Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Höchster Schmuck

L. 43. Ich hoere iu sô vil tugende jehen

Ritter

    »Ich weiß, ihr lobt mich überall so laut,
Weil nur für euch mein Herz schlägt dienstbereit.
   Doch hätt ich nimmer euch erschaut,
Verringern müßt es meine Würdigkeit.
   Nun will ich desto würdger sein
Und bitt euch, Frau, daß ihr
Euch unterwindet mein:
   Ich lebte gern, wüßt ich zu leben,
Mein Wille reicht, nicht meine Kunst;
   Drum sollt ihr Unterricht mir geben.«

Frau

    »Verstünd ichs, wie ich nicht es kann,
So wär ich auf der Welt ein glücklich Weib.
   Ihr tut wie ein erfahrner Mann,
Daß ihr so hoch mich rühmt an Seel und Leib.
   Ich weiß noch wenger, als ihr wißt;
Was tuts indes? Ich will
Beenden diesen Zwist:
    Tut ihr zuerst, um was ich bitte,
Und kündet mir der Männer Art,
   So lehr ich euch der Frauen Sitte.«

Ritter

    »Wir wollen, daß die Treue leiht
Den edeln Frauen Schmuck und Ehrentracht:
   Wenn züchtig ihr und fröhlich seid,
Eint Lilienunschuld sich mit Rosenpracht.
   Ihr wißt, die Linde wird verschönt,
Steht sie im Blumenbeet,
Das Laubdach sangdurchtönt:
   So ziert die Frauen holdes Grüßen, –
Ihr Mund, der lieblich reden kann,
   Lockt auch, daß man ihn küßt, den süßen.«

Frau

    »Ich sag euch, wer uns wohlbehagt:
Ein Mann, der unterscheidet Bös und Gut,
   Und nur das Beste von uns sagt,
Den schätzen wir, wenn ers in Treuen tut.
   Kann er mit Maßen fröhlich sein,
Und ist sein Sinn und Art
Zu hoch nicht und zu klein,
   Dem wird man, was er wünscht, bescheiden –
Welch Weib versagt den Faden ihm?
   Gut Mann ist würdig guter Seiden.«


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