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Franz Düren war weiter gegangen. Er suchte die zweite Adresse auf, die in seinem Notizbuche stand: G. Werner & Co. Auch dies war eine Buchhändlerfirma, deren Namen auf vielen Millionen von Druckschriften verzeichnet war, und trotzdem war dieser Name im Reiche der Litteratur so gut wie unbekannt.
G. Werner & Co. waren im Grunde genommen mehr Fabrikanten als Buchhändler, aber ihre Fabrik ging glänzend; sie vertrieben Kolportageromane schlechtester Gattung in ungeheuren Auflagen. Ihr Geschäft lag in der Köpnickerstraße: ein kleines, verwahrlost ausschauendes Haus mit mächtiger Thoreinfahrt, durch die man auf einen Hof gelangte, auf dem in diesem Augenblick gerade so wie bei E. M. Volcker riesige Massen von Papierballen abgeladen wurden.
Auch hier blieb Düren zunächst stehen und orientierte sich. Er verglich das unsaubere Gehöft, das eine Fundstätte für Lumpensammler zu sein schien, mit dem neuen Volckerschen Prachtbau. Auch die Firma Werner & Co. galt für sehr reich, aber ihre Inhaber, die Herren Gustav Werner und Friedrich Pofahl, legten keinen Wert auf Repräsentation. Sie gedachten das ganze Terrain, das sie vor einigen Jahren billig in der Subhastation erstanden hatten, gelegentlich gut an den Mann zu bringen; da lohnte es sich gar nicht mehr, mit kostspieligen Neubauten zu beginnen. Es wäre so wie so Unsinn gewesen. Wer hierher kam, der verlangte keine teppichbelegten Treppen und keine holzgetäfelten Zimmer; die Austräger drängten sich unten in einem riesenhaften, kahlen, asphaltierten Saalraum zusammen, um aus hundert Händen ihre Ware in Empfang zu nehmen und die bedauernswerten Schriftsteller, die das Räderwerk dieser einträglichen Fabrik trieben, waren froh, wenn man sie überhaupt empfing.
Düren schaute sich auf dem Hofe um. Aus dem dreistöckigen Quergebäude, das ihn nach Süden abschloß, tönte das Schwirren und Surren großer Maschinen. Hier standen die Schnellpressen der Druckerei, von denen jede einzelne im Laufe einer Stunde gegen zweitausendvierhundert Papierbogen mit Druck bedeckte. Im Erdgeschoß arbeiteten zwei Rotationsmaschinen, die noch Gewaltigeres leisteten, denn sie wurden durch Zuführung von endlosem Papier gespeist, und ein Schneideapparat schnitt die Bogen nach erfolgtem Bedrucken durch cylindrisch gekrümmte Stereotypplatten in das bestimmte Format und falzte sie gleichzeitig, so daß nur noch das Heften übrig blieb. Im zweiten und dritten Stockwerk befanden sich die Setzersäle, in denen tagsüber zweiundachtzig Leute vor ihren Schriftkästen thätig waren; zuweilen aber, wenn es galt, das erste Heft eines neuen, an aktuelle Vorkommnisse anknüpfenden Romans möglichst schnell fertig zu stellen, wurde die Zahl der Setzer auch verdoppelt. Dann ging eine fieberhafte Thätigkeit durch dieses häßliche, mit gelbem Putz beworfene Haus; die blinden, in allen Farben schimmernden und mit Schmutzflecken übersäeten Fenster klirrten unter der Wucht der rastlos arbeitenden Maschinen: das ganze Gebäude schien zu stöhnen und in seinen Grundfesten zu zittern. Und es that recht daran, zu stöhnen und zu zittern, denn die Arbeit, die hier verrichtet wurde, war eine schmähliche. Die bedruckten Papiermassen, die dieses Haus verließen, trugen nicht den Geist freier Wissenschaft und edler Dichtkunst in die weite Welt, sondern den der Verdummung – keinen lichtspendenden Genius, sondern einen grinsenden Dämon, der sich auf schmutzigen Hintertreppen in das Volk stahl, seine schlechtesten Instinkte zu entfesseln …
Düren wandte sich an einen der auf dem Hofe beschäftigten Arbeiter und ließ sich nach den Bureaux der Firma weisen. Sie lagen im ersten Stocke des rechten Querbaus, der genau so vernachlässigt war wie alles in diesen merkwürdigen Geschäftsräumen. Düren stieg eine ausgetretene, mit Sand bestreute Holztreppe hinan und klingelte an einer Thür, die außer einem Blechschilde mit dem Namen der Firma noch die Warnung enthielt: »Jede Bettelei strengstens verboten!« Ein angeklebter Zettel trug die Bemerkung: »Sprechstunde 10–1, 4–6. Empfang nur nach Anmeldung.«
Ein Junge öffnete Düren. Franz war klug genug, auf seine Visitenkarte zu schreiben: »In wichtiger Angelegenheit.« Der Junge nahm sie, ließ Düren stehen und verschwand durch eine zweite Thür. Düren lächelte. »Tolle Wirtschaft,« murmelte er; »gemeines Haus – Ruppsack und Compagnie …« Dann trat er ohne weiteres in das Wartezimmer, eine kleine Stube, dessen Wände voll Plakate hingen, in deren Lektüre sich Franz, die Hände auf dem Rücken und leise vor sich hin pfeifend, vertiefte. Diese Plakate interessierten ihn. Es waren Affichen für französische und italienische Lieferungswerke, die wahrscheinlich als Vorbilder für die Umschlagsillustrationen der Kolportageromane dienten, die hier fabriziert wurden: große illustrierte und grell kolorierte Plakate mit Mord- und Greuelscenen zu meist bekannten älteren Werken wie Féréals »Mysterien der Inquisition« und Sues »Geheimnissen von Paris«. Hie und da fanden sich auch Darstellungen kecker Liebesabenteuer, durchweg flott und mit geschickter Hand, wenn auch ganz roh ausgeführte Skizzen, aber alle in gleicher Weise auf brutale Leidenschaft hin berechnet …
Während Düren noch vor einer dieser Affichen stand, einer italienischen mit der Ankündigung eines Romans von Mezzabotta » Il Papa nero«, fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Er wandte sich um und sah einen lang aufgeschossenen jungen Menschen vor sich – ein blasses, sympathisches Gesicht und ein paar harmlos blickende blaue Augen unter blitzenden Brillengläsern.
