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Friedrich Theodor Vischer

(1807-1887)

Vischer, Friedrich Theodor

 

Kahnfahrt

Es sinkt der Tag; still wird es weit und breit. –
Auf flüsternder, auf kühler Wasserbahn
Trägt leis zwei Menschen hin ein leichter Kahn,
Zwei stille Menschen, still vor Seligkeit.

Der Mann ergreift des Weibes zarte Hand
Und spricht, indem er nah zu ihr sich bückt,
Der Stimme Zittern mühsam unterdrückt,
Mühsam die Träne, die im Aug' ihm stand:

»O möge keines von uns zweien doch
Je wiedersehn dies Land und diesen See,
Das Herz zerrissen von der Trennung Weh!«
Schon war es Nacht. Wir schwiegen. Weißt du's noch?

*

 

Das ersehnte Gewitter

Es glüht das Land, es lechzet
      Die ausgebrannte Au,
Jedwedes Wesen ächzet
      Nach einem Tropfen Tau.

O Himmel, brich! Entschließe
      Dies Blau aus sprödem Stahl,
Nur Regen, Regen gieße
      Herab ins schwüle Tal!

Er hört. Im Westen webet
      Und spinnt ein grauer Flor;
Er ballt sich, schwillt und schwebet
      Als Wolkenberg empor.

Jetzt mit den Feuerzügeln
      Fährt auf der jähe Blitz,
Und auf den luft'gen Hügeln
      Löst er sein Feldgeschütz.

Heut hat man baß geladen,
      Es zuckt wie gestern nicht
In fahlem Schwefelschwaden
      Ein stumm verglühend Licht.

Wild schießt der Strahl, der grelle,
      Aus dichter Wolkenwand,
Rings lodert Geisterhelle,
      Der Himmel steht in Brand.

Es kracht. In Ketten wandern
      Die dumpfen Donner fort,
Von einer Wacht zur andern
      Rollt hin das Schlachtenwort.

Was atmet, rauscht und sauset?
      Frischauf! der Sturmwind naht,
Der Wald erbebt und brauset,
      In Wogen geht die Saat.

Schon dampft ein Meer von Würzen
      Aus der behauchten Welt,
Und satte Wetter stürzen
      Auf das geborstne Feld.

*

 

Nachts

Sie schläft. Ein süßes Atmen hebet
      Den holden Busen sanft und leicht;
Der Geist ist in ein Land geschwebet,
      Wohin der Sorge Pfeil nicht reicht.

Scharf war die Pein der letzten Tage –
      Schließ nur die müden Augen zu!
Das Schicksal pocht mit schwerer Frage;
      Sie wird sich lösen, schlummre du.

Schlaf nur! Du brauchst es nicht zu wissen,
      Daß unter dir der Freund sich regt,
Daß er in tiefen Finsternissen
      Dein Los in seiner Brust bewegt.

Und doch! Er naht dem stillen Raume
      Mit Geistertritt und rührt sich nicht
Und horchet, ob sie nicht im Traume
      Wohl leise seinen Namen spricht.

*

 

Zwei Brüder

(Erich und Axel, Grafen von Taube, gefallen in Champigny 2. Dezember 1870)

Da liegen sie in offnen Särgen beide,
      Das Schwert zur Seite und den Lorbeerkranz;
Vom Wundenkrampf, vom letzten grimmen Leide
      Weiß nichts ihr Angesicht; zufrieden ganz,
Ganz friedlich sind die jugendlichen Züge,
Als sagten sie jedwedem, der sie früge:

Zusammen sind wir hoffnungsvoll erblühet,
      Zusammen griffen wir zur blanken Wehr,
Fürs Vaterland in tiefster Brust erglühet,
      Zusammen kämpften wir im Siegesheer,
Zusammen sind wir brüderlich gefallen,
Zusammen gehn wir in die ew'gen Hallen.

Mir aber ist vor diesem Totenbilde,
      Das wunderbar des Herzens Tiefen rührt,
Als würd' ich zu entlegenem Gefilde,
      Ins ferne Griechenland vom Geist entführt.
Dorthin, ins enge Tor der Thermopylen,
Wo die Dreihundert einst zusammen fielen.

