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Eilfter Gesang.


1.

Herr Ritter, sagt der Greis, in meinen Jugendtagen
War ich ein andrer Mann und hatte nicht zur Zier
An meiner Hüft' ein Ritterschwert getragen.
Durch Tapferkeit erwarb ich mir
Das schönste, beste Weib. O meine Geldibere,
Du starbst, du bist dahin, noch weint
Um dich, noch spricht mit dir dein unglückselger Freund,
Als ob das Grab bloß für den Körper wäre.

2.

Nur Arabella war die Frucht von einer Eh,
Die jegliches Gericht am Lebenstisch mir würzte
Und sieben Jahre lang mich auf die höchste Höh
Des Menschenglücks erhob; von dieser Höhe stürzte
Mich Geldiberens Tod herab;
Auch tobte bald darauf die Gicht durch meine Knochen.
Gern hätt' ich lebenssatt den schweren Pilgerstab
Auf der Geliebten Gruft zerbrochen. [365]

3.

Doch schmiedete die Liebe für mein Kind
Mich an die schreckliche Galeere
Des Lebens an; denn glaubt, seit Geldibere
Und die Gesundheit mir auf stets entflohen sind,
Kann ich, Trotz all den todten Schätzen,
Die meine Väter schon gehäufet, ich vermehrt,
Auf dieses Seyn kaum einen höhern Werth,
Als der zur Ruderbank verdammte Sclave setzen.

4.

Todt für Turnier und Kampf, da Krankheit alle Kraft
Aus meinem einst so festen Arm gesogen,
Bestimmt' ich mich zur Geistesritterschaft.
Denn, sagt' ich mir, auch graue Weise zogen,
Wiewohl ihr siecher Leib zu Haus
Geblieben war, auf Abentheuer aus.
Sie kämpften wider Wahn und Vorurtheil, die Drachen,
Die an dem schönen Schloß der Dame Wahrheit wachen.

5.

Ich lernte bald die Schriften, die Athen
Und Rom uns hinterließ, mit Fertigkeit verstehn.
In mein geblendet Auge glänzten
Am ersten Anaxarch, Leucipp und Hyppias!
Zwar anfangs las ich sie mit Abscheu und mit Haß;
Mir schien, daß sie ihr Haupt mit bösen Blumen kränzten,
Mit Blumen, deren Aushauch Tod
Den Seelen, Untergang der besten Hoffnung droht. [366]

6.

Noch kämpfte wider sie der alte, blinde Glaube,
Den ich geerbet, nicht geprüft;
Allein er schwand, je mehr ich mich in sie vertieft.
Doch weil ich niemand gern den süßen Irrthum raube,
So hatt' ich mein System zu predigen nicht Lust;
Bloß in der Leidenschaft entfuhr heut meiner Brust
Ein Theil davon; ein Theil, vom Ganzen losgerissen,
Empöret; darum sollt ihr nun das Ganze wissen.

7.

Ausdehnung und Gedanke heißt
Das große Paar, das überall sich findet;
Der letztere gehöret für den Geist,
Indeß die erstere der Körper Wesen gründet.
Doch beyde, Geist und Körper, sind gezeugt
Aus der Materie, die ewig jung, wie Hebe,
Und ewig fruchtbar bleibt; durch feineres Gewebe
Hat sie den Geist geformt und mit Ideen gesäugt.

8.

Drum ist er zarter, als sein Bruder,
Voll Thätigkeit, geschwinde, leicht bewegt;
Und mancher Philosoph hat dieses Weltalls Ruder,
Entzückt von ihm, in seine Hand gelegt
Und uns geprediget, daß wir nur aus den Gnaden
Des höchsten Geistes sind, daß der die ersten Faden
Der Körperwelt geknüpft und aus der langen Nacht
Des Chaos sie und uns durch Kunst hervor gebracht. [367]

9.

Ein schön System! nur Schad'! Erfahrung widerstrebet,
Der Eine Stern für den, der redlich Wahrheit sucht!
Muß in der Mutter Leib die Frucht
Nicht wohl geformet seyn, eh sie der Geist belebet?
Der Körper also ists, woraus sich allgemach
Der Geist entwickelt Körper; waren
Die ersten Wirkungen der langen, undenkbaren,
Ernsthaften Ewigkeit, und Geister kamen nach.

10.

Wahr ist es, hören wir die Theologen – rasen;
(Was diese heilge Zunft in Fieberträumen spricht,
Verdienet wohl gelindre Nahmen nicht)
So hat ein Gott den Geist uns eingeblasen.
Allein entstand durch einen solchen Hauch
Der theologsche Gott, als Geist der Geister auch?
Und müssen wir nicht eingestehen,
Daß wir die Geister fast aus Körpern werden sehen?

11.

Es äußert sich der letztern Zeugungskraft
Mit jedem Augenblick, macht Geister, oder schafft
Doch die Gelegenheit, daß sie entstehen können?
Doch wer vermag den seltnen Geist zu nennen,
Der einen Körper schuf, ja nur Gelegenheit
Zu dessen Daseyn gab? Noch mehr! Der Geist verdanket
Dem Körper alles, er gedeiht,
Wenn der gedeiht, erkrankt, wenn der erkranket. [368]

12.

Der Geist hat also nicht das große Herrscherrecht,
Das ihm der Wahn der Meisten eingeräumet;
Der Körper herrscht, der Geist ist nur der Knecht:
Denn kommen ihm, so groß er sich auch träumet,
Nicht was er hat, Gewandtheit, Stärke, Ruh
Von seinem Herrn, dem mächtgen Körper zu?
Selbst die Ideenkost, wie kann er sie gewinnen?
Von Körpern nur durch körperliche Sinnen.

13.

Doch, sagt man mir vielleicht, durchspäh den Erdenball,
Durchspäh die Sphären selbst, und dein System wird wanken;
Denn Ordnung triffst du überall,
Und Ordnung sprosset nur aus Reihen von Gedanken.
Was? die Gedankenreihe nur
Könnt' Ordnung zeugen? Wie gedeiht denn Baum und Pflanze?
Ist jedes nicht, obgleich es keine Spur
Von Denkkraft hat, das ordentlichste Ganze?

14.

Und was gewinnt ihr Frommen, die ihr gern
Euch einen Gott als Schöpfer und als Herrn
Des Weltgebäudes denkt? Ihr häuft nur Hypothesen
Und könnt doch nie das große Räthsel lösen.
Mag diese Welt, weil alles sich so schön
Darin zur Ordnung fügt, nicht herrscherlos bestehn;
So saget, wen ihr dem noch ordentlichern Wesen,
Das diese Welt beherrscht, zum Herrscher auserlesen. [369]

15.

Auch rühmet mir die Ordnung nicht zu viel.
Wenn gleich das Physische durch gutes Federnspiel
Sich noch im Gang' erhält, so schwanket
Doch das Moralische, der Schöpfung Meisterstück,
(Denn also heißet ihr den Menschen) dieser wanket
Stets zwischen Tugenden und Lastern, zwischen Glück
Und Unglück, irrt, wenn er nach Wahrheit spähet,
Weiß nicht, woher er kommt, weiß nicht, wohin er gehet.

16.

Allein was sag' ich noch, er wank'? er wanket nicht.
Er ist, damit ich ihn mit einem Wort beschreibe,
Ein unglückselger Bösewicht.
Ihr bebt zurück, ihr denkt, ich übertreibe.
Betrachtet ihn nur selbst! ein Bißchen Feuchtigkeit
Erzeuget ihn, er wächst heran, ernähret
Sich kummervoll, verschläft die halbe Lebenszeit,
Begattet sich, wird alt, baufällig und zerstöret.

17.