»Herr Düren – ja wahrhaftig, Herr Düren! Wie kommen Sie denn nach Berlin und – hierher?!«
Franz wußte im ersten Augenblick nicht, wen er vor sich hatte. Als er aber die blauen Augen fragend und neugierig auf sich gerichtet sah, erwachte rasch die Erinnerung in ihm – die Erinnerung an ein paar andre ebenso blaue und ewig fragende Augen … »Mein Gott, liebster Pawel,« rief er, dem andern die Hand schüttelnd, »das hätt' ich wirklich nicht für möglich gehalten, gerade Sie hier … aber ich weiß ja, Sie wollten nach Berlin … Herrjeh, was haben Sie immer auf Köln geschimpft – Berlin war Ihre Sehnsucht, das gelobte Land Ihrer Wünsche, Ihr Gefilde der Seligen … Na – und wie steht's nun, blonder Dichter? Fleußt der kastalische Quell?«
Der Angeredete, der bis zu der Begrüßung des alten Bekannten in einer Ecke des dämmerdurchschatteten Zimmers gesessen hatte, nickte, während ein halb schwermütiger, halb bitter ironischer Zug über sein Gesicht flog.
»Er fleußt, Herr Düren,« antwortete er, »er stürmt in Kaskaden zu Thale, er reißt alle Dämme ein …« Und mit plötzlicher Bewegung einen Schritt näher an Düren herantretend und seine Stimme dämpfend, fuhr er hastig fort: »Was wollen Sie hier, Freund? – Mit Werner & Co. in Geschäftsverbindung treten? – Herr Düren, ich warne Sie. Das sind gewissenlose Leute – herz- und gewissenlose, gemütsbare Schurken!«
Er stieß dies zwischen den geschlossenen Zähnen hervor, und sein gutmütiges, stilles Gesicht verzerrte sich förmlich dabei.
Franz schüttelte den Kopf.
»Liebster Pawel,« entgegnete er gleichmütig, »bei den Geschäften, die ich mit Werner und Pofahl vorhabe, spielen Herz, Gewissen und Gemüt keinerlei Rolle. Ich möchte sogar behaupten –«
Er brach ab, denn der Junge, der ihm geöffnet hatte, erschien wieder im Wartezimmer und meldete, Herr Werner ließe um einige Minuten Verzug bitten: er sei gerade sehr beschäftigt.
Düren und Pawel sprachen flüsternd weiter miteinander; aber Franz hatte wenig Sinn für die Herzensergüsse seines blonden Freundes. Er lauschte auf das, was im Nebenzimmer gesprochen wurde, und da die Thür nicht völlig in das Schloß gefallen, sondern nur angelehnt war, so ließ sich von dem, was da drinnen verhandelt wurde, das meiste gut verstehen.
Mehrere Stimmen sprachen durcheinander: eine rauhe, etwas krächzende, eine feine und schüchterne, und eine stark und brutal klingende.
