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Sechstes Kapitel.

Daheim wartete Graf Dassel. Er war voller Sorgen. Die Ponies hatten sich eingestellt, den halb zerbrochenen Wagen hinter sich herschleppend. Fünf Leute wurden in die Dachsberge geschickt; der Oberinspektor ließ sich sein Pferd satteln; der jüngste Volontär, der heimlich Gedichte auf Gerda machte, raste zu Fuß mit.

Man kannte die Tollkühnheit der Komtesse und den Uebermut der Ponies. Die Ponies standen schon wieder im Stall, und der kleine Nagel, einer der Stalljungen, rieb sie ab und schüttete ihnen Futter.

»Lümmels,« sagte er dabei, denn ›Lümmel‹ nannte der alte Vogt ihn immer; »wenn ihr unse Kumteßche umgeschmissen habt, he sullt emol seh'n! Fressen und fressen und umschmeißen! He sullt emol seh'n!«

Da schaute Fritz, der Boy, in den Stall.

»Ist der Nagel hier?« rief er. »Nagel! – Nagel!«

»Hie henkt e! Denkste, ich hoa keene Ohren?!«

Die beiden haßten sich tief. Bei Fritz war es indessen mehr Mitleid mit der Unbildung. Er trat an den Box heran, in dem Nagel noch immer hantierte.

»Nagel, ich verbitte mir eine so freche Bemerkung,« sagte er und reckte die Brust mit den zwei Reihen blanker Kugelknöpfe. »Du hast nicht frech gegen mich zu sein. Du hast mir zu antworten, wenn ich rufe.«

»Hä – dir – ook noch! Kannst mer sunst was!« entgegnete Nagel und lockerte mit beiden Händen den Mist auf. Er brauchte weder Gabel noch Harke, wenn der Vogt nicht dabei war.

Diese Bewegung erschien Fritzen verdächtig. Es war ihm bei ähnlicher Gelegenheit schon einmal etwas um die Ohren geflogen. Er trat ein paar Schritte zurück.

»Ich werde mich über einen, wie du einer bist, noch lange ärgern,« erwiderte er stolz. »So einer, wie du einer bist, auf so einen pfeif' ich. Aber ich werd's dem Vogt sagen, daß du gesagt hast, ich könnte dir was. Und dann woll'n wir doch mal sehen, wer längere Ohren bekommt, du oder ich.«

»Scherst dir raus!?« schrie Nagel und trat mit rotem Kopf in den Boxgang und hatte in beiden Fäusten etwas, was Fritzen nicht gefiel.

Fritz war auch schon an der Thür. »Schmeiß man, Nagel! Schmeiß man immerzu! Gerad' so geh' ich zum Herrn Grafen zurück, wie's trifft! Gerad' so geh' ich zurück und sage ganz einfach, der Nagel hat mir beschmissen. Das sag' ich, darauf geb' ich dir mein heiliges Ehrenwort. Willst du mir nun antworten, frag' ich. Ob die Ponies sich was gethan haben, will der Herr Graf wissen.«

»Wat sull'n se sich denn gethan hoa'n,« brummte Nagel. »Nischt hoa'n se sich gethan! Fressen thun se wie die Raupen!«

»So – na« – jetzt kam der letzte Pfeil Fritzens an die Reihe, aber ehe er ihn absandte, öffnete er die Stallthür. »Nun will ich dir bloß noch sagen, daß weil die Ponies immer so wild sind und durchgehen und über die Stränge schlagen, daß da der Graf gesagt hat, daß da niemand anders dran schuld ist als wie du, Nagel, weil du die Ponies nicht genug bewegst und immer faulenzen läßt, und wenn der Komtesse was passiert ist, dann kannst du deine Senge besehen. Zuerst Keile und dann Zuchthaus wegen Körperverletzung –«

Er warf schleunigst die Thür zu und machte, daß er davonkam. Es war aber auch die höchste Zeit, denn hinter ihm polterte es bedenklich gegen die Stallthür … »Ein roher Bengel, der Nagel,« dachte Fritz; »pfui Teufel, und krabbelt immer mit den Händen im Miste herum! Wie kann sich der Mensch so gemein machen! …«

Dann meldete er dem Grafen, die Ponies hätten sich nichts lädiert. Der Graf war aber übler Laune. Fritz hatte bei dem Rapport wieder sein freundliches Gesicht aufgesetzt, und das mißfiel ihm.

»Was grinst du denn ewig?!« schrie Dassel ihn an. »Kannst du denn nie ernst bleiben?! Ich verbitte mir dies dämliche Grieflachen! …«

Fritz schwieg, aber es riß eine Saite in seiner Seele. Keinem machte er es recht. Verdammte Geschichte, Herren- und Frauendienst in Einklang zu bringen! –

Dassel rauchte in seiner Aufregung eine Cigarre nach der andern. Zwanzigmal war er auf die Rampe getreten, umbellt und umjohlt von den Kötern, war auf den Hof gegangen und vor das Parkthor, um Ausschau zu halten. Er spürte gar nicht, daß es in Strömen regnete; seine Sorge wuchs. Schließlich kehrte er in sein Arbeitszimmer zurück, warf sich in den Schaukelstuhl und versuchte die Zeitung zu lesen.

