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Ludwig Pfau

(1821-1894)

 

Sprach mein Herz ...

Sprach mein Herz: Du weißer Wald!
Deck mich zu mit deinem Schnee,
Daß ich liege starr und kalt:
Ohne Hoffnung, ohne Weh.

Sprach der Wald: Du töricht Herz!
Dieses Leichentuch wird grün;
Beide schmelzen: Schnee und Schmerz –
Warte, bis die Veilchen blühn!

*

 

An ihrem Grabe

Mit Blumen senkte man dich Blüh'nde nieder,
Wie Schwestern so die gleichen Lose trafen;
Die Blumen haben alle ausgeschlafen,
Weckt dich allein der süße Lenz nicht wieder?

Schlaf denn, du Unversehrte, sichern Schlummer!
Solch lautre Seelen müssen viel erdulden,
Und zahlen oft der Menschheit alte Schulden
Dem Schicksal ab mit unverdientem Kummer.

Solch lautre Seelen will das Leben fassen
Und sie bedrängen mit dem herbsten Leide,
Bis an der Schönheit reinem Sonntagskleide
Sich trübe Werktagsflecken sehen lassen.

Du aber bist in deiner Pracht geschieden,
Dein junges Herz, wie eine Blume offen,
Ward über Nacht vom kalten Reif getroffen –
So ruhe sanft in deinem tiefen Frieden.

*

 

Begrabene Liebe

Schau mich nicht an
Mit Augen voll Versprechen,
Es heilt kein Wahn
Das Bündnis, das zerriß;
Es hält kein Erz
Die Ketten, die zerbrechen,
Es gleicht kein Herz
Dem Herzen, das man ließ.

An meiner Brust
Kannst du nicht wieder blühen,
Die alte Lust
Verscheucht das junge Glück;
Der Rosenstrauß
Muß seinen Duft versprühen,
Er haucht ihn aus
Und nimmt ihn nicht zurück.

*

 

Traum

Eiskalte Sterne scheinen,
Hoch liegt der Schnee im Feld,
Kein Hauch in allen Weiten –
Wie still ist's auf der Welt!

Die hohen Kuppeln ragen
Im hellen Mondenglanz.
Auf meinem weißen Grabe,
Da liegt ein grüner Kranz.

Halb will die Hand ihn greifen –
Laß ab, im Grab ist Ruh!
Ich lege mich auf die Seite
Und mache die Augen zu.

*

 

Burschenlieder

Mein Lieb ist eine Nachtigall,
Die sich verborgen hält –
O sag' mir, lieber Vogler mein,
Wie man die Vöglein stellt.

Mein Lieb, das ist ein scheues Reh,
Das jedes Rascheln irrt –
O sag' mir, lieber Jäger mein,
Wie man die Rehe kirrt.

Mein Lieb, das ist ein störrig Kind,
Das stets zur Seite sieht –
O sag' mir, liebe Mutter mein,
Wie man die Kinder zieht.

* * *

Im tiefsten Tale wohnt mein Kind,
Von Bergen ganz verborgen –
So hoch, wie diese Berge sind,
So groß sind meine Sorgen.

Durch Felsen bricht ein schmaler Steg,
Der wankt und schwankt im Winde –
Ach, noch viel schwanker ist der Weg,
Der Weg zu meinem Kinde.

Weit außen auf dem letzten Stein,
Hoch über wilden Bächen
Nickt eine Blum' im Sonnenschein –
Wer kann die Blume brechen?

Ja, wenn die Ströme stille stehn,
Erbarmen sich die Steine –
Und wenn die Berge weitergehn,
Dann wird mein Lieb die Meine.

*

 

Mädchenlieder

Einsam bin ich und alleine,
Tragen muß ich Lust und Schmerz,
Und zurück ins eigne Herz
Rinnt die Träne, die ich weine.

Frühling kam und hat nicht eine
Rose mir gesteckt ans Herz,
Frühling kam mit Spiel und Scherz,
Einsam bin ich und alleine.