»Pofahl,« sagte die letztere im Kommandotone, »das geht nicht so weiter. Wir müssen den ›Brigantenbastard‹ mit dem hundertsten Hefte abschließen. Die Abonnenten sind zu zählen, und auf neuen Einfang ist nicht mehr zu rechnen. An der Geschichte ist nichts mehr zu verdienen.«
»Der Verfasser hat aber das Manuskript bereits bis zum hundertundzwanzigsten Hefte abgeliefert,« erwiderte das krächzende Organ. »Und nicht nur abgeliefert, sondern auch bezahlt erhalten –«
»Das war eine Dummheit, eine bodenlose Dummheit, die wir Ihnen zu verdanken haben, Schuriem! Wer bezahlt denn im voraus?!«
»Entschuldigen, Herr Werner,« hub die schüchtern klingende Stimme an, »es handelte sich in diesem Falle wirklich um eine Art Gotteslohn. Der arme Teufel, der Möbius, hat im vorigen Winter –«
»Seine Frau und zwei Kinder verloren – das haben Sie mir schon ein paarmal erzählt, Schuriem. Wir haben doch aber um alles in der Welt willen kein Asyl für bedauernswerte Familienväter! – Schreiben Sie dem Möbius, er möchte dieser Tage einmal bei uns vorsprechen. Er soll wieder einen Vorschuß bekommen – brauchen wird er ihn ja doch. Dann muß er uns für das hundertste Heft des ›Bastard‹ so eine Art Schluß machen und den Rest des Manuskripts in einen neuen Roman hineinarbeiten. Das geht ganz gut, wenn er sich ein bißchen dahintersetzt.«
»Natürlich geht's,« fiel das rauhe Organ ein, »aber der Möbius wird ja wohl wieder seine ›ästhetischen Bedenken‹ haben. Damit können wir nichts anfangen. Der ›Bastard‹ ist viel zu lau, Wassersuppe, Fadennudeln, windelweiches Gewäsche. So geht es nicht zu in einer Räubergeschichte. Ich habe ihm geraten, er solle sich aus irgend einer alten Leihbibliothek ein Dutzend Schauerromane von Spieß und Cramer und Leibrock und wie diese prächtigen Herren alle hießen, geben lassen und aus ihnen etwas recht Packendes und Grausiges und Nervenerschütterndes zurechtschneiden – – wissen Sie, was er mir da geantwortet hat? Er wäre kein Abschreiber – er hätte seine eigene Phantasie – er könne selbst fabulieren … Mit so 'nem Menschen ist eben nichts zu machen!«
»Wenn er nur wenigstens wirklich fabulieren wollte!« erscholl wieder die Kommandostimme. »Aber das thut er ja nicht! Statt dramatischer Spannung liefert er Milieuschilderungen, als ob er für die ›Gartenlaube‹ oder das ›Daheim‹ schreibe! – Ich werd' ihn mir herannehmen, ich werd' ihm die Wahrheit geigen! Sein Material ist brauchbar, es ist schon etwas aus ihm zu machen, aber er muß sich eben unsern Direktiven fügen. Er muß es einfach. Er bekommt das Manuskript von nun ab bogenweise bezahlt. Für die ersten Hefte werd' ich es selbst lesen. Ich will meinen geheimnisvollen Fremden und meine verschleierte Dame haben. Ich will, daß die Kapitel wirkungsvoll abschließen – mit Fallthüren und plötzlichen Entdeckungen und so etwas. Ich werde schon mit ihm sprechen. Schließlich fügen sich alle. Pawel hat sich auch gefügt.«
»Er ist draußen,« sagte die Fistelstimme.
»Er kann warten, Schuriem. Wie geht denn sein ›Gefangener von San Sebastian‹?«
»Ausgezeichnet, Herr Werner. Und der ›Löwe von Transvaal‹ noch besser. Ich habe vorhin die Kontinuation für das einundsiebzigste Heft erhalten. Zweiundneunzigtausend Abnehmer – das will was sagen!«
»Es macht sich. Aber wer gab die Ideen? Und die Titel? – Ich, lieber Schuriem – ich! Ich habe immer die Ansicht verfochten, daß man Zeitereignisse heranziehen muß. Mit der ›Rose von Cuba‹ haben wir glänzende Geschäfte gemacht –«
»Obwohl der halbe Roman aus Retcliffes ›Nena Sahib‹ abgeschrieben war –«
»Dafür haben wir dem Autor auch das Honorar gehörig gekürzt. Und die ›Rose‹ zog doch – unser Publikum ist nicht so empfindlich. Für die letzten Hefte des ›Brigantenbastard‹ will ich übrigens schlechteres Papier haben, Schuriem –«
»Mein Gott, Herr Werner, es läßt sich ja so schon kaum noch auf dem Papier drucken –«
»Papperlapapp – das sind Redensarten. Für eine verlorene Sache gebe ich nichts mehr aus. Wir nehmen für die letzten Hefte das Zeitungspapier Steigerwald Probe t. Das ist gut genug. Nun lassen Sie, bitte, den Herrn Düren herein! …«
Währenddessen hatte im Wartezimmer Herr Pawel seinem Kölner Freunde eine halbe Lebensgeschichte in das Ohr geflüstert, mit leiser, zitteriger Stimme, dicht neben Düren stehend, so daß dieser des andern fieberheißen Atem spürte. Düren war diese Offenherzigkeit sichtlich peinlich: Pawel nahm wenig Rücksicht auf seine Brotherren, und der Junge, der in der Fensternische mit Hilfe seines Taschenmessers ungeniert eine Frühstückssemmel verzehrte, warf von Zeit zu Zeit einen lauernden Blick auf die beiden. Als im Nebengemache der Name Pawels genannt wurde, fuhr der blonde Herr erregt empor und faßte Düren mit beiden Händen an die Rockklappe.