Da stürzte Leitholz herein.

»Gott sei Dank, Herr Graf! Gott sei Dank –«

»Sind sie da?«

»Ja, alle beide – pitschenaß, aber Arm in Arm und ganz vergnügt! …«

Arm in Arm?! … Dassel stürzte davon. Hundert Vermutungen wirbelten in seinem Kopf durcheinander. Arm in Arm … sollte Volcker wirklich –? »Gut wär's,« murmelte Dassel, »es wär' mir recht. Ich hab's eigentlich auch erwartet. Er paßt mir – paßt mir schon besser als Vließen und Hunding und Günther. Er kann sich in Koburg adeln lassen, wenn …«

Nun stand er schon auf der Schloßrampe und sah die beiden kommen, Arm in Arm, wie Leitholz gesagt hatte, unglaublich ausschauend, aber in der That sehr vergnügt, denn sie schrieen und jubelten ihm entgegen.

Leitholz stand barhäuptig neben seinem Herrn.

»Leitholz, merkst du was?« fragte Dassel.

»Ich merke schon was,« schmunzelte der Alte, »ich hab's längst gemerkt. Ich dachte bloß immer –«

»Na, was hast du gedacht? Hast du gedacht, ein Graf müßte es mindestens sein, Leitholz?«

Leitholz schwieg und lächelte wieder. Die Komtesse nahm den, den sie liebte. Das stand fest für ihn. Aber es war doch gut, daß die Frau Gräfin das nicht mehr zu erleben brauchte …

Lange Erklärungen gab es nicht. Gerda umarmte den Vater stürmisch und wies dann auf Hans Volcker. Eine zweite Umarmung folgte. Alles auf der Rampe und alles im Regen.

»Gnädige Herrschaften, es regnet,« bemerkte endlich Leitholz sanft.

Nun lachten die drei hell auf.

»Köstlich, Leitholz,« rief Gerda. »Gut, daß du uns daran erinnerst! Ich bin wie eine gebadete Katze. Sorge für Thee –«

»Für Grog,« meinte Hans.

»Also für beides, Leitholz. Nun in dein Zimmer, Hans! Vater, begleite ihn und gib acht, daß er den ganzen äußeren Menschen wechselt. Den ganzen! Er ist leichtsinnig veranlagt und vergißt vielleicht das Nötigste. Gib ihm Grog, während er sich umkleidet. Er muß dampfen, wenn ich ihn wiedersehe. Ich meine nämlich, der Hans …«

Eine halbe Stunde später trat Gerda in das Kabinett Dassels. Sie hatte Toilette gemacht; der Gärtner hatte ihr eine Rose aus dem Treibhause holen müssen, die trug sie auf der Brust.

»Wo ist Hans?« fragte sie.

»Noch nicht fertig, mein Kind. Er ist umständlicher als du. Im Augenblick ist mir das lieb, denn ich kann dich noch einmal allein in meine Arme nehmen. Ratte, komm her! Leg dein liebes Gesicht an meine Brust und laß mich in deine Augen sehen! Bist du ihm gut? Bist du glücklich?«

Sie umschlang den Vater. Er war ihr immer mehr als die Mutter gewesen. Von ihm hatte sie alles, von der Mutter nichts. Sie küßte ihn, zog dann einen Stuhl dicht neben den seinen und setzte sich zu ihm.

»Ja, Papa,« sagte sie, »ich bin ihm von Herzen gut. Vormittags machtest du so eine Anspielung – weißt du? – da hätt' ich's schon ruhig zugeben können. Aber ich wollte nicht; ich wußte ja noch nicht, wie er … nein, ich wußte es doch … Ja, ich bin ihm sehr gut. Und gerade, weil – weil – Herrgott, wie drücke ich mich aus – weil es sich um keine rasende Leidenschaft handelt wie … weil –«

Sie starrte durch das Fenster. Es flog etwas Fremdes über ihr Gesicht. Sie schüttelte sich und lachte gezwungen auf.

