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Vierter Gesang.


1.

Der weise Lyonel, so von der Jugend Tänzen,
Wo stets am hellesten der Liebe Flammen glänzen,
Entfernt blieb, sahe kaum beym Neffen manches Mahl
Sie schimmern und vergehn wie einen Wetterstrahl.
Doch hätt' er nicht versäumt, ihm die Gefahr zu weisen,
Die ach! mit Riesenschritten kömmt.
Allein er ward darin vom Schicksal selbst gehemmt;
Es nöthigt' ihn, urplötzlich abzureisen.

2.

Aus Vannes ward ein Both' an ihn gesandt,
Der sprach mit Thränen so: Herr, unser ganzes Land
Verlangt nach euch; seit jenem Schreckenstage,
Als König Bort der Unsern Niederlage
Erfahren, wankt sein irrer Sinn.
In einem Labyrinth des Kummers:
Höchst selten streut die Nacht ein Körnchen ihres Schlummers
Auf seine hohlen Augen hin. [107]

3.

Gewöhnlich spukt er Nachts in allen Gängen
Der Königsburg; oft bethet er,
Oft murmelt er ein Stück von Grabgesängen
In einem dumpfen Tone her.
Oft fleht er Gott und uns auf seinen Knieen,
Den ungerechten Krieg ihm gütig zu verzeihn;
Dann springt er wieder auf und ruft verzweifelnd: Nein!
Umsonst … der Höllenpfuhl! o weh! seht ihr ihn glühen?

4.

Doch schrecklich, wie er neulich war,
Sah ich ihn nie! Er ging im Hofe; plötzlich sperret
Er weit die Augen auf, in dem Gesicht verzerret
Sich jede Muskel, jedes Haar
Steht borstengleich empor; »ach!« kreischet er:»der Brunnen!
»Schafft mir ihn weg! weg mit dem Brunnen!
Umsonst! sie steigt herauf! verzeih mir armen Mann!
Sie naht, weh mir! sie faßt mich bey dem Mantel an.

5.

O Gott, o Todte! dießmahl Gnade!
Verdienet hab' ich das Gericht;
Nur strafe mich nicht ewig, ewig 'nicht!
Das Blut des Weltversöhners bade
Mich wieder rein! …Noch immer hältst du mich?
Weg!« Hier reißt er das Kleid mit Ungestüm an sich,
Treibt den vermeinten Geist zurücke, keichet, ringet,
Bis ihm ein kalter Schweiß aus allen Gliedern dringet. [108]

6.

Ohnmächtig sinkt er dann an meinen Busen hin.
Wir wußten nicht die Irrworrt' auszudeuten:
Nur Mondary, von allen Kammerleuten
Der älteste, fand einen Sinn
In diesen grausen Selbstgesprächen;
Denn ihm, der oft hierbey gen Himmel sah,
Entschlüpfte diese Red': »o Gott! ich sagt es ja,
Du würdest diese Blutschuld rächen!«

7.

Wir brachten schreckenvoll den König in sein Bett.
Der Gram hat ihn in wenig Wochen
Ganz ausgezehrt; die Haut umschlottert seine Knochen,
Und todtenfarb ist sie; er scheinet ein Skelett,
In Leinen eingenäht. Als er, wiewohl nach Stunden,
Sich seinem Todesschlaf entwunden,
Fing er zu bethen an: in Mitte des Gebeths
Rief er; wo ist mein Sohn? haßt dieser mich noch stets?

8.

Man lud aufs Schloß die ersten der Vasallen:
Ihr werdet flehentlich von allen
Herbeygebethen; kommt! vielleicht daß noch sein Geist
So lang' im halb verdorrten Körper weilet,
Bis ihr ihn ausgesöhnt in Frieden ziehen heißt;
Doch eilet, ich beschwör' euch auf den Knieen, eilet!
Wie einen Gott erwartet euch
Der ganze Hof, die Ritterschaft, das Reich! [109]

9.

Der Bothe schwieg, der Prinz klagt mit gerungnen Händen
Auch dieses noch! es ist zu viel!
Mein Gott! wann wird einmahl die lange Prüfung enden!
Sie ende bald, wenn ich das Ziel
Nicht näher rücken soll! doch jetzt sind meine Schulden
Nicht alle noch getilget!, nein!
Noch muß ich dir Arlind im Sohne nützlich seyn;
Und drum die größte Qual, das Leben muß ich dulden.

10.

Er sprachs und thut dem König Pharamund,
Gebeugt vom Übermaß des Schmerzens,
Die neue Wunde seines Herzens
Und der Bretonen Bitt' um seine Rückkehr kund.
Der König heißet Muth ihn fassen,
Giebt viele Pferd' ihm mit, und Diener zum Geleit,
Schwört, daß er ob dem Sohn dem Vater ganz verzeiht,
Und will, wenn er genes't, die Abbitt' ihm erlassen.

11.

Bliomberis verkennt nicht seine Pflicht,
Er will, so schwer's ihm ist, mit seinem Oheim reisen;
Doch dessen Klugheit selbst verbeuts. Du darfst dich nicht,
So sagt er, meinem Vater weisen.
Arlindens Sohn! in dem Gedanken liegt
Ein Vorwurf, schwer wie eine Welt, drum bleibe
Doch vom Sirenenlied der Hoffnung ungetrügt,
Damit's dich nicht an eine Klippe treibe. [110]

12.

