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1.
O Liebe, wenn aus meinem Herzen,
Das einst bekannt mit deinen süßen Schmerzen
Und süßen Freuden war, dein heiligstes Gefühl
Durch dieß getreue Saitenspiel
In die erregte Brust der Hörer hingequollen;
Wenn schöne Thränen, die verschämt
Die Weinende verbarg, als Opfer dir geströmt
Und künftig auch als Opfer strömen sollen;
2.
So weihe du mit sanfter Hand
Die Leyer deines Freunds zum letzten der Gesänge
Besonders ein, daß die erstaunte Menge,
Die nichts begehrt und schätzt, als Gold und Ehrentand,
Es sehe, wie du selbst den Todeskelch versüßest,
Und Seelen, die du deine Last
Zu tragen allbereit und treu gefunden hast,
Unmerklich weg von blassen Lippen küssest.
[408]
3.
Es stelle sich dein allerhöchstes Glück
Dem Hörer dar und als ein Gegenstück,
Der Tod, den du gewährst. Denn kann uns nicht das Leben,
Wie soll der Dichter denn uns reine Freuden geben?
Er mahlt das Leben ab, wo bald die Tugend siegt,
Bald aber und vielleicht noch öfter unterliegt.
Doch pflegt sie, mit den Palmenkränzen
Des Marterthums geziert, nur herrlicher zu glänzen.
4.
Kaum grüßt der Lerchen erstes Lied
Den jungen Tag, der unterm Wolkenschleyer
Roth von den Bergen niedersieht,
Als wach und ganz durchströmt von des Verlangens Feuer
Bliomberis ersteht, auf seinem Zelter sitzt,
In Arturs Gold sich hüllt und mit dem Rocke schmücket,
Den einst zum Lanzenpreis Celine selbst gesticket
Und wie ein Meteor durch die Gefilde blitzt.
5.
Er kommt in Turnay an und reitet
Auf das verlangte Schloß; o wie in seiner Brust
Sein zitternd Herz sich abarbeitet!
Welch wunderbar Gemisch von Schmerzen und von Lust,
Von Kühnheit und von Furcht; ihn wehen
Erinnerungen an; Celinens Fenster glüht
Im Morgenroth; der Jüngling siehts und sieht
Auch die Vergangenheit lebendig vor sich stehen.
[409]
6.
Sein edles Roß erkennet den Pallast,
Es grüßet ihn mit fröhlichem Gewieher
Und tanzet, stolz auf seine theure Last,
Die langen Höfe durch. Bliomberis war früher,
Als alle Ritter, auf der Bahn.
Er wartet, lästig Wort! wie viele bittre Schmerzen
Machst du der Liebe nicht! Doch wärs nicht wohl gethan,
Aus ihrem Wörterbuch dich deßhalb auszumärzen.
7.
Du schenkst ihr auch der besten Freuden viel.
Denn süßer ists, ein weit hinaus gerücktes Ziel,
Als ein herein geschobnes zu erlaufen.
Das Glück steht nun einmahl in dieser Alltagswelt
Für Sorge nur, für Plage nur zu kaufen.
Dieß fühlt Celinens treuer Held.
Er wartet zwey unendlich lange Stunden,
Schaut ängstlich auf die Bahn und zählet die Secunden.
8.
Doch endlich sammelt sich der edlen Ritter Schaar,
Und Arbogast erscheint, er ruft die Freyer alle
Zur Prüfung, wem der Kampf vergönnt sey, in die Halle,
Die nah der Stechbahn ist. Hier stellt sich jeder dar
Und giebt, gefragt vom errnsten Greise,
Die eignen Thaten an. O hoch beglückte Zeit!
Man glaubte damahls nicht der Lüge Möglichkeit,
Verführte gleich dazu der herrlichste der Preise.
[410]
9.
Bald redet Arbogast auch unsern Ritter an,
Den das Visier bedeckt: »Und was habt ihr gethan
Herr Ritter?« sanft erwiedert er dem Alten:
Ich habe dieses Schwert nach einem Kampf erhalten,
Zeigts euerm König'! O ich selber war dabey,
Ruft hier der gute Greis mit einem lauten Schrey.
