entbunden zum Äther über?
Doch wie der Frühling wandelt der Genius
Von Land zu Land. Und wie? ist denn
einer noch
Von unsern Jünglingen, der nicht ein
Ahnden, ein Rätsel der Brust verschwiege?
Den deutschen Frauen danket! sie haben euch
Der Götterbilder freundlichen Geist bewahrt,
Und sühnet täglich nicht der holde
Friede das böse Gewirre wieder?
Und wo sind Dichter, denen der Gott es gab,
Wie unsern Alten, freundlich und fromm zu sein,
Wo Weise, wie die unsern sind, die
Kalten und kühnen, die unbestechbarn?
Gegrüßt in deinem Adel, mein Vaterland,
Mit neuem Namen, reifeste Frucht der Zeit,
Du letzte und du erste aller
Musen, Urania, sei gegrüßt mir!
Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,
Das von dir zeuge, sinnest ein neu Gebild,
Das einzig, wie du selber, das aus
Liebe geboren und gut, wie du, sei.
Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Daß wir uns alle finden am höchsten Fest?
Doch wie errät dein Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?
*
Vom Taue glänzt der Rasen, beweglicher
Eilt schon die wache Quelle; die Birke neigt
Ihr schwankes Haupt, und im Geblätter
Rauscht es und schimmert; und um die grauen
Gewölke streifen rötliche Flammen dort,
Verkündende, sie wallen geräuschlos auf,
Wie Fluten am Gestade, wogen
Höher und höher, die wandelbaren.
Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,
Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!
Denn offner fliegt, vertrauter dir mein
Auge, du Freudiger! zu, solang du
In deiner Schöne jugendlich blickst und noch
Zu herrlich nicht, zu stolz mir geworden bist;
Du möchtest immer eilen, könnt' ich,
Göttlicher Wandrer, mit dir! – doch lächelst
Des frohen Übermütigen du, daß er
Dir gleichen möchte; segne mir lieber denn
Mein sterblich Tun und heitre wieder,
Gütiger! heute den stillen Pfad mir!
*
Vor seiner Hütte ruhigem Schatten sitzt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.
Wohl kehren jetzt die Schiffer zum Hafen auch,
In fernen Städten fröhlich verrauscht des Markts
Geschäft'ger Lärm; in stiller Laube
Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.
Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh' und Ruh'
Ist alles freudig; warum schläft denn
Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?
Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
Unzählig blühn die Rosen, und ruhig scheint
Die goldne Welt; o dorthin nehmt mich,
Purpurne Wolken! und mögen droben
In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Leid! –
Doch, wie verscheucht von törichter Bitte, flieht
Der Zauber! dunkel wird's, und einsam
Unter dem Himmel, wie immer, bin ich.
Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt
Das Herz, doch endlich, Jugend, verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter.
*
In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
Und all' der holden Hügel, die dich
Wanderer kennen, ist keiner fremd mir.
Auf ihren Gipfeln löste des Himmels Lust
Mir oft der Knechtschaft Schmerzen; und aus dem Tal,
Wie Leben aus dem Freudebecher,
Glänzte die bläuliche Silberwelle.
Der Berge Quellen eilen hinab zu dir,
Mit ihnen auch mein Herz, und du nahmst uns mit
Zum still erhabnen Rhein, zu seinen
Städten hinunter und lust'gen Inseln. –
Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug' entflieht,
Verlangend nach den Reizen der Erde, mir
Zum goldenen Paktol, zu Smyrnas
Ufer, zu Ilions Wald. Auch möcht' ich
Bei Sunium oft landen, den stummen Pfad
Nach deinen Säulen fragen, Olympion!
Noch eh' der Sturmwind und das Alter
Hin in den Schutt der Athenertempel
Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt;
Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,
Die nicht mehr ist. Und o ihr schönen
Inseln Ioniens! wo die Meerluft
Die heißen Ufer kühlt und den Lorbeerwald
Durchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstock wärmt;
Ach! wo ein goldner Herbst dem armen
Volk in Gesänge die Seufzer wandelt,
Wenn sein Granatbaum reift, wenn aus grüner Nacht
Die Pomeranze blinkt, und der Mastixbaum
Von Harze träuft, und Pauk' und Zimbel
Zum labyrinthischen Tanze klingen.
Zu euch, ihr Inseln! bringt mich vielleicht, zu euch,
Mein Schutzgeist einst; doch weicht mir aus treuem Sinn
Auch da mein Neckar nicht mit seinen
Lieblichen Wiesen und Uferweiden.
*
Geh unter, schöne Sonne, sie achteten
Nur wenig dein, sie kannten dich, heil'ge, nicht,
Denn mühelos und stille bist du
Über den Mühsamen aufgegangen.