»Es ist närrisch, Papa – ich bin ganz wirr im Kopfe. Ich muß erst ruhig werden. Ich bin keine Hurranatur. Ich arbeite mich auch durch die Freude so schwerfällig wie ein Ackergaul … Siehst du, ich habe das Empfinden, daß ich mit Hans Volcker sehr glücklich werden kann. Er hat etwas so Frisches und Sonniges. Nichts Uebermenschliches, aber so viel Menschliches; nichts Gemachtes, so viel Natürliches. Das alles zieht mich an. Auch sein Aeußeres – seine hübschen Augen, die ohne geheimnisvolle Tiefen sind, aber gut und keck und lebensfreudig … Papa, ich liebe ihn. Jetzt sag' ich nichts weiter. Ich kann mich doch nicht in Details erschöpfen! Doch nicht eins bis fünfundzwanzig herunterzählen, was mir alles an meinem Bräutigam gefällt!«

»Um Gottes willen! Nein, das thu nicht, Ratteline. Vielleicht kämst du weit über die Fünfundzwanzig hinaus. Ich bin schon zufrieden. Ich will dir auch sagen, daß ich nicht minder glücklich bin als du. Volcker hat oben mit mir über seine Verhältnisse gesprochen, beim Umkleiden, zwischen Hemd und Rock und zwischen dem ersten und dritten Glase Grog. Sehr vernünftig gesprochen, und die Vernunft gehört auch mit zur Sache. Er lachte, als ich ihm sagte, daß ich dir keine Mitgift mitgeben könne. Er ist reicher, als wir gedacht haben. Und dann dies glänzende Geschäft … Ja – apropos – Geschäft! Du heiratest einen Kaufmann, Gerda, und einen Bürgerlichen –«

Sie unterbrach ihn.

»Ganz richtig, Papa, sogar einen Bürgerlichen. Ich, die Gräfin Dassel, dem Uradel angehörig, aus einem Geschlecht, das schon in den Kreuzzügen da war, geraubrittert hat und Heldenthaten verrichtet und alles mögliche. Ich, die Gräfin Dassel. Das ganze Gesipp wird aufschreien; oder es wird sich zusammenthun und sich zuwispern, daß das Geld der Volckers die Komtesse Gerda gelockt habe. Aber die Ahnen werden ruhig liegen bleiben, und wenn sie es nicht thun, kann ich es auch nicht ändern. Denn der Lebende hat immer noch recht, und was gestern war, kümmert das Heute nicht … Papa, wir sind zwei vernünftige Leute und haben uns stets gut verstanden. Lebte die Mama noch, so wäre es wahrscheinlich zu keinerlei Intimitäten mit Hans Volcker gekommen. Sie würde den Buchhändler gar nicht an ihren Hof gelassen haben. Du aber denkst doch nun einmal anders als sie, und Gott sei Dank, daß es so ist, denn es erspart uns Auseinandersetzungen, die im letzten Grunde doch immer nur theoretischer Natur sein würden – sehr häßliche Auseinandersetzungen vermutlich …«

Dassel nickte zustimmend. »Richtig, Gerda,« sagte er. »Da mir deine Verlobung durchaus zusagt und ich mich herzlich darüber freue, so liegt auch kein Grund zu irgend welchen ›Auseinandersetzungen‹ vor. Ich wollte nur eins noch erwähnen. Du kommst durch deinen Mann in Kreise, die dir bisher ganz fremd waren, in die Kreise der bürgerlichen Kaufmannswelt. Da geht es denn nun nach mancherlei Richtungen anders zu als bei uns. Der Anschauungskreis und –«

»Papa!« Gerda lachte herzlich auf. »Gutes Papachen, ich bin doch kein Dummerchen mehr! Ich habe doch helle Augen und auch einen ganz anschlägigen Kopf. Und das sogenannte Anpassungsvermögen wird ja wohl auch noch kommen. Ueberdies heirate ich, soweit mir bekannt, keinen Ellenreiter, sondern einen Großkaufmann mit fast berühmtem Namen, keinen Krämer, sondern einen vornehmen Menschen, der ebensogut hätte Diplomat werden können, wenn er es nicht für gescheiter gehalten hätte, das väterliche Geschäft zu übernehmen. Und damit es ihm an nichts fehle, was ihm in der Gesellschaft die höhere Weihe gibt, ist er schließlich noch Reserveoffizier bei den Pasewalker Kürassieren und hat die Berechtigung, bei den Paraden nach den Klängen des Hohenfriedberger Marsches an Majestät vorüberzudefilieren – was doch auch wertvoll ist … Scherz à part, Papa, ich glaube, du hältst mich doch noch für kleiner, geistig mein' ich, nicht körperlich, als ich es in der That bin …«

Dassel nahm die große Tochter noch einmal an sein Herz.

