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Marie von Ebner-Eschenbach
»A loadis Erdbeerjahr, natürli, gel?
Am Bennotag, der Frost, der hats dawischt!«
Sprach sie mich an und lächelte dazu
Mit welkem Mund und wasserblauen Augen,
So harmlos wie ein Kind, die dürre Alte.
»Recht schlimm für uns, und schlimmer noch für Euch«,
Erwidert' ich, »Ihr kommt um den Verdienst,
Den besten wohl im Sommer.«
»I? No wiss'ns,
Geit's ihrer weni, wern's halt besser zahlt,
Die Erber, gar die schöni, ausm Gstoan,
Wie ebba selli da!«
Sie rückt hinweg
Den Deckel ihres Korbes, und drinnen lagen
Auf Tannenreislein und auf frischen Blättern
Erdbeeren duftend und so purpurrot,
Daß schon ihr Anblick eine Labung war.
Der Alten bot er wahren Hochgenuß:
»Die wachsn aufn Staufn, in die Schluchtn«,
Sagt sie und hebt voll Finderstolz ihr Körbchen.
Ich hätte seinen Inhalt gern erworben;
Er war verkauft. Vom Berge kam die Frau,
Nach langem Tagewerk, war hungrig jetzt,
Ein wenig müd und sehnte sich nach Hause.
»Es warten Eure Kinder«, meinte ich,
»Und Enkel dort auf Euch.«
»Auf mi wart' koas,
I bin alloa«, gab sie zerstreut zurück,
Und mit der Rechten ihre Augen deckend,
Blickt in die Sonne sie, die goldig flutend
Soeben hinter Bergeshöhn versank.
»Da schaugns hin, zum Zwisl schaugns hin,
Da bin i morgn um die Zeit scho gwest.
Gon Abend hoaßt's zur Alm no auffikrabin,
Im Heubüh drobn schlaft ma woltern guat,
Und früh um zwoa gehts ani scho in d'Staudn.«
Und wieder lag auf ihrem greisen Antlitz
Das Kinderlächeln, das mich gleich bezwang,
Als sie nun sprach von ihren Wanderungen
Im Morgendämmer und beim Sonnenaufgang,
Durch Waldesdunkel, durch das Felsgeklüft,
Und drob so Müdigkeit vergaß wie Hunger.
Ein Jäger nur erzählt mit solcher Freude
Von seinen Abenteuern auf der Pirsch,
Wie von den ihren sie »beim Erber-Brocken«.
Mit stillem Neide horcht' ich. Aus der Not
Nicht eine Tugend nur, auch Glück zu machen,
Das ist die allerhöchste Lebenskunst.
Ihr freilich mag sie leicht geworden sein,
Der schlichten, alten Freundin der Natur,
In diesem Dasein, halb im Traum geführt,
Dem Kampf der Welt entrückt, von Leiden frei.
»Gsund bin i, Gott sei Dank!« schloß sie vergnügt
Und zwinkert nach den glutumsäumten Bergen
Voll Liebe hin, »und hon aa koani Sorgn.«
»Im Sommer, doch wie siehts im Winter aus?«
»Mit Gottes Gnad, halt so, a bißl wiescht,
Ma hofft halt immer, daß bal Frühling wird.
An Oaschicks bringt ihm scho so kloanweis furt.«
»Das ist der Trost der Einsamen«, sagt' ich,
»Wie Ihr es seid, vielleicht von jeher wart?«
Gutmütig, heitren Spotts zuckt sie die Achseln
Ob meines Irrtums. »Na, von jeher nit,
I hon amal a schöns Anwesn gheit,
An bravn Mo, fünf Kinder – ja amal!«
»Fünf Kinder? Hab und Gut? Und steht allein
Und arm jetzt in der Welt? ... Wie ging das zu?«
»No, schiefri ebba. 's Unglück hat uns hoamgsucht,
Verbrunna san mer aa«, gab sie zur Antwort
Und schien zu denken: Ei, was kümmerts dich?
Doch mählich eines Bessern sich besinnend,
Hob leise seufzend sie von neuem an:
»Vor dreizehn Jahren – Wartens – na, vor achtzehn,
Ja wirkli, achtzehn – wie die Zeit vergeht!