Er ist das elendste der Thiere; gehet nur
Aufs Feld, in Haine; dort deckt unsre wilden Brüder,
Ein angebornes Kleid, den Haare, den Gefieder.
Indessen wir, von der Natur
Stiefmütterlich vergessen, nacket wimmern
Beym Eintritt in die Welt, das große Siechenhaus,
Glück suchen, Unglück nur in allen, allen Zimmern
Erblicken, bis der Tod uns zuruft: Fort! hinaus! [370]

18.

Selbst die Vernunft, so hoch von Thoren angeschlagen,
Was ist sie, als ein Blitz, der unsers Kerkers Nacht
Von Zeit zu Zeit erhellt und fürchterlicher macht?
Sie heilet nicht, sie mehret unsre Plagen
Und plaudert stets davon; denn weis't ihr schwarzer Stab
Nicht unter Freuden selbst uns immer auf das Grab?
Beglücktes Vieh, das ungenecket
Sich freuet und den Tod, erst wenn er da ist, schmecket!

19.

Auch für das Leben selbst, wie schlecht sind wir versorgt!
Wir können nicht die leichte Luft durchsegeln.
Die Schwimmkunst haben wir den Thieren abgeborgt
Und viele Künste noch; wir üben sie nach Regeln
Und sind doch weit zurück; die Thiere brauchen nicht
Erst Übungen und langen Unterricht.
Geschicklichkeit und Kunst ist ihnen angeboren,
Sie sind zu Lieblingen des Schicksals auserkoren.

20.

Seht her! ich mit Vernunft so hoch begabtes Thier,
Ich tauschte gern mein Loos mit diesem Hunde hier.
Ihn foltert höchstens nur ein gegenwärtig Übel,
Kein fernes künftige, noch ein verlornes Gut.
Sein Leben ist Genuß; er frißt aus seinem Kübel
Zufriedenheit und guten Muth;
Indessen ich Verdruss aus schön getriebnem Golde
In mich schluck' und dafür drey Köche noch besolde. [371]

21.

Und doch behauptet man, daß Vorsicht diese Welt,
Daß sie ein Gott, ein weiser Gott regiere,
Der als Monarch uns arme Menschenthiere
Durch sein Gesetz in Ordnung hält.
Wohl scheint er ein Monarch, weil er beym bittern Leiden
Der Unterthanen sich erfreut.
Wie mancher Fürst in Ost aus lauter Gütigkeit
Den Lieblingen vergönnt, den Bauch sich aufzuschneiden.

22.

So sprach der Greis mit Heftigkeit; es floß
Ihm desto schneller von dem Munde,
Weil er die Lästerung im Herzen sonst verschloß.
Die faltenvolle Stirn war ähnlich einem Grunde,
Den tief der Pflug gefurcht; die Lipp' entfärbte sich,
Und übers Augenpaar, das jenen Lampen glich,
Die in der Todtengruft das Grauen
Vermehren, senkten sich die wild verworrnen Brauen.

23.

Bliomberis sieht mitleidsvoll ihn an
Und schämet sich, daß er den kranken Mann
Für einen Bösewicht gehalten.
Mit holder Freundlichkeit, die nach und nach die Falten
Von dieses Timon Stirne fegt,
Antwortet er: ich sehe tief bewegt,
Wie viel ihr armer Mann durch lange Schwermuth leidet,
Die alles um euch her in traurig Schwarz gekleidet. [372]

24.

Nur sie vernünftelt euch zum Unglückssohne, sie
Eröffnet eures Herzens Thore
Der kläglichsten Philosophie.
O hört, was Freundschaft räth, nun mit geneigtem Ohre.
Entzieht, entreißet euch der bösen Einsamkeit,
Unheilbar machet sie und mehret euer Leid;
Die schmeichelhafte Ruh, so sie gewährt, betrieget.
Nicht Schlummer, Ohnmacht ists, worin ihr manchmahl lieget.

25.

Ihr wachet auf, dann fühlet ihr
Nicht nur den alten Schmerz noch völlig ungelindert,
Auch jede Kraft, dem wüthenden Vampyr
Zu widerstehn, geschwächet und vermindert.
O ihr bedürfet Leibs- und Geistes-Arzeneyn,
Um wieder Ruh und Glück zu finden.
Zum Seelenarzt nehmt mich: ihr schweigt? Schlagt immer ein!
Und nun zuerst ein Wort von euern Gründen.

26.

So unauflöslich, als ihr glaubt,
Sind diese Gründe nicht, durch die ein Schwarm Sophisten
Dem Himmel seine Rechte raubt,
Sich selbst und euch die Ruh; doch diese Gründe nisten
In euern Geist, wie in dem Felsenspalt
Die schrecklichen, die menschenfeinden Eulen.
Wohlan! ich ziel auf sie mit heilger Wahrheit Pfeilen;
Vielleicht verjag' ich sie aus ihrem Aufenthalt. [373]

27.

Ihr glaubt, daß jeder Geist aus Körpern werden müsse,
Weil in der Mutter Leib die Frucht geformet wird,
Eh sie der Geist belebt; doch dünket mich, ihr irrt
In diesem schlüpfrigsten der Schlüsse.
Denkt euch, ein Mann, der nie ein Schiff gesehn,
Erblicket eins, wenn eben dessen Segel
Voll Nordwind' ist, und zieht daraus die Regel:
Aus Segeln müssen Nord' entstehn.

28.

Nicht besser schließet ihr; der Geist ist so verschieden
Vom Körper, als der Nord es von dem Segel ist,
Wiewohl auch er es füllt, regieret und durchfließt.
Doch weg mit Gleichnissen! ich gebe mich zufrieden,
Wenn ihr mich lehrt, wie durch der Körper Zeugungskraft,
(Denn die Materie kann doch den Stoff nur geben)
Der Geist entstehn mag, er, der mit der Eigenschaft
Zu denken pranget, er, durch den die Körper leben.

29.

Wann hat ein leblos Ding ein lebendes gezeugt?
Wann hat Natur die Ordnung so verletzet?
Sagt, daß die Löwinn Adler säugt,
Die sie gebar, der Adler Löwen ätzet,
Die seinem Ey entkrochen sind;
Sagts, haltet es für wahr und fodert, daß man blind
Euch Beyfall geb'; ich will es euch erlauben,
Nur nicht Deucalions vermenschte Steine Nach der griechischen Mythologie hatte Zeus wegen der Verdorbenheit der Menschen das Eherne Zeitalter mit einer großen Flut beendet. Lediglich der gottesfürchtige Deukalion und seine Frau Pyrrha überlebten. Deukalion, Sohn des Prometheus, befragte das Orakel der Themis, was zu tun sei, um die Erde wieder zu bevölkern. Ihm wurde geraten, die »Knochen seiner Mutter über seine Schulter zu werfen«. Zunächst über diesen Frevel entsetzt, verstanden die beiden Überlebenden alsdann die »Mutter« als ›Gaia‹ (»Mutter Erde«) und die »Knochen« als Felsen; also warfen sie Steine über ihre Schultern, und es wurden Menschen daraus, eine neue Menschheit. Die alten Griechen verehrten Deukalion als ihren Stammvater. glauben. [374]

30.

Auch fürch ich sehr, daß jene Sclaverey,
Worin der Geist nach eurer Meinung schmachtet,
Wenn nicht erträumt, doch übertrieben sey,
So wie das große Bild, das ihr vom Körper machtet.
Wahr ists, der Geist, der durch den Körper fühlt,
Wächst, siecht, genes't mit ihm; kein Bund war jemahls treuer.
Allein gesteht, auch Orpheus selber spielt
So trefflich nicht wie sonst; verstimmt sich seine Leyer.

31.