So warnt noch Lyonel den Neffen vor Gefahr,
So viel es Zeit und Ort und Eile litten;
Der Jüngling weint ihm nach; allein die Warnung war
Von seinen Ohren abgeglitten.
O Sohn des großen Palamed,
Sonst weise, hierin nur durch Weisheit nicht zu lenken,
Bald wirst du dieser Warnung denken,
Doch dieses bald ist leider schon zu spät!

13.

Zwey Monden wurden so in süßem Traum verlebet;
Celine liebt, was jedermann,
Nur sie allein, sie nicht enträthseln kann.
Das Wort, das immer spät der Mädchenlipp' entschwebet,
Das große Wort: ich liebe dich!
War noch von ihr nicht ausgesprochen;
Allein der Liebesgott, längst in ihr Herz verkrochen,
Lacht des Verzugs und freuet sich.

14.

Er freuet sich zu sehn, wie sie sich selber täuschet,
Oft schwermuthsvoll den Park durchgeht,
Und dich, Bliomberis, von jedem Blumenbeet
Von jedem Baum und Strauch und Halm aus Freundschaft heischet
Und wenn sie dich von fern erblickt,
Aus Freundschaft dir entgegen eilet,
Aus Freundschaft dir die besten Früchte pflückt,
Aus Freundschaft ihren Strauss am Busen mit dir theilet. [111]

15.

Der kluge Greis, der so wie ein Pilot
Das Nah'n der Stürme merkt, eh noch ein Wölkchen droht.
Beschließt nun länger nicht zu schweigen.
Bey einem Fest, wobey Bliomberis den Reigen
Mit der Prinzessinn führt, lädt er mit Vorbedacht
Ihn auf ein Wörtchen im Vertrauen
Des Morgens ein. Umsonst! der Knoten soll zerhauen,
Nicht aufgelöset seyn, und ach! noch diese Nacht.

16.

Die Burg war so gebauet, daß ein Garten,
Wozu man Sommers stets die Thür geöffnet ließ,
An den geräum'gen Tanzsaal stieß.
In schattigen Alleen sah man die Ritter warten,
Und Damen hin und her, wie scheue Tauben fliehn;
Bevölkert war der Ort von lauter Liebesgöttern,
Sie spielten auf des Rasens Grün,
Sie schlüpften durchs Gesträuch und wiegten sich auf Blättern.

17.

Celine schlich vom lärmenvollen Tanz
Sich auch hierher; der Mond war eben aufgegangen:
Er küsset friedlich ihre Wangen,
Vermischt mit ihrer Augen Glanz
Den seinigen und spiegelt sich in ihnen.
Sie ging einher mit Schwermuth in den Mienen.
Ein Kenner brauchte sie nur flüchtig anzusehn,
So wußt' er; diese liebt, und will sichs nicht gestehn. [112]

18.

Doch ists nicht möglich mehr, daß sie sichs selbst verhehle:
Die Liebe breitet bald sich durch die ganze Seele
Gebiethrisch aus, Celine fühlet dieß,
Ihr unbelauschter Mund seufzt: ach Bliomberis!
Wo bist du? in dem Augenblicke
Giebt sie sich selber Rechenschaft
Sie nähme gern das Wort, den Seufzer gern zurücke.
Sie stritte gern, doch fehlt es ihr an Kraft.

19.

Warum, befragt sie sich, erglühet meine Wange?
Warum ist mir so wohl und bange?
Ich wußte doch nicht, daß ich je
Solch' ein Gemisch von Schmerz und Lust empfunden.
Geleitet er mich her, dann scheint mir die Allee
So kurz zu seyn: hin fliegen ganze Stunden.
Doch wenn ich sie allein durchgeh,
Dann dünket sie mir lang, dann zähl' ich die Secunden.

20.

Gewiß ich lieb' und wen? ach hierin, hierin liegt
Das Traurige! weh mir, die unbesiegt
Die größten Fürsten sah zu ihren Füßen schmachten.
Und nun? ……… zwar soll man Eigenwerth
Nicht höher, als geborgten, achten?
Wo ist der Mann, der nicht den edlen Jüngling ehrt,
Die Dame, die ihm nicht Ermuntrungsblicke sendet
Und anders als mit Müh' von ihm die Augen wendet? [113]

21.

Der Größe huldigen, die nur auf Zufall ruht,
Das hätt' ich ja gemein mit allen Königstöchtern.
Weg! dieß Herz strebt nach einer echtern;
Es fühlet sich für jeden Tand zu gut;
In uns nur ist die wahre Größe.
Mein Vater, wär' er nicht als edler Mann und Held
Der ersten Fürstinn werth, der ersten in der Welt?
Wenn auch nicht Clodwigs Blut in seinen Adern flösse.

22.

Er selber denkt wie ich, gewiß
Er denket so: als mir Bliomberis
Den Handschuh jüngst vom Boden aufgehoben,
Den ich mit Fleiß dem Schooße sanft entschoben,
Mir dann ihn überreicht und feyerlich bekannt,
Er kauft' ihn, hätt' er sie, mit meines Vaters Krone.
So sagte lächelnd der, sagt' in des Beyfalls Tone:
Herr Ritter, das heiß' ich galant!