Große Augen, arme Kleine,
Schick ich fragen allerwärts;
Aber in kein liebes Herz
Rinnt die Träne, die ich weine.

* * *

Wie ich dich liebe,
Soll ich dir sagen?
Wie ich dich liebe,
Kannst du mich fragen?

O du mein alles,
Das ich nicht lasse!
Einz'ger Gedanke,
Den ich noch fasse!

Weil ich dich liebe,
Kann ich's nicht sagen;
Kann ich nur stumm die
Seligkeit tragen.

Schau mir ins Auge,
Laß dich umfassen –
Wirst mir die Antwort,
Liebster, erlassen.

Wie das im Herzen
Wonniglich wühlet,
Das kann nur sagen,
Wer es nicht fühlet.

*

 

Der Geiger von Oppenau

Zu Oppenau war ein Geiger,
Der lustigste Geiger im Land,
Hat alle Wirtshauszeiger
Auf zwanzig Meilen gekannt.

Wo seine Fiedel geklungen,
Da konnte kein Fuß mehr stehn,
Da sprangen die Alten und Jungen,
Die Stube fing an zu drehn.

Wann ihm das Schweben und Schwingen
Im Herzen gar wohl gefiel,
Dann hub er an zu singen,
Zu jauchzen mitten im Spiel:

»O Handwerk sondergleichen,
Das die edle Fiedel streicht!
Da müssen die Sorgen weichen,
Die Herzen, die werden leicht –
         Juhe!
Die Herzen, die werden leicht.

Ich weiß von keiner Plage,
Mein Weib von keiner Not;
In meinem Kalender die Tage,
Die Tage sind alle rot –
         Juhe!
Die Tage sind alle rot.

Mein Weib ist wie die Fiedel:
Gestimmt bei Tag und Nacht;
Sie ist mein fröhlichstes Liedel,
Weist Zähne nur, wenn sie lacht –
         Juhe!
Die Zähne nur, wenn sie lacht.

Drei Nächte hab' ich den Reigen
Geführt im Hochzeithaus;
Nun will ich zur Ruh' euch geigen:
Zuletzt geht alles aus –
         O weh!
Zuletzt geht alles aus.«

Da zog er heim vom Schmause,
Das war sein schwarzer Tag:
Sein Weib war nicht zu Hause,
Sein Weib im Sarge lag.

Der Sarg kam schon gefahren
Zum letzten Ruheort;
Da setzte sich auf die Bahren
Der Geiger und sprach kein Wort.

Da spielt' er also süße
Walzer auf seiner Truh' –
Zu hüpfen begannen die Füße,
Die Augen weinten dazu.

Da spielt' er so gewaltsam
Dem Trauerzug voraus –
Der tanzte unaufhaltsam
Den Kirchhofweg hinaus.

»Müßt nicht so finster schauen,
Herr Pfarre! zu diesem Reih'n;
Das soll meiner lieben Frauen
Ehrenbegängnis sein.

Wer fröhlich des Weges gekommen,
Dem gönnet ein fröhliches End' –
So heißt, ihr Leute, der frommen
Geigerin Testament.

Nun hat sie gefreit der eine,
Der große Fiedelmann,
Der alle Sorgen alleine
Für immer vergeigen kann.«

*

 

Fabel

Im Garten sah ein Kind einst eine Rose,
Die Lieblingsblume von dem schweren Gast,
Dem Tau gebeugt, der perlt in ihrem Schoße.
Sie zu befrein von ihrer feuchten Last,
Erschüttert es den Stiel mit leisem Klopfen.
Doch plötzlich flattern mit den Wassertropfen
Die leichten Blätter fort. Da weint das Kind.
»Nun sieh, was ungeschickter Eifer tut« –
Sagt ihm die Mutter – »Sonnenstrahl und Wind,
Sie hätten deine Rose sanft befreit;
Bald hätte sie geprangt in frischer Glut.
So gibt es manche Last und Traurigkeit,
Die selbst der Liebe Hand nicht soll berühren,
Und die allein die unmerkbare Zeit
Auf sachtem Flügel leise kann entführen.«

*

 


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