»Hören Sie,« wisperte er, » ich kann warten – ja, ich kann warten, und wenn ich nicht das Maul halte und mich willig füge, dann werd' ich einfach vor die Thür gesetzt, und ein andrer kommt und schmiert meine Romane zu Ende. Hunderte finden sich im Handumdrehen – Sie ahnen ja gar nichts wie sich das geistige Proletariat in diesem Berlin zu Haufen sammelt! Ach, liebster Düren, wär' ich nur in Köln geblieben! Das war doch wenigstens menschenwürdige Arbeit, die ich Ihnen zu liefern hatte – wenigstens –«
In diesem Augenblick knarrte die Thüre, und ein langer, hagerer Herr in einem bis oben hin zugeknöpften, arg abgeschabten schwarzen Rock erschien auf der Schwelle und sagte mit feiner, dünner Stimme: »Herr Düren, wenn ich bitten darf! …« Hierauf nickte er Pawel freundlich zu und fügte wohlwollend an: »Sie kommen auch gleich heran, Herr Pawel« – worauf der Angeredete mit ruhiger Gelassenheit entgegnete: »Schön, Herr Schuriem – ich gehe auch nicht eher fort, eh' ich nicht vorgelassen bin. Ich habe nämlich Zeit. Die Revolution auf Cuba eilt mir nicht, und der Gefangene von San Sebastian schläft gerade …«
Franz reichte Pawel die Hand.
»Ich hoffe auf Wiedersehen,« sagte er. »Steht Ihre Wohnung im Adreßbuch?«
»Nein, aber ich will Ihnen meine Karte geben … Hier, lieber Freund – und sollte ich zufällig nicht zu Hause sein, so finden Sie jedenfalls meine Schwester vor. Vergessen Sie uns nicht! Ich bin so froh, wenn ich mich einmal mit einem vernünftigen Menschen aussprechen kann. Mein ganzer geistiger Verkehr besteht aus Gesindel – ach du lieber Gott, was für Gesindel! …«
Schuriem, der Faktor des Geschäfts, öffnete etwas demonstrativ die Nebenthür, um die Klagelieder Pawels abzuschneiden. Düren trat in ein großes Gemach, in dem zwei Herren an Pulten arbeiteten. Jedes dieser Pulte stand vor einem Fenster und war dicht mit Papieren bedeckt. An den Wänden lagen zusammengeschnürte Ballen einzelner Romanhefte in gelben und roten illustrierten Umschlägen, und auch über den großen und breiten Mitteltisch waren derartige Hefte zahlreich verstreut. Die Luft im Zimmer war schlecht und mit Tabaksrauch erfüllt.
Beim Eintritt Franzens erhob sich einer der Herren, ein starker Mann in vernachlässigter Toilette, den Rock mit Fettflecken und Tintenspritzern bedeckt, die Weste nur halb geschlossen – ein Mann mit dickem, rotem Gesicht, wie ein Viehhändler ausschauend.
»Habe die Ehre – freut mich, Herr Düren,« sagte er, Franz die gewaltige Hand entgegenstreckend. »Ich habe schon von Ihrem Pech gehört – sehen Sie, das ist die Folge davon, wenn man erzieherisch auf das Volk einwirken will. Als man mir von Ihrem Kolportageunternehmen erzählte, sagte ich gleich zu Pofahl: Pofahl, das ist kein Konkurrent; der Düren ist unrettbar verloren; ich kenne unser Publikum besser … Herr Düren, erlauben Sie mir – Herr Friedrich Pofahl, mein Associé.«
Nun erhob sich auch der zweite Herr, der mit dem rauhen und krächzenden Organ: ein magerer Mensch mit eingefallenen Wangen, auf denen sich zirkelrote Flecke abzeichneten, tief in den Höhlen liegenden, stechenden dunkeln Augen und kurzgeschorenem schwarzgrauen Haar. Im Gegensatz zu seinem Compagnon war Herr Pofahl mit äußerster Sorgfalt, fast dandyhaft gekleidet; um den Hals trug er, trotz der drückenden Hitze im Zimmer, ein shawlartiges wollenes Tuch.