23.

Und wem, als ihm allein verdanken wir die Rettung
Des theuren Clodion? in unserm Schicksal ist,
Ich weiß nicht was, das klar auf Aneinanderkettung
Hindeutet; o mein Herz vergißt
Nie jenes Augenblicks, als ich zuerst ihn sahe.
Schon damahls zog er mich so sympathetisch an,
Mich däuchtete, daß ein bekannter Mann,
Ein längst herbey gewünschter sich mir nahe. [114]

24.

So kettete sie Schluß an Schluß,
Unlogisch zwar, doch muß man ihr verzeihen.
Wer kennet nicht Cupid's Sophistereyen?
Was wider ihn beweis't, wiegt eine taube Nuß,
Was für ihn ist, hat das Gewicht von Welten;
Er miethet den Verstand, besticht
Die Lieblingsleidenschaft, und die Bestochne spricht
Ihm selbst das Wort, anstatt auf ihn zu schelten.

25.

Was hilft Celinen jetzt ihr angeborner Stolz?
Der listige Verräther schmolz
Ihn um, und drückte drauf sein eigenes Gepräge;
Doch will er seinen Sieg vollkommen und gewiß;
Zu diesem fehlt nur noch Bliomberis.
Doch nein! er fehlet nicht: auf jenem Seitenwege
Schleicht leisen Tritts der Jüngling sich herzu:
Nun fahre wohl, Celinens Ruh!

26.

Schon will der Liebende, den noch die Schatten decken,
Durch seine Gegenwart Celinen süß erschrecken:
Urplötzlich rauscht es im Gesträuch',
Und sieh! ein wildes Schwein, das aus dem Park entflohen,
Stürzt auf Celinen hin; laut schreyend, todtenbleich,
Entfliehet sie; des Thieres Waffen drohen
Ihr nah und näher, schon berühren sie ihr Kleid:
Hin war sie, hätte sie ihr Ritter nicht befreyt. [115]

27.

Er flog herzu. Der Zahn des Unthiers streifte
Den linken Fuß ihm weit hinauf;
Er aber faßte schnell ihm beyde Hinterläufte
Und hob es halb vom Boden auf,
Celine bebt. So bebt, wenn Sturm den Wald durchrauschet,
Der bangen Äsche leichtes Laub.
Doch jetzt erblickt sie ihn, wähnt ihn des Thieres Raub,
Wähnt Tod und Opfer nur vertauschet.

28.

Nein! das erträgt sie nicht! hin stürzt sie, wo der Held
Noch mit dem Eber ringt; er hätt' ihn schon gefällt,
Allein womit? wer waffnet sich zum Tanze?
Doch nun ersieht er fern von hier im Mondenglanze
Die Baumscher'; und sogleich hat er mit Heldenkraft
Das Unthier hingeschleift, die Baumscher' aufgerafft.
Der Hauer grunzt und tobt; vergebliches Erboßen!
Bald hat Bliomberis das Herzblatt ihm durchstoßen.

29.

Nach überstandener Gefahr
Reicht er die Hand Celinen siegreich dar
Und führt sie weg. So führte Meleager
Einst Atalanten weg zum hochzeitlichen Lager.
Doch jetzt erblickt sie erst sein aufgerißnes Kleid,
Sein rieselnd Blut; er lacht zu ihrer Bangigkeit,
Als sie, nicht fern vom Teich, das Wasser, so aus Röhren
Hoch in die Lüfte steigt, herunter plätschern hören. [116]

30.

Die Fürstinn bittet, ja gebeut
Dem Ritter, hinzugehn. Er muß ins Gras sich setzen,
Muß mit dem Quell Dem Quell. Die Poësie hat ein verjährtes Recht, dieses Hauptwort männlich zu benutzen. Noch muß ich meine Leser bei dieser Strophe erinnern, daß die Heilkunst in den Händen der Damen war und gewöhnlich von ihnen ausgeübt wurde. ( Anm.d.Verf.) die Wunde netzen,
Und sie vermacht, so gut sie kann, das Kleid,
Damit sich ja nicht Spuren fänden.
Doch ehe noch befühlt sie seinen Fuß und pflegt
Der kleinen Wund', auf die mit eignen Händen
Sie Rosmarin und Coriander legt.

31.

Bliomberis, der nun Celinen
Vor sich auf ihren Knien erblickt;
Glaubt sich in jene Welt entzückt,
Wo Engel selbst den Auserwählten dienen.
Er ruft … zu schwaches Lied, o wiederhohl es nicht!
Unwiederhohlbar ist, was Lieb' aus trunknen Seelen
In solchen Augenblicken spricht:
Weit leichter ließe sich der Mara Ton erzählen,

32.

Nun schleichen sie zum Fest zurück,
Doch jedes auf verschiednen Wegen.
Die Fürstinn ist zum ersten Mahl verlegen
Und forscht in jeder Dam', in jedes Ritters Blick,
Ob man sie nicht vermißt? Mit Wangen, welche glühen,
Hat sie den Saal schon oft allein durchirrt.
Nun tanzt sie; doch da auch der Tanz ihr lästig wird,
Will sie auf eine Zeit dem Zwange sich entziehen. [117]

33.

