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Charlotte Francke-Roeling

Heimatlust

Aus »Rosenkette« (P. N.)

O Lenz am Rhein, du Sonnenkind,
Wie deine Augen glänzen!
Selbst Felsenstirnen zierst du lind
Mit deinen Blütenkränzen,
Es dehnt, von lichtem Reiz umschlungen,
Der Rhein die breite Wogenbrust;
Waldmeisters Geist löst Herz und Zungen;
Aus jungen Kehlen jauchzt die Lust –
Und durch die weiten Gaue zieht
Ein einzig Lied, ein einzig Lied,
Das Lied vom Lenz am Rheine.

Wie wonnevoll die Rosen blüh'n
Nach solchem holden Maien!
Die Fiedel klingt, die Wangen glüh'n
Beim frohen Kirmesreihen.
Das Gnadenbild trägt Rosenranken;
Zum Berge wallt die Prozession;
Aus Nachen, die im Mondlicht schwanken,
weht Koselaut und Flüsterton –
Und durch die stillen Gaue zieht
Das süße Lied, das süße Lied
Der Rosenzeit am Rheine.

Du König voller Huld und Pracht,
Goldbrauner Herbst am Rheine!
Tief geht der Kähne süße Fracht,
Die Traube kocht zum Weine.
Im Wingert blitzen Schelmenaugen;
Der Winzerkranz schmückt Hut und Haus:
Der Most muß schäumen, soll er taugen! ...
Das Edelnaß stießt golden aus –
Und wo ein Bursche wandernd zieht
Erklingt das Lied, erklingt das Lied
Vom Wein am grünen Rheine.

Die Ufer liegen eingeschneit,
Sankt Nepomuk mag wachen:
Die Scholle treibt, die Möve schreit.
Die Brückenpfosten krachen!
Mit weißen Flocken wirbelt lachend
Die tolle Lust hinein in's Land;
Es hascht der Schalk, vom Schlaf erwachend,
Nach rotem Mündlein, Zopf und Band –
Und weithin durch die Gaue zieht
Das Jubellied, das Jubellied
Der Faschingszeit am Rheine.

O Rhein, du Schmuck und Edelstein!
Gleich schimmerndem Opale,
Fügst du der Zeiten Ring dich ein
Mit farbdurchglühtem Strahle.
Viel Schiffe zieh'n von Tal zu Berge
Vorbei an Dom und Lorelei:
Es singt der Fürst dir, wie der Ferge,
Die alte Sehnsuchtsmelodei –
Mit deinen stolzen Wogen zieht
Das tiefe Lied, das tiefe Lied
Der Heimatlust am Rheine.

Prozession

Aus »Rosenkette«

Viel Volk! Auf dem Markte ein Stoßen und Drängen;
Von ferne her naht sich's mit frommen Gesängen.

Schon geht durch die Menge ein Wogen und Stocken;
Es wehen die Fahnen; es läuten die Glocken.

Erst schreiten die Englein, gar lieblich zu schauen,
Mildlächelnde Nonnen und betende Frauen.

Dann Brüdervereine mit brennenden Kerzen,
Und Knaben mit Glöckchen und Lilien und Herzen.

Der singenden Mädchen weißwogend Gewimmel,
Ernstschreitende Priester, der Bischof, der Himmel.

Zum Schlusse vier Fräulein, die tragen zum Lohne
Der Tugend die Jungfrau mit Mantel und Krone.

Mit züchtiger Wimper, ganz vorn geht mein Mädchen,
Im schneeweißen Kleide voll Fältchen und Nähtchen.

Sie sieht nichts, sie hört nichts, kein Zeichen, kein Grüßen –
Ein leibhaftig Englein von Kopf zu den Füßen.

Ich wende mich trotzig, da hebt sie die Lider:
Ein blauäugig Blitzen flammt auf und zuckt nieder.

Das Kränzelein schwankt in den goldenen Locken ...
Es wehen die Fahnen; es läuten die Glocken.

Lied

Wir schauen sehnsuchtsbange
Vom Berg hinab in's Tal;
Fern hinter blauem Hange
Verglüht der Abendstrahl.
In froher Farbenfülle,
Von Gluten überspannt.
Ruht, wie in goldner Hülle
Der Demant, still mein Land.

Ein Ton ist in dem Bilde,
Der auch dein Sein durchdringt:
Der Strom voll Kraft und Milde,
Der schenkt und trägt und singt.
Und wie dein Auge spiegelt
Den Frieden, froh erschaut,
Ist mir, als sei entriegelt
Dein Herz, dem ich vertraut,
Als grüße aus dem Grunde
Auch da mich stilles Land –
Ich weiß zu dieser Stunde,
Daß ich dort Heimat fand.

Vom Balkon

Das ist ein Johlen, Singen, Kreischen, Spielen,
Ein brausendes Gemisch von Schrei und Ton –
Der Lebensruf der Bunten, Frohen, Vielen!
Ich lehne hoch auf eisernem Balkon
Und schau auf das bewegte Heer von Köpfen,
Die aus dem Nichts heut Rausch und Lust sich schöpfen.

Das stößt und staut sich auf den Bürgersteigen,
Das flutet Straße auf und Straße ab,
Das lockt und lacht, bestaunt und will sich zeigen –
Da horch! ... Es naht Musik und Roßgetrab:
Der Faschingszug! Die Hermandad zu Pferde
Schafft Platz – ein Kind liegt weinend an der Erde.

Ein Angstschrei gellt, verhallt! – Man fragt und dränget
Und preßt sich enger an die Menschenwand,
Die freudeharrend, Kopf an Kopf gezwänget,
Den Weg umzäumt. Des Zuges buntes Band,
Erst fern, wird Einzelbild, kommt nah und näher –
»Aaah!«... Augenweide lohnt entzückte Späher.

Welch' Wirbeln, Tanzen, Jauchzen und Geraune!
Der Rausch geht vor dem Dionysos her.
Die Thyrsosträger sind in Götterlaune
Und werfen Gaben in das Menschenmeer.
Man bückt sich, rauft und rafft und sucht zu haschen –
Da wird geküßt, dort füllt man sich die Taschen. –

Vorbei, vorbei!... Nachflutend schließt die Menge
Sich hinterm Zug und atmet seinen Staub.
Mein Blick faßt einen sich aus dem Gedränge:
Ein Knabe zählt beglückt den Freudenraub –
Bonbons, Papier!... Er springt mit seinen Schätzen;
Sein Haar ist wirr; das Röcklein hängt in Fetzen.

Ich lächle still. – Der Zug biegt um die Ecke.
Fernher dröhnt brandend Wogen, Freudenruf.
Nun drängen andre sich an anderm Flecke
Nach gleichen Schätzen zwischen Rosseshuf.
Dem einem glückt's; der andre wagt vergebens –
Mir däucht: ich sah das Faschingspiel des Lebens.

 


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