Denn nun erkannt er erst Bliomberis und sahe
Mit Wollust, daß sein Freund dem großen Ziel sich nahe.
10.
Die Prüfung währte lang'; als sie zu Ende war,
Erstehet Arbogast: bey meinem grauen Haar,
So spricht er feyerlich, bey meinem nahen Grabe,
Bey Gottes schrecklichem Gericht,
Das ich bereits vor meinen Augen habe,
Mich lenket Haß, mich lenket Freundschaft nicht.
Ich lieb' und ehr' euch alle, doch ich führe
Nur acht, die Tapfersten, zum lohnenden Turniere.
11.
Er spricht es, da verstummt der edlen Ritter Kreis:
Sie, die dem Tod ins Angesicht zu sehen
Gewöhnet sind, erblassen nun und stehen
Wie marmorn da. Mit Nachdruck lies't der Greis,
Der Aller Thaten aufgeschrieben,
Die Glücklichen von seinem Blatte her;
Und jeder fleht, den Kampf nicht länger zu verschieben,
Und jauchzt, als ob er schon der Andern Sieger wär.
[411]
12.
O nenne, mein Gesang, der edlen Männer Nahmen,
Die durch des Greises Wahl nun vor die Schranken kamen.
Zuerst kam Ritter Celian,
Dann König Radagond sammt seinem Unterthan,
Dem tapfersten der Agennonen,
Held Seliborn; denn in der Ritterzeit
Wog Edelmuth und Tapferkeit
Nicht schwerer mit als sonder Königskronen.
13.
Esplandian von Tunis war
Der vierte, dann ein blond, blauäugig Brüderpaar,
Altandor und Cerinth aus Schwedens fernem Eise,
Herbey gelockt von diesem großen Preise.
Dann Catimur, der Herrscher um den Strand
Des Tajo, hoch berühmet und der Weise
Nicht bloß von Höflingen genannt.
Und endlich schloß den Zug der Ritter – Palissant.
14.
Sie kamen zu der Bahn; der Frankenkönig sitzet,
Bedeckt vom Baldachin auf einem goldnen Thron,
Der übersät mit Edelsteinen blitzet.
Zwey Stufen niedriger zeigt links sich Clodion;
Celine rechts. Man sieht es, sie empfehle
Dem Himmel ihren Freund; denn in der Fürstinn Seele
Kämpft Hoffnung mit der Furcht den zweifelhaften Kampf,
So kämpft die Sonn' im Herbst mit grauem Nebeldampf.
[412]
15.
Held Perceval steht hinter ihrem Sitze,
Daß er in diesem Kampf die Hoffnung unterstütze,
Die schöne Blanka neben ihr.
Das Loos bestimmt die Ordnung beym Turnier.
Die Kämpfer ziehn; indessen flistert
Der tapfre Perceval der Fürstinn in das Ohr:
Seyd ruhig! wie er sie durch äußern Glanz verdüstert,
So geht er ihnen auch an innerm Werthe vor.
16.
Sie glaubts und zittert fort; die Loose sind gezogen,
Die Stechbahn leer; die tapfern Kämpfer stehn
Am Schranken da, im Ritterschmuck und schön,
Wie helle Stern am heitern Himmelsbogen.
Zuerst turnieret Palissant,
Und Celian zuletzt; der Herold macht bekannt,
Daß wer entsattelt wird, nie wieder kämpfen könne,
Indem man dieses Recht allein dem Sieger gönne.
17.
Der Ritter Palissant trägt heute keinen Schild,
Der viele Sterne zeigt und dessen goldne Lettern
Gestehn, daß seinem Herrn die Treue wenig gilt.
Er führt den anderen, worauf von Liebesgöttern
Umringt ein goldner, schön getriebener Cupid
Die Flügelchen aus einem Herzen zieht.
