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Stuart Merrill

Adagio

Komm in den Park, wo die Fontänen schweigen;
Geliebte, fürchte nicht die dunkle Nacht,
und zittre nicht mehr, wenn ein Wind erwacht,
der Wälder aufschreckt bis zu fernsten Zweigen.

Laß mich dich führen. Deine süßen Hände
sind in der meinen wie ein Fächerflaum.
Die Büsche sind voll Hauch, – du hörst ihn kaum –
als glitten Götter über Rasenrände.

Geliebte! Unheil sind vorbei und Schmerzen,
das Leben tagt und singt in jedem Nest.
Der Sonne wartend halten wir uns fest
und tragen Sternversprechungen im Herzen.

Der Mond in Weihern ist nun tot – sprich leis,
damit auf Weidenwegen wir's erlauschen,
wenn im Vorübergehn die Blätter rauschen, –
halt an den Schritt, – zum Kusse zart und heiß.

Mir ist als küßte ich Herz einer Blüte,
ich lächle still und muß im Augenblick
schluchzend vergehn um so viel großes Glück,
das ich, weil es so göttlich, stumm behüte.

O deine Hände! daß sie ewig blieben
in meinen ruhn. Und wenn das Morgenlicht
nun leuchtend in den Springbrunn niederbricht,
in feuchte Zweige, die noch Winde lieben,

dann, Schwester, richtest du sie stolz empor,
läßt auch die meinen von der Sonne spülen, –
dann nennen wir mit Namen, was wir fühlen,
das Wort, vor welchem aufspringt jedes Tor.

(Une Voix dans la Foule)

Herbstfurcht

Der Abendwind streut Purpur aus und Gold
und gleitet durch die Blätter, daß es knistert,
der bleiche Herbst, der Träumer kommt und flüstert,
daß er nun bald die Totenstunde holt.

Wirst du ihr folgen durch die Regenwinde
zum dunklen Wald, zu der Moräste Schlummer,
um dort dein Antlitz und geheimen Kummer
zu spiegeln, eh' der Tag im Düstern schwinde?

Nimmst du den Weg, der zu den Häusern flieht,
wo übers Feld die Glut der Scheiben leuchtet,
hörst du, den Atem haltend, auf das Lied,
das noch den Mund der Jahreszeiten feuchtet?

Glaubst du dem Rat, der Winterrosen frommt,
die rote Blätter in den Garten streun,
und die du sterben siehst in Traumesfreun
am Busen der, die in dein Zimmer kommt?

Wirst du vielleicht zum Feld die Arme breiten,
wo nichts mehr grünt als etwas herbes Kraut,
für Aussaat beten, die die Garbe baut,
in deren Last die Kinder mühsam schreiten –?

Trauriger Träumer, du weißt nichts zu machen,
da selbst die wandelbare Zeit in Not:
sie schafft fürs Leben und sie ruft den Tod; –
dein Frohsinn weint und Trauer möchte lachen.

Was ist gewiß als Ruh nach Lethetrank
in dieser wechselvollen Welt Gewell? –
Was war, kommt wieder wie ein Ritournell
in eines namenlosen Dichters Sang. – – –

Nun kehrt der Hirte heim mit seinen Schafen,
im Walde hört man Schluchzen nur vom Wind,
da treibt vom Sturm geschwellt der Fluß geschwind, –
nun ist es Zeit am Herde zu entschlafen.

Aber die Saat lebt, die bei erster Helle
der Sonne durch das letzte Schneetuch bricht,
und selbst in diesen schwarzen Monden flicht
die Weihnachtsrose sich um deine Schwelle.

So rufe denn den Herbst wie eine Magd,
die dir den Becher neuer Hoffnung reicht; –
dann höre furchtlos, was der Abend klagt,
und wie ums Haus Schneewind und Regen streicht.

(Une Voix dans la Foule)

Die Lehre

Tal mit dem Bergbach wie ein Kinderlachen,
du Wiese, wo von fern die Glöckchen klingen,
wo Hunde blinzelnd in dem Sonnschein wachen;
ihr Felder, in die furchend Pflüge dringen,
wo Saat in Schollen, die zur Ernte taugen,
sich bald begrünt vor frohen Menschenaugen.
Obstgärten, wo in Herbstwindtagen
die reifen Äpfel an den Boden schlagen.
Kiesreiche Hänge, die die Traube färbt,
wo Weinkraft gärt für künftige Liebesfeste,
ihr grüngeschmückten Berge, Schlucht durchgerbt,
wo euer Blut, das Wasser rinnt, das Beste
für Menschenwerk. – Es rollt den Fels entlang
zur Ebne, wo du rauchen siehst die Herde;
o Düfte, Farben, Winde dieser Erde, –
seht nun zur Blütezeit mein Wiederkehren;
ich bitte euch, von großen Städten matt,
mich Einsamkeit und Stille neu zu lehren.

O Erde, Mutter du, die Wahrheit hat,
du einzig gibst ohn Überdruß und Ende
Lehre der Kraft durch jede Sonnenwende,
vom Frühling an, da sich die Saat kaum reckt,
bis Winter, wo das Brot im Hause bäckt.
Du trägst im Wechsel ohne Lieb und Fluch
den Lilienschleier und das Leichentuch,
du mischt die Dinge all mit Tod und Leben,
klagst nicht um einst, wirst nicht vor morgen beben.

