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1.
Bliomberis, nicht müde fortzureiten,
Kommt in ein waldig Thal; hier strömt der Malva Fluth.
Am andern Ufer ist das Gau der Eingeweihten,
Die Brücke, welche stolz auf funfzig Pfeilern ruht,
Besteht aus wohl geschliffnen Quadersteinen,
Die nur ein einzig Stück aus Paros Brüchen scheinen.
Der Held erstaunt, daß ein so wüster Ort
Dieß Meisterstück besitzt, doch eilt er immer fort.
2.
Und immer scheinet mehr der Wald sich zu verfinstern;
Wie schwarze Säulen in den Münstern,
Von Gothen aufgethürmt, so stehn
Hier Eichen, hoch und dick, stehn Buchen, schwarz belaubet,
Und alte Linden da; eiskalte Schauder wehn
Den Waller an, sein Roß bäumt sich und schnaubet;
Vergebens heißt der Held.es weiter gehn,
Es bebt und steht, wie an den Grund geschraubet.
[320]
3.
Der Ritter steiget ab und führt es an der Hand:
Urplötzlich tritt auf diesen dunklen Wegen
Dem Wandelnden ein edler Greis entgegen.
Bis auf die Erde fließt sein purpurnes Gewand,
Der weiße Bart bis auf die goldne Binde,
Das Haupt deckt ein Barrett, und um die Schultern hängt
Der Mantel, faltenvoll, mit Sternchen reich besprengt.
Was führt euch, fragt der Greis, in diese heilgen Gründe?
4.
Bliomberis, der fast das Knie vor Ehrfurcht beugt,
Antwortet: Arbogast, und überreicht das Schreiben.
Der Greis erbrichts und läuft es durch und schweigt;
Mit Augen, die zurücke treiben,
Sieht er den Ritter an, bis er zuletzt beginnt:
Jüngling, eure Wünsche sind,
Besorg' ich, weit, weit über eure Kräfte,
Ihr nahet euch zu früh dem wichtigsten Geschäfte –
5.
Und dem gefährlichsten, ihr wollet durch die Weih
Gereiniget, ihr wollt der Unsern Einer werden.
Wißt, übersäet mit Beschwerden
Ist dieser Weg und geht beym Grabe nah vorbey.
Verehrter Greis, antwortet ihm der Ritter,
Wenn Arbogast mich in Beschwerden schickt,
Dann heischts mein eignes Wohl; wird nicht durch Ungewitter
Das junge Saatenfeld erquickt?
[321]
6.
So kommt, erwiedert ihm der Alte,
Indem er nun voraus, voll heilgen Ernstes wallte.
Auf einen Felsen stiegen sie,
Der gegen Osten lag: leicht athmend, ohne Müh
Erklettert ihn der Greis; schon sind sie auf dem Gipfel
Wo weiß' und rothe Rosen blühn,
Und wo Acacien ein weites Obdach ziehn
Mit sanft hinein gekrümmtem Wipfel,
7.
Hier legt der Greis die Last des Mantels ab,
Dann steigt er in ein Loch, ein tiefes Loch hinab,
Das einem Brunnen gleich sich senkrecht nieder windet,
Und winkt dem Ritter; dieser bindet
Sein Roß an einen Baum und steiget freudig nach.
Ein unterirdisches Gemach
Empfängt sie jetzt; durchbebt von blasser Lampen Scheine
Und ausgeleget ists mit schwarzem Marmorsteine,
8.
Hier! sagt der Alte, wälzt ein großes Marmorstück
Mit starken Händen weg und schwindet aus dem Blick
Des Staunenden, der greift mehr, als er siehet,
Daß sich ein schmaler niedrer Gang
In den gehöhlten Fels mit sanfter Krümmung ziehet.
Ein ganzes Heer von Zweifeln drang
Vergebens sich ihm auf; mit rascher Heldeneile
Geht er hinein und fort fast eine Deutsche Meile.
[322]
9.
Bald bücket sich der Held, bald kreucht
Er mühsam eine lange Strecke
Und stößet doch den Rücken an die Decke
Des niedern Gangs, der endelos ihn däucht,
Bis er zuletzt ein groß Gewölb' erreicht.
Ein steinern Dreyeck ist hier mitten aufgestellet
Weiß und mit schwarzer Schrift, von Fackelnglanz erhellet.
Der Ritter lies't die Schrift bey diesem Glanze leicht.
O Wanderer kannst du die Hütte von Leinen,
Den Körper verläugnen, begehrst du den Träumen
Des Irrsaals entweckt, aus der Endlichkeit Räumen
Zum Wesen der Wesen gerücket zu seyn:
So schiffe, gestärkt durch des Einzigen Gnade,
Gereinigt im wiedergebärenden Bade
Des Feuers, des Wassers, der Luft zum Gestade
Des Lichtes und tritt in den Tempel hinein.
10.
Noch las er und schon ließ sich eine Stimme hören:
O Suchender, du mußt beschwören,
Daß du, was du auch siehst, stets vorwärts gehen willst.
Weh dir, dafern du nicht treu dein Gelübd' erfüllst,
Du bist dem Tod anheim gefallen.
Bedenke dich! denn noch kannst du zurücke wallen.
Bedenke dich! Ja oder Nein?
Ja! ruft Bliomberis: Nun, tönts zurück, schlag ein!
[323]
11.
Und eine Todtenhand reckt die entfleischten Knochen
Weit aus dem Stein hervor; Bliomberis schlägt ein,
Fühlt er die Menschheit gleich in seinem Busen pochen,
Und nun erlischt der Fackelschein.
Er hört es tosen, wie die Wogen
Wenn sie der Sturmwind peitscht; ein fürchterlich Gekrach
Erschallt um ihn, der Felsen schallts lang nach
Er aber fühlt sich fortgezogen.
12.
Zu einem ehrnen Thor gehts hin, der Angel klirrt,
Es rauschet auf: hinausgestoßen wird
Der Ritter in ein Thal; hier flammt ein Scheiterhaufen,
Zur rechten und zur linken Hand
Steht eine, Gemsen kaum steigbare Felsenwand.
Zurücke darf er nicht; rasch durch die Flammen laufen,
Das ist es, was sein Schwur gebeut.
Er fühlts und giebt nicht Raum der Unentschlossenheit.
13.
Nein! Arbogast täuscht nimmer meine Jugend,
So denkt er und, das Kinn an seine Brust gedrückt,
Verschränkt die Arme, tief gebückt
Stürzt er hinein: o fester. Glaub' an Tugend,
Du trügst den edlen Jüngling nicht.
Unschädlich ist die Flamm' und hat nur Wärm' und Licht,
Nichts von Zerstörungskraft; sie küsset
Sein dunkles Haar, um das sie wogig fließet.
[324]
14.
Vollendet ist der Feuerweg,
Die Flammen sinken; kaum erhellen
Sie noch mit mattem Glanz die schaumbedeckten Wellen
Des nahen Felsenstroms; es führt ein schmaler Steg
Dreyhundert Stufen hoch zur langen, luftgen Brücke,
Die von dem einen Fels bis zu dem andern reicht.
Tief unten saus't der Strom und treibet Klippenstücke;
Der Held ist an der Brück' und sicher, wie ihn däucht.
15.
Bald aber fährt vor seinem Angesichte
Der Blitz herab mit röthlich blauem Lichte;
Ein schmetternder, ein fürchterlicher Schlag
Begleitet ihn; die Brücke wird zertrümmert;
Doch muß. Bliomberis, entsetzlicher Vertrag!
Stets vorwärts gehn: der Scheiterhaufen schimmert
Nur wenig noch; der Held sieht bey dem letzten Schein
Ein weißes Kleid vor sich und hüllet sich darein.
16.
Die schweren Waffen legt er auf den Felsen nieder
Und wirft sich in den Strom hinab.
O glücklich, daß er sich mit diesem Kleid umgab!
Es schirmet mehr als Eisen seine Glieder.
Zwar leinen ist es nur; doch jedes Felsenstück,
Vom Strom daran geschleudert, prallt zurück.