Die schlichte Schrift am Male dieser Toten:
      »Kommst, Wandrer, du nach Sparta, melde, dort,
Daß du gehorsam, wie es uns geboten,
      Uns liegen hier gesehen« – dieses Wort,
Ihr Totenzüge, oh, ihr stillen, lieben,
Mir ist, als läs' ich es in euch geschrieben.

*

 

An Uhlands Geist

(Ems 1871, als an der Wirtstafel ein Kellner aufwartete,
der Sonntags zwei Orden trug)

Wenn heut dein Geist herniederstiege
      In diese deine deutsche Welt,
Wie sie nach neuem, heil'gem Kriege
      Ihr Haus gemauert und bestellt:
Hoch auf dem Giebel Preußens Krone,
      Der Bau ein erblich Kaisertum –
Du zögst in Falten zweifelsohne
      Die Stirn und schautest kaum dich um;

Dein Auge sänk' in seine Höhle,
      Ein Seufzer kündete dein Leid:
»Oh, von der Freiheit heil'gem Öle
      Ist solch ein Scheitel nicht geweiht!
O Tag, so bist du nicht gewesen,
      An den ich lange fromm geglaubt,
Tag, wo mein Volk sich würd' erlesen
      In freier Wahl sein Herrscherhaupt!« –

In Ehrfurcht sei von uns gebeten,
      Hieher in diesen heitern Saal
Zum Tisch der Lebenden zu treten,
      Du ernster Gast im Erdental!
Du pflegst das Volk nicht zu verachten.
      So wolle denn, von uns umringt,
Den schlanken jungen Mann betrachten,
      Der uns den Wein, die Schüsseln bringt.

Sieh hin, er trägt ein Kreuz von Eisen
      An einem schwarz und weißen Band;
Dir ist, was dieser Schmuck will heißen,
      Von alten Tagen wohlbekannt.
Doch kann er's nicht von damals haben,
      Als Erbe streicht man es nicht ein,
Es muß von diesem wackern Knaben
      Mit eignem Arm errungen sein.

Das zweite, das daneben funkelt
      Von buntem Schmelz und Goldeslicht,
Das feine Ritterkreuz verdunkelt
      Des schlichten Nachbars Ehre nicht:
Sein Landsherr hat's ihm angeheftet,
      Des Männerwertes wohl bewußt.
Gib zu: hier ist dein Wort entkräftet
      Vom trüben Stern auf kalter Brust.

Wenn er, gefällig anzuschauen,
      Mit grünen Bohnen uns bedenkt:
Jüngst hat er mit gegoss'nen blauen
      Aus heißem Rohr den Feind beschenkt.
Mit leichtem Griff befreit er eben
      Das Rebenblut aus seiner Haft:
So sachte nicht im Kampf ums Leben
      Entkorkte er den roten Saft.

Da diente er bei andrem Schmause
      Dem fürchterlichen Schlachtengott
Im mörderischen Kugelsause
      Bei Mars-la-Tour und Gravelotte.
Mit seinem Volk in Wehr und Waffen
      Hat er im blutgestriemten Feld
Redlich am Reiche mitgeschaffen,
      Zugleich ein Kellner und ein Held. –

Es taut auf deinem Angesichte;
      Dem Geist von höherem Geschlecht,
Dem Genius der Weltgeschichte
      Beugt sich der Trotz aufs alte Recht.
Noch ist nicht alles rund beisammen,
      Auch uns gefällt's nicht allerwärts,
Doch seh' ich dir das Auge flammen
      Und klopfen hör' ich dir das Herz.

*

 

Weisheitszahn

Der sogenannte Weisheitszahn,
Zwar als der letzte kommt er an,
Doch immer früh genug.
Der Name scheint mir Trug.
Der Weisheit kleine Portion,
Wozu es bringt der Erdensohn,
Sie wird mit Schmerzen erst geboren,
Wenn wir schon manchen Zahn verloren.

*

 

Alte Jungfer

Wie dauert mich ein Mägdelein,
      Das einsam sitzen bleibt,
An das ein Werbebriefelein
      Kein Herzfreund schreibt!
         Du Arme!

Hätt' auch so gern ein Kindelein
      An ihrer Brust ernährt!
»Wann stellt der brave Mann sich ein,
      Der mir's beschert?«
         Du Arme!