Mir gehst du freundlich unter und auf, o Licht,
Und wohl erkennt mein Auge dich, herrliches!
Denn göttlich stille ehren lernt ich,
Da Diotima den Sinn mir heilte.
O du, des Himmels Botin, wie lauscht ich dir,
Dir, Diotima! Liebe, wie sah von dir
Zum goldnen Tage dieses Auge
Staunend und dankend empor. Da rauschten
Lebendiger die Quellen, es atmeten
Der dunkeln Erde Blüten mich liebend an,
Und lächelnd über Silberwolken
Neigte sich segnend herab der Äther.
*
3.
Licht der Liebe! scheinest du denn auch Toten, du goldnes!
Bilder aus hellerer Zeit, leuchtet ihr mir in die Nacht?
Liebliche Gärten, seid, ihr abendrötlichen Berge,
Seid willkommen, und ihr, schweigende Pfade des Hains,
Zeugen himmlischen Glücks, und ihr, hochschauende Sterne,
Die mir damals oft segnende Blicke gegönnt!
Euch, ihr Liebenden, auch, ihr schönen Kinder des Maitags,
Stille Rosen und euch, Lilien, nenn' ich noch oft!
Ihr Vertrauten! ihr Lebenden all', einst nahe dem Herzen,
Einst wahrhaftiger, einst heller und schöner gesehn.
Wohl gehn Frühlinge fort, ein Jahr verdränget das andre,
Wechselnd und streitend, so tost droben vorüber die Zeit
Über sterblichem Haupt, doch nicht, vor seligen Augen,
Und den Liebenden ist anderes Leben geschenkt.
Denn sie alle, die Tag' und Jahre der Sterne, sie waren,
Diotima! um uns innig und ewig vereint.
4.
Aber wir, zufrieden gesellt, wie die liebenden Schwäne,
Wenn sie ruhen am See, oder, auf Wellen gewiegt,
Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken sich spiegeln,
Und ätherisches Blau unter den Schiffenden wallt,
So auf Erden wandelten wir. And drohte der Nord auch,
Er, der Liebenden Feind, klagenbereitend, und fiel
Von den Ästen das Laub, und flog im Winde der Regen,
Ruhig lächelten wir, fühlten den eigenen Gott
Unter trautem Gespräch, in
einem Seelengesange,
Ganz in Frieden mit uns kindlich und freudig allein.
Aber das Haus ist öde mir nun, und sie haben mein Auge
Mir genommen, auch mich hab' ich verloren mit ihr.
Darum irr' ich umher und wohl, wie die Schatten, so muß ich
Leben, und sinnlos dünkt lange das übrige mir.
9.
Komm! es war wie ein Traum! Die blutenden Fittiche sind ja
Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all!
Großes zu finden ist viel, ist viel noch übrig, und wer so
Liebte, gehet, er muß, gehet zu Göttern die Bahn.
Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten,
Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr,
Fromme Bitten, und ihr, Begeisterungen, und all ihr
Guten Genien, die gerne bei Liebenden sind.
Bleibt so lange mit uns, bis wir mit gemeinsamem Boden,
Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit,
Dort, wo die Adler sind, die Gestirne, die Boten des Vaters,
Dort, wo die Musen, woher Helden und Liebende sind,
Dort uns, oder auch hier, auf tauender Insel begegnen,
Wo die Unsrigen erst, blühend in Gärten gesellt,
Wo die Gesänge wahr, und länger die Frühlinge schön sind,
Und von neuem ein Jahr unserer Seele beginnt!
*
In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun,
Geläutert ist die Traub', und der Hain ist rot
Von Obst, wenn schon der holden Blüten
Manche der Erde zum Danke fielen.
Und rings im Felde, wo ich den Pfad hinaus,
Den stillen, wandle, ist den Zufriedenen
Ihr Gut gereift, und viel der frohen
Mühe gewähret der Reichtum ihnen.
Vom Himmel lächelt zu den Geschäftigen
Durch ihre Bäume milde das Licht herab.
Die Freude teilend, denn es wuchs durch
Hände der Menschen allein die Frucht nicht.
Und leuchtest du, o goldnes, auch mir, und wehst
Auch du mir wieder, Lüftchen, als segnetest
Du eine Freude mir, wie einst, und
Irrst, wie um Glückliche, mir am Busen?
Einst war ich's, doch, wie Rosen, vergänglich war
Das fromme Leben, ach! und es mahnen noch,
Die blühend mir geblieben sind, die
Holden Gestirne zu oft mich dessen.