Der Held schwimmt fort, und unzerschmettert
Hat er den Strand erreicht und bald den Fels erklettert.
[325]
17.
Hier hellet sich die Nacht zur Dämmerung,
Er sieht ein groß Gebäu und eilt es aufzuschließen,
(Der Schlüssel stack am Thor,) als unter seinen Füßen
Der Boden weichet; er, frey von Beängstigung
Und schon gewiß, es könn' ihm nichts mißlingen,
Thut vorwärts einen großen Sprung
Und fängt sich an den Pfortenringen,
Die, wie bestimmt dazu, an beyden Flügeln hingen.
18.
Indessen er nun hin und wieder schwankt,
Erbraus't der Sturm, die Pforte kracht und wankt,
Die Ringe lassen nach; er fällt hinab und wähnet
Sich schon zerschellt in tiefer Felsenkluft,
Die weit, ihn zu verschlingen, gähnet.
Allein bald faßt er Fuß; die Reise durch die Luft
Ist nun vollbracht; er steht an einem zweyten Thore;
Die lieblichste Musik ertönt in seinem Ohre.
19.
Rings um ihn wallt ein lichtgestreifter Rauch,
Vergleichbar jener hellen Wolke,
Die in dem Tempel einst dem auserwählten Volke
Das Heiligthum verbarg; balsamscher Lüfte Hauch
Kühlt seine heiße Stirn, sein Busen athmet freyer.
Der Rauch indeß verdünnte sich und spann
Sich endlich bis zum leichten Schleyer.
Bliomberis bemerkts und pochet dreymahl an.
[326]
20.
Die Flügel rauschen auf, nun ist das Licht gewonnen,
Es glänzet, gleich den Mittagssonnen,
In sein geblendet Aug', er hält die Rechte vor,
Noch ungewöhnt es zu ertragen.
Laut singt der Eingeweihten Chor
Dem Ewgen Preis, und ihre Finger schlagen
Der Saiten Gold; von dem Seraphschen Spiel
Strömt in sein Herz des Himmels Vorgefühl.
21.
Der Tempel schien aus Einem Diamante
Gehaun zu seyn; im Mittelraume brannte
Das heilge Feuer; dreymahl drey
Der Ältesten stehn rings herum als Wächter;
Der andern Brüder Schaar in einer Doppelreih.
Sie sind entzückt, daß wieder ein Gerechter
Den Weg zum Heiligthume fand
Und alle Prüfungen so männlich überstand.
22.
Zwey bringen unsern Held dem heilgen Feuer nahe,
Der Obermeister heißet ihn
Zu dem Altar mit stiller Demuth knien.
Dann saget er: o Sohn des Lichts, empfahe
Den Bruderkuss'; kein Bruder lebet itzt,
So weit der Erde Gränzen reichen,
Der nicht sein Herzblut gern zu deinem Dienst verspritzt.
Nimm, als ein Unterpfand, des heilgen Bundes Zeichen.
[327]
23.
Hier hänget er mit hoch geweihter Hand
Ihm um den Hals ein goldnes Kreuz; beringet
Ist dessen obrer Theil und dran ein Purpurband
Befestiget; ein Kranz geschmelzter Rosen schlinget
Sich dort herum, wo Stang' auf Stange ruht.
Der Meister warnt den Held, dieß neu bescherte Gut
In heitern und in trüben Tagen
Bis in das Grab auf seiner Brust zu tragen.
24.
Auch unterrichtet er den Neuling, wie getrennt
Und auf der weiten Welt verstreuet,
Ein Bruder leicht den andern Bruder kennt,
Sich des Gefundenen mit Engelsfreuden freuet
Und schnell für ihn von reiner Freundschaft brennt.
Nachdem er so ihn gänzlich eingeweihet,
Trennt die Versammlung sich; zum brüderlichen Mahl
Erwartet sie ein andrer Saal.
25.
Doch Gott! wer ists, der jetzt den Neugeweihten
Mit Schluchzen in die Arme faßt
Und küßt und drückt? Er selber, Arbogast.
Der Jüngling sah ihn nicht, der neuen Herrlichkeiten
Noch ungewohnt, wiewohl er nahe beym Altar
Zur rechten Hand des Obermeisters war.
Als wär ein Himmlischer erschienen,
So jauchzt Bliomberis, und forschet nach Celinen.
[328]
26.
Sie wartet euer, ruft der Greis
Mit jenem Lächeln aus, das wahrer Herzensgüte
Die Heucheley nicht nachzuahmen weiß.
Der Baum der Liebe trägt euch hoffnungsvolle Blüthe,
Die bald zu süßen Früchten reift.
Die arme Fürstinn ach! sie schmachtet so, sie streift
Oft ganze Tage lang, alleine
Mit ihrem süßen Gram, durchs Dunkel unsrer Haine.
27.
In jedem Wiederhall, in jedem schönern Baum
Ist euer Nahm'; als ob zu wenig Raum
Für eine solche Lieb' in ihrem Herzen wäre,
Drängt sie heraus, gleich dem geschwollnen Meere.
Celine denkt und ruft Bliomberis,
Wenn früh die Morgensonn' auf rothen Bergen blinket;
Wenn hinter Berge spät die Abendsonne sinket,
Denkt sie und ruft, Bliomberis!
28.
Bewundernd höret sie all eure großen Thaten
Und lächelt, wenn ihr Vater oft
Den Ritter Celian bey sich zu sehen hofft;
Doch immer warn ich sie, sich ja nicht zu verrathen.
Denn wißt, daß euch bereits der Hof für todt beweint,
Der König mit, weil jede Frage
Nach euch vergebens war; o festlichster der Tage,
Wenn ihr als Celian und Freyer ihm erscheint.
[329]
29.
Reu wird alsdann den edlen König fassen,
Daß er sich blinder Wuth einst thöricht überlassen
Und nur sich selbst in jenem Mann entehrt,
Deß Thaten er nun stets von Famas Lippen hört.
Was Heftigkeit gefehlt, wird Edelmuth vergüten;
Ihr werdet glänzen unverkannt,
Er aber seine Hand euch zur Versöhnung bieten
Und Glücklicher, noch eine Hand!
30.
Doch ehe dieß geschieht, streb' ich, es so zu fügen,
Daß ihr einst ungekannt ihn im Turnier besteht.
Zwar siegen könnt ihr nicht; ihn würde Palamed,
Der Menschen erster nicht besiegen;
Das Kampfglück wird wohl gleich, doch groß der Vortheil seyn,
Den euch dieß gleiche Glück gewähret;
Auch ein verlorner Kampf mit Pharamunden ehret
Und wäschet euch vom alten Schimpfe rein.
31.
So sprach der Greis. Indessen rufen
Drey Brüder sie zum feyerlichen Mahl.
Sie treten dreymahl zehen Stufen
Hinunter in den Speisesaal.
Smaragden sind des untern Saales Wände;
Das lebende, das sanfte Grün ergetzt
Die Augen, die der Glanz des obern fast verletzt,
Die Brüder sind bedient durch brüderliche Hände.
[330]
32.
Unblutig aber ist das Mahl, so man geneußt;
Pythagoras, es ruht dein Geist
Auf dieser Brüderschaft; die edlen Weisen schlagen
Aus Leckerhaftigkeit nicht Mitgeschöpfe todt.
Hier färbt der gute Stier nach arbeitsvollen Tagen
Das Beil der Herren nicht mit seinem Blute roth.
Man ist vergnügt mit dem, was Bäum' und Felder tragen
Und machet nicht ein Grab aus einem Menschenmagen.
33.
Geendet war das Mahl und in die Lehrsäl' eilt
Der Meister mit dem Neugeweihten.
Hier, wo man Unterricht aus Wahrheitslieb' ertheilt,
Und wo vereint die Weisheit aller Zeiten
Und aller Völker prangt, hier schänden keine Kunst
Nachplauderer und Charlatane;
Hier blühet jede schön, gereinigt von dem Wahne,
Vom Vorurtheil und dem gelehrten Dunst.
34.
Besonders weihen sich, o Königinn der Künste,
Die scheidet und zusammen setzt,
Neun Weise deinem reinen Dienste.
