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(1808-1874)
Ein Feuer hast du in mir erregt,
Das unaufhaltsam aufwärts schlägt.
Ich lag und schlief in Nacht und Schatten,
Kein Ziel noch Zug die Kräfte hatten:
Da kam von dir der Himmelsstrahl,
Fuhr mir durch Seel' und Leib zumal.
Kein Feuer war's, das frißt und zehrt,
Die Kreatur in Zorn empört;
Mit Lebenswasser war's gebunden,
Wie es in edlem Kraut wird funden,
Das es in sanftem Hoffnungsgrün
Ins Himmelblau empor läßt blühn.
Seitdem kenn' ich die Furcht nicht mehr
Vor dunkler Zukunft Wolkenheer;
Echo des Geists ist das Geschicke,
Wie der hinausruft, schallt's zurücke;
Auf: Vater, gib, daß ich dich find'!
Ist stets die Antwort: Liebes Kind!
Auch davor ist mir nicht mehr bang,
Daß noch auf meinem Lebensgang,
Gleich als ein Bach in dürrer Erde,
Des Geistes Born versiegen werde:
Ich sah ja, wie es rauscht und fließt,
Durch alles, was sich dir nicht schließt.
Ja, sei du Sonn', ich grünes Kraut,
Das hoffend auf zu dir nur schaut;
Sei du das Brünnlein auf der Wiesen,
Laß mich an dir als Gräslein sprießen;
Ja, laß mich nimmer reich und mein,
Nur arm und dein, Herr Jesu, sein!
*
Ich wollte reisen, nun verreis' ich nicht,
Doch ob ich bleiben werde, weiß ich nicht.
Daß hier ich in der Fremde bin, ist sicher:
Wo meine Heimat sei, das weiß ich nicht.
Ich mein', ich hatt' einmal zwei liebe Kinder:
Ob dies nicht bloß ein Traum sei, weiß ich nicht.
Ein Weib verstieß ich: ob zu Haß die Liebe,
Ob der Haß zu Liebe wurde, weiß ich nicht.
Ungläubig, hör' ich, nennen mich die Leute:
Ob ich nicht eher fromm sei, weiß ich nicht.
Nie hab' ich vor dem Tode mich gefürchtet:
Ob ich nicht längst gestorben, weiß ich nicht.
*
(Inschrift)
Der im Wagen fährt, er sei gesegnet,
Verachtet er nicht, wer zu Fuß ihm begegnet;
Und gesegnet sei, wer zu Fuße schreitet,
Wenn er den im Wagen nicht beneidet.
*
Ei du schnöder, du ungetreuer Diener!
Mir durchs Fenster des Wagens fortzulaufen,
Deinem gütigen Herrn, du undankbarer!
Hab' ich je zu geringen Sklavendiensten
Dich erniedrigt, gemeine Last zu tragen,
Oder schmähliche Händel auszufechten?
Nein, am Wintermittag und Sommerabend,
Wo am schönsten der Tag, durch Wald und Felder
Gingen wir Hand in Hand vertraut spazieren;
Selbst zum Liebchen – zum Unglück hatt' ich keines –
Aber hätt' ich's gehabt, du mußtest nimmer
Vor der Pforte, wie Leporello, frieren.
Dennoch haben mich – Götter erst und Menschen
Endlich da, wie das lecke Schiff die Ratten,
Du, meineidiger Stock, im Stich gelassen.
Will das einzige, was mir noch geblieben,
Will das Leben dir nach, die Tür steht offen,
Und ich werde mir (sag's ihm), es zu halten
Oder wieder zu fahn nicht so viel Mühe
Als um einen verlorenen Stecken geben.
*
Wenn andre sich den Sohn zum Preise nahmen,
So mochtest du es lieber mit dem Alten,
Ich meine, mit Gottvater selber, halten
Und priesest in der Schöpfung seinen Namen.
Erst machst du Licht; dann zeigst du, wie die Samen
Der Dinge sich in seinem Strahl entfalten:
Der Pflanzen wunderwürdige Gestalten,
Die Tiere drauf, die wilden mit den zahmen.
Und nun das liebe erste Menschenpaar,
Der Mann! Das Weib! Der erste Liebesblick!
Da geht das Herz dir auf, du guter Alter.
Erzengel bringen Gott ihr Loblied dar;
Doch ihm wie dir ist guter Menschen Glück
Der liebste Ton in seinem großen Psalter.
*
Fort mit deinem alten Laster!
Allen Mißmut ausgefegt!
Für die Wunden, die es schlägt,
Reicht das Leben auch das Pflaster.
Riß der Strom hinweg die Brücke,
Mutig in den Kahn hinein!
Nahm die Kugel dir ein Bein,
Greife rüstig nach der Krücke!
*
Im Bogenschießen hab' ich keinen unterrichtet,
Der nicht zum Dank zuletzt den Pfeil auf mich gerichtet.
*
Einst kam vom fernen Gades
Nach Rom ein Mann gepilgert,
Den Livius zu sehen;
Und als er ihn gesehen
Schifft' er zurück nach Gades.
