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Christian Wagner

(1835-1918)

Wagner, Christian

 

Spätes Erwachen

So wie ein Mensch nach lärmendem Gelag
Noch spät zu Mitternacht nicht schlafen mag
Und seine Ruh erst findet knapp vor Tag;

Und süß erst schläft beim hellen Morgenschein,
So reichte in die Jugend mir hinein
Versäumter Schlaf von einem vorigen Sein.

O wüßt ich doch, was mich nicht schlafen ließ!
Ob mich ein Gott vom Bacchanal verstieß?
Ob ich betrunken kam vom Paradies?

*

 

Im Walde

Als ich im Wald mich erging,
Rosengeschling
Sich mir an die Kleider hing.
      O schlängest auch du
      Zu meiner Seele Ruh'
      Um mich die Arme fester,
      Du Rosenschwester!

*

 

Im Frühling

Und treten mich an im Haine
Schön silbrig im Frühlingsscheine,
Windröslein mit mildem Grüßen,
So ist mir immer, als müssen
All meine durch Schuld verlornen,
Nun wieder durchs Lied gebornen,
Süßen, frommen
Glückstage auch wieder kommen.

*

 

Dereinst

Es wird dereinst auf Erden
Noch sein ein Ruhen:
Bei vollen Truhen
Sie schlafen werden.

Es wird dereinst auf Erden
Noch sein Genügen:
In vollen Zügen
Sie trinken werden.

Es wird dereinst auf Erden
Noch sein Gewähren:
In Königsehren
Sie thronen werden.

Es wird dereinst auf Erden
Nicht sein mehr Hoffen:
Den Himmel offen
Sie sehen werden.

*

 

Meine Bitte

Zerbröckle, wenn ich tot bin, seliges Licht,
Zu Werktagsschlacken mir mein Wesen nicht!

Zu duftigen Blumen in dem Lenzgefild
Und zu der Rosen liebem Schönheitsbild

Und zu der Lieder seligen Melodien,
Schallwellen, die durch Menschenseelen ziehn

Und sie erheben in der Andacht Dom,
Woll'st du verwenden jedes Staubatom!

*

 

Du

Da du getreten in mein Leben ein,
Da wich die Nacht dem hellen Morgenschein;
Weit offen stand des Himmels festlich Tor,
Und eine Rosenlandschaft stieg empor.

*

 

Schlummerfrist

Lüft' mir den Vorhang, daß ich möge künden
Das Schicksal derer in den Schattengründen,
Der Tausende, die täglich scheu und bang
Die stillen Todespfade gehn entlang:
Sie finden Ruhe in den stillen Hallen
Vom mühevollen bangen Erdenwallen,
Doch weil auf Erden alles endlich ist,
So muß auch enden ihre Schlummerfrist,
Denn keine Nacht ist, die da ewig währet.

Wenn alles Alte längst vergessen ist,
In der Erinnrung alles ausgewischt,
All das Vergangne völlig aufgezehret,
Dann kommt die Zeit, daß das, was übrig ist,
Von Lenzgefühlen wundersam durchfrischt
Als neuer Keim ins Leben wiederkehret.

*

 

Am Ostersamstag

Wie die Frauen
Zions wohl dereinst beim matten Grauen
Jenes Trauertags beisammen standen,
Nicht mehr Worte, nur noch Tränen fanden,

So noch heute
Stehen, als in ferne Zeit verstreute
Bleiche Zionstöchter, Anemonen
In des Nordens winterlichen Zonen.

Vom Gewimmel
Dichter Flocken ist ganz trüb der Himmel.
Traurig stehen sie, die Köpfchen hängend,
Und in Gruppen sich zusammendrängend.

Also einsam,
Zehn und zwölfe hier so leidgemeinsam,
Da und dort verstreut auf grauer Öde,
Weiße Tüchlein aufgebunden jede.

Also trauernd,
Innerlich vor Frost zusammenschauernd,
Stehn alljährlich sie als Klagebildnis
In des winterlichen Waldes Wildnis.

*

 

Nachtkerzen

Aufgebunden drüben ist der Haber,
Aber leuchtend so wie Kandelaber
Stehen Blumen hier, mit heil'gem Feuer
Zu erhellen dieses Steingemäuer,
Stehen Blumen hier, in finstern Nächten
Krieg zu führen mit den Dunkelmächten.

