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Die Meister der Jugend


Gustave Kahn

Summe sanft!

Summe sehr sanft, mein Herz ist in Tränen …
düsteren süßen Moll laß sich dehnen,
ein Etwas bleicht in den kalten Minuten …
Über den Glöckner gehn bleiche Fluten.
Halt an … so gut … doch dein Ton ist so leis,
tönt es nicht wie ein Schluchzen so heiß?
Summe sehr sanft, in den Noten malen
sich Bitternisse unerschlossener Qualen.

Weiter! der Sang mattet … mein Herz ist in Tränen,
umzingelnde Schwärzen ersticken die Kerzen.
Im Alkoven dort der schmerzvolle Duft
singt sterbend so süß als entströmte ihn Gruft.
Woher doch der Schauer, der mich jetzt übermannt,
woher dieses stille, dies weiche Andante?
An die Weiße der Fenster da unten dringen
schwellende Nebel, schlagende Schwingen.

Genug! Laß verhauchen, mein Herz ist in Tränen,
Dunkel umrandet das Licht; es dehnen
steigend sich Stille und Ernst und scheuchen
des Unbestimmten vertraute Geräusche.
Nun laß! … damit Töne und Düfte sich neigen!
Ergreifender trauriger Rhythmus! O Kummer!
Alles wird grau und verweht, – nur noch Schweigen,
rufst du der Ewigkeit schmerzvollen Schlummer? …

(Les Palais Nomades)

Novemberabend

Das Kind schleicht in den dunkeln Korridor; –
wie ist das Vaterhaus so weit und kalt;
den Bodenfenstern tut der Wind Gewalt,
und all die niedern Türen, die vielleicht
niemals sich auftun, diese schweren Türen,
die nur in graue Kummerzimmer führen;
vielleicht liegt auch in Säcken aufgespeicht
die Sonne dort, um eines Tags die Nacht
ganz zu besternen; – und es wiegen sacht
in Hängematten Blüten dann der Welt,
die man, – warum? – verschleiert; ach wie kalt
wie weit ist doch das Vaterhaus.

Vom Keller bis zum Boden zittern, wimmern
die Treppen alle; wer kommt wohl des Nachts
indeß man schläft, indessen in den Zimmern,
den all zu hohen sich das Feuer facht,
den Rahmen goldet, wo die Ahne lächelt? –
Die Lampe, die vom Spitzenkleid umfächelt,
blinkt nur in kleinem zaghaften Gefunkel;
ein schwerer Witwenmantel ist das Dunkel
im Winkel dort, wo eine Muschel tönt;
und was für Schritte schreiten über Dächer
im großen Wind, der nun die Stadt entkrönt?
Da stehn in einem Korbe drei Orangen,
das Wasser singt, die Theemaschine dampft,
doch von dem kleinen Fenster ohne Hänge
sieht man doch noch das ganze Land, das dampft,
und Schleppen voller Leiden! Nie gelänge,
sie zu zerstreun, dem wunderbaren Licht
der Siegersonne mit dem Funkenhelm:
Und auf dem Dach da drüben liegt schon dicht
der Schnee um bronzene Ritter und er ballt
am Turm sich schon, – wie ist der Flur so kalt, –
auf Treppen großer Schauer wallt
empor vom Keller bis zum Boden.

Sind dort Fackeln, die schwelen,
ist dies Lärm? Nein, das traurige Bellen
heult um des Nachtwächters Schritte,
dumpfe Schritte, schläfernde Schritte! – – –
Wohl sind da drei Orangen von Gold,
aber auf der Straße bitten
halb erfrorne Kinder.

O wie kalt ist doch das Vaterhaus,
O die Fenster mit den Eisenstäben!
wie das Dunkel sich zum Keller dehnt.
von den Fässern bis zu alten Bildern, –
und der Flur, wo Nachtlicht-Schatten schweben, –
und das Dunkel, das sich dehnt, – und dehnt. – –


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