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Eduard Paulus

(1837-1907)

Paulus, Eduard

 

Zu meinen Füßen rauscht der Wald

Zu meinen Füßen rauscht der Wald
Und sagt, nun ist die Hochzeit bald,
Eh' die Lerchen zum Meere fliegen
Und Blätter am Boden liegen.

Vom Himmel strahlt ein schöner Stern
Und mahnt mein Herz an die Gnade des Herrn,
Er hat uns soweit geleitet
Und um uns seinen Mantel gebreitet.

Eine Rose brech ich vom Felsenrand,
Die will ich legen in deine Hand,
Die Rose wird bald vergehen,
Und unsere Liebe wird ewig bestehen.

*

 

Spruch

Gib, Vater, eine milde Nacht,
Gib eine nur zum Laben,
Dann mag der Erde wilde Macht
Mich lang mit Tränen haben,
Nenn' mich im Traume, hell und lind,
Nur einmal dein geliebtes Kind.

*

 

Ein anderer

Mit wunderbarer Stille
Geh' ich durch alle Not,
Es führt mich Gottes Wille
Getreu bis an den Tod;

Er leitet mich hinüber,
Zu schaun, was ich geglaubt,
Wie trüber auch und trüber
Um mich die Erde staubt.

Die Sprache, die ich spreche,
Oh, die versteht man nicht,
Die Blumen, die ich breche,
Erblühn im andern Licht;
Der füllt sich keine Truhe,
Der meiner warten muß,
Der legt die Pilgerschuhe
Nicht ab von seinem Fuß.

*

 

Am Biertisch

An der Bierphilister Dom
Sitz' ich wieder still und heilig,
Mich umschleicht ihr Redestrom
Unabsehbar trüb-langweilig.

In das Glück der Ewigkeit
Kann ich mich so ganz versenken,
Denn das macht sich dann erst breit,
Wenn erlosch das letzte Denken.

Ich vergesse wundersam
Dieser Erde schwere Nöte,
Gleichend einer in den Schlamm
Eingebacknen Urweltskröte.

*

 

Heimat

Das Heimattal seh' ich im Traume wieder,
Die Heideblumen, licht und mannigfalt,
Ob meinem Haupte rauscht der Buchenwald,
Die Drosseln singen ihre Abendlieder.

Durch wildverwachs'ne Schluchten steig' ich nieder,
Da steht ein Leichenstein so still und kalt,
Von einem schönen Rosenbusch umwallt,
Bedeckt von einem schattenreichen Flieder.

O weh, mir wird das Auge wieder schwer
Von längst verhaltnen Tränen, nimmermehr
Kann ich mich freuen, bald vollendet werden

Mag auch mein schwerer Bürgerlauf auf Erden,
Bin müd' geworden diese kleine Weile,
Je mehr ich wandre, um so mehr ich eile.

*

 

Maulbronn

Schon ist es Herbst, die bunten Blätter fallen
An Busch und Baum, gelöst vom Sonnenschein,
Der fließt mit hold gedämpfter Glut herein
In diese gotisch kühn gewölbten Hallen.

Fein ausgeführter Zierat sproßt an allen
Den Säulenknäufen, die aus dunklem Stein,
Da schlingt sich Eichenlaub und wilder Wein,
Da sitzen Adler mit gekrümmten Krallen.

O süßes Schweigen – um die Klostermauer
Weht leise nur der Abendwinde Schauer,
Im Garten noch die letzte Rose blüht,

Und hier der große Brunnen Perlen sprüht,
In dessen weiten, schöngeschafften Schalen
Sich Wolkenzug und Himmelsbläue malen.

*

 

Der König

Stirnbänder dort aus rotem Gold geschlagen,
Ein Eisendolch zur letzten Gegenwehr,
Man sieht die Formen so genau nicht mehr,
Weil's die Jahrtausende mit Rost benagen.

Da sitzt er auf dem erz-geschirrten Wagen,
Die treuen Rosse schlafen um ihn her.
Da sitzt er aufrecht, in der Hand den Speer,
Den er so oft in Feindesland getragen.

Sein Traum ist bleiern, über Gras dahin
Geht das Gewühl der Schlachten, ganz alleine
Bleibt er zurück, es mürben die Gebeine

In sich zusammen – neue Völker ziehn,
Mit neuen Göttern, neuem Waffenscheine,
Mit fremder Lieder fremden Melodien.

*

 

Traum

Italien sah ich heute nacht im Traum:
Es war so schön, der Efeu überrankte
Die Bergwaldtäler riesenhaft und schwankte
Im Windeshauch empor von Baum zu Baum.

Wir standen hoch an eines Hügels Saum
Und sahn hinab, und unser Auge dankte
Für all die Schönheit, die uns die erkrankte,
Zerriss'ne Seele hob wie Wellenschaum.