Beglückt, wem ruhig liebend ein frommes Weib
Am eignen Herd in friedlicher Heimat lebt,
Es leuchtet über festem Boden
Schöner sein Himmel dem sichern Manne.
Denn, wie die Pflanze, wurzelt auf eignem Grund
Sie nicht, verglüht die Seele des Sterblichen,
Der mit dem Tageslichte nur, ein
Armer, auf heiliger Erde wandelt.
Zu mächtig, ach! ihr himmlischen Höhen, zieht
Ihr mich empor; bei Stürmen, am heitern Tag
Fühl' ich verzehrend euch am Busen
Wechseln, ihr wandelnden Götterkräfte.
Doch heute laßt mich stille den trauten Pfad
Zum Haine gehn, dem golden sein sterbend Laub
Die Wipfel schmückt, und kränzt auch mir die
Stirne, ihr holden Erinnerungen!
Und daß doch mir, zu retten mein sterblich Herz,
Wie andern, eine bleibende Stätte sei,
Und heimatlos die Seele mir nicht
Über das Leben hinweg sich sehne,
Sei du, Gesang! mein freundlich Asyl! sei du,
Gepflegt, du Garten, wo ich wandelnd
Unter den Blüten, den immer jungen,
In sichrer Einfalt wohne, wenn draußen mir
Mit ihren Wellen allen die mächt'ge Zeit,
Die wandelbare, fern rauscht und die
Stillere Sonne mein Wirken fördert.
Ihr segnet gütig jedem der Sterblichen,
Ihr reinen Himmelskräfte, sein Eigentum,
O segnet meines auch und daß zu
Frühe die Parze den Traum nicht ende.
*
Alter Vater! du blickst immer, wie ehmals, noch,
Da du gerne gelebt unter den Sterblichen,
Aber ruhiger nur und
Wie die Seligen heiterer,
In die Wohnung, wo dich Vater! das Söhnlein nennt,
Wo es lächelnd vor dir spielt und den Mutwill übt,
Wie die Lämmer im Feld, auf
Grünem Teppiche, den zur Lust
Ihm die Mutter gegönnt. Ferne sich haltend, sieht
Ihm die Liebende zu, wundert der Sprache schon
Und des jungen Verstandes
Und des blühenden Auges sich.
Und an andere Zeit mahnt sie der Mann, dein Sohn,
An die Lüfte des Mai's, da er geseufzt um sie,
An die Bräutigamstage,
Wo der Stolze die Demut lernt;
Doch es wandte sich bald. Sicherer, denn er war,
Ist er, herrlicher ist unter den Seinigen
Nun der Zweifachgeliebte,
Und ihm gehet sein Tagewerk.
Stiller Vater! auch du lebtest und liebtest so;
Darum wohnest du nun, als ein Unsterblicher,
Bei den Kindern, und Segen,
Wie aus Wolken des Himmels, kömmt
Öfters über das Haus, ruhiger Mann! von dir,
Und es mehrt sich, es reift, edler von Jahr zu Jahr,
In bescheidenem Glücke,
Was mit Hoffnungen du gepflanzt.
Die du liebend erzogst, siehe! sie grünen dir,
Deine Bäume, wie sonst, breiten ums Haus den Arm,
Voll von dankenden Gaben;
Sicher stehen die Stämme schon.
Und am Hügel hinab, wo du den sonnigen
Boden ihnen gebaut, neigen und schwingen sich
Deine freudigen Reben,
Trunken, purpurner Trauben voll.
Aber unten im Haus ruhet, besorgt von dir,
Der gekelterte Wein; teuer ist der dem Sohn,
Und er sparet zum Feste das
Alte, lautere Feuer sich.
Dann beim nächtlichen Mahl, wenn er, in Lust und Ernst,
Von Vergangenem viel, vieles von Künftigem
Mit den Freunden gesprochen,
Und der letzte Gesang verhallt,
Hält er höher den Kelch, siehet dein Bild und spricht:
»Deiner denken wir nun, dein, und so werd' und bleib'
Ihre Ehre des Hauses
Guten Genien, hier und sonst!«
Und es tönen zum Dank hell die Kristalle dir,
Und die Mutter, sie reicht heute zum erstenmal,
Daß es wisse vom Feste,
Auch dem Kinde von deinem Trank.
*
Da ich ein Knabe war,
Rettet' ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
Da spielt ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.
Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreuest,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme strecken,
So hast du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und wie Endymion
War ich dein Liebling,
Heilige Luna.
O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Daß ihr wüßtet,
Wie euch meine Seele geliebt!
Zwar damals rief ich noch nicht
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie Menschen sich nennen,
Als kennten sie sich.
Doch kannt ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Äthers,
Des Menschen Wort verstand ich nie.
Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains,
Und lieben lernt ich
Unter den Blumen.
Im Arme der Götter wuchs ich groß.
*
... da entführte
Mich schneller, denn ich vermutet,
Und weit, wohin ich nimmer
Zu kommen gedacht, ein Genius mich
Vom eigenen Haus! Es dämmerten
Im Zwielicht, da ich ging,
Der schattige Wald
Und die sehnsüchtigen Bäche
Der Heimat, nimmer kannt' ich die Länder.
Doch bald in frischem Glanze,
Geheimnisvoll
Im goldnen Rauche blühte,
Schnell aufgewachsen
Mit Schritten der Sonne,
Mit tausend Gipfeln duftend,
Mir Asia auf, und geblendet sucht'
Ich eines, das ich kannte, denn ungewohnt
War ich der breiten Gassen, wo herab
Vom Tmolus fährt
Der goldgeschmückte Paktol
Und Taurus steht und Messagis,
Und voll von Blumen der Garten,
Ein stilles Feuer. Aber im Lichte
Blüht hoch der silberne Schnee,
Und unsterblichen Lebens Zeug',
An unzugangbaren Wänden
Uralt der Efeu wächst und getragen sind
Von lebenden Zedern und Lorbeern Säulen,
Die feierlichen,
Die göttlich gebauten Paläste.
Es rauschen aber um Asias Tore,
Hinziehend da und dort
In ungewisser Meeresebene,
Der schattenlosen Straßen genug,
Doch kennt die Inseln der Schiffer,
Und da ich hörte,
Der nahegelegenen eine
Sei Patmos,
Verlangte mich sehr,
Dort einzukehren und dort
Der dunkeln Grotte zu nahen.
Denn nicht wie Cypros,
Die quellenreiche, oder
Der andern eine,
Wohnt herrlich Patmos.
Gastfreundlich aber ist
Im ärmeren Hause
Sie dennoch.
Und wenn vom Schiffbruch, oder klagend
Um die Heimat oder
Den abgeschiedenen Freund,
Ihr nahet einer
Der Fremden, hört sie es gern und ihre Kinder,
Die Stimmen des heißen Haines,
Und, wo der Sand fällt und sich spaltet
Des Feldes Fläche, die Laute,
Sie hören ihn, und liebend tönt
Es wider von den Klagen des Mannes. So pflegte
Sie einst des Gottgeliebten,
Des Sehers, der in seliger Jugend war
Gegangen mit
Dem Sohne des Höchsten, unzertrennlich; denn
Es liebte der Gewittertragende die Einfalt
Des Jüngers, und es sahe der achtsame Mann
Das Angesicht des Gottes genau.
Da beim Geheimnisse des Weinstocks sie
Zusammensaßen zu der Stunde des Gastmahls,
Und – in der großen Seele ruhig ahnend den Tod –
Aussprach der Herr die letzte Liebe, denn nie genug
Hatt' er, von Güte zu sagen,
Der Worte damals, und zu erheitern, da
Er's sahe, das Zürnen der Welt.
Denn alles ist gut. Darauf starb er. Vieles wäre
Zu sagen davon. Und es sahn ihn, wie er siegend blickte,
Den Freudigsten, die Freunde noch zuletzt.
Doch trauerten sie, da nun
Es Abend worden, erstaunt.
Denn Großentschiedenes hatten in der Seele
Die Männer, aber sie liebten unter der Sonne
Das Leben, und lassen wollten sie nicht
Vom Angesichte des Herrn
Und der Heimat. Eingeboren war,
Wie Feuer im Eisen, das, und ihnen ging
Zur Seite der Schatten des Lieben.
Darum auch sandt er ihnen
Den Geist, und freilich bebte
Das Haus, und die Wetter Gottes rollten
Ferndonnernd über
Die ahnenden Häupter, da schwersinnend
Versammelt waren die Toteshelden,
Jetzt, da er, scheidend,
Noch einmal ihnen erschien.
Da, heißet es, erlosch der Sonne Tag,
Der königliche, und zerbrach
Den geradestrahlenden,
Den Zepter, göttlich leidend, von selbst,
Denn wiederkommen sollt es
Zu rechter Zeit. Nicht wär' es gut
Gewesen später und, schroff abbrechend, untreu
Der Menschen Werk, und Freude war es
Von nun an,
Zu wohnen in liebender Nacht und bewahren
In einfältigen Augen, unverwandt
Abgründe der Weisheit. Und manchem ward
Sein Vaterland ein kleiner Raum.
*
Mit gelben Blumen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilig nüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein
Und Schatten der Erde?
Die Mauem stehen
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
*