Der Nebenzimmer Reih' beschließt ein Cabinett,
Wohin man die Musik nur leise summen höret,
Was süße Schwermuth eh beförderet als störet.
Hier wirft Celine sich aufs reiche Ruhebett.
Durch einen Reihentanz, den man im Saal begonnen,
Und den sie mit zu machen klug versagt,
Hat sie ein Stündchen sich gewonnen,
Worin kein Lästiger aus süßem Traum sie fragt.

34.

Bliomberis, von gleicher Geistesstimmung
Herbey geführet, findet sie.
Es zeucht ihn nieder auf die Knie',
Er siehet ihre Hand, die milchweiß von der Krümmung
Des Ruhebettes bloß für ihn,
Den Glücklichen, herab zu hängen schien;
So gleich bemächtigt er sich deren,
Küßt, drückt und drückt und küßt und weiß nicht aufzuhören.

35.

Vergebens thut Celine Widerstand,
Vergebens schicket sie der küsserothen Hand
Die andere zu Hülf'; auch diese wird gefangen,
Auch diese wird an Mund und Herz und Wangen
In süßem Taumel hingedrückt.
Ach! rufet er, wie wär' ich hoch beglückt,
Wenn dieses ewig dauern könnte!
Glaubt daß ich Fürsten dann gern ihre Kronen gönnte. [118]

36.

Ich lieb' euch, o mein Alles! mehr
Als noch ein Mensch geliebet; ja so sehr
Hat keines Herzens noch die Liebe sich bemeistert.
Ach! Alles, was von ihr begeistert
Die Dichter singen, ist noch weit,
Weit unter dem, was ich seit jenem Tage fühle,
Als ich den Preis im Lanzenspiele
Aus eurer Hand empfing; o Tag voll Seligkeit!

37.

Tag, mehr werth als mein ganzes Leben!
Wie hat er mir die Brust mit Ruhmbegier geschwellt!
Auf Seraphsflügeln schien er mich empor zu heben
Hoch über jeden Sieger, jeden Held.
Und wenn ich künftig mich an Abenteuer wage,
Die mancher von sich wies; wenn mich der Lorber kränzt,
Mein Nahme noch im Enkelsauge glänzt;
So dank' ichs euch und diesem Tage.

38.

Auch ihr … o läugnet mir es nicht,
O wendet nicht von mir das himmlische Gesicht!
Sagt dieses Wort, woran mein Leben hänget! –
Er sprichts und seufzt so schwer, als ob der Erdenkreis
Auf seinem Busen läg'; auch sie beklemmt, gedränget,
Zugleich von Scham und Liebe heiß,
Kann weder reden, weder schweigen,
Und ihr mitfühlend Herz nicht bergen und nicht zeigen. [119]

39.

Doch nun erleichtert sich's durch einen Thränenguß.
Sie läßt dabey ihr Haupt an seinen Busen sinken.
Er darf in einem langen Kuß
Die Thränen weg von ihren Wangen trinken.
Indem er sie mit Liebesgeitze schlürft,
So schmilzt auch immer mehr Celinens Herz: sie wirft
Die Arm' um seinen Hals und drücket
Ihn fest an ihre Brust, entzückend und entzücket.

40.

Sie sehn, sie hören nicht; schon tönt ins Cabinett
Der Tritt der Kommenden. Ihr Unvorsicht'gen zittert!
Man stürzt herein, das Ruhebett,
Das ganze Zimmer ist erschüttert:
Sie sehn, sie hören nicht! hinschmachtend Mund an Mund,
Eins in das andere die trunknen Seelen hauchend,
Und in Vergessenheit stets tiefer untertauchend,
Sehn, hören sie ihn nicht – den König Pharamund.

41.

Von Wuth betäubt, die Augen voller Feuer,
Reißt Pharamund Bliomberis
Aus seiner Tochter Arm: du Bastard du, nimm dieß!
Die Mitgift ist für solche Freyer.
Er donnert's und – durchbohrt den Jüngling? Nein, das wär'
Noch Wohlthat; ach! der Grimmige thut mehr;
Kaum darf mein Ritterlied es sagen,
Er unterstehet sich, ins Antlitz ihn zu schlagen. [120]

42.

Bliomberis, fährt wie vom Blitz gestreift,
Zurücke, keicht, und schnaubt, und greift
Ans Ort, wo sonst der Degen hanget:
Sein Rache dürstend Herz verlanget
Des Königs Blut; vergebens wehret ihm
Greis Arbogast: mit schrecklicher Gebehrde,
Mit nie geseh'nem Ungestüm,
Ergreifet er und wirft den Handschuh auf die Erde.

43.

Verfluchter Ehrenschänder heb' ihn auf!
Er schreyt's; doch hebt ihn nicht der stolze König auf.
Er stößet, Hohn und Übermuth im Blicke,
Ihn mit dem Fuß dem Wartenden zurücke.
O eitler Thor, ich kämpfen? ich mit dir?
Der Jüngling raset nun und will sich mehr erkühnen,
Doch hält ihn Arbogast; verachtend geht zur Thür'
Der stolze Pharamund und zerrt mit sich Celinen.

44.