Als des Lichtgotts treue Priesterinnen
Stehen sie, die Leuchterträgerinnen,
Zu erhellen diese Dunkelpfade,
Und daß keiner, keiner nehme Schade
Von den Schnittern allen, von den frommen
Garbenbindern, die vorüber kommen.

*

 

Märchen von der Seerose

Zu der Jungfrau spricht der edle Freier:
      »Mägdlein schön!
Täglich geh vorüber ich am Weiher,
      Dich zu sehn.

Sieh, o Mägdlein, sieh, ich will dich freien!
      Liebchen traut!
Meine Mutter, wie wird die sich freuen
      Ob der Braut!«

»Nun, mein Vater hält mich nicht geringe,
      Bringt stets viel
Muscheln, Perlen, goldne Fingerringe
      Mir zum Spiel.«

»Sieh mein Schloß dort, jene stolze Feste
      Morgenklar,
Deines Winkes harrt dort die betreßte
      Dienerschar.«

»Ich besitze auch ein Schloß zu eigen,
      Reich an Zier;
Blau- und goldgeschmückte Diener neigen
      Sich vor mir.«

»Sieh, die Mutter hat der Betten viele,
      Warm und weich.
Hat der Decken und gestickten Pfühle
      Fürsten gleich.«

»Nun, auch mein Haus hat der Ruhestätten
      Manche, schau!
Doch die schönsten sind die Schaukelbetten
      Himmelblau.«

»Sieh, ein Brautkleid kauf' ich dir von Seide
      Dicht und fein.
Und die schönen Erkerzimmer beide
      Sind dann dein.«

»Mein Gewand umgibt auch ein Gefunkel,
      Glitzert nach;
Und kristallen ist mein dämmerdunkel
      Schlafgemach.«

»Sieh, ich schwör' beim Kreuze und beim Schwerte,
      Dich zu frei'n!
Meine liebe, treue Burgfrau werde,
      Liebchen mein!«

»Meinem Vater muß ich's vorher sagen
      Heute gleich;
In drei Tagen komme anzufragen
      An den Teich.

König ist mein Vater, heißt der Große
      Rings im Land;
Statt des Zepters eine Wasserrose
      In der Hand.

Siehst du dann am Uferrand mich sitzen
      Hier im Grün,
Die Gewänder von Demanten blitzen,
      Nimm mich hin!

Aber hörst du schilfdurchklirrte Stimmen
      Aus dem See;
Siehst du Rosen auf dem Wasser schwimmen –
      Dann Ade!«

*

 

Blumen neben dem Krankenbett

Gartenwinden, strahlig und geflammt,
Eingefaßt von blauem Seidensamt,
Braune Nelken, brechend aus der Hülle
Ihrer Kelche in der Düfte Fülle.

Ringelblumen so wie Flittergold,
Das die Junisonne aufgerollt,
Bohnenblüten an des Zweigs Geschwinge
Scharlachrote kleine Schmetterlinge.

Gartenwicken, himmelblau beschwingt,
Wie ein Falter, der zum Himmel dringt,
Hehr und glanzvoll seine Flügel spaltet,
Wieder sich zur Ruh' zusammenfaltet,

Standen da vor mir in einem Glas,
Da ich krank in meinem Bette saß:
Mußte nicht frisch Leben sich entfachen
Bei dem Segnen dieser Blumenwachen?

*

 

Am Fensterbrett

Ob am Fensterbrett wir Nelken stehn,
Frische Luft und Morgentau zu saugen,
Oder braun und blaue Mädchenaugen
Durch die Scheiben auf die Gasse spähn –

Ob am Fensterbrett wir Nelken blühn,
Voll entströmend unsre Duftgesänge,
Oder ob der Spinnerinnen Klänge
Süß und klangvoll durch die Nacht verglühn –

Wessen Geist als Wunderflocken auch
Uns verstreute auf die Erdenhügel:
Flocken sind wir von dem gleichen Flügel,
Stimmen sind wir von dem gleichen Hauch.

*

 

Holderbaum

Was kündet dir von ihrem Baum Frau Holle?
Das reinste Glück klebt an der Heimatscholle.

Aus diesem Baume sprechen deine Ahnen,
Sie wollen dich zum Bleiben hier gemahnen.

Dies Vaterhaus, von Holder übersponnen,
Wird bergen dir den reichsten Liebesbronnen.

Dies niedre Dach, verhängt von Blütendolden,
Gerät dir wohl zu einer Halle golden.