»Ich fühle mich selbst zuweilen noch ein wenig unfrei,« antwortete er; »klebe und hänge noch manchmal an überkommenen Anschauungen, die … liebes Kind, ich bin ein alter Mann, und du hast die Jugend für dich: das ist der Unterschied zwischen uns. Und nun will ich kein Wort mehr sagen über all das, was sich von selbst versteht. Wir wollen nachher die Verlobungsanzeigen aufsetzen. Volcker möchte, daß die Hochzeit mit dem ersten Erscheinen seiner Zeitung zusammenfällt. Das würde Ende September sein. Ist dir das recht?«

»Durchaus, Papa. Meine Ausstattung ist bald beschafft; für das meiste hat die Mama ja gesorgt … Das ist eine hübsche Idee von Volcker. Denke dir, daß nun auch ich mich auf einmal wahnsinnig für eure Zeitung interessiere! Sie gehört mir ja sozusagen mit! Ich werde die aufmerksamste Leserin sein und scharfe Kritik üben. Uebrigens habe ich Hunger. Apropos, Papa – also der Hans kann nur bis morgen mittag bleiben. Da scheint mir für heute abend ein niedliches kleines Diner zu dreien sehr am Platze –«

»Das Verlobungsdiner – natürlich! Es liegt auch noch eine Flasche Clicquot magnum bonum, eine Doppelflasche, ein Ungetüm, im Keller; ich opfere sie der Feier. Das Menü besprich mit der Mamsell; sie wird die Ehre des Hauses retten, auch ohne Realturtlesoup und Trüffeln in der Serviette. Aber bitte um sechs Uhr wie immer, damit mein alter Magen nicht außer Ordnung kommt …«

Inzwischen war auch Hans mit der Toilette fertig geworden und erschien, nicht mehr als Räuberhauptmann, sondern in der ganzen Eleganz des Jahrhunderts bei seiner Braut, um gemeinsam mit ihr die Glückwünsche des Hauspersonals in Empfang zu nehmen, denn die Nachricht von der Verlobung hatte sich naturgemäß blitzschnell im Gehöfte und im Dorfe verbreitet. Unten in der Halle war große Cour. »Defiliercour,« flüsterte Volcker Gerda in das Ohr; »ich komm' mir vor wie der Kaiser, du meine Kaiserin …« Der erste Inspektor gratulierte im Namen seiner Leute; hinter ihm standen der zweite Inspektor und die Wirtschaftseleven; der jüngste Volontär, der die Komtesse heimlich liebte, machte ein Gesicht, als ob er in mystischer Verzückung liege. Dann kam Leitholz mit den Dienern und Kutschern und hielt seine Rede; auch Fritz, der Boy, war dabei, grinste auf einer Seite und versuchte auf der andern, die dem Grafen zugekehrt war, ernst zu bleiben; man konnte glauben, daß er heftige Zahnschmerzen habe. Schließlich marschierten unter Führung der Mamsell die weiblichen Schwadronen auf. Aber das war noch nicht alles. Der Pastor kam und der alte Kantor und der Dorfschulze, ein gewichtiger Mann, in dessen Nähe man sich nie aufhalten durfte, wenn er ein Kompliment machte, weil er dabei stets mit dem rechten Fuße gewaltig ausschlug; das hatte er von Jugend auf so geübt und gab damit seine Bildung kund. Die Förster machten den Beschluß, und als sie fort waren, rief Gerda auch noch die Köter in die Halle und erzählte ihnen von dem freudigen Geschehnis. Morgen früh sollten es sämtliche Tiere, Geflügel und alles Geziefer in Ställen und den Traillagen und auf dem Hofe erfahren.

»Jawohl, Hans, das muß sein. Das ist bei uns so Sitte, chacun à son goût. Jeder Bauer vermeldet Verlobung, Hochzeit, Taufe und Tod seinem Viehzeug, damit es sich auch freue oder auch traure. ›Ansagen‹ nennt man das in der Mark. Selbst die Bienen werden nicht vergessen … Jetzt bin ich aber schachmatt. Ist's nicht kurios, Hans – so eine Riesenwirtschaft und doch arme Ritter?«

»Kann sich sehr plötzlich ändern, Gerda. Die Zeiten wechseln, die Tage werden besser werden. Jedenfalls herrscht gute Zucht bei euch … Du, ich bin auch müde. Uebermorgen folgt in Berlin bei mir die Gratulationscour; die kann noch länger dauern als die heutige. Das muß man mit in den Kauf nehmen. Gibt es bald etwas zu essen? –«

Ja, bald. Um sechs Uhr saß man im kleinen Speisesaal bei Tische. Die Mamsell hatte ihr Bestes gethan, und die Magnum bonum kühlte im Eis. Es war sehr gemütlich. Dassel schaute zuweilen wie fragend in das Gesicht seiner Tochter. Das sagte ihm alles Gute; es sprach von Glück und Zufriedenheit. Und auch er selbst war zufrieden. Er schaute nach Jahren der Sorge wieder einmal heiter in die Zukunft. Hätte seine Ratte in den Kreisen des Landadels eine passende Partie machen können, so wäre ihm das freilich schon lieber gewesen. Aber das sprach er nicht aus. Und überdies: Volcker war »so gut wie ein Edelmann«. Das sagte er sich häufig, doch auch immer nur heimlich …

Gegen Ende des Diners wurde draußen Wagenrollen hörbar.