Sie sitzt in ihrem Kämmerlein
      Und wartet Jahr um Jahr,
Schon finden sich die Falten ein
      Und graues Haar.
         Du Arme!

Die Schwester hat schon Kinderlein,
      Als Tante hilft sie aus,
Wie besser wär' es, Mutter sein
      Im eignen Haus!
         Du Arme!

Tut manche groß und ist zu klein
      Zum schweren Übergang,
Sie schmeckt danach wie saurer Wein
      Ihr Leben lang.
         Die Arme!

Ein wackres Herze muß es sein,
      Das dieses Weh verschmerzt
Und gern im Abendsonnenschein
      Auch wieder scherzt.
         Du Gute!

Komm, heitres altes Jüngferlein,
      Und gönne mir zum Schluß
Für diese sanften Verselein
      Noch einen Kuß,
         Und lache!

*

 

Nur Traum

Wie hoch die Welt sich bäumet,
Wie laut auf breiter Spur
Das Leben schäumet,
Uns alle träumet
Der Weltgeist nur.

*

 

Schein und Sein

Was heißt denn Schein?
Was heißt denn Sein?
Das Rätsel, dacht' ich, ist nicht klein.
Da fiel mir ein Probe ein:
Das, was der Menge scheint nur Schein,
Ist Sein,
Und was ihr scheint das wahre Sein,
Ist Schein. –

Zum Schein
Sag' nein!
Zum Sein
Schlag ein.
So kannst du glücklich sein.
Freundlicher Sterne Schein
Obendrein
Wird dir zu wünschen sein.

*

 

Zu spät

Sie haben dich fortgetragen,
Ich kann es dir nicht mehr sagen,
Wie oft ich bei Tag und Nacht
Dein gedacht,
Dein und was ich dir angetan
Auf dunkler Jugendbahn.
Ich habe gezaudert, versäumet,
Hab' immer von Frist geträumet;
Über den Hügel der Wind nun weht:
Es ist zu spät.

*

 

Jugendtal

Da bist du ja im Morgenstrahl,
Mein nie vergess'nes Jugendtal!
      Der Berge Kranz, die wunderblaue Quelle,
      Städtchen und Kloster, alles ist zur Stelle.

Noch immer steigt, gezackt und wild,
Empor seltsames Felsgebild,
      Burgtrümmer schauen über Höhlenschlünde
      Auf stillen Fluß und zarte Wiesengründe.

So oft hab' ich geträumt von dir:
Fast, liebes Tal, erschienst du mir
      Als Traum, als Märchen, alte, alte Sage
      Vom Morgenland, vom jungen Erdentage.

Hier kennt mich keine Seele mehr,
Fremd sehn die Leute nach mir her,
      Doch bring' ich mit, was Einsamkeit versüßet:
      Ein Völkchen, das mich kennt und das mich grüßet.

Laut reget sich ein Knabenschwarm,
Zu zweien manche, Arm in Arm,
      Mit hellem Aug' und rosenroten Wangen
      Dort aus dem Kloster kommen sie gegangen.

O Duft, o Kelch der Blütezeit:
Der Jugend süße Trunkenheit!
      Die Liebe weint, der holde Mutwill' sprühet,
      Die Seele singt, der goldne Himmel glühet.

Wo sind sie hin? Zersprengt, verweht,
Wie Gras des Feldes hingemäht!
      Nur wenige Greise sind noch übrig blieben,
      Zu zählen, wer noch lebt von all' den Lieben.

Du dort in der gedrängten Schar,
Du mit dem weichen Lockenhaar,
      Dich kenn' ich näher, munterer Geselle,
      Ja, du bist ich auf meiner Jugend Schwelle.

Wie lachte ich das Leben an!
Wie sprang ich jauchzend in die Bahn!
      Wie arglos wohnte neben wilden Scherzen
      Gesunder Ernst im frischen, schlichten Herzen!

Fern leuchtet Rom und Griechenland
Durch die geteilte Nebelwand,
      Von Platos Silberfittichen gehoben
      Schwebt fromm und stolz der junge Geist nach oben.

Wie Licht so hell, wie Schnee so rein,
Gelobt' ich, soll mein Leben sein!
      Was wußt' ich von des Weltgangs irren Pfaden!
      Da bin ich nun, und bin so schuldbeladen.