Du birgst in deinem Busen Grund und Folge,
du lebst dir selber und du stirbst nur dir,
und deine Elemente und Erfolge,
Luft, Regen, Morgenrot und Blumenzier
sind in den Augen deß, der still empfindet,
nur Formenfülle und nur ein Gebot,
das jedes Staubgeschick zur Sonne bindet.

Auch ich, der ohne Glauben lebt und Gott,
und sicher bin, daß diese Welt ein Schemen,
der bleichen wird, wenn einst mir Schmerzbeschwerden
und Fieberglut das Licht der Augen nehmen,
ich weiß, mein Hauch und dieser Hand Gebärden,
Gedanken, die sich meiner Stirn nur nannten,
sie finden Echo im mir Unbekannten.

Mein Leben lebt, – wenn auch mein Leib verfiel:
im Sang der Dichter, welche nach mir kommen,
im Schwung der Hoffnung auf das reiche Ziel,
um das die Wandrer ihren Weg genommen;
im Willen des Propheten, welcher sehnt,
dem starren Felsen Ernte zu entreißen,
der frische Saat in allen Seelen wähnt,
und träumt, den Allen Ernte zu verheißen.

Denn nichts verliert sich, nicht der mindeste Laut,
nicht der mindeste Strahl der tagenden Stunden,
nicht das kleinste Staubkorn im kleinsten Kraut,
Schlimmes und Gutes wird wiedergefunden,
im Beinhaus der Trauer oder im Garten des Ruhms,
im Kot oder im Himmel, wo Azur blaut,
im Wutgeschrei – im Sang des Siegertums.

So gabst du mir, mein Bach durchbraust Gelände,
der Stille und der Einsamkeiten Lehre,
und wenn ich nun zu Eisenstädten kehre,
so sing ich Sieg ohn Unterlaß und Ende.

(Une Voix dans la Foule)

Der irre König

Dein Haus, o meine Seele, ist geweitet
zum Schloß, wo nachts ein königlicher Narr
entsetzlich aufheult, und mit wirrem Haar
den Engel flieht, der ihm entgegengleitet.

In sich verkrochen unterm Goldbrokat,
packt er mit wilden Griffen in die Fenster,
als wollt er fliehn vor Blicken der Gespenster
dorthin wo Mondlicht schläft auf Waldespfad.

Gefangener bleibt er gläsern leichter Wände,
umsonst schlägt seine Angst daran die Hände. –
Ach – frei des Zufalls viele Wege laufen!
Nicht Narr mehr sein, verehrend lauter Haufen!

Und hinter ihm, als ob er ihn schon faßt,
fühlt er den Schatten, der den Hals ihm krallt,
er strafft die schwanken Lenden, die Gestalt
und Kreischen gellt durch düsteren Palast.

Doch keine Antwort tönt aus Höllenschlund
dem heiseren Verzweiflungsschrei des Narren,
und nur der Wind streicht hin am Mauergrund
und am Tapetenschwarz mit leisem Scharren.

Und nun entreißt der Narr den Händen beide
des Armschmucks Ketten, die auf Dielen fallen,
tritt unters Gold und Eisen der Sandalen
das eitle Spielzeug fürstlicher Geschmeide.

Befreit von Diademes schwerer Qual
löst er sie auf, die reiche Mantelschlinge,
zerbricht das Szepter, streut sie hin die Ringe,
und steht nun wie ein Toter, nackt und fahl;

drückt an der Fenster grün und blau Kristall
den eisigen Mund, die heiligen Königsglieder,
und schaut dem Mond nach, dessen blasser Fall
den Morgen hochruft und die Lerchenlieder.

Wird wohl sein Volk, wenn alle Glocken klingen,
wenn Laub und Ähren sich im Winde schwingen,
den Herrscher mit verwunschenem Blick befrein,
dess' Hände machtlos an den Fenstern schrein?

Niemand kann's wissen; denn das Glockenheer,
es war schon längst durch nichts mehr zu erwecken,
sie tönen nimmer den verdammten Strecken, –
die Stille scheint von Ewigkeiten schwer.

Bewohner sah man niemals in den Städtchen,
sah nie, daß man die Ebenen weit bebaute,
nie hörte man im Heu süß seufzend Laute
kosender Vögel, bräutlich seliger Mädchen.

Und dies Alleinsein wird dem Narrn zum Fluch,
nicht Tränen, nicht Gebet selbst beim Verenden!
Kein Freund schließt ihm das Lid mit sanften Händen
und keine Liebste öffnet noch das Tuch.

So fühlt er sich in Schmach zusammensinken
und saugt den Mund an Fensterscheiben fest
als wolle er an ihren Schmelz gepreßt
der Sterne Frische und den Mondschein trinken.

Und immer folgt ihm, gleichsam ein Erfrieren,
des Engels Hauch, sein schleichend stiller Gang.
Er wird, nachdem er würgend ihn umschlang,
sich selber mit der Königskrone zieren.

(Une Voix dans la Foule.)


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