Denn nicht die Arbeit birgt sich drin von heute,
Auch des Vergangnen ferne Siegesbeute.

Es haust ein [Ahnherr] drin, ein grauer Alter,
Es wohnen Geister drin als Hausverwalter.

Was das Geschlecht zusammen sich gewoben,
Dir, ihrem Enkel, ist es aufgehoben.

*

 

Eine Weihnachtsvision

Zur Weihnachtszeit
Tief wegverschneit,
Durch Wald und Tann
Geht heim ein Mann.

Es blinkt das Eis,
Der Schnee glänzt weiß,
Der Mond scheint hell
Auf freier Stell'.

Rings Hürden stehn,
Und Schafe gehn
Im tiefen Schnee,
Wie sonst im Klee.

Kein Schäfer weit
Ringsum und breit,
Kein Hund dabei,
Kein Laut, kein Schrei.

Und alle schaun
Ihn an, o Graun!
Umstehn ihn dicht
Beim Mondenlicht.

Er betet leis
In ihrem Kreis,
Er betet warm:
Daß Gott erbarm!

Und Wort für Wort
So tönt es fort,
Rings in der Rund
Von Mund zu Mund.

Ein Stimmlein spricht:
Verlaß uns nicht!
Du bist es doch,
Der unser Joch

Nun jetzt zerbricht?
Der Heiland? – Nicht?
Den wir so lang
Ersehnt so bang?

Das letztemal
Im Eibental,
Als Weihnacht war
Vor tausend Jahr.

»Daß Gott erbarm!«
Stöhnt auf der Schwarm,
»Er ist es nicht!
Ums Haupt kein Licht!«

»O weh! O weh!«
Weint's von der Höh,
Und wimmert's rund
Im Tannengrund.

In Wölklein klar
Zerfließt die Schar,
Löst sich in Duft.
Ein Stimmlein ruft:

»Fahr', Hoffen! Fahr'!
Nach tausend Jahr'
Im Zederntal
Das nächstemal!«

*

 

Erinnerungen hinter der Erinnerung

Strahlt nicht auf mitunter, so zu Zeiten
Kunde her von unsern Ewigkeiten?

So urplötzlich und so blitzesschnelle
Wie die blanke Spieglung einer Welle?

Wie die ferne Spieglung eines bunten
Kleinen Scherbens an dem Kehricht drunten?

Wie die rasche Spieglung einer blinden
Fensterscheibe am Gehöft dahinten?

Die metall'ne Spieglung einer blanken
Pflugschar drüben an der Wiese Schranken?

Augenblicks mit Licht dich übergießend.
Augenblicklich in ein Nichts zerfließend?

*

 

Tausend Male

Tausend Male werd' ich schlafen gehen,
Wandrer ich, so müd und lebenssatt;
Tausend Male werd' ich auferstehen.
Ich Verklärter, in der seligen Stadt.

Tausend Male werde ich noch trinken,
Wandrer ich, aus des Vergessens Strom;
Tausend Male werd' ich niedersinken,
Ich Verklärter, in dem seligen Dom.

Tausend Male werd' ich von der Erden
Abschied nehmen durch das finstre Tor;
Tausend Male werd' ich selig werden,
Ich Verklärter, in dem seligen Chor.

*

 

Grab in Pompeji

Vejus, sieh: An deinem Wiegenfeste
Bringen wir des Liebesmahles Reste,

Süße Trauben, einen Apfelkuchen,
Eine Torte, die du magst versuchen,

Eine Birne, eine Honigflade
Her zu dir in deine Totenlade.

Wollen sitzend hier auf diesen Bänken
Unsers lieben Vejus noch gedenken.

Wollen spähen, ob nicht deine Stele
Durch ein kleines Nicken sich empfehle,

Und so heimlich aus dem Aschenkruge
Nicht hervor ein kleines Köpfchen luge?

*

 

Gewährung

»Verhülle, Nacht, was dieser Tag getan!,
Zerstreue, Licht, das Leid, das sie gebracht!« –
Es ließ der Tag sich schön und freundlich an,
Und still verschwiegen ließ sich an die Nacht.

»Bestatte, Schnee, was dieses Jahr uns nahm!
O heile, Lenz, was jüngst uns widerfuhr!« –
Mit weißen Tüchern frisch der Winter kam,
Und über Nacht da ward sie grün, die Flur.

*

 

Geburtsweihe

Nun du wieder kamest nach der frommen
                        Süßen Rast,
Sei willkommen uns, o sei willkommen
                          Kleiner Gast!