Gold wird gemacht, doch nicht geschätzt.
So gar der Lebenstrank, der alle Siechen heilet,
Auch jene, so die Pest verderblich angehaucht,
Der, wenn das Leben schon enteilet,
Es noch im Fliehen faßt, wird selten nur gebraucht.
[331]
35.
Denn Mäßigkeit und Ruh sind diesem Lebenstranke
Beynahe gleich an Kraft; hier trifft man selten Kranke,
Und ewig leben will der wahre Weise nicht.
Er lebt nur gern, um seine Pflicht
Auf jenem Posten zu erfüllen,
Den ewge Weisheit selbst ihm zu vertheidgen gab.
Und ruft sie, so verehrt er ihren heilgen Willen
Und geht zum Lohn durch das erwünschte Grab.
36.
Auch wollen sie nichts in der Zukunft lesen,
Was sie betrifft; sie hielten dieß für Fluch.
Doch forschen sie bey jenen höhern Wesen,
Die oft zu nächtlichem Besuch
Ums Lager ihrer Ruh als Lichtgestalten wallen,
Dem Ordensschicksal nach, und wie einst der von Pol
Zu Pol sich zu der Menschheit Wohl
Verbreiten wird, ob steigen oder fallen.
37.
Drum pranget hier ein wohl getroffnes Bild
Aus Marmorstein von allen Eingeweihten,
Nicht der vergangnen nur, auch ungeborner Zeiten.
Drey Säle sind mit diesem Schatz erfüllt.
Denn jeder Theil der Welt reiht an des Ordens Kette
Manch neues Glied; in seiner heilgen Tracht
Ist jedes und das Bild so meisterhaft gemacht,
Als ob ein Phidias den Stein belebet hätte.
[332]
38.
Im Asiatschen Saale steht
Ein Mann voll Traurigkeit, doch auch voll Heldenwürde;
Und ungebeugt von aller Schmerzen Bürde;
Man lieset unten:
Palamed.
Bliomberis wirft an dem Fußgestelle
Sich auf die Knie', es fleußt gleich einer Quelle
Von beyden Augen ihm der Schmerz
Und netzt den Stein und rührt der Weisen Herz.
39.
Der Obermeister hebt mit dienstbeflissner Rechte
Den Jüngling selber auf und dann erzählet er,
Wie Palamed im wüthendsten Gefechte,
Das je gefochten ward, allein ein ganzes Heer
Ungläubiger bestand, bis er den Napf erbeutet;
Und wie er dann, gekrönt mit Ruhm,
Zum Tigrisstrande kam, wo in das Heiligthum
Der Rath des Himmels ihn geleitet.
40.
Hier ist, setzt er hinzu, ein Brief von seiner Hand:
Er gab ihn einem unsrer Weisen,
Den er in Tripolis auf seinem Wege fand.
»Ich nahe,« schreibt der Held, »dem Ende meiner Reisen.
Der Eifer, meinen Eid zu lösen, meinen Sohn,
Wenn er noch lebt, und Lyoneln zu sehen,
Reißt mich dahin; das Fahrzeug harret schon
Im Hafen mein, und gute Winde wehen.
[333]
41.
»Ist mein Geschäft vollbracht, so will ich meine Zeit
Nur zwischen euch und meinem Sohne theilen;
O möcht' auch er, in kurzem eingeweiht,
Zum reinen Quell der Himmelsweisheit eilen.«
So lautete der Brief. Bliomberis entzückt
Entreißt das Blatt mit Hitze dem Begleiter,
Er löscht die Zeilen fast mit Küssen aus und drückt
Es zärtlich an sein Herz. Doch itzund eilt man weiter.
42.
Dort, wo das Bild der Ungebornen prangt,
In deren Augen einst nach mehr als tausend Lenzen
Des Lichtesheilge Strahlen glänzen,
Verweilt der Meister, und es hangt
Sein väterlicher Blick an einer der Statüen:
O Neugeweihter sieh ihn an,
So bricht er endlich aus, den seltnen jungen Mann,
An dessen frühes Grab einst Engel staunend knieen.
43.
Nach zwölf Jahrhunderten wird dieser Leopold
Von Braunschweig
Maximilian Julius
Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel, Prinz von Braunschweig-Wolfenbüttel (1752-85), preußischer Generalmajor und einer der wenigen hohen Offiziere in den Armeen des späten aufgeklärten Absolutismus, für die der untergebene Soldat mehr war als ein mechanisches willenloses Werkzeug in der Hand des Kommandeurs. Fürstliche Mildtätigkeit gegenüber Soldaten und Bürgern und die Umstände seines Todes machten Leopold berühmt. Letztere gibt der Text in den folgenden Strophen wieder und orientiert sich dabei an der rasch entstandenen Legende vom Opfertod des nur 32jährigen Prinzen, an der ein Kupferstich von Daniel Chodowiecki bedeutenden Anteil hat. In Wirklichkeit bestieg Leopold den Kahn nicht, um Menschen zu retten, sondern, wie er den ihn begleitenden Schiffern sagte, um sich persönlich um die Habe seiner am anderen Ufer wohnenden Soldaten zu kümmern. Es war mithin zwar auch ein Opfertod, den der Prinz erlitt, aber nicht mit dem von der Legende propagierten Ziel. Die wahren Umstände wurden von jener ganz überdeckt und kamen erst im 20. Jh. wieder ans Licht. seyn aus einem Heldenstamme,
Der in der Schlacht verderblich, wie die Flamme
Des Himmels, trifft; im Frieden aber hold
Den Musen ist und selbst in ihrem Tempel glänzet.
Viel Sprossen dieses Stamms wird heilger Schwur und Weih
Mit uns verbrüdern; seht, welch eine schöne Reih!
Seht, wie ihr Haupt zweyfacher Lorber kränzet!
[334]
44.
Doch alle neiden diesem hier
Den ehrenvollen Tod; die Oder wird, den Dämmen
Hohn sprechend, Land und Stadt verderblich überschwemmen.
Man wird es heulend sehn und zagen; dir, nur dir
Erhabner Jüngling ist dein Leben
Um Menschenrettung feil! Die Seinen alle beben,
Sie rathen ab; umsonst! ich bin ein Mensch wie ihr,
Ruft er, o Fürsten lernt! ich bin ein Mensch wie ihr.
45.
Rufts, steiget in den Kahn; der Kahn schlägt um; er sinket.
Wie Brüder? Euer Angesicht
Umflort der Schmerz, und eine Thräne blinket
In euerm Auge; weinet nicht!
Und wenn ihr weinen wollt, so weinet Freudenthränen
Der Größe Leopolds; durchsucht die weite Welt,
Durchsuchet sie, wo ist ein Held,
Den schönre Lorber hier, dort schönre Palmen krönen.
46.
Hätt' er Jahrhunderte gelebt,
Was könnt er größers thun, wie könnt er edler sterben?
Auf Erden Ruhm, im Himmel Lohn erwerben,
Ist dieses nicht das Ziel, nach dem der Weise strebt?
Früh stehet Leopold an dem erhabnen Ziele.
Dankt, Brüder, danket Gott mit jubelvollem Spiele
Für diese Fürstenseel' und wißt,
Daß sie die einzge nicht, daß
hier ihr Vorbild ist.
[335]
47.
Franciscus
In dem (in dieser Edition nicht reproduzierten) ›Verzeichniß der berühmteren Nahmen‹ heißt es auf S. 479 zu der Stelle: »
Franciscus der erste verübt eine der edelsten Handlungen.« Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches trägt den Namen Franz I. der Gemahl Maria Theresias, Franz Stephan von Lothringen (1708-65), nominell seit 1745 »Kaiser Franz (I.)«., (nahet euch) wird der gekrönte Weise
Genennet werden; er zwingt seinen von dem Eise
Belagerten und oft gewandten Kahn
Den Donaustrom hindurch; am andern Ufer heulet
Der Hunger; glücklich langt der edle Retter an.
Er steht, umweint vom armen Volk, und theilet
Brod unter sie; denn Brod hat seinen Kahn beschwert;
O schöne Ladung, mehr als die aus Ophir werth.