Da sprachen die zu Gades:
Nun, Landsmann, so bericht' uns,
Wie sieht er aus, der Edle?
Da sagte der Gereiste:
Der Edle, müßt ihr wissen,
Sieht aus, wie andre Leute.
Nun – sprachen die zu Gades –,
Der andern Leute haben
Wir hier genugs zu Gades,
Da sparen wir die Reise.
*
Die süßen Friedensklänge
Überfüllen mich mit Glück;
Doch die bittern Tropfen zwänge
Ich ins Auge kaum zurück.
Elend war ich allzulange:
Sahst du nie die Mauerwand,
Die im Sturm und Flockendrange
Einen langen Winter stand.
Wenn im März durch Flur und Haine
Geht das erste laue Wehn,
Sahst du nie die alten Steine
Dann in hellen Tränen stehn?
*
Wem mich zu weihen will das Fest mich mahnen?
»Dem Himmel, dächt' ich.« Doch wo fass' ich ihn?
Er war ein schönes Traumbild unsrer Ahnen;
Heut gilt's zu wachen, darum lass' ich ihn.
»So sei's der Erde.« Weh' der engen Schranke!
Weit über sie hinaus in kühnem Flug
Trägt mich das Auge, trägt mich der Gedanke;
Nein, an der Erde hab' ich nicht genug.
»Die Menschheit denn, die Blüte dieser Erde.«
Gewiß, den Menschen dien' ich stets mit Lust;
Doch wie mein Tun der Menschheit dienlich werde,
Der großen Menschheit, ist mir nicht bewußt.
»So weihe dich, o Jüngling, deinem Volke.«
Das ist ein Mahnwort, das ich fassen mag;
Schon lüftet sich des Zweifels Nebelwolke,
Und meine Bahn erleuchtet heller Tag.
Wenn meine Land am Vaterlande bauet,
Dien' ich der Menschheit in beschränktem Tun;
Und wenn vom Himmel hoch ein Auge schauet,
Sieht es mir freundlich zu – das weiß ich nun.
*
Der Frühling hat die jungen Lebensfluten
Von neuem durch die alte Welt ergossen;
Der Wald erwacht, die muntern Buchen sprossen,
Kuckuck, der Schalk, hört nimmer auf zu tuten.
Doch mitten unter all den Wohlgemuten
Zeigt sich die Eiche düster und verdrossen,
Die Knospen hält sie streng noch eingeschlossen,
Hegt noch das braune Laub an dürren Ruten.
Der eigensinnige Baum mit seinen Knorren! –
Je nun, er ist der deutsche Baum, so dächt' ich;
Laßt mir den deutschen Eichbaum unverworren.
Was dauern soll, kommt selten übernächtig;
Wenn längst die frühen Nachbarbäume dorren,
Steht Deutschland noch, die Eiche, grün und mächtig.
*
Es gibt eine zweifache Hoffnung:
Eine zum Leben,
Eine zum Sterben;
Die ward uns gegeben,
Die müssen wir erwerben;
Die eine ist für die Toren,
Sie hat die Menge sich erkoren;
Die andre für die Weisen,
Wollen nur wenige preisen,
Die sie aber kennen,
Werden sie den besten Trost im Leide nennen.
*
Über den Neckar,
Über den Rhein,
Möcht' ich noch einmal
Wanderer sein.
Möchte die sieben
Berge noch sehen,
Die die gesunden
Lüfte durchwehen.
Eifrig der Stadt zu
Pilgert' ich dann,
Die mir den liebsten
Schatz abgewann.
Suchte die Straße,
Fände das Haus:
Mutter und Kinder
Schauen heraus.
Und in der Kammer,
Wohlig und nett,
Liegt noch ein Zwillings-
Pärchen im Bett.
Hütet die Äugchen
Hübsch vor dem Licht;
Nur euern Alten
Fürchtet mir nicht.
Ruhig schlaft weiter
Nach Kinderbrauch;
Bald schläft der alte
Großvater auch.
*
Stund' um Stunde fühl' ich meine Kräfte schwinden,
Sich die Bande lösen, die mich hier noch binden;
Wenig Monden noch, so ist von diesen Resten,
Die jetzt mich bedeuten, keiner mehr zu finden.
Ew'ge Kraft der Welten, hilf der müden Seele,
Diese letzten Qualen standhaft überwinden!
Ja, in Ruhestunden spür' ich schon ein Säuseln,
Wie von Siegeslüften, kühlenden, gelinden.
Doch nicht Lorbeer, nur der Liebe Kranz begehr' ich
Mir im Sarg die bleichen Locken zu umwinden.
* * *
Wem ich dieses klage,
Weiß, ich klage nicht;
Der ich dieses sage,
Fühlt, ich zage nicht.
Heute heißt's: verglimmen,
Wie ein Licht verglimmt,
In die Luft verschwimmen,
Wie ein Ton verschwimmt.
Möge schwach, wie immer,
Aber hell und rein,
Dieser letzte Schimmer,
Dieser Ton nur sein.
*