Doch diese reißt die Hand ihm aus
Und stürzt zuerst mit kaum verbiß'ner Wuth hinaus:
Er folget ihr … das schreckliche Gewitter,
Das noch nicht ausgedonnert, zu zerstreun,
Verläßt auch Arbogast den hoch beschimpften Ritter.
Ich werde diese Nacht auf euerm Zimmer seyn!
Ruft er ihm zu: allein der Elende, verstöret,
Wie nie ein Mensch es war, hat nicht ein Wort gehöret. [121]

45.

Er wähnt, (ein Wahn, der ihn vernichtet,) seine Schmach
Sey ruchtbar: doch man weiß, dem Schicksal sey's gedanket,
Das Ärgste nicht, den Rest erräth man nur: er wanket
Bleich, offnen Mundes, starr das Aug', in sein Gemach.
Erschreckt macht jedermann ihm Platz in dem Gedränge;
Er merkt es nicht und geht, so geht ein seiner Ruh
Durch fürchterliche Banngesänge
Entscheuchter Geist dem Grabe wieder zu.

46.

Man lieset nun in seiner Miene,
Die Fragende zurücke scheucht,
Ein Theil von dem, was vorging. Daß Celine
Die man zu suchen lang' umsonst den Saal durchzeucht,
Daß Pharamund zwey volle Stunden
Vor der bestimmten Zeit mit Einem Mahl verschwunden,
Mehrt den Verdacht: mit inhaltsschwerem Blick,
Die Köpfe schüttelnd, ziehn die Gäste sich zurück.

47.

So langsam und so schwer als schleppt er eine Kette
Nach, irrt Bliomberis einher; und jeder Gang,
Den er durchwanket, dünkt ihn eine Meile lang.
Doch endlich kommt er an, und wirft sich auf sein Bette,
Worin er unruhvoll sich hin und wieder wälzt,
Gleich jenen, deren Fleisch im Phalarischen Stiere
Die Flamme nach und nach geschmelzt.
Doch still! leis' öffnet sich und schließet sich die Thüre. [122]

48.

Celinens treu'ste Zofe schleicht
Zu seinem Lager hin; er kennet sie und reicht
Die Hand ihr dar; sie sagt, nicht ohne Beben:
Verrathet mich nur nicht, mein Glück, mein Heil, mein Leben
Steht auf dem Spiel, doch wer, wer kann Celinens Flehn,
Wer ihren Thränen widerstehn?
Sie sendet mich; im Hof hängt eine seidne Leiter
An ihrem Fenster … dort … o fraget mich nicht weiter!

49.

Weg war sie, er springt auf: ja Engel, ich versteh'
Den Wink, und ist der Weg auch durch die Höll', ich geh'!
O alle Heiligen im Himmel! Eine Stunde,
Nur eine Stunde Leben noch!
Dann alles, was ihr wollt! nur Eine Stunde noch!
So betet er und zu ist jede Herzenswunde.
Celine rufet mich: dieß weiß er, dieses nur;
Sonst alles ist verwischt, bis auf die kleinste Spur.

50.

Nun zaudert er nicht mehr; er eilt, wohin die Zofe,
Die Liebesbothinn ihn beschied.
Sein Pulsschlag tobt, in seinen Adern glüht
Das schnell bewegte Blut: leicht findet er im Hofe
Beym Mondenlicht, wonach er sucht, und kühn
Tritt er der Leiter seidne Sprossen.
Schon ist er halben Wegs; Celine hält für ihn
Das Fenster wartend aufgeschlossen. [123]

51.

Nun nahet er dem Ziel, nun steiget er hinein,
Beglückt, beglückt, wenn nicht der böse Schein
Des Mondes ihn verrathen hätte!
Noch wachet Pharamund in seinem Cabinette,
Sein treuer Arbogast mit ihm.
Der tadelt ohne Scheu des Königs Ungestüm;
Sagt, daß er ungerecht, rasch, jedem klugen Zwecke
Zuwider sey, und seinen Ruhm beflecke.

52.

Der König bleibt nicht unbewegt:
Die kluge Rede löscht des Jähzorns wilde Flammen.
Doch plötzlich stockt der Greis, und schlägt
Die Hände jammernd überm Haupt zusammen.
Ach! rufet er, mit der Verwirrung Ton,
Der wohl seit Jahren nicht dem weisen Mund' entflohn,
Und zieht den König hin zum Fenster: da! seht nieder!
Den ihr entehret habt, der Mann entehrt euch wieder,

53.

Der König sieht und kennt Bliomberis
Der eben jetzt aufs Fenster sich geschwungen.
Der arme Vater sinkt fast nieder, Finsterniß
Umhüllt sein Aug' und was kein Schicksal noch erzwungen,
Er schluchzt! doch lange nicht, so füllt
Die Seel' ihm wieder Zorn, Zorn füllt sie ohne Gränzen.
Auf rafft er sich, des Herrschers Augen glänzen
Zwey Feuerkugeln gleich, er redet nicht, er brüllt. [124]

54.