Ist Orpheus drum des Saitenspieles Knecht?
Und hat der Feldherr drum nicht volles Herrscherrecht,
Weil er allein den Krieg nicht führet
Und eines Heers bedarf? Wer aber macht den Plan,
Wer überdenket ihn, wer führt die Schaaren an?
Er ist des Heeres Geist, und nur der Geist regieret.
Der untersucht, der prüfet den Bericht
Der Sinne durch Vernunft und glaubet blindlings nicht.

32.

Von ihm geht Ordnung aus. Zwar sagtet ihr, die Pflanze
Ist, ohne daß sie eine Spur
Von Denkkraft zeigt, das ordentlichste Ganze.
Von einer aufgezognen Uhr
Könnt eben so der Unerfahrne schließen.
Denn Uhr und Pflanze sind mit Ordnung wohl geschmückt,
Im Bau von beyden sind Ideen ausgedrückt
Und Zwecke, welche nur in einem Geiste sprießen. [375]

33.

Allein wir Frommen, wie der Spott
Uns immer nennen mag, gewinnen durch den Gott,
Den wir uns denken, nichts, wir häufen Hypothesen
Und können dennoch nie das große Räthsel lösen.
Begreift uns recht! Die Welt kann nicht für sich allein,
So sagen wir, drum muß ein Herrscher seyn.
Auch zeigt sich ein durch dieses Alls Naturen
Gegossner höhrer Geist in Millionen Spuren.

34.

Wie wenn man euch die herrlichste Statü
Von Polycleten wies' und dann das Urtheil fällte,
Der Meißel, bloß allein der Meißel machte sie,
Euch aber einen Thoren schälte,
Weil ihr versichert wärt, des größten Meisters Hand
Hab' ihn geführt, nur die, geleitet durch Verstand,
Könnt' ein so schönes Werk, wo alle Theile Normen
Für Künstler sind, zu weisem Zwecke formen.

35.

Was aber hilft es uns, daß höherer Verstand
Die Welt gegründet, geht mit ihm nicht auch die Güte
Bey der Regierung Hand in Hand?
Und ist der Mensch, für welchen jede Blüthe
Des schönsten Glücks zu Früchten reifen soll,
So wie ihr ihn beschreibt, verächtlich, unglücksvoll,
Ja durch die häufigen und übergroßen Leiden
Genöthiget, das Loos der Thiere zu beneiden. [376]

36.

Wahr ists, man hört von allen Seiten schreyn
Es gehet schlecht, so oder so solls seyn!
Doch ists den Schreyern mit den Klagen
Nicht völlig Ernst; denn wenige nur wagen,
Durch eigne Wahl bestimmt, den großen Schritt hinaus
Aus dieser schlechten Welt, aus diesem Siechenhaus.
Die Lebensliebe machts, könnt ihr zur Antwort geben;
Doch eben die beweis't, es sey ein Glück, zu leben.

37.

So gar der Schmerz ist manchmahl Wohlthat nur;
Er ruft dem Trunkenbold', er ruft dem Wollüstlinge,
Dem Schlemmer zu: Halt ein! er heißt, weil noch geringe
Die Krankheit ist, den Kranken an die Cur
Und an die Selbsterhaltung denken.
Auch brauchet Gott den Schmerz, um Wollust uns zu schenken.
Glaubt ihr, daß Sättigung ein solch Vergnügen wär,
Schritt ungestüm vor ihr der Hunger nicht einher.

38.

Doch daß ihr gar das Loos des Viehs beglückter preiset,
Als unser Loos, dieß, Maragoß, beweiset,
Wie krank und wie verstimmt ihr seyd.
Hängt nicht das Glück von der Empfindlichkeit
Und ihren Graden ab? und wähnet ihr, die Taube,
Wiewohl das zärtlichste, wiewohl das treuste Thier,
Empfinde je so viel in seinem Schlag' als wir,
Wenn uns die Liebe winkt, in ihrer Myrthenlaube. [377]

39.

Wir lernen von dem Thier; doch dieses ist nicht Schmach,
Es ist Verdienst; wir forschen jeder Quelle
Des Wissens, voll von edlem Durste, nach,
Und drum behaupten wir die allererste Stelle
Im Weltall. Nennt das Thier, das nicht dem Menschen weicht,
Vergebens deckt den Fisch das Silber seiner Welle,
Netz', Angeln fangen ihn, so wie Trotz seiner Schnelle
Den Vogel in der Luft der schnellre Pfeil erreicht.

40.

Auch Thiere wissen wir zu zähmen, zu bezwingen,
Die hundertmahl mehr Kraft von der Natur empfingen.
Dieß lehret uns die große Meisterinn,
Die heilige Vernunft, die unser Wesen adelt,
Die jeder ehrt, auch dann, wenn er sie tadelt.
Denn damahls zeigt er noch auf ihr Orakel hin,
Beweis't durch sie sein Recht in diesem Streite
Und ruft dem Gegner zu; sie steh auf seiner Seite.

41.

Ich will nicht erst mit rednerischer Zier
Die Freuden der Vernunft euch mahlen,
Die süße Sättigung der schönen Wissbegier,
Den edlen Stolz, der, feind dem Prahlen,
Sich selbst doch sagen darf: ich werfe meine Strahlen
Noch auf die Nachwelt hin und Enkel danken mir.
Die Wonne, Trotz dem Neid' und seinen Unholdinnen,
Der Zeitverwandten Herz und Achtung zu gewinnen. [387]

42.

Ihr scheltet die Vernunft, daß sie uns immer neckt
Und unsre Phantasie mit fernen Übeln schreckt;
Das heißt, ihr flucht dem Freunde, der vor Mördern
Nicht bloß euch redlich warnt, auch Rath und Hülfe giebt,
Um eure Sicherheit und Wohlfahrt zu befördern.
Doch wenn Vernunft auch hier uns manchmahl nur betrübt,
Nicht helfen kann, so zeigt sie doch auch ferne Güter
Und schickt der Hoffnung Strahl in finstere Gemüther.

43.

O Vorzug, der allein den Menschen eigen ist!
O Hoffnung, Himmelskind! die unser ganzes Leben
Mit ihrem Zauberhonig süßt.
Sie lehret mich den Blick hoch über Grüfte heben,
Wo unser Pilgerkleid der Wurm Verwesung nagt.
Sie flistert mir mit Engelzungen
Die Freudennachricht zu: »Sey guten Muths! es tagt
Nach dieses Lebens Dämmerungen.

44.

So viele Kraft, so viele Thätigkeit,
Die in der kurzen Lebenszeit
Brach, unentwickelt liegt, und die du selbst nicht kennest,
Der Durst nach Wissenschaft, nach Glück, wovon du brennest,
Und die Erfahrung; daß kein Trieb,
Den die Natur ertheilt, je unbefriedigt blieb,
Dieß alles zeugt, der Mensch sey unter allen Wesen
Zur größten Herrlichkeit erlesen. [379]

45.

Ihr selbst gestandet ja, ihr weintet oft und sprächt
Zu eurer theuren Geldibere,
Als ob das Grab bloß für den Körper wäre.
O glaubt es fest! ihr habet noch ein Recht
An ihre Lieb' und sie umschwebt euch Armen
Mit alter Zärtlichkeit, mit heiligem Erbarmen
Und führet euch so gern an ihrer Strahlenhand
Die sanfte Ruh zurück, die ihr von euch verbannt.

46.

O schaut zurück auf manche Trauerscenen.
Im Jünglingsalter! habt ihr dazumahl nicht oft,
Das Herz von Sorgen schwer, das Auge trüb von Thränen,
Zum Himmel aufgesehn und Lindrung euch erhofft?
Sprach Geldibere nie? mein Freund, warum dich kümmern?
Einst wird uns wolkenlos die Glückessonne schimmern.
Die schimmert ihr bereits in einer bessern Welt,
Wo ihre Freuden nichts, als euer Gram vergällt.

47.