Zu zeigen, daß sein Herz den Unbestand verschworen
Und Eine nur zur Herrscherinn erkoren.
[413]
18.
Man giebt das Zeichen und nun sprengt
Esplandian mit wüthender Geberde
Auf Palissanten los, fehlt ihn und – fleugt vom Pferde.
So gehts Altandorn auch; sein jüngrer Bruder drängt
Sich rasch hervor und muß, wie er, den Sattel räumen.
Auch Catimurn, auch Radagonden nützt
Das Herrschergold, das ihren Helm umblitzt,
So wenig, als ihr Speer, gehaun aus Cedernbäumen.
19.
Mit Seliborn war heftiger der Kampf:
Die Rosse blasen auf die weiten Nasenlöcher,
Und grimmig treffen sich die wohl geübten Stecher.
Der Staub umhüllet sie, gleich einem dichten Dampf.
Man hört darin ein Rasseln: krachend brechen
Die ersten Lanzen ab, doch bey dem zweyten Stechen
Trifft Palissants klug abgemessner Stoß
Den armen Selibor und schleudert ihn vom Roß.
20.
Die Stärke Palissants, der sechs gewandten Rittern
So mitgespielet, macht die Fürstentochter zittern.
Sie siehet trostbedürftig Blanken an
Und lispelt: Gott! das ist ein fürchterlicher Mann!
Die Rosen bleichen sich auf ihren schönen Wangen
Zu Lilien; sie wagt nicht in die Bahn zu sehn.
Und möcht es doch; o Furcht! o Hoffnung! o Verlangen!
Laut schmettert der Trompet' entsetzliches Getön.
[414]
21.
Bliomberis, nun gilts Tod oder Leben!
Doch nein; du würdest nicht erblassen, nicht erbeben,
Gält' es nicht mehr, Celinen gilt es jetzt.
Er raffet sich zusammen,
Sich tief ins Roß hinein, schließt beyde Kniee, blicket
Scharf auf den Gegner hin und reitet los, den Speer
Fest an die Rippen angedrücket,
Den Zügel hoch, das Herz von Lieb' und Sorge schwer.
22.
Nun naht der Augenblick; es schwebt an einem Haare
Des Ritters Glück, was helfen ihm zwey Jahre
Voll Sieg' und Arbeit, wenn – – ha! seht! sie treffen schon
Zusammen; großer Gott! wie viele
Der schönsten Hoffnungen stehn itzund auf dem Spiele!
Selbst Perceval und Clodion
Erheben bang' ihr Haupt; »ach wenn er dennoch fiele!
Kann das nicht jeder Held? fiel er nicht selber schon?«
23.
Der arme Prinz litt auch für seine Schwester.
Kein Bruderherz hing redlicher und fester
An einer durch das Blut Verbundnen; er verschwieg
Den Kampf, worin sein Freund nach ihm vom schwarzen Ritter
Entsattelt ward, ihr nicht; doch nun bereut ers bitter.
»Daß ihre Seelenangst den höchsten Grad erstieg,
Bin ich Schuld; doch genug: ich weiß, was ich geschworen,
Eh Palissant sie freyt, muß er mein Herz durchbohren.«
[415]
24.
Was seh ich? Mitten in dem Lauf
Hält Palissant den raschen Zelter auf
Und lenket seitwärts: wie? er faßt mit starken Fäusten
Den Speer und bricht ihn ab; o Himmel, was ist dieß?
Doch still! er wendet jetzt sich zu Bliomberis.
Glaubt ihr, beginnet er, ich werde mich erdreisten,
Mit euch, o Celian, zu kämpfen? nimmermehr!
Ich läge bald im Sande, wie mein Speer.
25.
Doch ließ' ich mir auch Sieg im Hochmuthsfieber träumen.
So würd' ich doch nicht gegen euch,
Mein Retter und mein Freund, Verrätherlanzen bäumen.
Nein König Pharamund! mir ist das halbe Reich,
Ja die Prinzessinn selbst um diesen Preis zu theuer.
