Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Gleichheit vor Gott

L. 22. Swer âne vorhte, hêrre got

    Wer ohne Scheu, allmächtger Gott,
Will sprechen deine zehn Gebot
Und spricht sie dennoch – dem fehlt wahre Minne!
    So mancher zwar dich Vater nennt:
Wer mich als Bruder nicht erkennt,
Der spricht ein großes Wort mit schwachem Sinne.
      Wir sind entstanden gleicherweise,
   Im Stoffe wechselt unsre Speise,
   Nachdem sie Nahrung uns gewährt.
Kannst du den Herrn vom Knechte unterscheiden
   (Und mochte er dein Freund auch sein),
   Wenn du betrachtest sein Gebein,
   Indes Gewürm den Leib verzehrt?
Ihm aber dienen Christen, Juden, Heiden,
   Der alles wunderbar ernährt!


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