»Freue mich sehr, Herr Düren,«, sagte auch Pofahl und verbeugte sich untadelhaft. »Allerdings, ich muß bestätigen, was der Herr Werner da ausführte: ihm ahnte von vornherein der Mißerfolg Ihres Unternehmens –«
»Von vornherein,« fiel Werner ein. »Ich hab' das im Blick, lieber Herr Düren, im Blick. Pofahl hat auch einmal den Gedanken gehabt, dem Volke Besseres zu bieten. Da hatten wir einen Roman aus dem Englischen, eine Kriminalgeschichte mit vielen und recht unterhaltsamen Verbrechen, auch Kindsunterschiebung, Bigamie und Banknotenfälschung waren dabei – also ganz vernünftige Zuthaten zu einem Kolportagewerk – aber das Unglück war, was soll ich Ihnen sagen, der litterarische Schliff der Geschichte. Es ging nicht stramm genug vorwärts; der Autor legte zu viel Gewicht auf psychologische Entwicklung – und das wollen unsre Leute eben nicht. Seh'n Sie sich da drüben mal das hundertste Heft von ›Marino Marinelli oder Graf und Galeerensklave‹ an; das ist der unglaublichste Jux, der je geschrieben worden ist, und wir haben ihn im Herbst zum dritten Male neu auflegen lassen müssen. Und, lieber Herr Düren, was sind das für Auflagen! Da können sich die übrigen Romanverleger in alle Ecken verkriechen! Vom ›Marino Marinelli‹ haben wir insgesamt mehr als zehn Millionen Hefte abgesetzt. Das fluscht, mein Alterchen!«
»Zehn Millionen Hefte,« wiederholte Düren. »Kann stimmen. Das Heft zu zehn Pfennigen mit fünfzig Prozent Rabatt an die Kolporteure. Ausgaben alles in allem – wollen einmal sagen zweimalhundertfünfzigtausend Mark. Bleibt Ihnen immer noch ein runder Verdienst von beinahe ebensoviel. Und das bei einem einzigen Werke! Ich gratuliere.«
Beide Herren lachten und Pofahl erwiderte: »Ginge nur alles so glatt. Aber wir haben auch manchen Nackenschlag. Es ist immerhin ein hartes Geschäft, Herr Düren.«
»Eine ewige Angst,« setzte Werner hinzu. »Das erste Heft, der Lockvogel, wird bei uns gewöhnlich in einer Auflage von zwei Millionen Exemplaren gedruckt. Dies Heft kostet nur; es bringt uns gar nichts. Ratzeweg gar nichts. Beim zweiten fangen die Sorgen an. Wieviel feste Bestellungen werden die Kolporteure bringen? Nehmen wir wirklich an, die Zweimillionenauflage hat zweimalhunderttausend Esel eingefangen. Was bleibt bei den weitern Heften? Beim dreißigsten springen die Abonnenten wie die Fliegen ab. Beim einunddreißigsten weiß man gar nicht mehr, in welcher Höhe man die Auflage drucken lassen soll. Man druckt aufs ungewisse und ins unbestimmte hinein, in der Hoffnung, daß es mit dem Vertrieb der frühern Hefte noch nachklappern wird. Aber wie oft täuscht man sich! Das. von dem man sich am meisten verspricht, liegt oft wie Blei. Gucken Sie einmal unten in das Lager hinein! Makulatur, wohin das Auge schaut! …«
Düren hatte sich auf einen Stuhl zwischen den Pulten gesetzt. Er war unruhig geworden. Daß diese beiden Leute vortreffliche Geschäfte machten, war klar. Aber es schien, als besäßen sie wenig Unternehmungsgeist; sie waren im Grunde genommen Kleinigkeitskrämer, sie hatten keinen weiten Blick. Es war auch nicht von ihnen zu verlangen. Werner war bis vor fünf Jahren Faktor in einer Druckerei gewesen; der halsleidende Pofahl hatte ein Lampengeschäft besessen. Lediglich der Zufall hatte die beiden zusammengeführt. Düren kannte die Entstehungsgeschichte der Firma genau; er hatte seiner Zeit sein eigenes Kolportageunternehmen an Werner & Co. verkaufen wollen; man hatte aber gedankt. Nun er ihnen gegenüber saß, war er plötzlich zweifelhaft geworden, ob er von seiner Zeitungsidee sprechen sollte. Er traute den beiden nicht. Vielleicht hörten sie ihn ruhig an, wiesen ihn ab und nahmen allein sein Projekt auf. Das war alles möglich.
Während er noch schwankte, ob es nicht vernünftiger sein würde, nach einigen allgemeinen Redensarten wieder fortzugehen, begann Pofahl abermals nach kurzem Krächzen und Räuspern: »Haben Sie irgend etwas Neues vor, Herr Düren? …«
Franz ließ den Blick rasch von einem zum andern gleiten. Er sah in zwei aufmerksam werdende, sehr gespannte Gesichter. Die beiden hatten absichtlich noch nichts von der ›wichtigen Angelegenheit‹ erwähnt, noch keine Frage an ihn gerichtet, was ihn herführe. Aber sicher – sie fieberten vor Neugier, zu erfahren, was er wollte, obschon sie die kühl zurückhaltenden Geschäftsleute spielten …
»Ja – ich habe etwas Neues vor,« erwiderte Franz nach kurzem Besinnen; »und ich bin nach Berlin gekommen, um mir einen kapitalkräftigen Compagnon zu suchen.«'
»Das Geld liegt auf der Straße,« bemerkte Werner. »Uebrigens, für ein wirklich gutes Unternehmen würden wir auch zu haben sein.«
»Auch für eine Zeitung?« fragte Düren lauernd.