Für euch verirrten Mann aufs zärtlichste besorget,
Hat sie sich heut der Freundschaft Stimm' erborget.
Sie ist es, die durch mich zu euerm Herzen spricht,
Hört auf, die Menschen, selbst die edlen, zu vermeiden
Und thut aus Eigensinn nicht auf die besten Freuden
Der heiligen Geselligkeit Verzicht.
Dann wird der Peiniger Unglaube selbst verschwinden,
Und ihr mit eurer Ruh die Gottheit wieder finden. [380]

48.

Als hier Bliomberis die lange Rede schloß,
Ergreifet, tief gerührt und schweigend, Maragoß
Des Jünglings Hand, er kehrt die Augen
Nicht weg von ihm; es scheint, er wolle Ruh,
Zufriedenheit und Glück aus diesem Antlitz saugen.
Nach langem Schweigen ruft er schluchzend aus: o du,
Wer du auch immer bist, was strömt, gleich einem Öhle,
Von deinen Lippen aus in meine wunde Seele.

49.

Du redest mir die alte Zeit herbey,
Du weckst Empfindungen, die ich schon längst erloschen
Geglaubet, zeigest mir, daß unter meiner Spreu
Noch mancher Halm des Glücks unausgedroschen
Und künftig noch als Same brauchbar sey.
Mir ahndet jetzt, daß finstre Grübeley
In Labyrinthen sich verliere
Und nicht zum Glück, nicht zu der Wahrheit führe.

50.

Es ahndet mir, Gott lasse sich
Viel schwerer vom Verstand' als von dem Herzen finden,
Der Köhlerglaube sey wohl nicht so lächerlich.
Landmädchen, welche Kränz' um heilge Bilder winden,
Seyn näher ihrem Gott, als der auf dem Gerüst
Der Schule hoch stolzierende Sophist,
Der nicht zu Gott sich hebt, der Gott zu sich erniedert
Und die Unendlichkeit in seinem Nichts zergliedert. [381]

51.

O wunderbarer junger Mann,
Nehmt mich von heut zu euerm Schüler an.
Versprecht mir lange noch auf meinem Schloß zu weilen,
Ich will dafür mit euch, was ich besitze, theilen.
Mein Kind, dafern es euch gefällt,
Dafern euch Liebe nicht in andern Banden hält – –
Doch ich vergesse! – – sagt, wie kann ich oft euch sehen!
O gerne ließ' ich mich an euern Mantel nähen.

52.

Bliomberis nützt diesen Augenblick
Zu seines Clodion und Arabellens Glück.
Zwar anfangs brauset ihm der Fürstenhaß entgegen,
Der Maragossens Brust durchtobt.
Doch er laviert, bis sich die Wellen legen,
Preis't dann den Frankenhof, preis't Pharamunden, lobt
Den Prinzen und gönnt ihm des letzten Kampfes Ehre,
Als ob nur Clodion der Dame Retter wäre.

53.

Ihm hilft das Herz des guten Maragoß,
Schon weich gemacht durchs Blut, das Clodion vergoß,
Und die gerechte Furcht, daß diese Raubgeschichte,
Verbreitet und gezeigt in einem falschen Lichte,
Den guten Ruf der Tochter mindern kann.
Auch ruht der Held nicht eh, bis Maragoß erkläret,
Er wähle Clodion zu seinem Tochtermann,
Wenn Pharamund es wünscht und feyerlich begehret. [382]

54.

Nun liebt der Prinz den Held mit so viel Innigkeit,
Daß er ihm willig seine Gaben
Und seine Tugenden und seinen Ruhm verzeiht.
Abhängigkeit und Liebe haben
Den Stolzen umgeformt, und wenn ein Rückfall dräut,
So scheucht ein ernstes Wort aus Arabellens Munde
Das Hochmuthsfieber weg und wirkt Geschmeidigkeit;
Der Prinz genes't nicht bloß von seiner Wunde.

55.

Bliomberis, eh er das Schloß verläßt,
Entlocket seinem Wirth ein feyerlich Versprechen,
Er woll' in Turnay bey dem Stechen
Um der Prinzessinn Hand am nächsten Täuferfest
Mit Arabellen selbst erscheinen.
Getrösteter zieht jetzt der Held nach Engeland,
Doch schmerzt die Trennung. Alle weinen,
Und Clodion ergreift mit Feuer seine Hand.

56.

O edelster der Menschen, so beginnet
Der gute Prinz, dafern ein andrer Rittersmann,
(Oft lacht das Glück den minder Tapfern an,)
Celinens Hand in dem Turnier gewinnet;
So werf ich ihm, und stünd' er schon am Kirchenchor
Als Bräutigamm mit ihr, den Fehdehandschuh vor.
Siegt er auch dann, so geh er über meine Leiche,
Daß er die blutge Hand Celinen prahlend reiche. [383]

57.

Die mir zum Abentheuern bestimmte Zeit ist aus.
Nach dem Verlaufe zweyer Wochen
Muß ich zurück in meines Vaters Haus.
Ich habe manchen Speer nicht ohne Ruhm gebrochen
Und steh nun würdiger an seinem hohen Thron.
Doch wiss' er, was sein Clodion
Dem Celian verdankt, den jauchzend Fama preiset,
Und der sich bald vor unsern Schranken weiset.

58.

Indessen will ich doch der theuren Schwester Herz
Beruhigen, will Zähren, die der Schmerz
Erzeugt, im Fließen noch in sanfte Freudenzähren
Verwandeln; immer soll sie eure Thaten hören.
Doch nun, weil euch der Ruhm zu bleiben nicht erlaubt,
Zieht hin zu Arturn, Freund, Wohlthäter, Bruder! findet
Noch neue Lorber dort für euer Heldenhaupt,
Bis euch der Liebe Hand auch Myrthen drunter windet.

59.

Bliomberis, der schwer sich seinem Arm entzieht,
Eilt fort bis an des Meeres Wellen:
Hier steigt er in ein Schiff. Die weiten Segel schwellen,
Das Meer beherrschet nur der Süd
Und wehet bald den Held ans edle Land der Britten.
Nun gings nach Cramalot; und sieh! zwey Krieger ritten
Stets vor ihm her; der eine wand einmahl
Sich ungefähr zurück – o Himmel! Perceval! [384]

60.

Ein Schrey, ein Sporn und ein Zusammeneilen!
Die durch so lange Zeit, die durch so viele Meilen
Entfernten Freunde finden sich:
Ihr volles Herz fließt jetzo brüderlich
In Küss' und Fragen aus; Held Gilrik, Blankas Gatte
(Der war mit Percevaln,) verehrt
Den Retter seines Weibs, sie springen von dem Pferd'
Und setzen zum Gespräch sich auf das Grün der Matte.

61.

Bliomberis spricht nun mit seinem Perceval
Nur von Celinen, von Celinen.
Er hat: Liebt sie mich noch? wohl mehr als hundertmahl
Gefraget, mit entzückten Mienen
Die Antwort, Ja! gehört und wiederum gefragt:
»Wie denkt, was redet sie? wen leidet
Sie gern um sich? gefällt ihr noch die Jagd?
Wie sieht sie aus? wie ist sie angekleidet?

62.

Schleicht sie nicht manches Mahl sich einsam in den Hain?
Und wenn sie dann zurücke kehret,
Trübt nicht ein Wölkchen Gram der blauen Augen Schein?
Wie stehet sie mit ihrem Vater? ehret
Und liebt sie dieser, wie zuvor?
Entzücket ihr Gesang noch immer jedes Ohr?
Und schauen, wenn sie tanzt, mit Augen, welche glühen,
Die Ritter auf sie hin und starren wie Statüen?« [385]

63.