Er taumelt nach der Wand, greift dort um seinen Degen
Und rasend stürzet er zur Thür' hin: Arbogast,
Der sich indessen ganz gefaßt,
Tritt vor und ruft mit jenem Allvermögen,
Das höchste Weisheit giebt: Nicht einen Schritt von hier!
Erst müßt ihr diese Brust durchbohren;
Stoßt zu und tödtet ihn den Thoren,
Der vormahls euch geschätzt, stoßt zu! was zaudert ihr?

55.

Dann gehet über meine Leiche
Auf jenen los, der euern Sohn erhielt;
Und hat nun euer Stahl auch seine Brust durchwühlt;
O so posaunt in alle Königreiche,
Wahr oder falsch, die schöne Nachricht aus,
Daß euer königliches Haus
Entehrt ist, euer Kind geschändet,
Zuletzt erwürgt euch selbst, damit ihr glorreich endet.

56.

So ruft der weise Mann, und das, wohin er zweckt,
Erreicht er, Pharamund ist zu sich selbst geschreckt.
Kaum merket dieß der edle Greis, so schwindet
Nun wieder alle Heftigkeit. Der tief gebeugte König findet
Den alten Freund in ihm. Ach! sagt er jetzt, verzeiht,
Mein König, und mein Herr! ich zürnte nur zum Scheine:
Gewaltsam war dieß Mittel, doch das Eine. [125]

57.

Nun wiederum euch selbst zurückgegeben, geht!
Geht, reißt der Leidenschaften Binde
Dem Retter Clodions und euerm armen Kinde
Vom Auge weg; dann thut, was weise Güte räth.
Ach! seufzet Pharamund, wie? wenn wir schon zu spät …
O laßt uns länger nicht verweilen!
Sorgt nicht, sagt Arbogast, die Wollust pflegt zu eilen,
Die Liebe säumt. Er sagts; der König geht.

58.

Er aber folget ihm in enge,
Jetzt selten mehr betretne Seitengänge:
Durch diese ging vordem die Königinn,
Die Gattinn Pharamunds, zu ihrer Tochter hin.
Der König schließt die Thüren sachte
Mit einem Schlüssel auf, der jedem Schlosse paßt;
Und als das arme Paar am wenigsten es dachte,
Sind zwey Gespenstern gleich, er da und Arbogast,

59.

Hoch stehet der Monarch und ernst und unbeweglich,
Den Degen unterm Arm: zu früh, zu früh! ruft kläglich
Der bebende Bliomberis;
Allein mit mehr als Männermuthe riß
Die Fürstinn sich empor von ihrem Sitze;
Sie tritt vor ihren Freund, daß sie im Nothfall ihn
Mit ihrem eignen Busen schütze,
Und sagt dem Vater stolz und kühn: [126]

60.

Was wollt ihr hier, Herr König? sprechet!
Wenn ihr zu morden kommt, so stoßet, stoßet her!
Zu seiner Brust ist sonst kein Weg, als der.
Doch bis zum Augenblick, wann ihr mein Herz durchstechet,
Beth' ich ihn unablässig an
Und, daß ihrs wißt! für diesen Mann
Und Arm in Arm mit ihm zu sterben,
Hat größern Werth für mich, als euern Thron zu erben.

61.

Das Leben euers Sohns, mein Leben hat er euch
Erhalten; zwar das letzte schätzt ihr wenig:
Und ihr, was thatet ihr? o schämt euch, stolzer König!
Ihr seyd in euerm ganzen Reich
Der undankbarste Mann; doch Liebe wollt' ersetzen,
Was ihr gefehlet habt; denn wißt, ich rief ihn her,
Ich nöthigt ihn, Gesetz und Anstand zu verletzen,
Ich bin die Schuldige, nicht Er:

62.

Und ich allein, kein Diener, keine Zofe!
Ich hing die Leiter aus, er wartet' in dem Hofe.
Kennt ihr die Leiter noch? ihr stiegt einst selbst darauf
Zu meiner Mutter Fenster auf,
Als harter Ältern Groll auf eine Zeit euch trennte.
Sie wars, die zum Geschenk mir diese Leiter gab.
Weh mir! sie starb zu früh! ach! daß ich sie dem Grab'
Auf eine Stunde nur dem Grab' entscharren könnte! [127]

63.

Sie sagt's und bricht in ein Gewein',
Und in ein Schluchzen aus, das einem Marmorstein
Erbarmung abgenöthigt hätte.
Dann sinket sie zurück aufs Ruhebette.
Dem Vater rollt der Degen aus der Hand.
Er deckt sich das Gesicht, unschlüssig, weggewandt.
Die Leiter schon weckt ihm Erinnerungen,
Die jeden Rest von Zorn aus seiner Brust verdrungen.

64.

Doch endlich faßt er sich, tritt näher, und beginnt
Mit Ernst und Würde so: erst komm zu dir, mein Kind!
Ich trug dich stets in meinem Herzen;
Das thu' ich auch noch jetzt, obwohl du viele Schmerzen
In meine Lebenstage webst.
Doch lehrt mich Vaterpflicht ein Scheingut dir entreißen,
Wonach du jugendlich, als einem wahren, strebst,
Ja Vaterpflicht, so wirds der Unbefangne heißen.

65.