Nicht, daß es bleiern mich beschwert,
Ich kenne meines Lebens Wert,
      Ich weiß, wie ich gestrebet und gerungen
      Und was der sauren Arbeit ist gelungen.

Doch heute, wo herauf zum Wald
Das alte Klosterglöcklein schallt,
      Heut, wo ich aus so ungeteilter Nähe
      Dem frohen Knaben in die Augen sehe,

Der ich einst war, der so vertraut,
So schuldlos mir entgegenschaut,
      Heut weiß ich nichts von meinem Tagewerke,
      Hin taut der Stolz, es beuget sich die Stärke.

Zur Felsenhöhle wandl' ich hin –
Vor Zeiten träumt' ich oft darin –;
      Laß, alt Gestein, mich heut in meinen Tränen
      Ganz still an deine graue Wand mich lehnen.

*

 

Gesellschaft

An einem Tische ganz allein
Saß ich im Wirtshaus bei meinem Wein.
In der Nebenstube war's nicht so leer,
Laut und lustig ging es da her.
Es schienen Männer in jüngeren Jahren.
Die wohl alle doch schon erfahren,
Was Leben heißt im Philistergeleis.
Und die sich verbunden zu fröhlichem Kreis.
Verschwundene Tage sich zu erneuen,
Der schönen Burschenschaft sich zu erfreuen.
Sie sangen die alten Studentenlieder –
Nach manchen Jahren hört' ich sie wieder –
Trinklieder, heiße, durstige,
Rauschige, tolle, hanswurstige.
Aber auch ernste, festlich hohe,
Lieder voll heiliger Glut und Lohe,
Wie sie erbrausten mit Sturmeskraft
Einst in der Halle der Burschenschaft.
Seltsam, als wär's mir angetan,
Kam mich ein junges Gelüsten an,
Zu den muntern Zechern hineinzudringen
Und ohne viel Vorwort mitzusingen;
Doch schien es mir ein zu kecker Schritt,
Ich ließ es und summte nur leise mit.

Auf einmal war ich nicht mehr allein,
Auch nicht zu zweien und nicht zu dreien,
Mein Tisch war voll,
Besetzt bis zum letzten Zoll.
Wohlbekannte junge Gesichter
Lachten mich an beim Schein der Lichter,
Augen blitzten, Wangen glühten,
Stirnen glänzten, Lippen blühten.
Locken wallten,
Rufe schallten,
Gefülltes Trinkhorn machte die Runde,
Scherze flogen von Mund zu Munde,
Und begann dort drinnen ein neuer Sang,
So begann er auch hier, und mit hellerem Klang.
Ja, es schien, als bleibe der andere Chor
Zurück und der unserige singe vor.

Jetzt wurde das Lied noch angestimmt
Vom bemoosten Burschen, der Abschied nimmt,
Dem die Brüder noch geben das Geleit,
Da zu Ende der Jugend goldene Zeit.
Hat's mancher mit nassen Augen gesungen,
Wenn es im trauten Kreis erklungen.
Weicher und weicher klagt die Weise,
Und von den Lippen nur noch leise
Flossen die Worte am Liedesschluß:
»Das letzte Glas, den letzten Kuß!
Ade, ade, ade,
Ja, Scheiden und Meiden tut weh!«

Nun war's still im Nebengemach,
Es verstummte der Lieder rauschender Bach.
Die Lichter drinnen löschte man aus,
Die Nachbarn Zecher gingen nach Haus.
Und wie es so still geworden war,
Verlor sich auch meiner Gesellen Schar.
Es war Mitternacht. Sie schwanden dahin,
Wie Nebelgebilde sich verziehn,
Wie ein Wölkchen verschwimmt im Mondenschein,
Und am Tische saß ich wieder allein.

Da brach ich auf und ging gelassen
Langsam heim durch die stillen Gassen
Und nannte mir zählend so im Gehn
Die Namen der Brüder, die ich gesehn,
Der guten Kameraden,
Die der Gesang zu mir geladen,
Der braven, der heitern, so frisch und rot – – –
Lebt keiner mehr, sind alle tot.

*

 

Ein Augenblick

Um die alte Stadt auf der Promenade,
Dem bequemen, beliebten Pfade,
Den die Platanen beschatten und zieren,
Ging ich am Sommerabend spazieren.
Ein Sonntag war's und ein Sonnentag,
Es wandelten Leute von allerhand Schlag,
Festlich geputzt, und alle dem Volke
Stand auf dem Gesicht keine einzige Wolke.