48.
So sprach der Meister, gierig höret
Bliomberis und wird neun Tage lang
Den Ordenszweck, der Weisheit stillen Gang
Der Vorsicht leisen Tritt gelehret.
Nun ziehet er mit Arbogasten fort.
Ein Theil der heiligen Gemeinde
Folgt ihnen bis zum nahen Port;
Der Obermeister selbst begleitet seine Freunde.
49.
Sie stehen nun am Meer; o edler Jüngling, sagt
Der Weisen Haupt; es hat in eurer Seele,
(Dankts Arbogasten) früh getagt;
Bleibt dieses Lichtes werth und folget dem Befehle
Der Weisheit, deren Sohn ihr seyd.
Befleißt euch stets der Geistesnüchternheit
Selbst in der Tugend, denn sie bleibet
Nicht Tugend mehr, wenn ihr zu weit sie treibet.
[336]
50.
Itzt könnt ihr euch noch nicht dem Orden weihn,
Ihr müsset Ritter, Fürst, Gemahl und Vater seyn.
Auch heischt der stäte Dienst am heiligen Altare
Gelassenheit und Seelenruh,
Die späte Frucht, die nur im Herbst der Jahre
Zur Reife kommt; genießt den Lenz nun,
Glück dazu! Es folget euch mein brüderlicher Segen
Und meine Vaterlieb' auf allen euern Wegen.
51.
Doch wenn sich einst von euch mit Rechte sagen läßt:
Er ist ein freyer Mann; wozu er sich verpflichtet,
Hat er bereits gewissenhaft verrichtet;
Dann möget ihr den Lebensrest,
Den ihr erübrigt habt, dem Ordensdienste schenken,
Als satter Gast vom Tisch der Welt, hierher
Zum Tisch der Weisheit fliehn, und in des Wissens Meer
Bis auf den Grund das Bley hinunter senken.
52.
So sagt er, küsset ihn, küßt seinen Arbogast
Und heißet in den Kahn sie steigen,
Der ihrer harrt; kein Tauwerk und kein Mast,
Kein Steuermann und keine Rudrer zeigen
Sich an dem wunderbaren Kahn:
Doch tanzt er leicht, wie bey dem Hochzeitreigen
Ein Bräutigamm, dahin auf spiegelgleicher Bahn
Und langt in Gallien nach sieben Stunden an.
[337]
53.
Der Fluß Heraut empfängt die Wanderer, sie landen
Nah bey der Mündung; ziehet Sohn,
So räth der Greis, nunmehr nach Albion.
Ihr habt genug der Abentheur bestanden
Und könnet, wie mich däucht, mit euerm edlen Ohm
An Arturs Tafelrunde sitzen.
Drum hin nach Cramalot! hin! denn der Themse Strom:
Seh auch die Ehrenkron' um eure Schläfe blitzen,
54.
Der König Artur ließ auf Ostern ein Turnier
Durch seine Herolde verkünden.
O wenn es möglich ist, säumt nicht, euch einzufinden!
Auch Perceval, der Tafelrunde Zier
Und euer Freund zieht hin; ihr könnt in allen Fällen
Auf ihn vertraun; er danket wie man soll,
Mit Thaten, und er hält gewiß für ehrenvoll,
Euch Arturn selber vorzustellen.
55.
Wer einen Platz am Tisch Merlins verdient,
Dem kann ihn Artur nicht versagen;
Ein Sitz ist immer leer, doch wenige nur wagen
Ihn einzunehmen; denn erkühnt
Sich einer und nimmt Platz auf diesem Ehrenstuhle,
Wenn er als Mensch und Held nicht dessen würdig ist,
So wird der Grund zum Höllenpfuhle,
Wo den Verwegnen schnell die Rächerflamme frißt.
[338]
56.
Ihr mögt, (denn Gott allein ergründet alle Tiefen
Der Menschenseel', euch vorher selber prüfen,
Dann muthig thun, was euer Herz gebeut.
So redet Arbogast mit Vaterszärtlichkeit.
Doch itzt ruft ihr Geschick sie nach verschiednen Gründen;
Der Ritter giebt dem Greis so manchen Auftrag mit;
Und der verheißt ihm alles, was er litt
Und was er that, Celinen zu verkünden.
57.
Bliomberis läßt nun sich durch sein stolzes Roß
Längst dem Adour nach Airens Mauern tragen,
Und eilt getrost aufs königliche Schloß,
Dem theuren Vater nachzufragen.
Er weiß vom edlen Leodat,
Daß König Radagond den niedrigen Verrath,
Durch welchen man den Held der Helden einst gefangen,
Nicht anders denkt, als mit gefärbten Wangen.
58.
Der Ritter steigt im Hof des Schlosses ab;
Der Marschall eilt herzu, neigt seinen Ehrenstab
Von weiten her und heißet ihn willkommen;
Denn gastfrey ist der Fürst; doch wie man erst von ihm
Den Nahmen Celian vernommen,
So läuft mit frohem Ungestüm,
Was immer kann, herbey; gleich einem Wasserschwalle
Stürzt eine Menge Volks aus der gewölbten Halle.
[339]
59.
Der König selbst, so bald er nur erfährt,
Der Retter seiner Bundsverwandten
Sey angelangt, hält sich dadurch beehrt
Und fleugt zu ihm; die Damen alle brannten,
Den Held zu sehn, der so beherzt als klug
In seiner Jünglingshand das Wohl von Nationen,
Des Frevels Strafe trägt; man fühlt sich schön genug
Und auch nicht ungeneigt, den Edlen zu belohnen.
60.
Nun tritt er an des Königs Hand
Zum Saal herein; und sieh, mit stärkern Schlägen
Pocht jeder Schönen Herz ihm Huldigung entgegen.
Man hatte Mienen wohl studieret, doch man fand
Sie leider! nicht; eh hoffte man zu siegen;
Itzt überraschte die Natur
Die Siegbegierigen; sie alle konnten nur
Den schönen Ritter sehn, sehn, staunen, unterliegen.
61.
Bliomberis nützt die Gelegenheit,
Da Radagond die Ritter alter Zeit
Bis an den Himmel rühmt, ein Wort von Palameden
So schonend, als er kann, zu reden.
Ach! rief der König wehmuthsvoll,
Ich büßte jüngst den ungerechten Groll
Der Meinen schwer; der Held, mit Schauern
Gedenk' ich dieses Tags, war selbst in unsern Mauern.
[340]
62.
Er trug den heilgen Napf, setzt ihn hieher und stand,
Den Speer in seiner linken Hand,
Hoch vor uns da; die schrecklichste der Stirnen
War ein Gewitterhimmel, roth
Wie Scharlach war sein Angesicht, und Tod
Schien es auf uns herab zu zürnen.
Sein Augenpaar glich flammenden Gestirnen,
Durch die der Ewige verstockten Völkern droht.
63.
Nicht Einer unter uns, wiewohl die Kriegsdrommete
Den edlen Rittern sonst Musik, die Streitgefahr
Willkommen ist, nicht Einer war,
An dessen Seele nicht ein kalter Schauder wehte.
Der fürchterliche Mann schwieg eine Weile still,
Als ob er tief herauf die Stimme pumpen wollte;
Dann brach ihm von dem Mund ein Donner, deß Gebrüll
Erst fern und dumpf, dann nah und lauter rollte.
64.
Ich gebe meinem Wort gemäß
In eure Hand dieß heilige Gefäß.
Erkämpft ists, wie es mir Carlitus aufgetragen.
Wär es so heilig nicht, bey Gott ich braucht es jetzt,
Dem besten unter euch die Hirnschal' einzuschlagen.
Euch, König, schützt mein Eid, ihr bleibet unverletzt.
Die aber – – ha! noch Einmahl; mit dem Besten
Des Aquitanervolks möcht' ich die Raben mästen.
[341]
65.
Er sprachs; die kühne Red' empört
Die Ritterschaft, und jeder greift ans Schwert.
Ich aber fleh mit aufgehobnen Händen
Und überlaut die Edlen an,
Für meiner Ahnen Fehl ihr Blut nicht zu verschwenden.