Doch stille, mein Gesang, von Fragen ohne Zahl,
Die zwar Bliomberis, nicht aber dir geziemen!
Der Leser ist kein Perceval;
Denn dieser wird nicht satt der Fürstinn Treu zu rühmen,
Sie wünscht und fleht, wenn bey dem Ritterspiel
Ihr Held nicht siegt, daß Gott den Rettungstod ihr gönne.
Auch hielt sie Blanken auf, damit doch ihr Gefühl
An einer Freundinn Brust in Worte strömen könne.

64.

Die Helden reiten nun nach Cramalot; das Schloß,
Ein Werk Merlins, dehnt sich vor ihrem Blicke
Lang aus wie eine Stadt; von Jaspiß ist die Brücke.
Denn zwey, viel Meilen her gelenkte Bäche goß
Merlin um den Pallast und schuf ihn so zur Insel.
Die Ritter treten schon in die Gemächer ein.
Hilf Himmel! welche Pracht! wie athmet hier der Stein,
Wie lebt die Leinwand hier durch Meißel oder Pinsel!

65.

Wie funkelt jede Wand, gehüllt in feines Gold
Wie glänzen bunt gigantische Juwelen!
Im herrlichsten von allen Sälen
Empfängt sie Artur selbst so königlich und hold,
Daß der Empfang sie mehr, als aller Pomp entzücket.
Gleich wird von Percevaln der Held
Als Celian dem Fürsten vorgestellt,
Der zärtlich einen Kuß auf seine Wange drücket. [386]

66.

So seyd denn ihrs? ruft Artur nun,
Bey meinem Rittereid! ihr lasset eure Lanze
So wenig, als den Mund der lauten Fama ruhn.
Willkommen tausendmahl! von eurer Tugend Glanze
Ward Cramalot, schon eh ihr kamt, erfüllt.
Ihr sollt es sehn, was Tapferkeit hier gilt.
Denn wißt, daß lange mein und aller Herzen brennen,
Euch an dem Hof zu sehn und unsern Freund zu nennen.

67.

Bliomberis, von Dank durchdrungen, kniet
Vor Arturn hin, er giebt den Napf in seine Hände
Mit Anstand' und erklärt, wer ihm dieß Kleinod sende.
Der gute König staunt, besieht
Und küsset das Geschenk. Auf meiner Tafelrunde,
So sagt er, steh dieß Heiligthum.
Es sey geküßt von jedes Ritters Munde
Und spreche laut des edlen Gebers Ruhm.

68.

Ich war ein Knabe noch, da sah ich Palameden
In meines Vaters Burg; er half uns manche Fehden
Und manches Abentheur bestehn.
Auch hört' ich stets von ihm, als einem Gotte, reden
Und will noch selbst, ihn aufzusuchen, gehn.
Ihr aber, Rittersmann von Gott vielleicht ersehn,
Daß sich in euch Held Palamed verjünge,
Nehmt gütig meinen Dank, den ich so redlich bringe. [387]

69.

Und mit dem Danke nehmt ein freundschaftlich Geschenk.
Hier flistert er ins Ohr der Knaben; diese tragen
Die schönste Rüstung her, und zwiefach scheints zu tagen,
So glänzet sie. An jeglichem Gelenk
Prangt ein Smaragd, die Augen sanft zu laben,
Da sie das Gold der Rüstung selbst verletzt.
Schwer ist sie, kaum erschleppen sie die Knaben,
Und überall sind Bilder eingeätzt.

70.

Der König Selmas steht auf dem gewölbten Schilde,
Wie sein gewaltger Arm im Irischen Gefilde
Den stolzen Swaran überwand. Figuren aus »Gesänge des Ossian« (1765); Ossian ist der angebliche Autor altgälischer Gesänge und Epen aus der keltischen Mythologie; in Wirklichkeit wurden sie von dem Schotten James Macpherson (1736–1796) verfasst.
Er reichet ihm, ihm, seiner Gattinn Bruder,
Die freundschaftliche Siegerhand
Und scheint zu sagen: Auf! laß unverfolgt dein Ruder
Die See bepflügen, Mann von liederwerthem Muth!
In deinem Gegner strömt dein Blut.

71.

Der Hof erblickt mit allgemeiner Freude
Den schönen Gast beym Abendmahl.
Ihm pocht das Herz der Ritter unterm Stahl,
Und manche, schöne Brust hebt sichtlicher die Seide
Des Busentuchs, wiewohl kein Ritter in dem Saal.
So schmucklos war, als er; das goldene Geschmeide
Bewahrt er noch und erst beym prächtigen Turnier
Beschämet er die Sonn' in dieser Götterzier. [388]

72.

Kaum daß die Ehrenhold' in die Trompete stießen,
Die Ritter das Visier am Helme niederließen,
So reitet zu des Königs Zelt,
Das die Turnierbahn schließt, ein unbekannter Held.
Ihm folgt ein anderer, als ein getreuer Knappe,
Doch auch ein Rittersmann; blau angelaufen ist
Ihr Harnisch, zu ihr Helm, und jeden trägt ein Rappe,
Der achtzehn Faust und drüber mißt.

73.

Der erste neigt sich höflich vor dem Fürsten,
Dann vor der hohen Königinn,
Dann vor den Damen, stellt sich zu den Schranken hin
Und scheint nach einen Kampf zu dürsten.
Der fröhliche, der wackre Dinadel,
Der Ritter ohne Furcht und Fehl,
Lud alsogleich den edlen Unbekannten
Zum Ritte. Dieser kam. Das Zeichen klang, sie rannten.

74.

Das erste Mahl in seinem Leben fällt
Der wackre Dinadel besieget von dem Pferde.
Der Fremde schwenkt sein Roß, bückt tief sich auf die Erde
Und hilft ihm freundlich auf. Er schleicht zurück ins Zelt,
Und auf dem Plane harrt der Sieger,
Vor den sich alsogleich ein zweyter Kämpfer stellt,
Der schlanke Galheret, ein nicht gemeiner Held,
Auf einem blau gefleckten Tieger. [389]

75.

Ein Blutsfreund Dinadels ist Ritter Galheret
Und brennet, ihn mit starkem Speer zu rächen.
Umsonst! er selbst liegt da, herabgedonnert, steht
Nur mühsam auf und sehnt nach Lanzenbrechen
Sich wohl in dreißig Tagen nicht.
Auch Hectorn, Etefaln, selbst Eierwinen sticht
Der Fremde von dem Roß, und Lancelot erglühet,
Als er so schimpflich leer der Freunde Sättel siehet.

76.

Er reitet kampfbegierig in die Bahn
Und läßt den weißen Hengst vor Genievren tanzen,
Dann legt er ein die sicherste der Lanzen,
Die keinen Fehlstoß noch gethan.
Sie fehlte nicht, allein was halfs? da sie in Splitter
Am vorgeworfnen Schilde brach.
Fest sitzt auf seinem Roß der unbekannte Ritter,
Als wär es nur ein Mückchen, das ihn stach.

77.

Nicht also Lancelot; zwar auch des Fremden Lanze
Brach ab an seinem Schild', er hinter dieser Schanze
Wankt, greifet um den Sattelknopf
Und drückt die Kniee fest zusammen.
Doch vor den Augen sieht er blau' und rothe Flammen.
Das erste Mahl spukt in des Helden Kopf
Ein ganzer Schwarm Bedenklichkeiten.
Er fasset seinen Zaum und zwingt ihn wegzureiten. [390]

78.

Was, halb entwickelt nur, in seiner Seele liegt,
Ist dieses: Lancelot, noch bist du unbesiegt.
Doch ach, Ein Unglücksstoß! so liegst du samt der Ehre,
Die du so sauer dir verdient.
Ja wenns ein Kampf um Tod und Leben wäre,
So würde deine Schmach doch durch den Tod versühnt.
Nun aber lebte sie mit dir; genug! du maßest
Dich mit dem furchtbarn Mann, dem Alles fiel, und saßest.