Daß ich, wiewohl gewarnet vor Gefahr,
Nicht sah, nicht sehen wollt, ist leider allzu wahr!
Wahr, daß ich Zeit und Mittel schlecht gewählet,
Wahr, daß ich gegen dich und gegen euch gefehlet,
Bliomberis! Ihr habt mir Clodion
Gerettet; das ist viel! allein ihr selbst begebet
Des Danks euch. Besser, Herr! stirbt ehrenvoll der Sohn,
Als daß die Tochter ehrlos lebet. [128]

66.

Sprecht nicht! ich weiß, was ihr mir sagen wollt.
Doch lag es nicht bey euch, und auch nicht bey Celinen:
Ein Engel, schwacher, halb gefallner Tugend hold,
Schob das Gewölk vom Mond: der hat auf euch geschienen;
Als ihr gewagt … o Frevelthat!
Beleidigung des Thrones! Hochverrath!
Mit Füßen tretet ihr die heiligsten der Rechte!
Aufdringen wollt ihr euch dein fürstlichen Geschlechte!

67.

O steiget in euch selbst hinein!
Wer seyd ihr denn, Herr Ritter! daß ihr mein,
Mein Kind zu freyen wünschet? ein kühner Wunsch! er fleuget
Weit über Klugheit weg, ja über Möglichkeit.
Zieht ab Geburt und Stand, die meistens nur der Neid
Geringschätzt, zieht sie ab! was neiget,
Wenn ich auch nur, wie ihr, Vasall und Ritter bin,
Was neiget meine Wahl zu euern Wünschen hin?

68.

Entwachet seyd ihr kaum den letzten Knabenträumen:
Habt immer Tugenden; sie sind doch erst im Keimen,
Ob reich die Ernte sey, bleibt all'zeit ungewiß.
Doch daß ihr seht, Bliomberis,
Wie wenig je mein Herz ein eitler Hochmuth schwellte;
Erfahrt, was morgen früh die ganze Stadt erfährt.
Nicht Rang, Geburt und Reichthum gelte
Bey meines Eidams Wahl, nichts gelt', als Eigenwerth! [129]

69.

Nach Sonnenaufgang soll mein Herold es verkünden,
Daß übers zweyte Jahr sich auf des Täufers Tag
Celinens Freyer all' an meinen Schranken finden,
Wer großer Thaten sich mit Rechte rühmen mag,
Turnier um diesen Preis! Ich führe sie mit Freuden
Dem Sieger zu: doch wem der Kampf zu gönnen sey,
Soll der, deß Redlichkeit und Treu
Der Erdenkreis verehrt, soll Arbogast entscheiden!

70.

Bis dahin, gebt mir drauf als Ritter eure Hand,
Sollt ihr nicht mehr an meinem Hof' erscheinen!
»Herr König, hier ist meine Hand!
Bis dahin werd ich nicht an euerm Hof erscheinen.«
Celine seufzt und bebt, er sieht mit Zärtlichkeit
Und einem Blick auf sie, der mehr war, als ein Eid;
Dann ruft er, voll von des Entschlusses Feuer,
Geliebteste, todt oder euer!

71.

Rufts, küsset ihre Hand und reißt sich fort; ihm nach
Der edle Greis, der ihm in sein Gemach
Die Wege zeigt, und dann zurücke kehret.
Er sieht Celinen nun, die schluchzend, reuevoll
Des Vaters Knie umfängt, und ihm Gehorsam schwöret,
Wenn auch ihr Herz darüber brechen soll.
Der gute Vater hebt sie tröstend von der Erden,
Und sagt: verdient er dich, so wird er dir auch werden! [130]

72.

Nun zieht man sich zurück; so bald der Morgen graut,
Ruft die Prinzessinn Arbogasten,
Sie ließ die Liebe nicht, ihn nicht die Freundschaft rasten.
Der Edle tröstet sie und traut
Dem jungen Helden zu, daß er durch große Thaten
In ihren Arm sich Wege bahnen wird:
Die Fürstinn glaubt es süß verwirrt,
Und bittet ihn, dem Jünglinge zu rathen.

73.

Auch einen zweyten Auftrag noch
Giebt ihm die Schmeichlerinn; er nickt ihr zu, und gehet
Zum Neffen Lyonels, der tief erschüttert, doch
Entschlossen ist und schon gewaffnet vor ihm stehet.
Kaum siehet er den weisen Arbogast,
Als er sogleich des Greises Rechte faßt,
Und kindlich küßt. Wie, Herr! euch rühren meine Leiden?
So sagt er, jetzo kann ich leichtern Herzens scheiden!

74.

Ich lieb' euch, junger Freund! beginnt
Der fromme Greis, so wie mein eignes Kind,
Doch ohne Schwachheit; ihr müßt folgsam gute Lehren
Und kluge Warnungen von treuen Lippen hören.
Ob ich bey eurer Wiederkehr
Noch leb', ist ungewiß; ihr sehet selbst, ich habe
Nur eine Spanne Weg's zum Grabe,
Doch, schwebet auch mein Geist einst liebend um euch her. [131]

75.

Die Leidenschaft, die jetzt zu des Verderbens Rande
Euch führte, kann euch noch zu einem Glück erhöhn,
Zu dem die Wenigsten kaum wagen aufzusehn.
Doch muß euch wie ein Kind am goldnen Gängelbande
Die Klugheit leiten; denkt, wenn ihr Entschlüsse faßt:
Wird dieß mein Lyonel, wird dieß mein Arbogast
Wohl billigen? und dann, doch ohn' euch selbst zu täuschen,
Thut, was ihr glaubt, daß wir, wir beyde von euch heischen.