»Leitholz, was gibt es?!« rief Dassel. »Besuch kann es nicht sein – dazu ist es zu spät. Vielleicht Breesen mit seiner Aktenmappe. Er soll noch in Berlin sein und überfällt mich gewöhnlich, wenn ich ihn nicht brauchen kann …«

Leitholz kehrte zurück. In der That: es war Graf Breesen, aber er kam nicht allein. Graf Vließen begleitete ihn.

Dassels Blick flog zu seiner Tochter hinüber.

»Etienne, Gerda. Und ohne seine Frau. Eine närrische Art der Antrittsvisite.«

»Weshalb?« entgegnete Gerda ruhig. »Es wird sich um Geschäftliches handeln. Vielleicht um die Zeitung. Ich denke, Leitholz kann die Herren hierher führen; dann können sie mit uns ein Glas auf unsre Verlobung leeren …«

Die Grafen traten ein: Breesen wie gewöhnlich fliegend vor Aufregung, seine Mappe unter dem Arme. Hinter ihm Etienne Vließen.

Er war nicht mehr der Alte. Er schien Gerda sehr verändert. Der lange blonde Vollbart gab seinem Gesicht etwas Fremdes. Auch einen gewissen rohen Ausdruck hatte dies in seinen Grundlinien vollendet schöne und edle Männerantlitz angenommen. Aus der spöttischen Suffisance, die sonst sein Lächeln begleitete, war etwas wie Cynismus geworden. Der Blick war unstet. Ein Spinnennetz winziger Fältchen umschloß die Augen. Nur die Gestalt war noch groß und ragend, und jede der Bewegungen elastisch und anmutig, das ganze Sichgeben von auserlesener Form. Ein »Löwe« war er noch immer …

Dassel war den Herren entgegengeeilt.

»Lieber Graf Breesen … Etienne, sieh einmal! Auf dich hätt' ich weiß Gott nicht geraten. Warst wie verschollen für uns. Selbst deine Hochzeit erfuhren wir nur durch die Zeitung.«

»›Statt besonderer Meldung‹, Onkel. Ich hab' keine Anzeigen verschickt, um keinen Menschen zu vergessen; mein Bekanntschaftskreis ist zu groß geworden … Liebe Cousine, es ist lange her … I, guten Abend, Herr Volcker!«

»I, guten Abend, Herr Volcker,« sagte auch Breesen, sich mit fiebernder Hast die Handschuh von den Fingern zerrend. »Nehmen Sie mal meine Mappe, Leitholz, aber lassen Sie sie mir in der Nähe. Und ein Glas Wasser. Darf ich um ein Glas Wasser bitten, Dassel? Mit dem Mittagzuge gekommen, Herr Volcker? …«

Er schlenkerte mit den Armen hin und her; seine Gliedmaßen waren in beständiger Bewegung. Stillsitzen konnte der Mann überhaupt nicht. Es war begreiflich, daß man flüchtete, wenn man seine Nähe spürte.

Dassel teilte die Verlobung mit. Graf Breesen kramte in seiner Mappe und hatte nur mit halbem Ohre zugehört. Als er das Wort »Verlobung« hörte, schaute er auf.

»Verlobt?« fragte er. »Wer? – Die Komtesse? … Mit wem? – Komtessechen, also doch?! … Mit – – was denn? Mit unserm Volcker? Mit dem da?«

Er warf einen Stuhl um, stieß Leitholz beiseite, trat Dassel auf den Fuß und küßte dann Gerda die Hand.

»Nu frag' ich Gott und die Menschen – ist das eine Ueberrumplung. Ich bin völlig paff. Lieber Herr Volcker, evviva! Leitholz, ein Glas Wasser! Vließen, was machen wir nun? …«

Vließen hatte sich Gerda genähert und ihr in herzlichem Tone seinen Glückwunsch ausgesprochen. Bei der Frage Breesens zog er die Schultern hoch.

»Ich weiß nicht, Herr Graf …« Er wandte den Kopf hin und her. »Es ist entsetzlich peinlich, daß wir gerade heute abend hier hineinschneien mußten, aber – aber die Angelegenheit ist doch so wichtig, daß ich meine … also kurzum, lieber Onkel, wir kommen mit einer Hiobspost!«

Dassel fuhr empor; Gerda lauschte angstvoll. Leitholz rückte Stühle an den Tisch und brachte noch zwei Champagnerbecher.

»Weg damit!« rief Breesen; »wir trinken nichts … Ja, eine betrübliche Nachricht, Dassel. Vließen suchte mich auf, um meinen Rat zu erbitten; ich riet, gleich hierherzufahren. Ich fuhr mit. Wir haben auf dem Bahnhof einen Leiterwagen genommen –«

»Himmlischer Vater, da sagt doch vor allem, was passiert ist! … Etienne, betrifft es etwa – Dittmar?!«

Graf Vließen nickte. »Es ist so, Onkel. Ich erhielt heute mittag einen Brief von Gerhard Schwerin aus Tokio. Er wurde mir durch die japanische Gesellschaft zugestellt, die zuweilen raschere Verbindungen hat, als sie durch die Postdampfer möglich sind. Dittmar hat Unglück gehabt –«

Gerda stieß einen leisen Schrei aus.