»Nein!« schrieen Pofahl und Werner zugleich, und der letztere fügte lachend hinzu: »Lieber Herr Düren, wir sind doch keine Schafsköpfe! Wir wollen doch Geld verdienen! Es gibt genug Zeitungen in Berlin.«
»Aber keine solche, wie ich sie plane.«
»Na – und? Was planen Sie denn?«
Einen Augenblick zögerte Düren noch, dann entgegnete er schnell: »Eine Zeitung für dieselben großen und breiten ungebildeten Massen des Volks, an die Ihre Kolportagelitteratur sich wendet – sagen wir meinetwegen: ein Organ für den meinungslosen Pöbel …«
Werner und Pofahl schauten ernst auf den schlanken jungen Mann mit dem intelligenten, fröhlichen Gesicht. Sie hatten das, was Düren wollte, noch nicht so recht begriffen, aber sie witterten bereits Großes dahinter – eine unheimliche Macht, die vielleicht auch dem Absatz ihrer Verlagswerke gefährlich werden konnte.
Pofahl trat hinter seinem Pulte hervor und setzte sich mit einem Bein auf den Mitteltisch. Er antwortete nichts, sondern spielte nur nervös mit seiner Uhrkette. Werner dagegen vermochte nicht mehr an sich zu halten. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und rief: »Donnerwetter, der Gedanke ist gut! Ein Organ für den Plebs – das gibt's noch nicht! Wir haben Blätter für die obern Zehntausend, für das brave Bürgertum, für das demokratische und sozialdemokratische Volk. Aber ausgesprochen für die unterste Schicht, für die Hunderttausende, die unsre Romane verschlingen, für die Neigungen des Pöbels – nein, das haben wir noch nicht! Der Gedanke ist gut … Und welcher politischen Partei soll die Zeitung dienen? Doch nur der sozialistischen. Ich bin zwar selbst liberal, aber ich pfeife auf meine Gesinnung, wenn es sich um bar Geld handelt …«
Düren fühlte, daß er Oberwasser hatte. Nun wurde er vorsichtiger.
»Ich bin ein Geschäftsmann wie Sie, meine Herren,« sagte er, »und muß mich schützen. Geben Sie mir einen Revers, in dem Sie sich gegen eine Buße von hunderttausend Mark verpflichten, das geplante Blatt, das ich ›Volksbote‹ taufen möchte, nicht ohne meine Mitarbeiterschaft und Mitbeteiligung herauszugeben – und Sie werden sodann Näheres von mir hören …«
Werner schaute seinen Compagnon fragend an. Pofahl verzog das Gesicht, krächzte und meinte sodann: »Dagegen ist nichts zu sagen. Geschäft ist Geschäft. Entwerfen Sie den Revers, Werner! …«
Die große Hand Werners glitt bereits über das Papier. Er war so neugierig, daß er mit fieberhafter Hand schrieb. Düren nahm den Revers, las ihn aufmerksam durch und steckte ihn in seine Brieftasche.
»Also hören Sie, meine Herren,« begann er von neuem. »Mein Blatt soll gar keiner politischen Partei dienen – es soll parteilos sein. Es wird sich politisch lediglich auf die Berichterstattung beschränken und. auch diese dem Publikum mundgerecht zu machen suchen. An Stelle der langweiligen Leitartikel sollen frisch und volkstümlich geschriebene Plaudereien treten, die den Leser über alles Wissenswerte in der hohen und niedern Politik in quasi unterhaltender Form, sozusagen spielend orientieren. Der kleine Handwerker hat gar keine Zeit dazu, sich durch die parlamentarischen Stenogramme hindurchzuwinden; er ist überhaupt kein Politiker. In seiner freien Zeit will er sich amüsieren. Das soll er auch, wenn er den ›Volksboten‹ zur Hand nimmt. Das Blatt wird sich schon in seiner äußern Physiognomie wesentlich von allen andern Zeitungen unterscheiden. Ich denke nicht daran, die regelrechte Einteilung: Leitartikel, innere und äußere Politik, lokale Chronik und so weiter beizubehalten. Ich stelle vielleicht einmal den ausführlichen Bericht über einen sensationellen Mord an die Spitze –«
»… oder die Geschichte eines interessanten Einbruchs mit einer Abbildung des Thatorts oder das Referat über einen. vielbesprochenen Prozeß mit den Porträts der Angeklagten. Der ›Volksbote‹ soll also ein Klatschblatt sein. Ich spreche das ruhig aus. Die Kreise, an die wir uns wenden, sind geistig zu arm, um Belehrung und Wissen ertragen zu können: sie wollen nichts weiter als eine wenig ermüdende Unterhaltung, wollen Kolportagelektüre im Zeitungsformat …«
Pofahl schritt im Zimmer auf und ab. Was war das für ein Mensch, dieser Düren! Sein verfehltes Unternehmen hatte ihm die Augen geöffnet. Er hatte das Volk kennen gelernt – er beurteilte es richtig. Seine Idee war glänzend. Herrgott, warum war man nicht selber darauf gekommen!. »Kolportagelektüre im Zeitungsformat« – ausgezeichnet! Und die ruhige Gewissenlosigkeit, mit der er das alles vortrug! Ein vortrefflicher Geschäftsmann. Den mußte man festhalten.