Ich kämpfte zwar um sie, doch gegen andre Freyer;
Euch aber, großer Celian,
Euch beth' ich dankerfüllt als meinen Schutzgott an.
26.
So spricht er. Alles sieht die Helden
Stillschweigend an, und Perceval erklärt
Das Räthsel, schon verläßt Bliomberis das Pferd,
Schon will der frohe Greis dem ganzen Hofe melden,
Der hoch beglückte Sieger sey
Ihr alter Freund; schon eilt er selbst herbey;
Der König stehet auf, ihn gütig zu empfangen,
Und Lieb' und Hoffnung glühn auf der Prinzessinn Wangen.
[416]
27.
Bliomberis war kaum noch funfzig Schritte mehr
Vom Zelte fern, ein ganzes Freudenheer
Umgaukelte den Held, Celinens Athem wehte
Beynah ihn an, da scholl noch Einmahl die Trompete.
Er dreht sich hastig um; und sieh! der Staub geht auf!
Es sprengt heran in vollem Lauf.
Der schwarze Ritter ists mit dem Cypressenkranze
Auf seinem Schild' und mit der furchtbarn Lanze.
28.
Doch wie er hingekommen, stürzet er
Vom Roß herunter, läßt es laufen, wirft den Speer
Weit von sich weg und reißt in finsterm Grimme
Den Handschuh von der starken Hand.
Hier, brüllet er mit donnergleicher Stimme,
Ist meines Zornes Unterpfand!
Erhebt ihn, Bräutigamm! bald wird man euch erheben,
Starr wie der Handschuh ist und kalt und ohne Leben.
29.
Celine sinkt ohnmächtig hin
In Blankas Arm, wohl ihr! die Ohnmacht ist Gewinn.
Und wird ihr wenigstens viel Todesangst ersparen.
Die Ritter sehn auf sie und tadeln überlaut
Des Schwarzen Trotz; von ihrem Sitze fahren
Die Damen auf und sammeln um die Braut
Sich dicht, wie Tauben sich bey nahenden Gewittern
Versammeln, alle schaun, erblassen, schweigen, zittern.
[417]
30.
Doch Clodion, von edlem Zorn entbrannt,
Wirft seinen Handschuh hin und will der erste fechten:
Das thut auch Lyonel, das will auch Palissant
Und Perceval; es regnet nun zur Rechten
Und Linken Handschuh' auf den Plan.
Der König Pharamund läßt selbst den seinen fliegen.
Er ist voll Löwenwuth dem goldnen Thron entstiegen,
Er bricht die Schranken auf, man stürzet in die Bahn.
31.
Der Schwarze ruft ihm zu: ihr kamt mir vor; ich danke,
So sehr ich euch verabscheu, stolzer Franke!
Ja euch und euern Sohn und euern ganzen Stamm
Verfluch' ich hier so sehr, als diesen Bräutigamm.
Herbey! mein Degen soll euch lehren,
Ihr Niederträchtigen, hülflose Jugend ehren.
Er sprachs, Bliomberis steht kampfbegierig da
Und duldet nicht, daß sich ein Andrer nah.
32.
Ihn, welcher im Turnier des Glückes Launen scheute,
Ihn stärket Göttermuth bey diesem ernsten Streite;
Denn damahls hatte ja das Leben ihm gedroht,
Ein Leben ohne Sie! jetzt dräut ihm nur der Tod,
Er zieht sein gutes Schwert, prüfts in der Luft und sinnet
Auf seines Gegners Untergang,
Und als zum dritten Mahl das laute Zeichen klang,
Weicht alles weg; der große Kampf beginnet.
[418]
33.
Seit durch die Welt, gehüllt in schwarzen Höllendampf,
Der Zwietracht Wagen fährt, von umgestürzten Reichen
Der Fall ihr nachhallt, Blut an ihrer Räder Speichen
Herab rinnt, sah man nie solch einen grimmen Kampf.