Drauf kehrt' ich mich zu ihm: beleidigt, edler Mann,
Das seyd ihr, doch von wem? Ihr zürnt nicht edelmüthig
Auf uns, die schuldlos sind und zum Ersatz erbiethig.
66.
Schmach dulden muß man nicht; drum lös' ich euern Eid;
Ihr seht, verlangt ihr Kampf, auch hierzu mich bereit.
Ich muß vielleicht in diesem Kampf erblassen;
Doch eher sterben, Herr! als mich beschimpfen lassen;
Auch thut der schwächre Mann oft einen Meisterstreich.
Wohnt aber, wie man sagt, in eurer Brust auch Güte;
So nehmet, was ich gern zu dem Ersatz euch biethe,
Nehmt meine Freundschaft, nehmt mit ihr mein halbes Reich.
67.
»Ich Freundschaft mit dem Sohn Carlitens? Zwar verdienet
Ihr eines Bessern Sohn zu seyn,
Seyd aber doch der seine: Nein!
Eh ich mit seinem Stamm der Freundschaft pfleg', eh grünet
Die Lanze wiederum; eh fleußt
Der Fluß Adour zurück, der Schäferhund zerreißt,
Der Wolf beschützt die Herd'; eh lecken Schmeichelzungen
Der Löwinnen die Hand dem Räuber ihrer Jungen.
[342]
68.
Weh mir! auch meine Jungen sind
Heimtückisch mir geraubt; mein armes Weib, mein Kind!
O wühlt nicht so in mir, dolchähnliche Gedanken!
Ich will nicht Rache mehr, ich will nicht in die Schranken.
Doch spracht ihr, Radagond, von schuldigem Ersatz.
Wohlan ich fodre den, daß dieser heilge Schatz,
Das letzte Blut aus des Erlösers Leibe,
In eurer durch Verrath befleckten Burg nicht bleibe.
69.
Zu Arturn schicket ihn; sein Vater Pandragon
War einst mein Spießgesell, ihn ehr' ich noch im Sohn.
Doch schicket ihn, Herr König,« setzt er bitter
Und fast mit Hohn hinzu, »durch einen
fremden Ritter.«
Er sprachs und eilte rasch von dannen; unerhört
Blieb all mein dringendes, mein freundschaftliches Rufen,
Er eilt und Funken schlug sein ungeheures Schwert,
So wie es aufgeprallt, auf meiner Treppe Stufen.
70.
Im Hofe flog er auf sein Roß
Mit Jünglingskraft und dann hinaus zum Schloß.
Wohin? das kann ich euch nicht mit Gewissheit sagen;
Der Ruf bezeugt, nach Engeland.
Doch warum ließ' er dann durch eine fremde Hand
Sein herrliches Geschenk zum König' Artur tragen?
Indessen hat er sich vielleicht nachher bestimmt;
Denn daurt wohl ein Entschluss, den man im Zorne nimmt?
[343]
71.
So sagte Radagond; Bliomberis fleht leise,
Daß man noch heut, wiewohl der Abendthau das Gras
Schon überzog, den öden Thurm ihm weise,
Wo Palamed gefangen saß.
Der Fürst, auf dessen Stirn man Mißvergnügen las,
Bezwinget sich und führt ihn aus der Ritter Kreise,
Doch ihn allein, zum Thurm; der Jüngling spricht kein Wort.
Sie wandeln stumm und bleich, wie zwey Gespenster, fort.
72.
Nun sind sie da; im Mondenglanze schrecket
Der alte Thurm, den Moos und Wust bedecket.
Bliomberis geht bey der Fackeln Schein,
Voll Wehmuth und voll Graun, zur Eisenthür hinein.
Die Fensterchen sind nah am Dache, dicke Gitter
Umstricken sie; dem unglückselgen Ritter
Ließ man durch sie die karge Kost hinab,
Die Bosheit ihm zur Qualverlängrung gab.
73.
Ein Eichenblock, an den man ihn geschmiedet,
Ist mitten eingemaurt und ließ ihm wenig Raum,
Sich zu bewegen; auch hängt noch die Kette, kaum
Erhebbar, dran; ein Stein, auf welchen oft ermüdet
Das Haupt des Helden sank, dient' ihm als Bett und Tisch.
Oft schreckt ihn aus dem Schlaf der Schlangen laut Gezisch:
Doch ihren edlen Nachbar stechen,
Schien auch den Schlangen selbst ein allzugroß Verbrechen.
[344]
74.
Bliomberis, der auf den Block sich setzt,
Sieht in den Stein Buchstaben eingeätzt.
Arlindens Nahme wars; es grub mit einem Gliede
Der Kette, das sich blank gewetzt,
Held Palamed ihn ein: Bliomberis benetzt
Mit Thränen diesen Fleck, küßt sich daran nicht müde
Und will nicht fort, wiewohl die Mitternacht
Schon nahe kommt; der König schöpft Verdacht.
75.
Doch einem fremden Mann Geheimniss' abzufragen,
Zu groß, erforscht er nicht des Ritters leidend Herz.
Er staunt und schweigt, bis diese von dem Schmerz
Erpreßten Wort' an Ohr und Seel' ihm schlagen:
Herr König, habet Dank für eure Gütigkeit.
Ich kann mich länger nicht in eurer Stadt verweilen;
Ach! wenn ihr wüsstet, wie – – verzeiht!
Noch diese Nacht, sogleich muß ich von hinnen eilen.
76.
Mein Herz, das unter dem Gewicht
Von Leiden seufzet, taugt zu Freudenfesten nicht.
Die Einsamkeit auf meiner Reise
Wird Arzeney mir seyn: ich geh nach Cramalot,
Vertraut zu eurer Huld Beweise
Den heilgen Napf mir an; ich übergeb' als Both'
Ihn treulich König Arturs Händen;
Auch würde Palamed eh mich als andre senden.
[345]
77.
Ich frage nichts, o edler junger Mann,
So saget Radagond, und gerne
Vertrau ich euch das heilge Kleinod an.
Doch bey dem heilgen Gott, der diese lichten Sterne
Befestigt hat! an dem, was Palamed ertrug,
Bin ich nicht Schuld; ich sprach als Kind mit nasser Wange
Beym Ahnherrn einst für ihn und bettelte so lange,
Bis mich der harte Mann mit seinem Zepter schlug.
78.
So sagt der Fürst; ein Knappe bracht' indessen
Den heilgen Napf; schon trennet Radagond
Sich von dem Gast und schwört, ihn niemahls zu vergessen.
Bliomberis zeucht trauernd fort; der Mond
Versilbert freundlich jede Thräne,
Die dieser große Sohn dem großen Vater weint;
Die Nachtigall im dunklen Busch vereint,
Ihr Leid mit seinem Leid und flötet Trauertöne.
79.
Doch wie der Wolken Schwarz ergraut
Und allgemach vom aufgehellten Hügel
Der junge Tag belebend niederschaut;
Da weht der Morgenwinde Flügel
Dem zärtlichen Bliomberis
Ruh in das Herz; wenn die Natur sich freuet,
So traurt man weniger, der Sonne Licht zerstreuet
Oft auch der Seele Finsterniß.
[346]
80.
Der Ritter ziehet fort bis hin, wo die Mayenne
Sich über fette Felder gießt.
In einem nahen Busch erklirrt es, und er schließt,
Daß man darin scharf auf einander renne.
Er setzt das heilige Gefäß
In einen hohlen Baum und eilt, den Kampf zu sehen
Und wenn es nöthig ist, der Ritterpflicht gemäß,
Dem Übermannten beyzustehen.
81.
Ein Ritter, ganz in leuchtend Gold
Gehüllet, liegt laut murrend auf der Erde;
Die Lanze hat sich weit in das Gebüsch verrollt,
Und fiel Bliomberis dem Pferde
Nicht in den Zaum, so war es auch entflohn.
Er führts dem Liegenden mit Höflichkeit zurücke
Und, großer Gott! beym ersten Blicke
Erkennet er in ihm den stolzen Clodion.
82.