»Von diesem Standpunkte aus,« fuhr Düren gelassen fort, »soll das ganze Blatt redigiert werden. Wir haben durchaus nicht die Absicht, das Volk zu erziehen – das überlassen wir andern – sondern wollen vielmehr seinen Neigungen entgegenkommen. Der lokale Teil und das bunte Vermischte werden infolgedessen einen großen Raum einnehmen. Besonderes Gewicht soll auf die Gerichtschronik gelegt werden; auch ausländische Blätter werden sie füllen helfen – es passieren genug Verbrechen in der Welt, und der kleine Mann liest so etwas gern. Als durchlaufenden Roman selbstverständlich eine ungeheuer spannende Geschichte; man könnte gelegentlich auch einmal den ›Grafen von Monte-Christo‹ unter neuem Titel abdrucken.«
»Das ist gut,« fiel Werner ein; »der zieht immer noch! Ich hatte selbst einmal die Absicht, den ›Monte-Christo‹ umzuarbeiten, die Handlung nach Deutschland zu verlegen, den Personen andre Namen zu geben und das Ganze als neuen Roman in die Welt zu schicken. Vielleicht unter dem Titel ›Der Goldgraf‹. Oder würden Sie ›Die Geheimnisse der Goldhöhle‹ für besser halten?«
»Bleiben wir doch bei der Sache,« ermahnte Pofahl ungeduldig. Er war vor Düren stehen geblieben. »Wissen Sie, daß mir Ihr Plan zusagt, Herr Düren? Ja wahrhaftig, ich halte ihn für ausgezeichnet. So ein Blatt fehlt uns. Es müßte natürlich billig sein.«
» Sehr billig,« erwiderte Franz. »Ich huldige trotz meiner schlechten Erfahrungen noch immer dem Grundsatze: die Masse muß es bringen. Wir würden Monatsabonnements einführen. Pro Monat fünfzig Pfennige. Das Fünfgroschenstück hat jeder übrig, Handliches Format, vielleicht Großquart. Anfänglich zwei Bogen. Da wir die Börse nicht zu berücksichtigen brauchen, so können wir auf zwei Bogen massenhaft Text unterbringen. Die Papiermenge wird freilich wachsen, wenn wir an Inseraten gewinnen. Und da wir von vornherein eine große Auflage drucken wollen, so wird es uns bei geeigneter Reklame auch nicht an Annoncen fehlen?«
»An welche Auflage denken Sie denn?« fragte Werner.
»Die Probenummer soll in einer halben Million Exemplare verausgabt werden. Wir müssen ganz Deutschland überschwemmen. In jede Werkstatt, in jede Dorfhütte, in jede Kellerwohnung soll der ›Volksbote‹ getragen werden. Vielleicht gebe ich das Blatt im ersten Monat gratis – ich verschenke es –«
Werner schlug wieder mit der flachen Hand auf sein Pult.
»Schwerebrett, Düren,« rief er, »Sie gehen gewaltig ins Zeug!«
»Das ist notwendig, Herr Werner. Geschickte Reklame ist alles. Der ›Volksbote‹ muß im Umsehen bekannt und populär werden. Man muß überall von ihm sprechen. Ich habe natürlich auch noch andre Köder in petto. Freie Rechtsbelehrung im juristischen Briefkasten; jeder Winkeladvokat macht uns das für ein paar Groschen Honorar. Freie ärztliche Beratung: vielleicht auch Unfallversicherung der Abonnenten; Gratisprämien, Verlosungen, naive Preisausschreiben; später einmal als Extrazugabe einen der Kolportageromane, die nicht mehr abzusetzen sind – wöchentlich ein Heft. In der ersten Zeit müssen die Lockvögel nur so schwirren …«
Pofahl und Werner hatten, während Düren sprach, verschiedentlich Blicke gewechselt. Sie waren einig miteinander. Werner kritzelte mit seinem Bleistift auf dem vor ihm liegenden Papier herum. Er schrieb fünfzigmal dieselbe Phrase nieder: »Kolportagelektüre im Zeitungsformat.« Das Wort hatte ihm imponiert.
»Haben Sie schon eine Kalkulation aufgestellt?« fragte Pofahl. Ein Hustenanfall erschütterte ihn.
Düren nickte. »Bis auf Heller und Pfennig, Herr Pofahl. Aber sie umfaßt ein paar Bogen; ich habe sie nicht bei mir. Ich werde sie Ihnen vorlegen, wenn wir uns über die Grundzüge unsrer Geschäftsverbindung einig sind.«
»Wir werden uns rasch einigen,« bemerkte Werner eifrig.