79.

Der Fremde stand noch immer auf dem Plan,
Doch jetzo sprengt mit seinen goldnen Waffen
Bliomberis, weit strahlend, in die Bahn.
Der Fürst, die Königinn und ihre Damen raffen
Sich von den Sitzen auf, und alles starrt ihn an.
Schildträger auch und Edelknaben gaffen,
Vergessend ihres Diensts, und viele halten kaum
Das anvertraute Roß beym goldgestickten Zaum.

80.

Zusammen fahren jetzt der edlen Kämpfer Rosse,
Und Jedes Lanze bricht und keiner weicht dem Stoße,
Sie sitzen, eingemaurt in ihre Sättel, da.
Das zweyte Lanzenpaar, belegt mit feinem Golde,
Wird hergebracht durch Arturs Ehrenholde;
Und wiederum geschieht, was erst geschah.
Das dritte Lanzenpaar, das vierte, fünfte, sechste
Bricht auch, als ob zu Glas ein Zauberer sie hexte. [391]

81.

Doch jetzo packen sie mit sehnenvoller Faust
Einander an, sich von dem Roß zu ziehen.
Die Rosse kämpfen auch; jedwedes stößet, braus't
Und schlüpft, indem umsonst die Ritter sich bemühen,
Schnell unter ihnen weg; sie fallen und erstehn
Sich haltend, nie ward noch ein solcher Kampf gesehn.
Sie ringen wüthend, bald neigt der die starken Glieder
Zum Boden, bald der andre nieder.

82.

Stets schwächer scheint der Druck; zuletzt
Stehn sie bewegungslos, wie Säulen von Metalle,
Die Polyclet geformt, und die in stolzer Halle
Ein künsteholder Fürst als Wunder aufgesetzt.
Wohl eine Stunde lang befehdet
Sich unser Ritterpaar, und jeder hofft den Dank
Noch zu verdienen bis, als wär es abgeredet,
Auf Einmahl jeder Arm laß auf die Schenkel sank.

83.

Der Boden war vertieft von ihren Sohlen,
Die Steinchen drauf zerrieben, und gehöhlt
Die Schienen, wo ihr Arm, von Riesenkraft beseelt,
Den Gegner angefaßt. Nach langem Athemhohlen
Erhebet sich der unbekannte Held
Mit stets geschloßnem Helm zum königlichen Zelt.
Beugt vor dem Könige das Knie und spricht mit Würde:
Ich neid euch diesen Held; er ist des Hofes Zierde. [392]

84.

Wenn ihr dereinst erfahrt, wer itzo vor euch steht
Und seinen Abschied nimmt; so werdet ihr auch wissen,
Daß jeder, als nur nicht der große Palamed
Bis diesen Tag vor mir den Sattel räumen müssen.
Bliomberis tritt unterdeß herbey;
Der Fremde neigt sich tief und sagt: o ihr Verehrter,
Kommt näher! tauschen wir die Schwerter,
Daß jeder eingedenk des seltnen Gegners sey.

85.

Sie tauschen – und der Fremde fleugt von hinnen,
Sein Freund ihm nach; der Hof und alle Ritter sinnen,
Wer dieser Fremde sey; doch wie Bliomberis
Das Schwert besah, auf dessen Stahlgefäße
Der Knopf Ein Demant ist von ungeheurer Größe,
Und dann noch gieriger das Schwert der Scheid' entriß,
Sieht er und will beynah vor Freud' in Ohnmacht sinken,
Das Sinnbild Pharamunds drey goldne Liljen blinken.

86.

Er weint, er bebt, er murmelt: Du bist mein,
Erkämpfet hab' ich dich, Celine! du bist mein!
Doch endlich faßt er sich, wiewohl mit Müh, und eilet
Zu Genievevens Baldachin.
Er siehet Zorn und Scham auf ihren Wangen glühn,
Gefühle, welche sie mit Lanceloten theilet.
Doch lange nicht; der Sieger ist zu schön;
Wer könnte stets auf ihn mit Hass und Unmuth sehn? [393]

87.

Bald schlägt Gerechtigkeit die kleine Scheelsucht nieder,
Bald reicht sogar ihr Lancelot
Bliomberis die Hand; zwar noch ein wenig roth,
Doch Sieger seiner selbst und unverfälscht und bider
Küßt er dem Jünglinge der Freundschaft heilgen Kuß.
Verschmäht uns nicht, man kann doch seine Klinge führen,
So sagt er ihm, man kann den Ritterorden zieren,
Obschon man euch den Vorzug lassen muß.

88.

Celinens Ritter spricht und handelt so bescheiden,
Daß ihn die Ehren nur um desto besser kleiden.
Der König dankt beym feyerlichen Mahl
Nicht ohne großen Prunk dem edlen Perceval,
Daß er sein Haus mit einem Gast beglücket,
Den jede Gab' und jede Tugend schmücket.
Gern stimmte Perceval in seines Freundes Lob,
Den laut der ganze Hof aus Einem Mund' erhob.

89.

Der König ladet drauf, eh sich der Tag geschlossen,
Der Tafelrunde Schildgenossen
Auf morgen früh zur hohen Sitzung ein.
Auch füget er hinzu, sey jeder uns willkommen
Und in die Zahl der Brüder aufgenommen,
Ders fodern darf: er harr' im Lorberhain,
Nur wolle keiner dieß unwürdig sich vermessen
Und unsern Schreckenstuhl, den Frevelfeind vergessen. [394]

90.

So sprach der König. Perceval
Versteht den Wink und führt beym ersten Morgenstrahl
Bliomberis zur heiligen Capelle,
In der die Tafelrunde steht.
Ein Lorberwald, wo Dunkelheit und Helle
Sich gatten, wo romantisch eine Quelle
Laut über Kiesel rollt, der Wind voll Schauder weht,
Umgiebt den Ort und dient als Vorsaal der Capelle.

91.

Der edle Perceval entfernet sich und läßt
Bliomberis auf einem Rasensitze.
Den Helden dünkt, er seh, indem der West
Mit den Gesträuchen spielt, daß sie ein Glanz durchblitze.
Er irret nicht; ein Ritter wallt
Im nächsten Gang', ansehnlich von Gestalt,
Mit Steinen hohen Werths die Rüstung übergossen,
Und so wie er, den schönen Helm geschlossen.

92.

Es ist ein Mann von seltner Tapferkeit,
Ihn zeugte für den Thron der König Carmelidens,
Man nennt ihn Henegard; ein Schreckwort in dem Streit!
Doch ist er stolz, ein Feind des Rechts und Friedens,
Ein Sclave niedrer Sinnlichkeit.
Stets auf der Jagd nach unerlaubten Lüsten,
Verschont er Unschuld nicht und lachet, wenn sie schreyt,
Ja wagt es noch, als Sieger sich zu brüsten. [395]

93.

Zehn Damen hat der Bösewicht
Mit viehischer Gewalt die schöne Blum' entrissen,
Die Hymen selbst oft unbefuget bricht,
Weil in der Wonne Rausch und unter treuen Küssen
Die Liebe nur sie pflücken soll.
Zwar lehrt man, in der Eh sey dieser Körperzoll
Rechtmäßig; aber dieß sind nichts als graue Lügen;
Rechtmäßig ist nur ein geheilt Vergnügen.

94.

Bliomberis verfügt sich in den Gang,
Worin der Ritter ist, und giebt ihm zu erkennen,
Daß sie von gleichem Trieb, von gleicher Hoffnung brennen.
Doch Henegard, der seinen hohen Rang
Gern fühlen läßt, antwortet wenig
Und bleibet stets entfernet, steif und kalt.
O Himmel! welch ein Zug durchschimmert jetzt den Wald!
Die Tafelritter sinds und vorn ihr großer König.