Des Leibes bleischwer lastendes Gewicht
Schien wunderbar von uns hinweggenommen,
Wir schritten fort, durchstrahlt von inn'rem Licht,

Von unnennbarer Seligkeit durchglommen, –
So wird es werden, wenn beim Weltgericht
Wir still hervor aus unsern Gräbern kommen.

*

 

Im Walde

Im Walde geh' ich traurig und verschneit,
Im Nebelgrau, des Schneees Riesenlast
Zerdrückt die müdgewordnen Bäume fast,
Vom Dorf herauf kommt abendlich Geläut.

Ich denke an die schöne Rosenzeit,
Voll seliger Blüte neigt sich jeder Ast,
Und scheitelrecht verströmt der Sonne Glast
Vom Himmelsdome, der so hoch und weit.

Darf ich es wiedersehen? O mein Leben
Stürzt immer unaufhaltsamer dahin,
Bald über meinem Grab die Wolken ziehn, –

Doch meine Seele wird gerettet schweben
Mit jener Seele in das Morgenrot,
Die mich geliebt, geliebt bis in den Tod.

*

 

Gebet

Vater im Himmel,
Du gibst mir alles,
Und so ganz von selbst,
Ich hebe nur die Hände,
Die kampferhitzten, sturmesmüden, auf
Zum Sternenzelt,
Und in die blassen, leeren legst du mir,
Ein holdes sanftes Wunder,
Lied und Liebesgold.
Von oben her berühret sie
Unsichtbar heilige Gewalt
Und überströmt sie kühl mit einer Kraft,
Daß ich im tiefsten Elend nicht versinke
Und, über Haß und Krankheit Herr geworden,
Daß ich dereinst mein ganzes Leben
Gleich einem kunstvoll schön getriebnen Weihgeschenk
Dankend hinwieder lege
In Deine Hand.

*

 

Alte Wege

Auf das hohe Heideland
Führen noch die alten Wege,
Wo ich oft am Waldesrand
Lag im blühenden Gehege.

Und die Wolken zogen hin
Nach dem Tale meiner Lieben,
Nun ich selbst die Wolke bin,
Die der Sturmwind fortgetrieben.

Wie ein Schattenbild versinkt
Unter mir die schöne Erde,
Sternenlicht am Himmel blinkt, –
Sagt mir, wo ich landen werde?

*

 

Der Wanderer

Lieb' und Leben ist dahin,
Fremd mit mir die Wolken ziehn.
Und im Garten dort im Tale
Stehen ernste Totenmale,
Efeu rankt sich dran empor
Und ein wilder Blumenflor. –

Frühling war's, und noch einmal
Zog er in sein Heimattal,
Träumt am grünen Rosenhage
Von dem Glück der Kindertage,
Sinkt aufs Knie und schlummert ein
An der Mutter Leichenstein.

Und in seinem tiefen Traum
Öffnet sich der Himmelsraum,
Und mit rauschendem Gefieder,
Strahlend steigt ein Engel nieder,
Reicht ihm köstlich Brot und Wein:
»Nimm, und du wirst selig sein.«

*

 

Dank

Von grenzenlosem Dank bin ich bezwungen,
Seh ich mein Leben an und seine Früchte,
Vor Gottes Thron zerschlagen ich mich flüchte,
Von meiner ganzen Nichtigkeit durchdrungen.

Was ich gewann, hast du, mein Gott, gegeben,
Ich habe nur die Hände aufgehoben,
In reiner Schale reichest du von oben
Die Flammenflut aus deinem eignen Leben!

Die Kraft des Willens ward in mir gebrochen,
Seit ich von diesem Wundertrank durchfeuert,
Er saugte mir das Mark aus meinen Knochen.

Zum Nebel wurde mir das Weltgetriebe –
Das Ufer weicht, auf breitem Strome steuert
Mein Kahn hinaus ins Meer der ewigen Liebe.

*

 

Ausblick

Ich sehe schaudernd, über Blut und Leichen
Geht meines Volkes Weg ins bess're Licht,
Ihm ist verhängt noch manches Strafgericht
Von Hungersnot, von Kriegen und von Seuchen.

Dann aber werden alle Schatten weichen,
Und eines neuen Glaubens Sonne bricht
Durch manches gottverklärte Angesicht,
Es kommt ein Geistesfrühling ohnegleichen.

Dann schüttert auch durch meine armen Knochen,
Dann längst in Staub vermodert und zerbrochen,
Des neuen Lebens Auferstehungshauch.

Mein Volk erinnert sich uralter Lieder,
Uralt vergessener – es blühet wieder
Auf meinem Grab der wilde Rosenstrauch.

*

 


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