»Das hoffe ich auch,« entgegnete Franz lächelnd. »Meine Wünsche sind vorderhand sehr geringe. Haben Sie in Ihren Geschäftsräumen ein paar Zimmer frei?«
»Jawohl,« erwiderte Pofahl, »drüben – über dem Papierlager – sechs Stuben; sie müßten nur neu tapeziert werden – das ist eine Kleinigkeit.«
»Große Zimmer, Herr Düren,« ergänzte Werner, »auch gut heizbar. Sie meinen für Redaktion und Expedition –?«
»Ja. Soviel ich weiß, sind Sie auch bei der Papierfabrik von Steigerwald und Ullrich beteiligt?«
»Sind wir –«
»Dann glaube ich in der That, daß eine Einigung nicht schwer sein wird. Ich beanspruche vorderhand nur für drei Monate freies Quartier für Redaktion und Verwaltung, freies Papier und freien Satz und Druck. Pardon – daß Sie mich nicht mißverstehen: nur Kredit für diese Zeit! Dazu für die Einrichtung und die Reklame ein zu vier Prozent verzinsbares Kapital von hunderttausend Mark.«
»Und unser Gewinn?« fragte Pofahl.
» Unser Gewinn, wenn die Geschichte glückt?« setzte auch Werner hinzu.
Düren erhob sich. Jetzt war er seiner Sache sicher.
»Darüber wollen wir reden, wenn ich Ihnen die Kalkulation vorgelegt habe,« erwiderte er. »Vorläufig genügt mir die Gewißheit, daß Ihnen mein Plan gefällt und daß Sie sich zu beteiligen wünschen …«
Werner hatte aus seinem Pult eine Cigarrenkiste hervorgeholt und präsentierte diese Düren. Die Cigarren sahen nicht gerade vertrauenerweckend aus, doch Werner lobte sie.
»Ein rauchbarer Tabak,« sagte er; »glimmen wir uns eine an … Also, lieber Düren – ja, wir wollen uns beteiligen. Sie sind unser Mann. Wir passen zusammen, wir gehören zusammen. Eine Zeitung gewöhnlichen Schlages – da hätte ich Nein gesagt –«
»Ich auch,« fiel Pofahl ein. »Man nennt die Presse die siebente Großmacht. Ist Unsinn. Die siebente Großmacht ist das Geld. Und deshalb ist mir's schon lieber, unser Druckpapier setzt sich in Mammon um als in politisches Wissen … Wann kommen Sie wieder, Herr Düren?«
»Morgen um diese Stunde, wenn es Ihnen recht ist.«
»Einverstanden … Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wenn wir uns über die Einzelheiten verständigt haben, setzen wir uns in die nächste Droschke und fahren zum Notar, um den Vertrag ausfertigen zu lassen. Wissen Sie übrigens, daß E. M. Volcker zum Herbst auch eine neue Zeitung herausbringen will?«
»Ich weiß es. Wir wollen abwarten, welche Bombe stärker einschlägt: unser Klatschblättchen oder die Volckersche Zeitung großen Stils … Meine Herren, also auf morgen!«
Die Associés schüttelten ihm warm die Hand. Werner geleitete ihn durch das Wartezimmer. Hier stand der blonde Pawel noch immer vor den Plakaten und harrte geduldig auf den Augenblick, da auch er vorgelassen werden würde. Werner grüßte ihn von oben, herab, und gerade diese hochmütige Bewegung veranlaßte Düren, stehen zu bleiben, Pawel auf die Schulter zu klopfen und mit Wärme zu äußern: »Hören Sie, lieber Herr Werner, den Mann hier lassen Sie mir nicht locker! Den brauchen wir bei unsrer neuen Sache! Ich kenn' ihn von Köln her und weiß seine Tüchtigkeit zu schätzen …«
Werner war ein wenig betroffen, denn er hatte Pawel bisher gleich allen seinen übrigen Fronarbeitern nur als Sklaven betrachtet, war auch von seiner Brauchbarkeit durchaus nicht so überzeugt; aber er nickte gefällig und meinte: »Ja, ja, eine tüchtige Kraft, unser Herr Pawel, eine sehr tüchtige Kraft, eine ganz außerordentlich tüchtige Kraft! … Habe die Ehre, Herr Düren – auf morgen! …« Und als Franz das Zimmer verlassen hatte, wandte sich Werner an den ob des Umschwungs der Gefühle ganz verblüfften Pawel und sagte: »So, mein Verehrtester, nun wollen wir in Ruhe miteinander plaudern. Haben Sie etwas auf dem Herzen? Wollen Sie ein paar hundert Mark Vorschuß? – Immer zu Ihrer Verfügung, lieber Herr Pawel …«
Daß der Anführer der »Räuberbande Werner & Co.« – wie Pawel seine Brotherren zu titulieren pflegte – daß der erhabene Chef selber ihm Vorschuß anbot, hätte der arme Schriftsteller nie im Leben erwartet. Er war ganz blaß geworden vor freudigem Schreck.