76.

Der große Palamed, so wie der Ruf erzählt,
Kommt mit dem heilgen Napf auf vielen Seitenwegen
Durch Africa zurück: zieht, rath' ich, ihm entgegen!
Der Tapferkeit, der Tugend fehlt
Es nirgends an Gelegenheiten,
Zu zeigen, wer sie ist: drum geht, sonnt euch am Schein
Der Weisheit Palameds; denn alles wird gedeihn,
Wenn eines Vaters Rath und Segen euch begleiten.

77.

Ein zweyter Grund, warum ich eure Fahrt
Dort hin gelenket wünsch', ist hier in diesem Schreiben,
Das ich schon lang' euch aufbewahrt.
Der Inhalt muß euch selbst halb ein Geheimniß bleiben.
Dort wo die Fluth des Malva sich ergießt
Und Mauritanien in zwey Provinzen trennet,
Dort ist ein Landstrich weit und wüst,
Den man das Gau der Eingeweihten nennet. [132]

78.

Um dieses ziehet sich ein dicht bebuschter Wald,
Schon mehr als Ein Jahrhundert alt.
Den Tapfersten ergreifet Grausen,
Hört er die Winde dort bemooste Bäum' umsausen.
Es wird euch seyn, als riefen euch ein Halt!
Die höhern Wesen, die hier hausen,
Im Warnungstone zu; doch fasset nur ein Herz,
Dringt weiter, stehen gleich die Haar' euch himmelwärts.

79.

Wenn ihr die Angst so weit bestritten,
Daß ihr drey Stunden lang im Walde fortgeritten,
So wird ein Greis vor euern Augen stehn,
Ehrwürdig, wie ihr wohl kein Antlitz noch gesehn;
Dem gebt den Brief! Er ist an jene großen Freunde
Gerichtet, deren Huld euch Arbogast empfiehlt.
Mehrt dann, wenn ihr euch Muth zu diesem Werke fühlt,
Der Weisheit heilige Gemeinde!

80.

Mehr ist mir noch zu sagen nicht erlaubt,
Und auch von dem Gesagten schweiget.
So bald ihr jetzt zum Hofe niedersteiget,
Erblicket ihr ein Pferd, das hoch sein stolzes Haupt
Empor wirft, in dem Sande scharret,
Und euer ein Geschenk von der Prinzessinn harret.
Ihr Leibpferd ists, ein ganzes Königreich
In ihren Augen werth, und darum schenkt sie's euch. [133]

81.

Auch rieth' ich euch, den Nahmen zu verändern.
Was gestern vorging, ist, ich hoff' es, unbekannt.
Allein ihr wisset, daß die Wand
Oft Ohren hat, ihr wisset, Ehrenschändern
Ist auch Vermuthung schon, ist Möglichkeit genug.
Ihr könnet, seyd ihr noch so tapfer, noch so klug,
Doch zur Vollführung großer Thaten
Das gute Vorurtheil der Menschen kaum entrathen,

82.

Mein Oheim, bricht Bliomberis
Nun plötzlich aus, er warnte mich: ich sterbe,
Wenn er erfährt …… Seyd ruhig! dieß
Vermittelt sich. Er stellt indeß in euerm Erbe
Die Ruhe wieder her. Ihr denkt jetzt nur daran,
Wie ihr auf eurer Heldenbahn
Die Nebenbuhler überlaufet,
Und so den größten Preis durch Tapferkeit erkaufet.

83.

Noch nehmet diesen Kuß und geht! Ihr seufzet schwer,
Ihr blickt verlangend um euch her?
Celine ruhet; denkt ans frohe Wiedersehen
Wann euern Hoffnungskahn in den erwünschten Port
Die Lieb' und Tapferkeit, zwey gute Winde, wehen.
Noch zaudert ihr? noch immer? fort!
Ihr mehrtet ja der armen Fürstinn Leiden;
Ach! Abschied nehmen ist noch schmerzlicher, als scheiden. [134]

84.

Er sagt's. Der Jüngling wankt hinunter zu dem Roß,
Nachdem er erst den Greis noch in die Arme schloss,
Steigt er hinauf, und giebt dem Rappen beyde Sporen.
Er fliegt dahin, er ist schon aus den Thoren.
Ein Anblick, ihm vor wenig Stunden süß,
Wie neuen Seligen des Himmels Paradies,
Celinens Fenster mehrt die Qual in seinem Herzen.
Mißlungne Hoffnungen sind Quellen bitt'rer Schmerzen.

85.

Er reitet in die Welt, betäubet, sinnlos; blickt
Auf alles starr, sieht nichts, fühlt nicht die lauen Lüfte,
Die schmeichelnd ihn umwehn, schmeckt nicht die süßen Düfte,
Die ihm das Feld, voll Heu, entgegenschickt!
Vergebens singet ihm erwachter Vögel Kehle;
Sein Herz ist freudenleer, und kalt.
Du mußt von ihr! nur der Gedanke hallt
Durch alle Tiefen seiner Seele.


[135]


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