95.

Sie ziehen Paar und Paar in hoher Majestät
Behelmt, bepanzert her und links der zweyte geht,
Ists möglich? Lyonel, der eben angekommen,
Und den Bliomberis an seiner Rüstung kennt.
Der Jüngling hätte bald den ganzen Zug getrennt
Und in dem Eifer laut gerufen: seyd willkommen
Mein zärtlicher, geliebter Ohm!
Er dämmet nur mit Müh der Lustgefühle Strom. [396]

96.

Schon traten nach und nach die edlen Ordensglieder
Ins heilige Gebäu, doch durch die hintre Thür.
Bald kehret Lancelot zu beyden Fremden wieder.
Er ruft mit ernstem Ton: Wer darf, der folge mir!
Sie folgen ihm, er führt sie an des Tempels Schwelle,
Die Flügel rauschen auf; es überglänzt der Schein,
Der aus dem Tempel bricht, des klarsten Mittags Helle:
Geblendet ist ihr Aug', erleuchtet ist der Hain.

97.

Der stolze Henegard, den Vorrang zu behaupten,
Trat hastig ein und ging zum fürchterlichen Sitz.
(Was andern schrecklich war, verspottete sein Witz)
Schon wollt' er diesen Stuhl besetzen, doch erlaubten
Es ihm Arrodian und Perceval noch nicht.
Man heißt Bliomberis und ihn die Warnung hören,
Die ihnen Artur giebt, wenn sie nur Eine Pflicht
Muthwillig je gekränkt, schnell wieder umzukehren.

98.

Noch zweymahl warnt er sie mit Ernst und lässet schier
Zu Bitten sich herab; da hört man durchs Visier
Des frechen Henegard ein spottendes Gezische.
Er eilet wieder hin zum hoch geweihten Tische,
Er naht dem Stuhl, er sitzt; und siehe! schwarze Nacht
Erfüllt das Heiligthum, es wanket, bebet, kracht,
Der Sturmwind heult, die Fenster dröhnen;
Ha! welch ein Donnerschlag! ha! welch ein Erdegähnen! [397]

99.

Aus ihrem offnen Schlunde dringt
Ein Feuer, das den Stuhl des Frevelnden umschlingt.
Umsonst will er empor und schnell von hinnen eilen,
Ein unsichtbarer Arm hält auf dem Stuhl ihn fest.
Man sieht ihn brennen, hört ihn heulen.
Die Rüstung schmilzt an ihm, der Lebensgeist verläßt,
Der Boden schluckt die halb verbrannten Glieder,
Und Licht und Ruh kehrt in den Tempel wieder.

100.

Noch faßten sich die Tafelritter nicht,
Als schon Bliomberis mit edler Zuversicht
Und hoher Ruh auf diesen Stuhl sich setzet,
Der wieder leer erschien; kaum saß er, so ergetzet
Die lieblichste Musik das Ohr,
Verscheucht die Furcht, hebt jedes Herz empor,
Und den geblendten Augen däuchtet
Das Heiligthum noch mehr als sonst erleuchtet.

101.

Man sieht die Schrift, ein Kunstwerk des Merlin,
Die überm Sitz von jedem Ritter brennet
Und mit dem Flammenmund' all ihre Nahmen nennet,
Auch überm Haupt des jüngsten Ritters glühn.
Doch kehrt ein Zauber sich nicht an die Menschenlaunen,
Noch an Verhältnisse: den wahren Nahmen zeigt
Die Feuerschrift, man lies't Bliomberis und schweigt
Und starrt sich an, verloren in Erstaunen. [398]

102.

Der weise Lyonel springt von dem Sitz empor.
Bist du es, ruft er, seh ich wirklich meinen Neffen?
Ists möglich, daß das Glück sich bis zu mir verlor?
Ach! oder sinds nur Träume, die mich äffen?
Ich armer, tief gebeugter Mann,
Ich will mir selbst den süßen Irrthum rauben.
Er gehet hin, er sieht, er fühlt den Jüngling an,
So sehr hat er gewohnt, nur Mißgeschick zu glauben.

103.

Doch wie er ihn in seinen Armen hat,
Da stürzen aus dem Aug' ihm milde Thränenbäche.
Er wird der Küss' und Fragen nimmer satt,
Nicht satt der zärtlichen Gespräche.
Der König, ihnen freyen Lauf
Zu lassen, hebt für heut die hohe Sitzung auf.
Bliomberis begehrt, eh sich die Helden trennen,
Noch immer vor dem Hof, ihn Celian zu nennen.

104.

Man eilet weg; er bleibt mit seinem Ohm allein.
Sie wallen Arm in Arm vertraulich durch den Hain,
Und Lyonel erzählt mit jenem Duldertone,
Der ihm so eigen ist, dem theuren Pflegesohne:
Als mich der Both' aus deinen Armen rief,
Eilt ich nach Vanes hin, so schnell mein Zelter lief.
Dort fand ich den Bericht getreu, nicht übertrieben,
Und meinen Vater Bort so, wie man ihn beschrieben. [399]

105.

Beym Eintritt ins Gemach sah und erkannt' er mich,
Da heult' er überlaut, und zitternd warf er sich
Zu meinen Füßen: Sohn! nein! nicht mehr Sohn, nur Rächer,
So rief er auf, du kommst, du suchest den Verbrecher.
Hier bin ich! …… alles wahr! verfluchter Menigor!
Nicht mich allein, auch ihn ihr Wächter! führt ihn vor.
Itzt soll er reden. Wie? du willst es läugnen, sage,
Wer rieth, wer führt es aus? – du schweigst bey dieser Frage?

106.

Ihr Blut komm' über dich! Herr König Lyonel,
Laßt ihn zuerst zum Tode führen!
So recht! ich folge nach: ich muß den Kopf verlieren;
In Gottes Nahmen denn! nur Henker, hau nicht fehl!
Sagt meinem Sohn, daß ich ihm ganz vergebe;
Nur er verzeih mir auch die Missethat und lebe
Und herrsche lange noch! Hier brach des Greises Blick;
Starr sank er in den Arm der Seinigen zurück.

107.

Durch zehen Monden gabs tagtäglich solche Scenen,
Und meine Kräfte schwanden hin,
Hätt' ich sie nicht gestärkt an unsrer Märterinn
Geliebtem Grabe; dort vergoß ich niemahls Thränen,
Daß ich nicht neu beseelt und meinen schweren Gram
Zu tragen fähiger, davon zurücke kam.
Es schienen die geweinten Zähren
Durch Engelshände sich in Balsam zu verkehren. [400]

108.

Oft und zumahl, wenn ich ein Theil der Nacht
In brünstigem Gebeth auf ihrer Gruft durchwacht,
Schien sich das Grab zu öffnen, süße Düfte
Und heller Glanz erfüllten rings die Lüfte.
Sie stieg herauf ganz so, wie sie im Leben war;
Sie trocknete mit ihrem blonden Haar
Mir selbst die Thränen ab und drückte
Mir sanft die Hand, wobey sie tröstend aufwärts blickte.

109.

Nicht lange mehr, o allgetreuer Freund,
So sprach sie, oder schien zu sprechen,
Trittst du dieß Dornenthal, wo jede Tugend weint!
Bald, bald wirst du mit mir des Himmels Rosen brechen.
Bliomberis wird groß auf eurer Erde seyn,
Du aber gehst zur Ruh in unsre Hütten ein,
Und wirst schon an der Schwell' Arlinden,
Die sehnlichst deiner harrt; und deine Mutter finden.

110.

