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Christus am Kreuz mit genagelten Händen,
mit Nägeln in beiden Füßen. – –
Seine Bettleraugen verschenken, verschwenden
Königreiche in letzten Grüßen.
Seine Mutter ruht besinnungslos, hold
an Johannes' verzweifelter Rechten.
Magdalena steht aufrecht mit offenen Flechten,
ihre Haare sind Silber und Gold.
Magdalena steht aufrecht mit weißstarrenden Brüsten,
mit stolzem Leib und bewußt ihrer Macht,
noch zittert ihr Blut in vielfältigen Lüsten
und ihr Blick ruht in Wimper-Nacht.
Die Sünderin und Gott, Auge in Augen
sind so auf Golgatha.
Magdalena sagt: Meister, sieh was dir geschah,
sieh, was Mutter und Jünger dir taugen.
Sie werden von eigenen Schmerzen zerrieben
und sehn nicht das heilige Du,
nur ich schaue dir stolz und tränenlos zu,
und dies, weil ich Heidin geblieben.
Die deinen sind alle von Gram überschwemmt,
denn Dank dir, – ihre Seelen sind schon
geschwächt unterm härenen Büßerhemd,
o Jesus, o Weibes-Sohn!
Du stirbst und weißt nicht was aus Freude erstehn kann,
aus dem Glück der Erdenzeit,
aus deinen Schollen, grämlicher Sämann,
schießt das Unkraut der Traurigkeit.
Ich, die deine Füße mit Duft übergoß,
ich wollte dein Herz durchtränken,
doch als dich mein heißes Haar umfloß,
da war es vergebliches Schenken.
Du ahntest nicht, daß der Essenzen Verrinnen
und mein Haar erschauernd und rot,
die Lehre war von inbrünstigen Sinnen,
des Lebens Warnung vor Gott.
Denn mehr Musik und Geheimnis und Träumen
schläft in den irdischen Dingen,
mehr Unbekanntes, das wir niemals bezwingen,
als in allen Himmelsräumen.
So laß dich heut von Magdalena belehren,
du, der zu Tode wund:
alles, alles der jenseitigen Sphären
umschließt ein Kuß auf den Mund.
Und Magdalena umschlingt den gemordeten Christ,
dessen Züge erblassen,
sie preßt den Mund, der im Schrei sich vergißt:
Mein Vater, du hast mich verlassen!
Und Magdalena spricht: Ohnmächtiger, ich künde
in meiner Lippen rotem Verrat:
die kommenden Fraun begehn alle die Sünde
dich zu lieben, wie ich es tat.
Eine jede wird dich, du Sanfter, ersehnen,
und wenn sie betet in Nacht
weiß sie nicht, daß sie gleich Magdalenen,
der Verliebten Gottes, es macht.
Und warum, Emanuel, dich den ich liebe,
die Sünderin niederbiegt? –
Damit deine Lehre in meiner Liebe,
in meinem Hauche verfliegt.
Auf Trümmern der Liebe baust du dein Haus
und kannst doch dem Ende nicht wehren, –
du sahst nicht den Kuß der Hostie voraus,
nach dem alle Munde begehren.
Du glaubtest, du gabst nur Lohn und Lehn
des Himmels nach Todesgruft,
nun sieh in der Messe wieder erstehn
mein Goldhaar und meinen Duft.
Sieh, es erhebt aus dem armen Beginnen
– in Stein und flammendem Glas erblüht –
sich ein herrliches Haus voll Freude der Sinnen,
von Düften des Orients durchglüht.
Ein Horizont, den Kathedralen umstarren,
erfüllt mit Schreck deinen sterbenden Blick,
o Rabbi, ich weiß es, du beklagst dein Geschick, –
fühlst du vielleicht deinen Glauben dich narren?
Stirb! All mein Duft verbleibt deiner Lehre,
Du, der sich glaubte gefeit;
mein Haar bleibt dir ewig, und meine Ehre
ist, daß ich dich salbte für alle Zeit.
Stirb! und vernimm trotz hehrer Gebärde
wie rings um dein Kreuz die Liebe schreit –
im Taumel als Rache der Erde,
o Jesus, Geliebter in Ewigkeit.
(Horizons)