Des Zornes laut Gebrüll, der Füße wild Gestampf
Ertönet zu der Schwerter Streichen;
Die Schilde klirren drein; es hallet Schlag auf Schlag,
Daß selbst der Wiederhall zu folgen kaum vermag.
34.
Verstümmelt hat bereits Celinens tapfrer Ritter
Des Schwarzen Schild, und den Cypressenkranz
Durch Schwertstreich' ausgelöscht; doch deckt sich auch mit Glanz
Der Platz, worauf er steht; weil viele goldnen Splitter
Sein Feind ihm von dem Schild' und von der Rüstung haut.
Sie kämpfen schon tief in die zweyte Stunde
Den fürchterlichen Kampf, wovor auch Helden graut,
Mit immer gleicher Kraft, und jeder ohne Wunde.
35.
Jetzt aber, weh Bliomberis! jetzt fährt
Rechts gegen deinen Hals des Schwarzen sausend Schwert.
Er kehrt sich schief, die starke Klinge zischet
Mit fürchterlichem Ungestüm
Am Helm herab und trifft und streifet ihm
Das halbe Bruststück weg, als wär es weggewischet.
Doch da die Rüstung nicht zu knapp am Leibe sitzt,
So wurde nicht einmahl des Ritters Haut geritzt.
[419]
36.
Allein das goldne Kreuz, das er als Eingeweihter
Auf seinem Busen trägt, erscheint.
Mit wundem Harnisch zwar, doch stets der kühne Streiter,
Den nichts erschüttern kann, stürmt er auf seinen Feind,
Nicht achtend, daß von jeder Lippe
Der Schauenden ein lauter Angstschrey bebt.
Der Helm des Schwarzen ist sein Ziel; sein Degen hebt,
Senkt sich und trifft, ein Blitz auf eine Klippe.
37.
Weg fleugt ein großer Theil des Helmes, etwas Blut
Befleckt des Fremden Stirn; er aber ras't vor Wuth
Und brennet, soll er auch sein Leben mit verhauchen,
In seines Gegners Brust der Rache Schwert zu tauchen.
Er schwingts, er zielet hin; doch jetzo trifft sein Blick
Aufs goldne Kreuz, und sieh! auf Einmahl legen
Sich seines Zornes Stürm', 'er weicht voll Angst zurück
Und schleudert weit von sich den fürchterlichen Degen.
38.
Das wolle Gott im Himmel nicht,
So ruft er, eh verdorre meine Rechte
Am ersten beßten Hochgericht,
Als daß ich wider euch, erkannter Bruder, fechte.
Der Himmel sendet noch sein Licht
Zu rechter Zeit und heilt des bösen Irrthums Nächte!
Ihr aber freut euch deß, o Ritter, euch gesteht
Den Vorrang zu der nie besiegte Palamed.
[420]
39.
Hier stürzt Bliomberis zu seines Vaters Füßen;
Aus seines Helmes Gitter fließen
Viel heißer Zähren drauf; mit fast ersticktem Ton
Ruft er ihm zu: Seht, Vater, euern Sohn!
Der Vater hörts, des Helden Kniee wanken,
Sein Odem keichet, sein Gesicht
Vergeht, er tappt umher und fängt sich an den Schranken.
Bist du es? mehr sagt der Betäubte nicht.
40.
Nun nennt man rings erst still, dann lauter ihre Nahmen.
Die Ritter stehn bewegt, und thränenvoll die Damen.
Der große Pharamund schaut sanft und mitleidsvoll
Dem Auftritt zu, der allen Groll
Aus seiner Brust getilgt; er eilt herbey und siehe
Der einzge Palamed fällt bittend auf die Kniee,
O, ruft er, rechnet, edler Mann,
Des Vaters Thorheit nicht dem armen Jüngling' an.
41.
Der Ruf erzählte, daß verstoßen
Von euerm Hof, mein Sohn Bliomberis
Den Tod gefunden hat: der Geist der Rache riß
Den Vater her. Verzeiht! Die Welt nennt euch den Großen;
Seyd groß auch im Verzeihn! ein Ritter knieet hier,
Der niemahls noch sein Knie vor Sterblichen gebogen.
