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Francis Vielé-Griffin

Jene Stunden

Ach es waren jene Stunden
gut, und milden Schwestern gleichend,
still gereiht und sanft verbunden,
unter feuchten Nebeln bleichend,
ganz verhüllten Nonnen gleichend.

Waren nicht bei ihrem Gehen
unsre Herzen ohne Wehen,
nicht von Lächeln ganz erfüllte,
die auch lächelnd rückwärts sehen? –
Liebste, Schlimmre sah ich gehen
als von Nebeln sanft verhüllte.

Leise gingen sie und stet
so wie Nonnen im Gebet,
Glanz entgleitenden Gesichtes
wart ihr, Stunden des Verzichtes.

Sieh, uns ist noch heut, als schmiegte
unser Herz sich jenen Stunden,
deren Schatten sanft besiegte
alte Qual und alte Wunden, –
und die Träne selbst versiegte.

(Poèmes et Poésies)

Blumen am Wege

Glaube! Was ist Tod und Leben
in der Liebe erblühender Macht?
Starker Seelen Bitten heben
sich empor, ob Tag ob Nacht.
Und du weißt von weiten Träumen,
glaubst du das Gesetz von Erz:
es gibt keine Nacht in den Himmelsräumen
und das Dunkel birgt immer du und dein Herz.

Liebe! – was ist Ruhm und Sünde
dem, der nun erwählet ward;
singe, und dein Klang verkünde,
was dir Liebe offenbart.
Denn du kündest Festgesänge,
singst du Tiefstes Welten zu:
es gibt keines Schicksals dämonische Strenge,
und jeder Sturz ist dein Wille und du.

(Poèmes et Poésies)

Partenza

Ich trage eine leichte Bürde
wie einen Blatt- und Blütenstrauß,
all Dunkel deiner Gartenhürde,
all Licht aus deinem Haus.

Die Last ist süß und berauscht mich
wie ein Lilienkuß, der über mir weht.
Muß all denn dies sein, daß mir endlich
dein Stolz deine Liebe gesteht?

Es ist gut, sich lieben und trennen,
es ist süß, sich so zu verlassen,
nur um solchen Preis kann man's fassen,
nur so kann man selbst es sich nennen.

(Plus loin)

Gibt es im Weltenraum,
Liebste, ein einziges Ding,
ein Lächeln, ein Tanz, ein Traum,
eines Honigs, einer Sonne Geblink, –

ist dir ein Heiliges bewußt,
ob Buch, ob Lippe, ob Tränen,
ein Strand, eine perlmutterne Brust,
ein Aufschrei von Stolz oder Sehnen, –

ist je dir etwas genaht,
das köstlich und fein war und ganz,
ein Ruhm, eine ruchlose Tat,
Heiligenschein oder Kranz –

das Seele ist, in Seele mündet,
Wink wird, zu dem man folgend strebt,
ein Etwas, welches will und kündet
und kämpft, damit man lebt …?

(Plus loin)

Herbst

Feige wie Kälte und Regen,
roh und taub wie der Sturm,
wie ein niederes Wolkenheer
schleicht der Herbst auf den Wegen;
sein Stock stößt an Fenster und Turm,
öffne die Tür, es ist er!

Ihm zur Schande laß ihn hinein,
sieh nur, sein fasriger Mantel schleppt lang,
seine Füße sind durch Schmutz gesielt, –
schlag ihn mit Stock, triff ihn mit Stein,
vor seinem Haß sei nicht bang:
Komödie ist es, die er spielt.

Ich kenne ihn, den Wicht, er müht
sich jedes Jahr mit schönen Sätzen,
mit Lächeln und mit süßen Reben,
er spricht von Sonne, die noch glüht,
von Sommerwindes frohem Schwätzen,
von Ruh nach arbeitsamem Leben.

Er aß an unserm Tisch sich fett,
– ich sage dir, ich kenn den Narr, –
tat sich an unserm Wein zugute,
dann gab man ihm im Stall sein Bett
bei unserm Kalb und unsrer Stute;
am Morgen war das Wasser starr,
im bösen Eis das Laub erfror;
– schließe die Laden, schließe das Tor!

Daß er doch nur des Weges fliegt,
daß er in meinem Heu nicht liegt,
daß er wo anders trügt:
mit alten Blättern in seinem Bart,
mit scheelen Blicken und falscher Art,
mit der Stimme, die rauh und süßlich klingt, –
ob er nun bettelt, mit Gold sich umschlingt, –
zu Andern fort! Ich kenn ihn wieder.
Nimm die Glocke ab, wenn es etwa klingt! – –

Mach leichtes Feuer, das mag taugen
dem alten Winter mit den freien Augen.

(La Clarté de la Vie)

Das Heim

Sie saß ganz nahe bei mir auf kleinem Eschenschemel,
sie sah das Feuer an, die Wange in der Hand,
sie sah das Feuer an, – ich sah in Zukunftsland
und sang für sie das Lied, das sie so lieblich fand,
auf das ihr leichtes Herz ganz leis mir Antwort sandt:

Das Feuer brennt und schillert
und singt wie Vogelsang,
Die Waldesseele trillert, –
dazwischen Schilfrohrklang.

So singt der Mai in den Zweigen, –
Holzer, dein Werk ist nichts wert,
Meise und Grasmücke geigen
im Wind, der die Flamme zehrt.

So kommen die Träume auch wieder,
keine einzige Stunde vergaß ich,
ich machte für dich draus die Lieder
und unsere Blüten las ich
zu ewig frischem Strauß;
dem gibt unser Küssen den Saft,
dem mischt sich der Büsche Kraft
und unsere Liebe duftet daraus.

Sieh den kühn blühenden Flammenstoß,
der Duft der brennenden Blätter ist süß
wie das grünende Moos,
aus dem du knieend in deinen Schoß
Maiglöckchen pflücktest, als wäre dir dies
ein Spiel aus dem Paradies.

Die Glut der Flamme ist sanft, nicht wahr?
Wie die Sonne in diesem erblühenden Jahr
am kreuzenden Weg zur selben Stunde. – – –
Ich denke des Liedes in deinem Munde,
du sangst es im grünen Grunde
ganz leise mit summendem Munde.

Das Feuer brennt und schimmert und schillert
und klingt wie Zweige voll Vogellieder,
die Waldseele zwitschert darin und trillert
das Lied vom entblätterten Flieder
unterm Schritt im April. –
Dann aber singt es von mailichen Tagen,
von der Rosengeburt, als wollte es sagen:
»Wagen, wagen!«

Nun ist sie sanft entschlafen, die Wange in der Hand,
ich sah das Feuer an und dachte Zukunftsland:
Die Zukunft kommt, was wird dann sein?
Was wird aus den sonnigen Liedern?
Was wird aus den Liedern in Mai'n?

Wer singt sie mit duftender Stimme uns wieder,
wenn unsre auf ewig entschlafenen Glieder
ruhn ohne Tun
im Traum ohne Saum –?

Sie entschlief unterm trillernden Feuerbaum,
doch trank ich ihr Tränen von feuchten Lidern,
denn ihr Traum war mein Lied, und mein Sang war ihr Traum.


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