Glück und Segen mögen dich geleiten
                        Um und an,
Noch hast du den Blick in ferne Weiten
                        Nicht getan.

Hier die Brote, dort des heil'gen Weines
                          Fromm Getränk:
Laßt uns feiern heut der Gottheit reines
                          Weihgeschenk,
Und indem dein Bettlein wir umwandern
                          Schritt für Schritt,
Bring' ein jedes von uns einen andern
                        Wunsch dir mit! –

Ja und Amen denn! – Zum Schluß des Ganzen
                        Nicht vergeßt
Auch ein kleines Bäumlein ihm zu pflanzen
                        Heut zum Fest.
Um das Bettlein eine Blättergarbe
                          Walle kühn,
Daß dem Auge ewig heil'ge Farbe
                        Sei das Grün!

*

 

Totenfeier

Auf, heran zu diesen Mutterfeiern,
                        Kinder, kommt!
Tun wir, was uns selber, was der teuren
                        Toten frommt:
Ihr Geburtstag ist. Nach frommer Sitte
                        Schön und wahr
Bitten wir sie her in unsrer Mitte
                        Kleine Schar.

Ihren Sessel rücket an die Stelle,
                        Wo er stand.
Ehe noch des Auges klare Helle
                        Ihr entschwand;
Bringt ihr Leibgericht, und ihren Teller
                        Füllet frisch.
Stellt ihr Glas mit goldnem Muskateller
                        Auf den Tisch!

Also stehet: Alle Sinne schärfend
                        Wie auf Wacht,
Heiliger Sehnsucht-Wollen unterwerfend
                        Grab und Nacht.
Wie das Taubenweibchen zwingt des Taubers
                        Ruf zum Tann,
So herein sie zwinge unsres Zaubers
                        Mächtiger Bann!

Ach, noch immer nicht ist sie erschienen!
                        Gehn wir nicht,

Eh wir uns gelabt an ihrer Mienen
                        Seligem Licht!
Ach, noch immer nicht sind wir durchgeistert
                        So in Kraft,
Daß vom Grab empor, das wir durchmeistert,
                        Sie sich rafft.

Drum so stehet, fest und ohne Wanken,
                        Vollbewußt,
Duldet keinen anderen Gedanken
                        In der Brust
Als den einen, sie hereinzufodern
                        In den Kreis,

Laßt der Sehnsucht heilige Flammen lodern
                        Voll und heiß!

Nicht der Ladung solcher Gottbefehle
                        Fürder kann
Widerstreben die entflohne Seele
                        Mehr sodann:
Ohne Widerstand und ohne Wollen,
                        Ohne Wahl
Taucht sie plötzlich, blauer Luft entquollen,
                        Auf im Saal.

»Mutter, Mutter!« tönt's von unsren Lippen
                        In der Rund,
An dem Glase sehen wir noch nippen
                        Ihren Mund:
Wiedersehens Wonnen auf uns gießend,
                        weiß und kalt,
Ehe sie, in leichte Luft zerfließend,
                        Uns entwallt.

*

 

Eine Begegnung

Mir kaum voran, so zehn der Tritte, schritt
Ein Mägdlein vor mir in des Weges Mitt',

Ein Büschlein Reisig tragend auf dem Kopf:
Gott, wie bekannt der Gang, der schöne Zopf!

Sie ist es nicht und könnte doch es sein. –
»Gott grüße dich, du liebes Mägdelein!

Bist du entstiegen neu des Grabes Grund,
Um neu zu tragen deinen Reisigbund,

Den du getragen einst als armes Kind
Die Pfade hier so buchenschattig, lind,

Eh du geworden dann mein süßes Weib?« –
Ihr Mieder ist's, ihr Rock, ihr schlanker Leib,

Die Stimme ist's, der Gang und das Gesicht. –
Du könntest sein es, und du bist es nicht.

Du bist es nicht, und könntest doch es sein. –
»Gott grüße dich, du liebes Mägdelein!«

*

 

Herbst

Herbstwiese meiner Seele! Öd und kahl
Und ausgebrannt von heißer Tage Föhn,
Wie anders die, die ich geschaut im Tal
Von Herbstzeitlosen prangend rosenschön.

Herbstwiese meiner Seele! Ohne Tau,
Und deine Weidenbäume ohne Schlaf,
Wie anders die, bei deren Rosenschau
Mich schmerzlicher die eigene Öde traf?