Doch nun hats Vaterpflicht und Reu hinab gezogen.
Herr, macht es wie das Glück, versöhnt euch heut mit mir.
[421]
42.
Der König läßt ihn nicht vollenden,
Er küsset ihn, hebt ihn mit beyden Händen
Vom Boden auf und ruft: Nicht edler Palamed,
Nicht die Erniedrigung, durch die ich bitter leide!
Bliomberis erwarb sich selbst, um was ihr seht.
Ach meine Schwester Adelheide!
So sollte Palamed doch mein Verwandter seyn?
Gewiß wirst du dich deß auch jetzo noch erfreun!
43.
Auf Blankas Arm gestützt, naht endlich sich Celine.
Der Himmel strahlt aus ihrer Miene.
Doch da sie viel durch Schmerz und Freude litt,
Ist ihr Gesicht noch blaß, und wankend noch ihr Schritt.
Bliomberis erblickt sie; sie erblicken,
Umarmen, an sein Herz die lang' Entbehrte drücken,
War Eines! ach! wie süß Celine da verweilt!
Bis sie der Balsamnkuß der Liebe ganz geheilt.
44.
Die Freud' und ihr Gefolge tobten
Nun durch das ganze Volk; es reget sich und gleicht
Den Ähren, über die der Winde Flügel streicht.
Es lebe Pharamund! es leben die Verlobten!
Es lebe Palamed! so tönt es und der Schwall
Umfleußt die Glücklichen; auch strahlet überall
Ihr Glück aus Edler nassem Blicke,
So wie die Morgensonn' aus Tropfen Thaus zurücke.
[422]
45.
Kennt ihr mich denn nicht mehr? sagt Palameden itzt
Der sanfte Lyonel, und Palamed erkennet
Den Freund, wie's keinen giebt; der Freundschaft Flamme brennet
Nun heftiger als je; die reinste Freude blitzt
Auf Palameds verklärtem Angesichte,
Doch auf des andern Stirn' scheint sie mit trüberm Lichte;
So scheint im Herbst der junge Tag
Durch Nebel, die er ganz zu theilen nicht vermag.
46.
Bliomberis vergißt den Prinzen nicht, er bringet
Dem großen Pharamund auch dessen Wünsche dar,
Daß heut der Liebe nichts mißlinget,
Und Maragossen führt er aus der Ritterschaar
Zum Herrscher; ihnen folgt süß zagend Arabelle.
Der König kennt die alte Heldenquelle,
Woraus das Blut, das jetzt den stolzen Maragoß
Durchströmet, rein, ununterbrochen floß.
47.
Ein frohes Herz versagt nicht leicht; der König billigt
Des Sohnes Wahl und wirbt beym Vater selbst für ihn.
In dem scheint Fürstenhaß nun plötzlich zu verglühn.
Er faßt des Königs Hand und willigt
Mit Freuden ein; man führt das Doppelpaar
Gleich von den Schranken weg zum heilgen Brautaltar.
Der große Tag wird durch ein Fest gefeyert,
Bis die erwünschte Nacht den Erdenkreis beschleyert.
[423]
48.
Ich schildre nicht, wie zärtlich Arbogast
Den Bräutigamm, wie dieser ihn umfaßt,
Nicht wie sich Perceval, nicht wie sich Blanka freute.
Bevor Bliomberis sich in das Brautgemach
Verfügte, rief sein Ohm ihn auf die Seite
Und Palameden auch, er sprach,
Die Augen stets dem Himmel zugekehret,
Als einer, der kaum mehr der Erden angehöret.
49.
Arlinde sieh herab! hier stehet dein Gemahl
Und hier dein Sohn! sie werden mirs bezeugen,
Daß ich, bis jetzt nur dir und nicht mir selber eigen,
Der Qualen größeste, die Qual
Zu leben, willig trug. Erfüllt ist mein Versprechen.