Da is bei uns das großi Feuer gwest.
In d' Tenna eigschlagn hat der Blitz von Himmi –
Und voll mit Troad wie's war, so is verbrunnen,
Und aa der Mo, sechs Küh, zwoa Kinder, alls
Verbrunna.«
»Wie? Verbrannt?!«
»Ja, ja verbrennt.
Mi selber hat der Nachbar no am Zopf,
Der damal armsdick war – wer möcht dees glaubn? –
Herauszerrt aus di lichtrlohn Flammen.
Die Gloabiger hon si den Grund biholten,
Und wiar i gangn, wiar i gstandn bin,
So bin i von der Brandgstätt weiterzogn.«
»Mit Euren Kindern?«
»Jo, mit denen drei,
Die übri bliebn san, zwoa Diendln und
An kloan'n Buebn«, entgegnet sie gelassen.
»Und dann? Wie habt Ihr dann Euch fortgeholfen?«
Sie hob den Kopf empor: »No, ehrli halt.
Viel g'arbeit, viel, und aa a bißl bet',
A bißl nur, denn damaln, wissen's Frau,
Da war i bös mit unsern lieben Herrgott,
Und bins aa bliebn no a lange Weil,
Denn oans vo meini Diendln is schlecht gratn
Und leit da draußen
vor der Kirchhofmauer,
Ich mach en Umweg, mueß i dort vorbi.«
»Die zweite aber? – die?«
»Die hat an Bauern,
In Hammerau, an reichn, is versorgt.«
»Und sorgt für ihre Mutter, will ich hoffen.«
»Für mi? Was denken's denn? Sie hat den Mo,
Hat ihm ins Haus koan roti Heller bracht
Und wird aa koanen naustragn – dees hoff i.«
»Und Euer Sohn?«
»Seidat war 'r, Schandarm ...
I sag, er war, jetzunder is er tot,
Erschossn von die Pascher an der Grenz.
In letzten Hirgscht hon i die Nachricht kriegt.«
Sie sprach es langsam, leise, unbewegt,
Sann nach ein Weilchen; wie ein Lichtstrahl flogs
Erhellend freudig über ihr Gesicht.
»Der is mit mir gar oft in d' Erber ganga,
Wier er a Bua no war und später aa,
Der hat die Berg so guat gekennt wiar i.«
Sie blickte in die Weite, ganz verklärt
Vom sanften Glück des lieblichsten Erinnerns,
Und wandt zum Gehen sich mit kurzem Gruß.
Doch plötzlich hielt sie an. Die lichten Augen
Erglänzten wild und stoben Zornesfunken.
An uns vorbeigeschritten kam ein Knabe,
Der in der Hand ein Schüßlein voll mit Beeren,
Armsel'gen, halbgereiften, trug. – »Du Lump«,
Rief ihm die Alte zu, »kannsts nit derwartn,
Daß d'Erber rot wern, muaßt di greani rupfn?«
Mit hocherhobner Faust bedroht sie ihn,
Und ein gewaltig Fluchwort flog ihm nach,
Als schleunig er und still die Flucht ergriff.
Dann aber ganz erregt vor Schmerz und Grimm
Sprach sie: »Dees is mei allerirgster Kumma,
Wenn's d' Erber brockn u'reif und kloanleizi.
Ma mirkt's ja deutli, 's tuat der Pflanzen weh.
Sie wehrt si drum, was si nur ko, di Armi,
Just wier a Muatta um ihr liebis Kind,
Do' wenn die Frucht erst zeiti worn is,
Geits 's geduldi her; no jo, sie hat
Das ihre redli to' und denkt ihm halt:
Jetz werst der endli aa dein Frieden gunna.«
Da stockte sie und sah mich fragend an,
Bestürzt beinah ob dieser Worte Sinn,
Der dämmernd nur ihr zum Bewußtsein kam.
»Wo wohnen's?« sprach sie hastig. – »In St. Zeno.« –
»Da kimm ich lei an nächst'n Sunnta hin,
Und Erber bring i Ihna, solchi haben S'
No niemal koana gsegn. Bfüt Ihna Gott!«