*

 

Weltenbrand

Wieder ist aus ihrer Bahn gestoßen
Eine Welt von einem Namenlosen.

Vor dem Anprall voll in Donnerchören
Wird der ganze Luftkreis sich empören.

Werden ringsum, weithin, allerwegen
Die Orkane Berge niederfegen.

Werden Funken, werden Meteore,
Sengend wie ein Feuerwerk im Rohre,

Auf die Wälder, auf die Marmorhallen,
Auf des Feldes Früchte niederfallen,

Wird das Wasser in des Meeres Gründen
Sich zu einem Flammensee entzünden.

Wird das Erz in der Gebirge Stollen
Als geschmolzen flüssig niederrollen.

Aus den Dämpfen weiß und purpurfarben,
Blau und goldgrün werden Feuergarben,

Flammenzungen werden Feuersäulen,
Aberhundert, abertausend Meilen,

Hochaufschlagend in des Himmels Gründen
Weithin diesen Weltenbrand verkünden.

*

 

Oswalds Vermächtnis

Wohl genug ist's, daß die Menschheit grausend
Marterwege wandelte Jahrtausend;
Zeit nun ist's, daß sie, befreit von Sorgen,
Jetzund fei're Auferstehungsmorgen.

Zeit ist's, daß das Nachtgestirn verglühe.
Lerchen schmettern in der Morgenfrühe,
Und der junge Tag mit freud'gen Schlägen
Eilt der Sonne und dem Glanz entgegen.

So auch du, mein Sohn. – Nicht gilt's zu liegen,
Mach dich auf, den Weltkreis zu besiegen,
Von des Geistes freud'gem Flügelschlagen
Mehr und mehr zum Licht emporgetragen.

Daß im Fluge du nicht mögst ermatten,
Magst du kreisen ob der Schönheit Matten,
Niederschwebend von dem Flug nach Osten
Jede Freude, die dir rein ist, kosten.

Dein ist alles, all und jede Wonne,
Wenn sie aufgeht dir als eigne Sonne,
Jeder Tag, vom Licht emporgetragen,
Wenn er aufgeht dir als eignes Tagen.

Dein ist alles, all der Blumen Blühen,
Wenn hervor sie aus dir selber glühen,
All die Rosenknospen auf der Erden,
Wenn sie Rosen in dir selber werden.

Dein ist alles, all der Lieder Singen,
Wenn heraus sie aus dir selber klingen;
Jeder Schlag der sel'gen Philomele,
Wenn er hallt aus deiner eignen Seele.

Dein ist alles, was in Tal und Hügeln
Lichtvoll sich in dir kann widerspiegeln,
Dein die Himmel selbst und selbst die Sterne,
Wenn du Glanz hast für den Glanz der Ferne.

Bist du adlergleich heraufgekommen,
Alles Schöne in dich aufgenommen,
Göttertrank gekostet so im Fluge
Auf dem Sieges- und Erobrungszuge,

Liegt das Vorurteil, das Wahnbefangen
Zu den Füßen dir als kriegsgefangen,
Stehst du fast als wie ein Weltenmeister,
In der Hand den Feldherrnstab der Geister.

*

 

Steinegg

»Dies Schloß gehör' inskünftig der Gemeine!«
Eine Bote bracht' den fürstlichen Erlaß
Dem Gemmingen, der auf der Steinegg saß,
Da schlug er auf den Tisch: »Noch ist es reine!

Auf, Knechte, auf! Macht flugs euch auf die Beine!
Ab, Ziegel ab von jeglichem Gelaß!
Ersäuft den Turm! Er werd' zum Regenfaß,
Die Tore brecht, und rüttelt los die Steine!

Dies Haus vermach' ich Eule, Fledermaus!
Den Hof vermach' ich Eiche, Dorn und Flieder,
Die Hallen, Gänge jedem Wettergraus!

Ich überliefr' es jedem Mißgefieder,
Eh mir ein frecher Schneider schaut heraus,
Ein Bürstenbinder oder Seifensieder!«

*

 

Wein und Brot

Nur Wein und Brot sei künftig meine Speise;
Gesättigt von des Brotes heil'ger Kraft,
Schreit' mutig fort ich auf des Lebens Reise;

Gekräftigt von des Weines Feuersaft
Erring' ich mir des Lebens höchste Preise
Und fühl' mich groß in meiner Priesterschaft.

*

 


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