Dein Sohn ist tugendhaft und Glück kehrt dieses Mahl
Bey Tugend ein; er wird in unserm Erdenthal,
Wo wenig Blumen blühn, die allerschönsten brechen.
50.
Denn Liebe streut doch manchmahl süßen Duft
Durch diese Welt, die große Todtengruft,
Wo Freude schnell verwes't und oft auch Hoffnung modert.
Beglückt, wen bald daraus der Himmel zu sich fodert!
Verzeih Bliomberis, wenn jenen Freudenschwarm,
Der dich umtanzt, des Oheims Kummer
Gestöret, geh nun hin! dein harrt Celinens Arm,
Mein aber harret süßer Schlummer.
[424]
51.
So sagte Lyonel und jedes Wölkchen schwand
Von seinem Angesicht; mit sanftem Rothe blühet
Sein Wangenpaar, und wahres Lächeln ziehet
Sich um der offnen Lippen Rand.
Nun küsset er, doch ohne mehr zu reden,
Bliomberis und Palameden.
Dem Könige, der eben nahe stand
Und Arbogasten drückt er scheidend noch die Hand.
52.
Dann eilt er fröhlich in sein Zimmer,
Der Sonne gleich; sie zeigt oft ihren Schimmer,
Der durchs Gewölk nur matt den ganzen Tag geblinkt,
Erst damahls rein, wenn sie meerunter sinkt.
Bliomberis hört bald die Wonnestunde schlagen
Und führt ins Heiligthum der Liebe seine Braut,
Die zitternd folgt und ängstlich um sich schaut,
O holde Scham! o süßes Zagen!
53.
Schon kleidet treuer Zofen Hand
Ihr viel zu schnell, ihm viel zu zaudernd,
Sie in ein leinenes, verräthrisches Gewand.
Sie wankt zum Bett und nahet schaudernd
Dem süßesten Geheimniß der Natur.
Gott! welche Reize! Hals und Busen überscheinen
Den neu gefallnen Schnee; das zart gewebte Leinen
Zeigt jeden wallenden Contur.
[425]
54.
Es blickt durch Furcht und Scham ein schüchternes Verlangen,
hr selber unbekannt, und tauchet ihre Wangen
In der Betonje hohes Roth.
Schon ziehen nach und nach mit Inhaltsschweren Mienen
Die Zofen sich zurück; o wehe nun Celinen!
Sie liegt und zittert; nah und immer näher droht
Der Zagenden der Liebe süßer Tod.
hr Held besteigt das Bett – zu rauschen die Gardinen.
55.
Beglücktes Paar, das manchen schmalen Steg,
Das manchen rauhen Pfad, gestützt auf Treu, zerfleischet
Von Sorg' und Schmerzen ging, geh nun der Liebe Weg!
Und wenn mich nicht die Dichtkunst selber täuschet,
Die jauchzend um mein Lied mit goldnen Flügeln wallt,
So wird dein Glück gekannt und mitempfunden werden,
Bis einst vielleicht auf wandelbarer Erden,
Der letzte deutsche Laut verhallt.
56.
Früh wacht die junge Frau am ersten auf und schiebet
Den Arm des Manns, den sie nun doppelt liebet,
Sanft von sich weg; sie ist ein wenig laß
Von Amors Ärnd', ihr holdes Antlitz blaß,
Ihr blaues Auge feucht, sie zieht mit leisen Händen
Die Bettgardinen auf, nicht ohne stets zurück
Den spähenden, den bangen Blick,
Ob er noch schlummere, voll keuscher Furcht zu wenden.
[426]
57.
Er schlummert noch und als sie deß genug
Versichert ist, betrachtet sie mit Muße
Den schönen Jüngling Zug für Zug.
Wie schwimmt ihr Herz dabey in wonnigem Genusse,
Bis sich zuletzt von selbst zum sanften Morgengruße
Die Lippen regen; zärtlich bückt
Die Schüchterne sich jetzto und beglückt
Des Schläfers Stirn mit einem Zephyrkusse.