Mein armer Vater schloß das Trauerspiel so graus
Und grauser noch, als ers begonnen.
Ach! nur allein der Glanz der ewgen Himmelssonnen
Strahlt dieses Schreckenbild aus meiner Brust hinaus.
Ich ritt einst Abends heim; da stürzet aus der Halle
Mein Vater in den Hof und läuft allein und frey.
Dem Brunnen zu, die Wächter alle,
Die Diener alle nach mit ängstlichem Geschrey. [401]

111.

Ein blutig Büschel grauer Locken,
Die er sich ausgerauft, hielt er in jeder Hand.
Er war schon da, er schwang sich auf den Marmorrand
Des Brunnens; ich, noch ferne, sporn' erschrocken
Mein Roß; es fleugt; ich komm' im Augenblick,
Wie er hinabstürzt, hin; er schmettert sein Genick
An einem Stein entzwey, und in dem untern Rachen
Des Brunnens hör' ich noch die Knochen brechend krachen.

112.

So bald der Tod des Königs ruchtbar ward;
So standen schon vor mir vom niederträchtgen Mart
Gesandte da mit frechen Foderungen.
Er wähnte, daß mein Muth von stetem Gram verschlungen
Und ich nicht Lyonel mehr sey.
Er irrte, denn ich both die tapferen Vasallen
Durch unsre Herold' auf; belebt von alter Treu,
Erschienen sie am Port; man läßt die Segel wallen.

113.

Wir fliegen in sein Land. Nach einer kurzen Schlacht
Hatt' ich zum Herrn des Hafens mich gemacht.
Mein Freund Alpin, (ich las in seiner Seele
Den Durst nach Ruhm,) erhielt von mir Befehle
Und drang voraus bis an die Königsstadt.
Schon hatt' er rings umher sein tapfres Heer gegossen,
Ich rückte nach, und Marts gehäufter Ränke satt,
Hatt' ich den Untergang des Bösewichts beschlossen. [402]

114.

Doch als er in der Nacht zwölf Bothen abgeschickt,
Die weinend, in den Staub gebückt
Und überhüllt mit schwarzen Trauerflören
Mich angefleht, ihn wenigstens zu hören;
So schmolz mein allzu weiches Herz.
Ihr König, sagten sie, von bittrer Reue Schmerz
Gefoltert, wollte selbst mein Siegerknie umfassen
Und mir die Stadt auf Gnad' und Ungnad' überlassen.

115.

Doch weil zu viel Erniedrigung
An einem Könige der Königswürde schadet,
So hofft er dahin sich begnadet,
Daß ich allein den Schwur von seiner Besserung
Auf einem Platz, der außer meinen Zelten
Am Walle liegt, empfieng' und ohne groß Geleit
Des Morgens hinritt'; ich versprachs mit Freundlichkeit
Und ritt dahin, wie sich die Wolken hellten.

116.

An meiner Seite ritt mein redlicher Alpin,
Wir kamen an, auch Mart erschien,
Von Einem nur der Höflinge begleitet,
So wie auf mein Geheiß die Bothen ihm bedeutet.
Er schien voll Reu, er schob auf seiner Räthe Schaar
Die Schuld vom schnöden Friedensbruche
Insonderheit auf den, der sein Begleiter war,
Schalt ihn, belastet ihn mit seinem ganzen Fluche. [4034]

117.

Der aber bebet, weint, zieht einen Dolch und sticht
Sich nach der Brust damit; sie blutet,
Er sinkt vom Ross: das kam mir unvermuthet.
Ich und Alpin, ganz Mitleid, glaubten nicht
Ein teuflisch Possenspiel verborgen und wir springen
Von unsern Pferden ab, voll frommer Dienstbegier.
Das wollte man: ein Pfiff! und aus dem Busche dringen
Eilf Sarnier'; umringet stehen wir.

118.

Es waren eben diese Bothen,
Die Mart an mich gesandt; nur Einer ging zurück,
Die andern laurten hier; so ward das Bubenstück
Entworfen und vollführt. Die Meucheldolche drohten
Uns nah genug; wir zogen unser Schwert.
Trotz dem beschirmenden Metalle
Des Panzers, fielen bald die Niederträchtgen alle,
Den König nur enttrug sein gutes Pferd.

119.

Geendet war der Kampf, ich leider! ohne Wunden,
Doch sterbend mein Alpin; man trug ihn in mein Zelt,
Er gab den Geist in wenig Stunden
An meinem Busen auf, als Christ, als Freund und Held;
Noch mitten in dem Tod war auf den bleichen Wangen,
Gelassenheit und Seelenruh.
Er lispelte mir Dank und Segen zu
Und zuckte seinen Arm, mich scheidend zu umfangen. [404]

120.

Kaum war mein erster Schmerz verweint,
So flammt' in mir Begierde, meinen Freund
Zu rächen, auf; ich lasse stürmen.
Die Sarnier entfliehen von den Thürmen
Und Wällen ohne Gegenwehr,
Sie öffnen selbst das Thor und bringen nebst Geschenken
Den bösen Mart gebunden her;
Gleich an den nächsten Baum laß' ich den Wüthrich henken.

121.

Das ganze, theur genug erkaufte Land ist dein.
Ein Theil des Heeres blieb in den verhaßten Mauern,
Ich schiffte mich mit meinem Todten ein.
Mein Hof, mein ganzes Land mußt ihn wie ich betrauern.
Die theure Leiche ruhet dort,
Wo unsre Mütter ruhn, o lieber, heilger Ort!
Auch ließ ich ihm daselbst ein marmorn Grabmahl bauen,
Ließ meinen Schmerz darein und seine Thaten hauen.

122.

Mein Lebenshaß ward merklich nun vermehrt,
Doch nöthigte mich Arbogastens Schreiben,
Verweser deiner Recht' und deines Reichs zu bleiben,
Bis sich dein Schicksal aufgeklärt.
Durch dich allein häng' ich noch mit der Erde
Zusammen, außer dir bin ich für alles kalt,
Kalt wie Arlindens Grab: o werde, werde bald
Vollkommen glücklich, Sohn, damit – ich auch es werde. [405]

123.

Bliomberis war die Bewunderung
Des ganzen Hofs, auf ihn sah Alt und Jung.
Sey wie Bliomberis, das war der Väter Segen,
Wenn ihre Söhne sich zuerst mit einem Degen
Die Lenden gürteten; seyd wie Bliomberis,
Sagt' ihrem Ritter jede Dame,
Wenn er, bereit zur Fahrt, sich ihrem Arm entriß;
Der Gaben Inbegriff schien dieser theure Nahme.

124.

Der Held empfängt die Ehren unberauscht;
Sein Herz weiß nichts davon; um eine holde Miene,
Um einen Blick der göttlichen Celine
Hätt' er sie alle gern vertauscht.
Nun endlich nahet sich das Täuferfest. Er ziehet
Aus Cramalot, von Lieb' und Hoffnungen durchglühet.
Der weise Lyonel folgt seinem Pflegesohn,
Auch Perceval verläßt mit ihnen Albion.

125.

Sie steigen in ein Schiff und Zephyr weht sie fort
Nach Gallien; schon sind sie in dem Port,
Schon sehen sie der Schelde Silberwogen
Und Turnay selbst; O hoch beglückter Ort,
Wie fühlt Bliomberis zu dir sich hingezogen!
Doch stärker ist sein Ehrenwort.
Bis morgen noch muß sein Verlangen schweigen,
Denn ach! er darf sich erst bey dem Turniere zeigen. [406]

126.

Die Andern reiten hin; der holde Mondenschein
Versilbert rings umher die ruhigen Gefilde.
Bliomberis labt sich an dessen Milde
Und übernachtet in dem Hain.
Er liegt im Gras, umschwebt von der Geliebten Bilde;
Die Lanze steckt vor ihm, beschweret mit dem Schilde.
Matt von der Reise sehnt sein Körper sich nach Ruh.
Auch nicket bald sein Haupt; die Augen fallen zu.


[407]


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