Da kam mir im goldnen Abendschein
Entgegen ein Kinderwägelein,
Ein nett geflochtenes auf leichten Rädchen,
Es zog ein sauberes Ulmer Mädchen.
Mein Blick fiel just ins Gefährt hinein,
Da lag ein Knabe gebettet fein,
Kaum jährig etwa, sein Angesicht
Umwob ein Schimmer von Rosenlicht,
Als ruht' er in einem Rosenhag,
Denn in den Schatten, worunter er lag,
Fiel erhellend ein Widerschein
Vom farbigen Obdach im Wägelein,
Auch kam von außen der Glanz ergossen,
Denn ganz mit Licht war die Luft umflossen;
Ja, vom Kind auch schien es auszugehn,
Denn ein schöneres hab' ich noch nie gesehn;
Man glaubte Herz und Auge zu laben
An einem von Raffaels Engelknaben,
Es schwamm wie ein Bild im erleuchteten Raum,
Wie ein Feenkind, wie ein seltener Traum.

Stillbeglückt sah es vor sich hinaus
Aus seinem fahrenden kleinen Haus,
In seiner Welt ein kleiner König,
Lächelte auch dazu ein wenig,
Als schwebten ihm an der Zukunft Tor
Schon die allerhand lustigsten Streiche vor,
Die man verübt in den Tagen der Jugend,
Welche – man weiß ja – nicht hat viel Tugend;
Er schaute so hell aus den dunklen Augen,
Als möcht' er nicht immer gar zu viel taugen.
Ich sah ihn an, ich blinzte und nickte
Schmunzelnd. Der reizende Knabe blickte
Mich an und blinzte, schmunzelte, nickte.
Gel du, es ist eben gar was Gutes
Ums Existieren, schmecken tut es?
Und ein bissel Spitzbüberei
Ist eben immer auch dabei.

Er hat es mir richtig im Auge gelesen,
Der Schelm, das kleine, kaum ahnende Wesen,
Er hat es verstanden und hat es bejaht,
Der liebliche Lebenskandidat.

Ich hätt' ihn mögen vor lauter Entzücken
Aus den Polstern heben, verküssen, verdrücken,
Doch ich sagte mir: laß es lieber gehn,
Es soll so bleiben, wie es geschehn.
Es soll bleiben ein Augenblick.

Fürbaß ging ich, sah nicht zurück.
Ein alter Bekannter begegnete mir,
Er stellte mich, fragte: was ist's mit dir?
Es strahlt ja ordentlich dein Gesicht,
So heiter sah ich dich lange nicht;
Wart, ich merk's schon, du kommst vom Wein!
Ein guter muß es gewesen sein!
Ja, sagt' ich, er war nicht eben schlecht,
Noch Most, aber Ausstich, feurig und echt.

*

 

Bald

Es währt noch eine kurze Weile,
Daß du durch diese Straße gehst
Hinauf, herab die lange Zeile,
Und manchmal grüßend stille stehst.

Bald wird der ein' und andre sagen:
Den Alten sehen wir nicht mehr,
Er ging an kalt' und warmen Tagen
Doch hier sein Stündchen hin und her.

Es sei! Des Lebens volle Schalen
Hab' ich geneigt an meinen Mund,
Und auch des Lebens ganze Qualen
Hab' ich geschmeckt bis auf den Grund.

Getan ist manches, was ich sollte,
Nicht spurlos laß ich meine Bahn;
Doch manches, was ich sollt' und wollte,
Wie manches ist noch ungetan!

Wohl sinkt sie immer noch zu frühe
Herab, die wohlbekannte Nacht,
Doch wer mit aller Sorg und Mühe
Hat je sein Tagewerk vollbracht!

Schau um dich! Sieh die hellen Blicke,
Der Wangen jugendfrisches Blut,
Und sage dir: In jede Lücke
Ergießt sich junge Lebensflut.

Es ist gesorgt, brauchst nicht zu sorgen;
Mach Platz, die Menschheit stirbt nicht aus.
Sie feiert ewig neue Morgen,
Du steige fest ins dunkle Haus!

*

 


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