58.
Noch lange lauschet sie; doch wie der Held erwacht,
Entstürzet sie, Trotz seinem Flehn, dem Bette,
Verschließet sich in ihrem Cabinette
Und wallt heraus in leichter Morgentracht.
Dann eilt sie an dem Arm des Lieblings in den Garten,
Wo ihrer Pharamund beym muntern Frühemahl
Und alle nähern Freunde warten.
Nur fehlt noch Lyonel; ihn suchet Perceval;
59.
Und kommt zurück mit einem Angesichte,
Das eh noch als sein Mund die klägliche Geschichte
Verkündet: Lyonel nahm Gift,
Er stirbt! gleich einem Blitz aus heiterm Himmel trifft
Die Nachricht jedes Herz. Sie taumeln von den Stühlen.
Erschrocken auf; mit allen Angstgefühlen
Der Freundschaft eilen sie in Lyonels Gemach,
Der Held lag auf dem Bett geruhig, aber schwach.
[427]
60.
Der Becher stand auf einem nahen Tische
Ganz ausgeleert; kein Tröpfchen blieb darin
Von diesem heilenden Gemische,
Wie Lyonel es nennt: mit nebeldüsterm Sinn
Steht alles um das Bett und bebt und kann nicht weinen.
Bliomberis stürzt auf die Kniee, nimmt
Die Hände seines Ohms verzagend in die seinen
Und drückt sie an sein Herz, das ganz in Wehmuth schwimmt.
61.
Ach! ruft er aus, so trübt ihr unsre Freuden,
So wenig kostets euch von mir, von mir zu scheiden,
Der sonder euch nicht leben will noch kann.
Nein! selbst mein Weib verküßt mir nicht den ewgen Kummer.
Das also war der süße Schlummer?
Und ich verstand euch nicht! Du undankbarer Mann!
Sagt Lyonel mit Ernst, was soll dieß bange Zittern?
Dieß Klagen? willst du mir den Todeskelch verbittern?
62.
Durch zwanzig Jahre lebt' ich einzig nur für dich.
Ganz elend seyn, denn welches Elend glich
Dem meinen je? und dennoch leben,
Was kann die Freundschaft mehr? nicht eh,
Als bis ich dich am Ziel all deiner Wünsche seh,
Eil ich zur Ruh und du darfst Klagen noch erheben?
Was soll ich hier noch ferner? Jede Pflicht
Hab' ich erfüllet; mehr verlangt der Himmel nicht.
[428]
63.
Drum gönne mir, setzt er mit sanfterm Wesen
Und leiserm Ton hinzu, drum gönne mir mein Glück,
Wie ich dir deines! Auf! erheitre deinen Blick.
Ich fühle schon, daß sich die Bande lösen,
So an die Welt, die große Folterbank
Mich fesseln. Ihr, mein König, habet Dank,
Daß euer großes Herz mir seine Freundschaft schenkte.
Sie war ein Labungsquell, der mich in Wüsten tränkte.
64.
Ich prang' im Himmel noch vor Seligen damit.
Naht euch, mein Arbogast, und küsset meine Wange!
Nun sah man deutlicher, wie viel der Arme litt.
Er schwieg, das Haupt gesenkt, tief athmend; doch nicht lange,
So fleht er Percevaln mit sanften Worten an,
Dem König Albions sein Lebewohl zu bringen,
Ruht wieder eine Zeit vom Reden, wendet dann
Sich zu der jungen Frau und straft ihr Händeringen.
65.
Doch jetzo sammelt er die letzte Kraft, ergreift
Bliomberis und Palameden
Stark bey der Hand und von der seinen läuft
Der kalte Schweiß des Todes; diese Reden
Entträufeln langsam, leis' und hohl
Dem immer blassern Mund: Ihr Theuren, lebet wohl!
Gott und Arlinde winkt; ich scheide gern; wir finden
Uns wieder … denkt … er schwieg und – ist schon bey Arlinden.