»Großer Gott – ist er tot?!«

»Nein, Gerda, er lebt und ist gesund. Aber ein unseliges Geschick hat ihn aus der Karriere geschleudert. Er – es wird mir schwer, doch ich muß die Wahrheit sagen – hatte eine Liebelei mit der Tochter eines in Tokio ansässigen deutschen Fabrikanten angefangen. Der Vater drang auf Heirat, und da Dittmar Ausflüchte machte, so stürzte sich der Alte eines Tages auf der Kegelbahn des deutschen Klubhauses auf ihn und – verprügelte ihn. Er schlug ihn nicht zu Boden – er verprügelte ihn, wie man einen Schulbuben straft –«

Dassel stöhnte und verbarg das Gesicht in den Händen.

»Die Sache war nicht zu verschweigen. Die ganze Klatschpresse Japans, die an Niederträchtigkeit der unsern nicht nachstehen soll, bemächtigte sich des Skandals. Schwerin schreibt, Dittmar habe bereits seinen Abschied eingereicht und sei auf dem Rückwege nach Europa; ich möchte euch vorbereiten …«

Es war eine kleine Weile sehr still im Zimmer. Mit gesenktem Kopfe stand Leitholz an der Thür. Man hörte nur, wie Graf Breesen unruhig in seinem Fauteuil hin und her rutschte, sich herumwarf und die Beine abwechselnd übereinanderschlug.

Gerda war leichenblaß; Volcker hatte sich neben sie gesetzt und hielt ihre Hand fest. Auch seine Stirn war gefurcht.

Plötzlich nahm Dassel ein Messer vom Tisch und warf es wütend auf die Erde.

»Da soll man noch an Hoffnung glauben!« rief er ingrimmig aus. »Ein Stückchen Sonnenschein, in dem man sich wärmen kann – und gleich sind auch die Wolken wieder da! Heute früh hatte auch ich Nachricht von Dittmar, so fröhliche, daß ich Gott dankte – jetzt schwimmt der Junge auf dem Meer, gedemütigt, geprügelt – ja, zerprügelt … Mag ihm geschmeckt haben, diese Prügel – und war noch lange nicht genug! Noch lange nicht – die Hetzpeitsche hätt' er verdient, der leichtsinnige Strolch –«

»Papa –«

»Laß mich, Gerda! Breesen, Sie haben nur Töchter. Danken Sie Ihrem Schöpfer dafür. Unsre Söhne sind unser Unglück. Dittmar ist keine Ausnahme – nein, Volcker, es ist nicht wahr, er ist der Typus des jungen Adels! Gesindel, das der Väter Geld an den Spieltischen verludert, sich in ehrbare Häuser hineinstiehlt und die Töchter in Schande bringt – o pfui Teufel, ist das edelmännisch?! Ist das eines großen Namens würdig?! …«

Der alte Herr war in starker Erregung; seine Augen funkelten, und fingerdick lagen die Falten auf seiner Stirn.

»Verzeih mir, Onkel,« sagte Graf Vließen, »aber ich meine, du übertreibst. Wir sind schließlich alle keine Heilige gewesen –«

Mit heftiger Bewegung schnitt Dassel dem Sprechenden das Wort ab.

»Etienne, ich bitte dich, komm mir nicht mit Gemeinplätzen! … Ich habe dein Leben nicht genügend verfolgt, um aus ihm urteilend auf dich schließen zu können. Ich weiß nur, wie ich selber gewesen bin: auch in den wildesten Tagen habe ich die Ehre unsres Namens nicht vergessen! Man mag sagen, was man will, mag sich dagegen wehren und von antiquierten Vorurteilen sprechen: das Bewußtsein, daß unser Ehrenkodex die starke ideale Macht ist, die uns einzig allein noch zusammenhält in den demokratischen Stürmen der Zeit, ist unsern Kindern verloren gegangen. An die Stelle der alten Ehre haben sie eine moderne gesetzt, die nichts darin sieht, mit gewerbsmäßigen Spielern zu paktieren und jeder leichtfertigen Regung die Zügel schießen zu lassen. Ich habe mich schon öfters vor der Oeffentlichkeit über jene unheilvollen Strömungen aussprechen können, die Schuld an dem Niedergange unsres Adels sind, und daß ich kein Blatt vor den Mund nahm, hat meine Stellung zur Partei erschüttert. Meinethalben! Es ist mir sehr gleichgültig, ob man meint, ich wurzle noch in den alten Traditionen oder ich neige den neuen Ideen zu: das ist ein Streit um das Wort. Der mag mich so benennen und jener so. Edelmann bleib' ich immer, und für die Ehre des Adels werde ich bis an mein Ende mit den Waffen kämpfen, die mir die rechten zu sein scheinen – nicht Freund noch Feind, nicht dem eigenen Sohne zuliebe!«

Er schwieg mit leisem Keuchen. Breesen, der sich vor Nervosität kaum noch zurückzuhalten vermochte, winkte Gerda zu, gleichsam als Zeichen der Beruhigung, und legte dann seine Hand auf die Schulter Dassels.

