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Theodor Etzel

Spaziergang

Am Waldesrand –
Und vor mir Band an Band
Die gelben, grünen, braunen Ackerstreifen.
Die sonnverbrannten Schnitterhände greifen
Ins volle Korn.
Ein Alter steht und putzt sein Pfeifchen
Mit einem zugeschnittnen Heckendorn,
Glotzt mich verächtlich von der Seite an
Und spuckt – brummt was von »Arbeitsmann«
Und »faulen Gaffern aus der Stadt«.
Der Mann hat recht!
Ach Gott, ach Gott, wär ich ein Schnitterknecht!
– wie der dort, der die rote Magd
Grad lachend nach ihrer Kammer fragt.
Die zieht sich das Kopftuch ins Genick:
» ... links neben der Tenne.«
Er dankt mit einem plumpen Blick,
Sie gluckt wie eine Henne.
Es lachen ihre fetten Mienen:
Wir schaffen, daß wir was verdienen!
Und ritsch! und ratsch! die Sensen singen.
Dem Alten aber möcht vor Zorn
Sein biedres Bauernherz zerspringen;
Er wirft beiseit den Heckendorn
Und schreit mich an:
»Hebbt ühr dann nüst to dhaun,
Dat ühr hei steiht on gafft?!«
Und dreht sich um und pafft.
Der Mann hat recht!
Ach Gott, ach Gott, wär ich ein Schnitterknecht!
Der mit der Magd grinst breit vor Freud'.
– Donnerwetter! 's gibt doch noch glückliche Leut'!

Wiederkunft

Wenn ich einst gestorben bin,
Weib, verbrenne meinen Leib,
Den du liebtest! Denn du sollst
In den frohen Erdentagen
Nicht am Grabe um mich klagen.

Trag die Asche auf zum Turm,
Weib, und schütte meinen Leib,
Den du liebtest, in den Wind –
Und du wirst den Weg nicht sehen,
wo die Stäubchen rings verwehen.

Wenn der Frühling wiederkommt,
Weib, dann fühlst du meinen Leib,
Den du liebtest, neu erblühn –
Und im großen Heiligtume
Grüß ich dich aus jeder Blume.

Meine Asche half zur Pracht.
Weib, in Blüten lebt mein Leib
Den du liebtest, ewig fort.
Und du sollst in Seligkeiten
lächelnd durch die Fluren schreiten.

Sonett

Nun will die Erde Himmelschlüssel tragen,
Und gute Sonne will den Schatz behüten,
Und will um all die goldnen Honigblüten
Erwärmend ihre Gnadenarme schlagen.

Durchs Gitterwerk beperlter Zweige jagen
Die heißen Amseln, und den saftdurchsprühten
Kastanienknospen tönt ihr goldnes Tüten
Wie Glockenruf zu frohen Ostertagen.

Und Ostern kommt! Und kommt mit vieler Gnade,
Tut Gräber auf und weckt an allen Betten:
Was starb, ersteh! was schlafend lag, erwache!

Und mag auf ewig vorbestimmtem Pfade
Auch uns aus aller dunklen Haft erretten,
Daß neuer Glaube neues Licht entfache.

Fabeln:

Der Ball

Ein Ball, von Mädchenhand
Zu Mädchenhand geschleudert,
Flog durch den Garten,
Flog über Beet und Busch,
Flog übern Rosenstock,
Flog übers Laubendach,
Flog hin,
Flog her,
Und manchmal flog er kerzengrade
Hoch in die Luft.

»O Glück! o Glück!
Wie herrlich ich doch fliegen kann!«
So rief er jubelnd.

Ein alter Rabe spottete:
»Hohlkopf! Du wirst geworfen
Und nennst das fliegen – ?!«

»Schweig, Schwarzer!« rief der Ball,
»Was geht's dich an!«
Und jubelnd flog er weiter
Von Mädchenhand zu Mädchenhand.
Und manchmal flog er kerzengrade
Hoch in die Luft... »O Glück, o Glück!« ...

Wir Menschen: wir Bälle –
Wir könnten alle glücklich sein!

Der Star.

Ein Schafhirt schenkte der jungen Tochter seines Gutsherrn einen gezähmten Star.

Das drollige Gebahren und Geschwätz des Vogels ergötzte das Mädchen sehr. Wo sie ging und stand, mußte er bei ihr sein. Er saß auf ihrer Hand, auf ihrer Schulter, am liebsten aber auf ihrem Kopf; und dort zirkelte er mit seinem Schnabel so eifrig in den wundervollen goldblonden Haaren, als müsse er diesen ganzen Thron der Schönheit auf Millimeter genau vermessen.

Von Tag zu Tag liebte die kleine Herrin ihren Gespielen mehr und mehr; der aber wurde von Tag zu Tag unlustiger und stiller.

»Was fehlt dir nur?« fragte ihn endlich das holde Mädchen. »Was macht dich traurig?«

»Ich sehne mich nach den Schafen zurück«, sagte aufrichtig der Star.

Das verdroß die kleine Herrin, und sie zürnte ihm ein wenig. »Wie, mein Liebling, von mir hinweg sehnst du dich nach den Schafen zurück? Stehe ich nicht wie eine anbetungswürdige Göttin hoch über den blöden Wolltieren?«

»Keineswegs!« sagte der Star. »Du hast nicht einmal Läuse im Pelz.«

 


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