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(1835-1902)
Sonnenschein auf allen Dächern;
In den Gassen laue Luft.
Silberbläulich strahlt der Himmel,
Und die Berge stehn in Duft.
Junges Herz, hinaus ins Freie
Und vorbei an Liebchens Haus!
Schau, vor ihrem offnen Fenster
Steht ein frischer Blumenstrauß!
Auf! Hinaus durch Tor und Brücke!
Fern durch Wald und Wies' und Hag!
Nur im Wandern wird genossen
Dieser erste Frühlingstag.
Müd' vom Jubel, müd' vom Sehnen
Und vom Wandern reg und warm
Kehr' ich auf verstohlnen Wegen
Heimwärts in der Liebsten Arm.
Bring' ihr Küsse, bring' ihr Lieder,
Wie man's hört im grünen Hag:
Nur in Liedern, nur in Küssen
Endet recht der Frühlingstag.
*
Am alten Zwingergraben,
Da steht manch hohes Erkerhaus;
Da schaun in hellen Tagen
Jungfräulein viel heraus.
Wer ist die Allerschönste?
Lustwandelnd streiten sich die Herrn;
Ich wüßt' es wohl zu sagen,
Doch ich bin allzufern.
Als ich von dannen mußte,
Am Fenster lehnt mein armes Kind.
Der Schnee fiel dicht hernieder;
Mein Blick, der wurde blind.
Wie blühn die fremden Frauen!
Das scherzt und kichert um mich her: –
Nach deiner Augen Weinen,
Da wird das Herz mir schwer.
An deines Daches Giebel
Hängt hoch ein leeres Schwalbennest:
Gib acht, es füllt sich wieder
Zu Ostern auf das Fest
Und durch die Weinbergfurchen
Geschmolzen rauscht der Winterschnee:
Vor Freuden sollst du weinen,
Wenn ich dich wiederseh'!
*
Kein Trauerzeichen trägt der Ort,
Drauf todwund du gesunken.
Nur bunter blüht die Erde fort,
Die einst dein Blut getrunken.
Wer fühlt mit uns? Stiefmutter Natur,
Zu groß für Hassen und Lieben,
Hat spielend unsres Namens Spur
Ins rinnende Wasser geschrieben.
Was blieb, o Bruder, noch von dir?
Nachdem verhallt die Klage,
Lebst du verbleichend nur in mir,
Ein Traumbild meiner Tage.
Und all das namenlose Leid,
Der Jammer unermessen
Ist über eine kleine Zeit
Mit dir und mir vergessen.
*
Bergeinsamkeit,
Dein denk' ich sehnend manchen Tag,
Da ich in Blütenbüschen
Zur Frühlingszeit
Mit meinem Liebchen lag.
Der Lippen Spiel
Gab heißer jeden Kuß zurück;
Wir tauschten Blüt' um Blüte
Und hofften viel
Und glaubten an das Glück.
Was hofften wir?
Wir waren arm an Gut und Geld;
Das Glück ging mit den Winden:
Sie schied von mir, –
Und ich zog in die Welt.
O Bergesgrün,
Wie mag die Luft dort einsam wehn!
Verwachsen sind die Steige;
Die Blumen blühn
Und welken ungesehn.
*
Unter blühenden Bäumen
Lieg' ich in Einsamkeit,
Von alter Zeit,
Von alter Liebe zu träumen.
Sehnsüchtige Stille ringsumher,
Nur Bienengesumm
Und fern im Tal ein Glockenklang:
Ob Hochzeitläuten,
Ob Grabgesang,
Ich will's nicht deuten.
Lenzwolken ziehn mit sanftem Flug.
O Jugendleben,
Das lang verblich,
O Frühlingsweben,
Was lockst du mich?
Goldsonnige Fernen lachen.
Neues Hoffen, neuer Trug!
Lenz, des Zaubers ist genug!
Nein, wieg' mich ein
Zur süßen Ruh'
Und decke du
Mein träumend Haupt mit Blüten zu!
Rosige Dämmrung hüllt mich ein:
O seliges Verschollensein,
Schlafen und nimmer erwachen!
*
Ich sah ein Weib in Dämmerlüften;
Aus Sternglanz wob sie ihr Gewand.
Sie stand auf grasverdeckten Grüften
Mit Saat und Sichel in der Hand.
Vor ihr im Staub rief um Erbarmen
Ein zahllos Volk mit Weh und Ach.
Sie flehten mit erhobnen Armen,
Und jammernd scholl es tausendfach:
»O wehr' dem Tod, dem Nimmersatten!
Natur, was tat dir unser Glück?
Gib mir mein Kind! Gib mir den Gatten!
Nur einen Tag gib ihn zurück!« –
Sie sah mit keinem Blicke nieder,
Hinstarrend in ihr ew'ges Reich:
»Was ich vereint, das trenn' ich wieder.
Ihr wißt es. Warum liebt ihr euch?«
*
Du ziehst hinein, du ziehst hinaus,
Ein flücht'ger Gast im eignen Haus.
Drum wird dir Liebe zum Geleit:
Sie legt ins Heut' die Ewigkeit.
*