»Lieber Graf – ich bitt' Sie – gemach, gemach! Schießen Sie nicht über das Ziel hinaus. Verallgemeinern Sie nicht, wo es nicht nötig ist. Glauben Sie mir nur, ich begreife Ihre Erregung – es würde mir schließlich gerad' so gehen – aber es läßt sich doch alles noch einrenken, alles noch gut machen … Bleibt Dittmar nicht in diplomatischen Diensten, so wird er Uttenhagen übernehmen –«

Dassel fuhr jäh empor, starrte den Kammerherrn an und stieß ein bitteres Lachen aus.

»Hierher soll er kommen?« rief er. »Hierher – zu mir?! … Breesen, ich bin schwach gewesen – ich habe zwanzigmal geholfen, habe zugegeben, daß Gerda ihr Vermögen für den Burschen opfert – jetzt ist es genug! … Genug,« wiederholte er mit starker Stimme und sprang auf, und es lohte über sein Gesicht; »er mag sich selber helfen! Mag Schuhputzer in Amerika werden oder Handlanger auf dem nächsten Bau – – so wahr ich vor euch stehe, so wahr soll es sein: das Haus seines Vaters wird er nicht eher wieder betreten, ehe er nicht Erwerben gelernt hat! Und wenn mir das Herz bricht – ich werde eisern sein! Erst soll er Mann geworden sein, der sich selber sein Brot verdient – dann mag er wiederkommen! Dem Arbeiter will ich verzeihen, nicht dem verlotterten Aristokraten! …«

Gerda hatte ihren Vater noch nie in so bebendem Zorn gesehen. Angstvoll schaute sie zu ihm auf, aber sie unterbrach ihn nicht. Das, was er sagte, fand Widerhall in ihrer Seele; genau so wie er dachte auch sie. Auf der Höhe ließ Dittmar sich nicht mehr halten; nun gut – so mochte er von unten auf neu beginnen, und je härter der Frondienst, der seiner harrte, um so besser für ihn. Vielleicht lernte er unter dem Drucke schwerer Arbeit auch noch einmal, was Pflichtgefühl heißt …

Graf Breesen saß zappelnd und mit den Mundwinkeln zuckend auf seinem Stuhle. Er ärgerte sich, daß in diesem Falle seine Hilfsbereitschaft versagte, die bei ihm immer mit einer brennenden Neugier verbunden war. Hundert Fragen schwebten auf seinen Lippen. Also der Dittmar sollte sozusagen verstoßen werden. Und die Komtesse, die den Bruder vergötterte, sagte nichts dazu? Was würde aus Uttenhagen werden? Es war verschuldet bis an die Dachfirst des Schlosses, aber doch immerhin ein prachtvoller Besitz, aus dem sich noch etwas machen ließ. War vielleicht die Mariage mit dem reichen Buchhändler das Fundament, auf dem man weiter bauen wollte? Dachte man schon an die kommende Generation? Die jungen Volckers konnten den Namen Dassel annehmen – warum nicht? Machen ließ sich das alles … und der Kammerherr schlug wieder die Beine übereinander und nahm die linke Fußspitze in die rechte Hand und zuckte mit den Schultern und wirbelte seinen braungrauen Schnurrbart auseinander …