Ein andermahl, mein
junger Krieger,
Nicht naseweis, sagt nun mit Hohn der Sieger;
Es war ein langer Mann, so schwarz
Von Kopf zu Fuß, als wär in Palestinisch Harz
Er und sein stolzes Roß getauchet.
Dieß stolze Roß, Castillas edle Zucht,
Dem kriegerischer Muth aus weiter Nase rauchet,
Tanzt unter ihm und höhnt die ungeheure Wucht.
[347]
83.
Geschlossen trägt der schwarze Ritter
Den breiten Helm, doch funkelt durch das Gitter
Der tiefen Augen heller Glanz.
Den ungeheuern Schild, der seine Linke rüstet,
Ziert nichts als ein Cypressenkranz.
In weißer Schrift steht drüber:
Mich gelüstet
Nach keinem andern: kalt und stolz
Verwendet er sein Roß und lenkt es in das Holz,
84.
Doch aufgebracht durch seine Rede,
Die schärfer noch als sein gewaltger Speer
Celinens Bruder traf, lud ihn zu neuer Fehde
Bliomberis, so wenig er
Auch von der vorigen verständigt,
So matt er auch von Hitz' und Reise war.
Gewohnt, an Sieg, nicht an Gefahr
Zu denken, hofft er bald den stolzen Mann gebändigt.
85.
Sie legen nun die Lanzen ein
Und rennen auf einander, daß der Hain
Erzittert, krachend bricht an dem Cypressenkranze
Dir, o Bliomberis, die ungetreue Lanze:
Und in dem Augenblick trifft dich mit Blitzgewalt
Des Gegners Speer und wirft dich von dem Pferde.
Er reitet ins Gehölz wie vorher, stolz und kalt:
Du aber liegst betäubet auf der Erde.
[348]
86.
Wie staunte Clodion, als er dich jetzt erkannt!
Wie freut er sich, daß du gemeine Sache
Mit ihm gemacht und, angeflammt von Rache,
Kühn wider seinen Feind gerannt.
Bliomberis hat einst das Leben mir gerettet,
So denkt er nun, trotz meiner Kälte kettet
Der Edle sich an mich; und ich verdankt ihms nicht?
Nein Clodion! Erwiedrung ist hier Pflicht.
87.
So denket er, doch ihn betrieget
Sein eignes Herz; nicht was Bliomberis
Für ihn gethan, nur daß er auch besieget
Vom schwarzen Rittersmann an seiner Seite lieget,
Dieß schmeichelt seinem Hochmuth, dieß
Hat in des Stolzen Brust des Hasses Quell versieget.
Wie stehts um euch? fragt er mit Zärtlichkeit,
Indem er sich erhebt und ihm die Rechte beut.
88.
Wie's um mich steht? o mußt' ich das erleben!
So ruft Bliomberis; sagt nur, wo ist er hin?
Und meine Lanze brach, o die Verrätherinn!
Doch will ich ihn gewiß auch aus dem Sattel heben,
Und wenn er einen bessern Schluß
Als Castor hätt', aufs Roß mit einem Zauberringe
Geschmiedet wär, die Erd' an seinem rechten Fuß,
Der Mond an seinem linken hinge.
[349]
89.
Weh mir! was fasl' ich da, ich Thor!
Ich bin wohl tief erniedrigt, denn ich prahle.
O daß ich heut mit Einem Mahle
Leibs- und Besinnungskraft verlor!
Ein wenig braucht' ich nur, den Schenkel anzudrücken,
Nur
dieß zu machen mit dem Zaum;
So fuhr sein Speer vorbey, ich aber hatte Raum,
Zum ernstern Kampf mein Schwert zu zücken.
90.
Was siehest du auf mich herab, mein edles Pferd,
Und mehrest durch dein Leid die marternden Gefühle?
O theuerstes Geschenk, ich bin nicht deiner werth,
Da ich so nah an dem erwünschten Ziele,
Da ich so schimpflich unterlag!
Mein Ruhm entfleugt, sein Flug ist nicht zu hemmen.
O könnt ich aus der Reih der Zeiten diesen Tag
Mit meinem Herzensblute schwemmen.
91.
So klagt Bliomberis, mein theurer Spießgesell,
Beginnet Clodion, das Glück ist ein Rebell;
Es macht dem Tapfersten oft böse Meutereyen.
Im Herzen thront des
Helden wahrer Muth.
Wenn gleich die Faust nicht stets das ihre thut,
So ists dem
Menschen zu verzeihen.
Der nie Besiegte mag sich dieses Vorzugs freuen;
Nur schreib' er ja davon dem Glücke viel zu gut.
[350]
92.
So tröstete der Prinz den Ritter und bekannte,
Daß vorhin mehr die Noth, als die Gerechtigkeit
Auf seiner Seite war und daß er selbst den Streit
Vom Schwarzen, der ihn niederrannte,
Durch manche spitze Red' erzwang.
Ich liebe, fuhr er fort, zwar schmückt kein Fürstenrang,
(Erröthend sah er hier vor sich hin,) meine Schöne;
Doch sie verdient, daß ein Monarch ihr fröhne.
93.
Zwey Stunden fern von hier, geschmückt mit einem Dom,
Prangt ihrer Ahnen Schloß und spiegelt sich im Strom.
Ihr Vater ist ein Greis, den Gicht und Milzsucht plaget,
Der ungescheut, denkt euch den Eigensinn!
Mir Arabellens Hand auf jeden Fall versaget;
Ja zöge selbst mein edler Vater hin
Und würb' um sie; eh sagt er, einen Neger
Zum Schwiegersohn, als einen Kronenträger!
94.
Denn diesen rechnet er viel von den Übeln an,
Die, wie sein Ausdruck ist, den Erdkreis überströmen.
Auch wünschet er hinab auf seinen Tochtermann
Und nicht hinauf zu sehn; ein Hochmuth, nicht zu zähmen!
O dieses Laster macht die Menschen widerlich!
Ja fühlen, fühlen kann man sich;
Doch mit der Leidenschaft des Manns, des Prinzen spielen,
Der seine Tochter liebt, das heißet nicht sich fühlen.
[351]
95.
Und dennoch wird und muß sie meine Gattinn seyn.
Auch liebt sie mich und wartet heute mein;
Mich hat ihr süßer Brief in ihren Parc bestellet,
So bald der erste Strahl des Mondes ihn erhellet.
Ich ritt dahin, doch sieh! mein Roß trat einen Dorn
Sich in den Fuß und hinket von der Wunde.
Vergeblich war mein Zuruf und mein Sporn
Und immer näher kam die mir gegebne Stunde.
96.
Ich ras'te, wie ihr leicht begreifet, und beschloss
Den ersten, den der Wind herwehte, von dem Ross
Herab zu bitten, und wenn Sprechen
Unwirksam wär, vom Roß herab zu stechen:
Ja käm' auch Celian, so sollt er unverhofft,
Dieß schwur ich mir, mit stolzem Nacken
Die Erde drücken, zwar nimmt Fama beyde Backen
Zu seinem Lobe voll, doch sie vergrößert oft.
97.
Bey Celianen, sprach Bliomberis, bedürfet
Ihr dieses Mittels nicht, auch ist es ungerecht.
Wie? wenn ihr, Prinz, ihm eure Huld versprächt,
Statt daß ihr ihn vom Rosse würfet.
Jetzt wird das Räthsel aufgeklärt;
Bliomberis vertraut dem Staunenden sein Pferd.
Nehmt, sagt er ihm, daß ihr nicht ungeschlürfet
Den Kelch der Liebe lassen dürfet.
[352]
98.
Der frohe Clodion fleugt auf dem Rappen fort,
Man sieht stets in der Luft die hellen Hufe blinken.
Bliomberis begnügt sich mühsam an den Ort,
Den ihm der Prinz beschreibt, auf dessen Roß zu hinken.
Er kam auf ein romantisch Feld
An Arabellens Parc; des Flusses Wellen rauschten
Durchs hohe Gras; hieher beschied der Prinz den Held,
Daß sie die Rosse wieder tauschten.
99.
Urplötzlich stürzt im Mondschein aus dem Parc
Auf einem hohen Gaul ein ungeheurer Riese
Mit einer Dam' und flieget durch die Wiese.
Die Dame schrie, daß es durch Mark
Und Bein dem Helden ging; er spornt den wunden Braunen,
Wiewohl umsonst; doch jetzt, wer mahlet sein Erstaunen?
Jetzt sprenget Clodion vorbey
Und sieht ihn nicht, hört nicht auf sein Geschrey.
100.
Dem Prinzen folgt ein Mann auf einem rothen Pferde,
Dicht an Bliomberis sinkt er herab davon.
Im Bügel hängt der Fuß, der Kopf schleift auf der Erde.
Ein Glück, daß unser Held den Klepper, wie er schon
Ausreißen will, erhascht; er wickelt den in Riemen
Verstrickten Reiter los, besieht sein Angesicht,
Das zwar befurcht mit blutgen Striemen,
Doch unzerquetschtet ist, hilft ihm empor und spricht:
[353]
101.
Dankt Gott, daß ihr nicht schlimmer weggekommen!
O treibt mit mir nicht euern Spott,
So ruft der alte Mann, von Zorn und Angst beklommen,
Der Arm, der Arm war einst mein Gott.
Jetzt ist er schwach, ich nah der Grube.
Sonst kämpft' ich selbst für sie und nicht der Königsbube,
Der mir mein armes Kind verführt.
Verflucht sey' diese Welt und das, was sie regiert!
102.
Indeß der Greis noch viele Lästerungen
Wie einen Höllenstrom von frechen Lippen goß,
Zürnt unser Held und jagt des Alten Roß,
Auf das er schnell hinauf gesprungen,
Dem Prinzen nach; er kommt in eine Schluft,
Wo himmelan sich schroffe Klippen strecken.
Hier sieht er Clodion vor einer Felsenkluft
Im kühnen Kampfe mit dem Recken.
103.
Nicht ferne steht ein ungeheurer Greif,
Gebunden an den Fels, beym Eingang' in die Höhle.
Er mißt wohl siebenmahl das Maß von einer Ehle.
Braun ist er, doch ein schwarzer Streif
Läuft von dem breiten Kopf bis zu dem langen Schweif;
Ein rother flicht um seine Kehle
Sich rings herum und formet eine Naht.
Die Federn sind so starr wie Eisendraht;
[354]
104.
Die Klauen faustdick, dreygezacket,
Breit, wie der Grieche sich Neptuns Trident gedacht,
Stark, daß er leicht damit der Stiere größten packet.
Sein Schnabel, der den Fels zerhacket,
Versendet ein Geschrey, das Helden zittern macht.
Der Riese selbst nimmt kämpfend sich in Acht
Und tritt nicht allzu nah dem grimmen Höhlenwächter,
Dem Schrecken aller Erdgeschlechter,
105.
Der tapfre Clodion, mit dem Verzweiflung ficht,
Bestand den Riesen schon durch eine volle Stunde,
Wiewohl sein Blut aus mehr als Einer Wunde
Des Panzers Gold befleckt; er fühlt die Schmerzen nicht,
Doch merket er, daß seine Kräfte
Bey jedem Streiche sich vermindern; es erscheint
Gleich einem Engel jetzt sein großmuthvoller Freund,
Als Mitgefährt' im blutigen Geschäfte.
106.
Schon steiget er vom Roß, schon auf den Fels hinan.
Ihm jauchzet Clodion und fühlet neue Stärke.
Bliomberis geht rasch zu Werke
Und fällt mit Heldenkraft den hohen Fleischthurm an.
Der aber fest auf seinem Stande,
Kämpft wüthender als in des Circus Sande
Ein Auerstier, auf den ein Löwe springt
Und ihn mit scharfen Klaun zum schweren Kampfe zwingt.
[355]
107.
Vergebens fährt sein hell geschliffnes Eisen
In hundertfach verschlungnen Kreisen
Hell blitzend um die Ritter her.
Die Ritter wissen seinen Streichen
Bald rechts, bald links mit Klugheit auszuweichen.
Bliomberis begnügt sich nicht mit Gegenwehr;
Sein gutes Schwert durchzischt die Lüfte
Und trifft mit Macht des Riesen linke Hüfte.
108.
Laut brüllet nun aus ihm Schmerz und Verzweifelung.
Er hinkt dem Greife zu und reißt die starke Kette,
Woran er hängt, entzwey; das Thier nimmt seinen Schwung,
Fliegt, schwebet, schießt herab; Bliomberis, o rette
Den armen Clodion! der Vogel packet ihn
Beym sammtnen Mantel an; zwar macht der Prinz die Glieder
So bleyern, als er kann und drückt und schwert sich nieder
Und haut zurück; doch ach! vergebliches Bemühn.
109.
Der Vogel hat mit fürchterlichem Toben
Ihn eine Spanne schon vom Boden aufgehoben,
Ein Glück noch, daß Bliomberis
Mit seiner linken Hand, wiewohl er von dem Schilde
Gehindert ward, beym Fittiche das wilde,
Unbändge Thier herunter riß.
Zwar schreyt es, tobt und hackt auf seine Pickelhaube
Mit starkem Schnabel los und läßt nicht ab vom Raube.
[356]
110.
Der Riese hat indessen neue Kraft
Gesammelt. Trotz der breiten Wunde rafft
Er hinkend sich Bliomberis entgegen.
Ein schwerer Kampf! der Ritter weiß nun nicht,
Auf welches Ungeheur er mit dem guten Degen
Losstürmen soll, da vorn und rückwärts eines droht,
Und jedes, einzeln auch zu überwinden, Ehre
Für Arturn selbst und Lob für Lanceloten wäre.
111.
Nach langem Kampf gelingts Bliomberis,
Tief in des Riesen Leib das Schwert hinein zu tauchen.
Man siehet aus dem breiten Riß,
Den es gemacht, die Eingeweide rauchen.
Der Fels erbebt, auf den er klirrend fällt.
Nur einen Feind noch hat der Held;
Er haut auf ihn und hauet wieder
Und abermahl, umsonst! zu dicht ist sein Gefieder.
112.
Nun aber führt der Ritter einen Streich
Und mäht den linken Fuß, dort wo die breiten Krallen
Zusammen gehn, dem Thier morsch ab, es läßt so gleich
Den Prinzen los; es krächzt, daß alle Klippen hallen,
Es hebet sich voll Angst und fliegt
Empor empor; dann senkt es sich und fasset
Den eignen Herrn, der röchelnd, halb erblasset,
Im Blut vor seiner Höhle liegt.
[357]
113.
Allein mit Einem Fuß die schwere Last zu heben.
Unfähig, hilft der Greif sich mit dem Schnabel auch
Und schlägt ihn in des Riesen Bauch.
Dem Riesen giebt der Schmerz nun wieder neues Leben,
Er heulet schrecklich, noch hält ihn der Vogel fest
Und schwebt mit ihm einher, die Felsen überschattend,
Den Mond verdunkelend, bis er zuletzt ermattend
Den todten Raub herunter donnern läßt.
114.
Er selber sinket nach, nie wieder aufzufliegen,
Weil wüthend ihn des Fußes Stumpfen brennt.
Es ist Bliomberis vergönnt,
Auch diesen Feind vollkommen zu besiegen.
Zwar hin und wieder flattert er,
Schlägt mit den Fittichen, stellt sich zur Gegenwehr,
Streckt weit den Hals hervor und mit dem starken Schnabel
Verwundet er des breiten Schildes Nabel.
115.
Doch in dem Augenblicke dreht
Bliomberis sein gutes Schwert und mäht
Den Kopf des Unthiers weg; Blut spritzet, wie aus Röhren
Herausgetrieben, auf den Held.
Sein Freund hat unterdeß sich ganz erhohlt und fällt
Ihm dankend um den Hals, sie hören
Tief in der Felsenkluft der Wehmuth leisen Ton,
Sie ists, sie ists! ruft jauchzend Clodion.
[358]
116.