Auch Graf Vließen ließ seinen stattlichen Bart durch die Finger gleiten und dachte an ähnliches. Mochte aus dem dummen Jungen, dem Dittmar, werden, was da wolle – es kümmerte ihn nicht. Aber daß diese Gerda sich zu einer Geldheirat entschlossen hatte, das rührte an dem Gleichmut seiner Lebensauffassung, dem Extrakt einer zwischen Stürmen und Schiffbruch gewonnenen fragwürdigen Philosophie. Gerda eine Frau Volcker – es war wirklich zum Lachen. Die stolze Amazone ein gut bürgerliches Hausweibel, das Mädchen lehrend und dem Knaben wehrend, mit Gevattern und Basen auf freundlichem Fuße – eine »Frau Volcker«! Lustig, bei Gott! Was doch das Geld alles zuwege brachte! Er hatte selbst eine Million erheiratet, kein Herz gewonnen; aber er gab seinen Namen, und die Komtesse verlor den ihren um des Mammons willen. Ein Unterschied war es doch. Kein großer, nur ein rein äußerlicher – ein höhnisches Lächeln glitt um den Mund Vließens – der Schacher blieb im Grunde genommen der gleiche. Der Schacher regiert die Welt … Vließen hatte längst eine erneute Annäherung an die Dassels gesucht; eine gewisse Scheu, die dem verständlich erscheinen mußte, der seine Frau kannte, hatte ihn jedoch bisher von einem formellen Besuche zurückgehalten. Nun war ihm der Zufall zu Hilfe gekommen. Als er den Brief Schwerins empfangen, wurde plötzlich die Sehnsucht nach Gerda verzehrend in ihm wach. Es war wie ein Schwindel, den ein heißer, brennender Durst erregt. In der Erinnerung stand Gerda gleich einer lichtumflossenen Göttin vor ihm, groß und kraftvoll, stolz und blühenden Leibes, mit der Krone der schwarzen Haare um die leuchtende Stirn. Adel der Seele vereinte sich in ihr mit Adel des Körpers. Und da war ein simpler Kaufmann gekommen und hatte sich die Edelmaid erhandelt … Es war zum Lachen – nein, zum Rasendwerden! Etwas wie grimmer Haß flammte im Auge Vließens auf – ein Haß, der mit Ketten gebunden ist, der sich nicht austoben kann. Gab es für Vließen aller menschlichen Voraussicht nach auch keine Möglichkeit mehr, Gerda zu besitzen – dem drüben gönnte er ihren Besitz am wenigsten …

Dassel war wieder Herr seiner Erregung geworden und bat ernst und gewichtig, nicht mehr von Dittmar zu sprechen. Aber die drückende Schwüle blieb über der kleinen Gesellschaft. Breesen und Vließen wollten mit dem Elfuhrzuge nach Berlin zurück. Man versuchte nicht erst, sie zum Uebernachten zu bewegen.

Es war ein trüber Verlobungstag. Als Hans sich vor dem Schlafengehen von seiner Braut verabschiedete, zog er sie fest an sich und raunte ihr zu: »Gerda, mein Lieb, ich wollte, ich könnte den Sonnenschein in dein Auge zurückzaubern. Wollte, ich könnte den Kummer von deiner Stirn küssen … Gerda, dein Bruder ist nicht schlecht, wenn er auch leichtsinnig war. Verschließt ihm dein Vater in gerechtem Zorne sein Haus – er soll bei uns ein Heim finden. Ich will ihm die Hand geben und ihn zu führen versuchen. Ich will ihm Freund, Lehrer und Bruder sein. Wir wollen uns gemeinsam seiner annehmen und ihm bessere Wege weisen. Verscheuche die Falten, Gerda, schau mich wieder mit den alten Augen an! Deine Liebe macht mich so stark, daß ich auch Dittmars Leichtsinn zu brechen hoffe. Von mir soll er die Freude an der Arbeit lernen – danken aber sollst du mir allein! Denn was ich für ihn thue, thu' ich für dich!«

Sie legte ihre Hände auf seine Wangen, bog seinen Kopf zurück und sah ihn an, ihre ganze Seele und das ganze Herz in ihren Blick legend.

»Daß du gut bist, Hans, weiß ich,« sagte sie, »und das gibt mir Zuversicht, auch trübe Tage mit in den Kauf zu nehmen. Sie sind mir mein Leben lang nicht erspart worden und werden wiederkommen. Aber ich bin tapfer und kann auch trotzig sein. Der Neid der Götter kann mich verstimmen, doch nicht niederbeugen. Es ist gut, wenn man das weiß und seiner selbst sicher ist. Ich habe Dittmar geliebt wie keinen zweiten Menschen auf der Welt. Jetzt bin ich fertig mit ihm. Mein Glück soll er mir nicht stören – das soll mir keiner stören. Ich spreche mit Papa: wenn Dittmar arbeiten gelernt hat, gehört ihm mein Herz wie früher – nicht eher! Zeige ihm, wie man arbeiten kann! Glaubst du, ich würde mich schämen, wenn mein Bruder in deiner Buchdruckerei den Setzerkittel anzöge? Wenn er sich mit den Händen sein Brot verdiente? …« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, mein Junge – dann würde ich mich freuen, daß ich wieder stolz sein könnte auf ihn! …«

Das waren große Worte, und als die Komtesse allein in ihrem Schlafzimmer war, sprach sie ähnliches zu sich selbst. Nur in der Demut und in der Entbehrung konnte Dittmar zur Tüchtigkeit heranreifen. Nichts durfte das Leben ihm weiter bieten als den Lohn seiner Arbeit … Und doch that ihr das Herz weh, als sie daran dachte, was alles der Bruder aufzugeben hatte … Es lag immer noch eine weite Kluft zwischen Wort und That, in der erst ganz und gar der Stolz der Dassels begraben werden mußte …

Draußen regnete es fort und fort. Stundenlang hörte Gerda das leise Rauschen vor den Fenstern. Sie konnte nicht schlafen in der Nacht, die ihrem Verlobungstage folgte.


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