Er rufts und eilt geschwinder als Gedanken
Der Höhle zu, um die sich Ranken
Von wilden Reben ziehn, doch kann er nicht hinein,
Denn vorgewälzet ist ein ungeheurer Stein.
Er rufet der versperrten Schönen
Den Trost der Rettung zu und süße Schmeicheleyn,
Dann stämmet er sich an und will den schweren Stein
Fortwälzen, aber der scheint seine Müh zu höhnen.
117.
Vergebens schwitzt der Prinz und stöhnt und keicht.
Laßt michs versuchen, ruft Bliomberis und rücket
Den schweren Stein hinweg; fürwahr es ist nicht leicht,
So sagt er schonend, mir hats eben nur geglücket,
Ihn recht zu packen. Nichts erwiedert Clodion,
Doch schmeichelts ihm, daß der bescheidne Sohn
Des großen Palamed sich nach so vielen Proben
Der Stärk' und Tapferkeit nicht über ihn erhoben.
118.
Zwar schwächt den Prinzen auch der große Blutverlust,
Da immer seine Wunden rieseln.
Doch ist der Liebende sich dessen nicht bewußt.
Er stürzet in die Höhl'; auf einem Sitz von Kieseln
Ruht Arabelle, denn sie kann
Vor Schrecken noch die Füße nicht bewegen.
Ihr Ritter kniet vor ihr; er schweigt, er bethet an;
Und ihrem Aug' entstürzt der Liebe milder Regen.
[359]
119.
Indeß der Prinz sie in die Arme schloß,
Und seine männliche mit ihrer sanften Seele
Durch einen langen Kuß in Eins zusammenfloß:
Besah Bliomberis die Höhle.
Sie gleichet einem Saal, ist hoch gewölbt und Kunst
Half der Natur, die breite Rückwand nehmen
Drey große Fenster ein, damit der Erdendunst
Hinaus qualm' und herein der Sonne Feuer strömen.
120.
Geräumig ist sie, und beleuchtet; überall
Sind Waffen aufgehäuft und Schätze, die im Streite
Und oft auch ohne Streit das Ungeheuer Beute
Gemacht hat; nahe brüllt und blökt im weiten Stall
Sein Horn- sein Wollenvieh und fette Ziegen meckern.
Von nahen Weiden raubt er sie
Mit List und mit Gewalt; so fehlt es ihm an leckern
Gerichten, seinem Greif an fetter Nahrung nie.
121.
Doch sieh! was kreucht auf allen Vieren
Laut ächzend in die Höhl'? es ist der freche Greis.
Bliomberis, noch jetzt von heilgem Eifer heiß,
Läßt ihm so viel des Zorns und der Verachtung spüren,
Als ein rebellischer, ein eitler Thor verdient,
Der wider Gott zu kriegen sich erkühnt.
Doch Clodion und Arabelle stehen
Verwirrt, voll Ehrfurcht auf, so bald sie ihn gesehen.
[360]
122.
Sie heben ihn zu einem Sitz empor,
Er aber weint vor Freud' und hängt an seinem Kinde
So liebevoll, er flistert ihr gelinde
Verweise, ja wohl gar Erinnrungen ins Ohr,
Wie sehr sie schuldig sey, dem guten Gott zu danken.
Bliomberis erstaunt, da so der Alte spricht.
Er hielt ihn erst für einen Bösewicht;
Doch diese Rede macht sein Urtheil wieder wanken.
123.
Vielleicht hat Schmerz ihm das Gehirn verrückt;
So denket er; der Greis hingegen blickt
Ihn prüfend an; doch jetzt erschrecket,
Indem er ungefähr das Aug' auf Clodion
Geworfen, welchem Blut des Panzers Gold beflecket,
Jetzt ruft er: Armer, zwar seyd ihr ein Königssohn,
Doch Mensch bleibt Mensch, und meiner Tochter wegen
Vergießt ihr Blut; kommt mit; sie mag euch Kranken pflegen.
124.
Auch ihr, o fremder Ritter, seyd
Auf unser Schloß gebethen, und es brauchet
(Dieß flistert er ihm zu) vielleicht nur kurze Zeit,
Daß euer blinder Haß verrauchet,
Und Freundschaft gegen mich in euerm Busen flammt.
Gesinnungen, die schon durch Jahre sich verbargen,
Verrieth ein Augenblick; doch prüft, eh ihr verdammt,
Ich muß so denken, wer kann mir ein Muß verargen?
[361]
125.
Er sprachs; indeß kam seiner Diener Schwarm
Mit Fackeln an; sie biethen ihm den Arm.
Er steigt in einen goldnen Wagen:
Das thut auf sein Geheiß die Schöne, Clodion
Und unser Ritter auch; mit freundschaftlichem Ton
Beginnt er jetzt die Tochter auszufragen.
Doch da ihr Scham und Furcht die Lippen schleußt;
So nimmt der Prinz das Wort und sagt mit Anstand dreist:
126.
Mein Leben hängt an Arabellen,
Und ihr versagtet mir den Zutritt in das Schloß.
Wo ist der Mann, der sich in solchen Fällen
Nicht viel erlaubt? Grausamer Maragoß,
Ich überlistet euch; sonst fliehet
Mein Herz den Nahmen List und achtet sie für Schmach.
Allein ihr kennt die Liebe ja; sie ziehet
Den Löwen
Stolz an Rosenketten nach.
127.
Ich kam in euern Parc, wohin sie mich bestellet,
So bald der erste Strahl des Mondes ihn erhellet.
Das untre Thor blieb offen stehn,
Damit ich unbemerkt dadurch zurück mich zöge.
Auch that ichs schon, als mir der Dame Klaggetön
Zum Ohre dringt; ich flieh durch die verschlungnen Wege
Des Parcs zurück; da schoß mit dieser theuren Last
Der Ries' an mir vorbey und überritt mich fast.
[362]
128.
Mein Pferd war fern davon an einen Baum gebunden;
Ich blitzschnell hin, hinauf und nach!
Und ich, sagt nun der Greis, hört im Studiergemach
Durch einen treuen Knecht, was ihr euch unterwunden.
Gleich laß' ich meinen Fuchs mir satteln, reit'
allein,
Die Ehre meines Kinds zu schonen, in den Hain
Und seh im Mondenglanz, o Schrecken!
Die Unglückselge mir entführen von dem Recken.
129.
Ich eile nach; am offnen Thor,
Durch das der Riese sich gewiß herein gestohlen,
Flogt ihr, o Clodion, mir vor,
Ich immer nach und hofft euch einzuhohlen,
So matt ich war, so siech und waffenlos.
Mein Blut begann hierdurch bald heftiger zu wallen.
Die Gicht erwachete, der Schmerzen ward so groß,
Daß ich vom Gaul herab gefallen.
130.
So sprach der Greis, und alle drey
Vereinigten sich jetzt, Bliomberis zu danken.
Sie kommen auf das Schloß; ein herrliches Gebäu,
Gleich einer Königsburg! die Liebe pflegt den Kranken.
O schöne Zeit, wo noch der Damen Hand
Heilpflanzen sammelte, Genesungsblumen pflückte,
Den Saft daraus in Kämpferwunden drückte,
Und sie mit Zärtlichkeit verband!
[363]
131.
Indeß der Prinz, besorgt von Arabellen
Und ihren Dienerinnen, traurt,
Daß keine Ströme Bluts aus seinen Wunden quellen,
Und seine Cur vielleicht nur wenig Tage daurt,
Führt Maragoß durch zwanzig Prunkgemächer
Den Helden in sein Cabinett.
Hier lädt sie auszuruhn, ein sammtnes Ruhebett.
Auf Gueridonen stehn zwey große goldne Becher.
132.
Mit Büchern überdeckt ist jede Marmorwand;
Wohl eine prächtigre Tapete
Als je der Belgier mit bunten Faden nähte,
Als je der Indier gesandt.
Der Schloßherr fleht den Gast, daß er mit süßer Gabe
Des Weinstocks sich nach zwey so schweren Kämpfen labe,
Freundschaftliches Gehör dabey ihm gönn' und dann
Ihn widerleg', ihn tadle, wenn er kann.